Psalmenkommentar von Charles Haddon Spurgeon

PSALM 98 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Dieses heilige Lied, welches einfach ein Psalm überschrieben ist, folgt passend auf das vorhergehende und nimmt in der Reihe der Königspsalmen eine wichtige Stelle ein. Beschreibt der 97. Psalm die Kundmachung des Evangeliums und damit die Aufrichtung des Himmelreichs, so ist der vorliegende Psalm eine Art Krönungshymne, in welcher unter Trompetenschall, Händeklatschen und festlichem Jubel dem siegreichen Messias als dem Alleinherrscher über alle Nationen gehuldigt wird. Es ist ein gar schwungvolles Lied, kühn in einer poetischen Sprache und lebhaft im Rhythmus. Die Gelehrten haben überzeugend nachgewiesen, dass viele der im Psalm gebrauchten Ausdrücke im zweiten Teile des Jesaia vorkommen; aber die Folgerung, dass der Psalm deshalb von Jesaia verfasst sein müsse, hat für uns keine Beweiskraft. Gälte dieser Grundsatz, so müsste die Hälfte der in der englischen Sprache geschriebenen Bücher dem Shakespeare zugeschrieben werden. Klar scheint uns, dass diese einander beigesellten Psalmen ein Mosaik bilden, in dem jeder einzelne Teil seinen geeigneten Platz hat und zur Vollständigkeit des Ganzen nötig ist. Deshalb halten wir dafür, dass sie alle das Erzeugnis eines und desselben Geistes sind. Demnach schreiben wir (vergl. die Vorbemerkung zu Ps. 95) auch den vorliegenden Psalm dem Sohne Jesses zu. Wer immer aber der Verfasser sei, das Lied gehört jedenfalls zu den inbrünstigsten und herzbewegendsten heiligen Gesängen.

Einteilung. Es sind der Strophen drei zu je drei Versen. In der ersten (V. 1-3) wird angezeigt, wem der Lobpreis gelten soll; in der zweiten (V. 4-6) wird vorgeschrieben, wie das Lob sich gestalten soll; und in der dritten (V. 7-9) wird die unbegrenzte Allgemeinheit für den Lobgesang in Anspruch genommen.


Auslegung

1. Singet dem HERRN ein neues Lied;
denn er tut Wunder.
Er siegt mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm.
2. Der HERR lässt sein Heil verkündigen;
vor den Völkern lässt er seine Gerechtigkeit offenbaren.
3. Er gedenkt an seine Gnade und Wahrheit dem Hause Israel.
Aller Welt Enden sehen das Heil unsers Gottes.


1. Singet dem HERRN ein neues Lied; denn er hat Wunder getan. (Grundtext) Schon im 96. Psalm haben wir die Aufforderung gehört, Jehovah ein neues Lied zu singen. Dort, weil der HERR im Kommen sei. Hier aber wird zu einem neuen Liede aufgerufen, weil der HERR gekommen ist, und zwar als mächtiger Sieger. Jesus, unser König, hat ein wunderbares Leben gelebt, ist einen wunderbaren Tod gestorben, ist kraft einer wunderbaren Erweckung auferstanden und in wunderbarer Weise gen Himmel gefahren. In seiner göttlichen Macht hat er den Heiligen Geist herniedergesandt, der neue Wunder wirkte, und in dieser heiligen Kraft haben auch seine Jünger wunderbare Dinge ausgerichtet, die alle Welt in Staunen setzten. Götzen sind gestürzt und Bollwerke des Aberglaubens gefallen, mächtige Irrtümer haben die Waffen gestreckt und furchtbare Gewaltreiche sind untergegangen. Für alles dies gebührt dem HERRN der höchste Lobpreis. Seine Taten haben seine Gottheit erwiesen; Jesus ist Jehovah, darum singen wir ihm als dem HERRN. Es half ihm (zum Sieg) seine Rechte und sein heiliger Arm. (Grundtext) Nicht mit Hilfe anderer, sondern durch seine eigene unbewaffnete Hand hat er die wunderbaren Siege errungen. Sünde, Tod und Hölle fielen dahin unter seiner selbsteigenen Tapferkeit, und die Götzen und die Irrtümer der Menschheit sind durch seine Hand allein gestürzt und zerschlagen worden. Die Siege, welche Jesus in der Menschenwelt errungen hat, sind umso wunderbarer, da sie durch Mittel erwirkt sind, die allem Anschein nach völlig unzulänglich waren. Sie sind nicht natürlicher, sondern sittlicher Macht zuzuschreiben, der Tatkraft der Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit, mit Einem Wort: der Kraft seines heiligen Armes. Seine heilige Einwirkung war die einzige Ursache seines Erfolges. Jesus lässt sich nie herab, schlaue Künste oder rohe Gewalt zu gebrauchen; seine unbefleckte Vollkommenheit sichert ihm wahren und dauernden Sieg über alle bösen Mächte, und diesen Sieg erringt er ebenso leicht und hurtig, wie wenn ein Kriegsheld seinen Widersacher mit der Rechten trifft und kopfüber zu Boden streckt. Heil dem Überwinder! Lasst neue Lieder ihm zu Ehren erschallen!
  Das Heil, welches Jesus ausgewirkt hat, ist wunderbar weise zustande gebracht worden; darum wird es seiner rechten Hand zugeschrieben. Es entspricht völlig den Forderungen der Gerechtigkeit; darum lesen wir, dass sein heiliger Arm es ausgerichtet hat. Es ist sein ureigenes, ohne jede Beihilfe zustande gekommenes Werk; darum wird alle Ehre ihm allein zugeschrieben. Und es ist über alle Maßen wunderbar; darum geziemt es sich, es mit einem neuen Lied zu preisen.

2. Der HERR hat sein Heil kundgetan (Grundtext): durch die Erscheinung Jesu und durch die Ausgießung des Heiligen Geistes, in dessen Kraft das Evangelium unter den Heiden verkündigt ward. Der HERR ist zu preisen nicht nur dafür, dass er das Heil für die Menschen erwirkt hat, sondern auch dafür, dass er es kundgemacht hat; denn aus sich selbst hätte der Mensch es nie entdeckt. Ja, auch nicht eine einzige Seele hätte je für sich diesen wunderbaren Weg des Heils, dass nämlich wir Sünder durch einen Mittler der Gnade teilhaftig werden, herausgefunden; in jedem einzelnen Falle ist es eine göttliche Offenbarung an Sinn und Herz. Nur in Gottes eigenem Lichte sehen wir das Licht. (Ps. 36,10.) Er muss seinen Sohn in uns offenbaren (Gal. 1,16), sonst werden wir nie fähig sein ihn zu erkennen. Vor den Augen der Völker offenbarte er seine Gerechtigkeit. (Grundtext) Gottes Gerechtigkeit, das ist gerade ein Lieblingsausdruck des Apostels der Heiden geworden; er verweilt mit Vorliebe bei der wunderbaren Weise, wie der HERR den Menschen gerecht macht und die göttliche Gerechtigkeit dabei durch das Blut der Sühne wahrt. Was für fröhliche Lieder sollten wir, die wir einem einstmals heidnischen Geschlechte angehören, dem HERRN ob dem gesegneten Evangelium darbringen, welches in sich hat Gottes selig machende Kraft, denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit Gottes aus Glauben in Glauben! (Röm. 1,16 f. wörtl.) Das ist kein rätselhaftes Geheimnis; es wird in der Schrift klar gelehrt und ist der Völkerwelt deutlich verkündigt worden. Was vordem in den Sinnbildern des Alten Bundes verborgen war, ist im Evangelium vor den Augen der Völker enthüllt worden.

3. Er gedachte an seine Gnade und Wahrheit (oder Treue) dem Hause Israel. (Grundtext) Zu denen vom Hause Israel kam Jesus ja im Fleische, und ihnen ward das Evangelium zuerst verkündigt; und obwohl ihrer die meisten sich selbst des ewigen Lebens nicht wert achteten (Apg. 13,46), ward doch der Bund nicht aufgehoben, denn das wahre Israel ward zu der Gemeinschaft mit Gott berufen und steht noch darin. Die Gnade, die da ewiglich währt, und die Treue, die das gegebene Versprechen nimmer vergessen kann, sichern dem erwählten Samen das durch den Gnadenbund vorlängst verbürgte Heil. Aller Welt Enden sahen das Heil unsers Gottes. (Grundtext) Nicht nur dem eigentlichen Samen Abrahams, sondern den Auserwählten unter allen Völkern ist Gnade erwiesen worden; darum soll die ganze Gottesgemeinde ihrem Erlöser ein neues Lied anstimmen. Es war fürwahr kein geringer Segen, kein kleines Wunder, dass das Evangelium in so kurzer Zeit mit solch erstaunlichem Erfolg und solch bleibenden Wirkungen durch alle Lande verkündigt ward. Der Pfingstzeit gebührt so gut ein neues Lied wie der Passion und dem Auferstehungstag. Lasst unsre Herzen aufjubeln, sooft wir an jene Wunder der Gnade gedenken. Unser Gott, unser eigener, ewig preiswürdiger Gott ist geehrt worden von solchen, die sich einst vor stummen Götzen neigten. Und man hat bei allen Völkern nicht nur von seinem Heil gehört, sondern es ist gesehen worden; es ist nicht nur verkündigt, sondern auch erfahren worden: Gottes Sohn ist in der Tat und Wahrheit der Heiland einer großen aus allen Völkern gewonnenen Schar geworden.


4. Jauchzet dem HERRN, alle Welt.
Singet, rühmet und lobet!
5. Lobet den HERRN mit Harfen,
mit Harfen und Psalmen;
6. mit Trompeten und Posaunen
jauchzet vor dem HERRN, dem Könige!

In diesen drei Versen wird uns gezeigt, wie wir den HERRN preisen sollen.

4. Jauchzet dem HERRN, alle Welt. Jegliche Zunge soll Jehovah zujubeln, und das mit einer Kraft, wie sie allein die innige Freude hervordrängen kann. Wir sollen es machen wie das Volk, das seinem König das Willkommen bietet. Laute Hosianna voller Begeisterung sollen ertönen. Wenn je, dann sollten wahrlich doch die Menschenkinder jauchzen, wenn der HERR zu ihnen kommt mit der Ankündigung seines Gnadenreiches. John Wesley rief einmal seinen Zuhörern zu: "Singt heraus aus voller Brust! Hütet euch, so zu singen, als wäret ihr halb tot oder beinahe eingeschlafen; erhebt eure Stimme mit Macht. Schont eure Kehle nicht mehr, als da ihr des Teufels Lieder sanget. Damals waret ihr doch nicht ängstlich, eure Stimme hören zu lassen; wollt ihr euch jetzt davor schämen?" Singet, rühmet (wörtl.: brecht aus und jubelt, d. h. brecht in Jubel aus) und lobet. Lasst euer Rühmen auf jegliche Weise laut werden, macht jede Art Musik dem erhabenen Zwecke dienstbar, bis das gehäufte Lob den Himmel zum Widerhall der frohen Töne nötigt. Es hat keine Gefahr, dass wir bei dem Verherrlichen des Gottes unsres Heils allzu herzhaft werden; wir müssen nur zusehen, dass unser Lobpreis wirklich von Herzen komme, sonst ist auch die kunstvollste Musik in Gottes Ohren nichts als wüster Lärm, ob die Töne aus Menschenkehlen oder Orgelpfeifen oder weit tönenden Posaunen kommen. Mit kräftigem Schall lasse unser Herz die Ehre unsres siegreichen Heilandes erklingen; mit aller Macht wollen wir den HERRN erhöhen, der alle unsre Feinde überwunden und unser Gefängnis gefangen geführt hat. In diesem edlen Wettstreit wird der den Preis davontragen, der Jesum am inbrünstigsten liebt.

5. Lobet den Herrn mit Harfen. Die Kunst der Musik sollte niemals dadurch entweiht werden, dass man sie der ausgelassenen Weltlust dienstbar macht, sondern sollte stets, ihrer edlen Bestimmung gemäß, der häuslichen Erbauung der Gläubigen zur Förderung dienen. So pflegte Martin Luther den HERRN, den er so innig liebte, im Kreis der Seinen mit der Laute zu preisen. Das Lob Gottes sollte so schön wie möglich erklingen, aber die eigentliche Lieblichkeit desselben liegt doch in seinem geistlichen Gehalt. Der Zusammenklang von Glaube und Buße, die Harmonie von Gehorsam und Liebe, das ist in den Ohren des Höchsten die wahre Musik, das gefällt ihm besser als der Lärm keuchender Windbälge, ob auch des tüchtigsten Meisters Hand ihnen die Töne entlockt. Mit Harfen. Ein gar liebliches Instrument, das großen Ausdrucks fähig ist. Die Wiederholung des Worts ist höchst dichterisch und zeigt, dass die gewähltesten Formen der Poesie nicht zu köstlich sind, wo sie dem Lob Jehovahs gilt. Die Anbetung Gottes sollte schlicht sein, aber nicht ungeschlacht. Steht uns Zierlichkeit des Ausdrucks zu Gebote, so gibt es Gelegenheiten genug, bei welchen sie höchst passend zur Anwendung kommen kann. Der Gott, der das kunstlose Lied des Pflügers gerne annimmt, weist doch auch die fließenden Verse eines Paul Gerhardt oder die erhabenen Ergüsse eines Klopstock nicht zurück. Nicht alle Wiederholungen sind müßig, in heiligen Liedern sind sie oft gar anmutig und nützlich; sie heben gewisse Wahrheiten mit besonderer Kraft hervor und schüren die Glut im Herzen, bis das Feuer der Seele hell auflodert. Auch Prediger tun nicht übel, wenn sie bei einem Wort sonderlich verweilen und es wieder und wieder hervorheben, bis auch dicke Ohren die Kraft der Wahrheit verspüren. Und Psalmen, engl. Übers.: mit der Stimme eines Psalms.1 Die menschliche Stimme ist vieler Wandlungen fähig. So gibt es den Gesprächston, den Klageton, den Befehlston, den flehenden Ton, und es sollte auch der Psalmenton bei unser jedem zu vernehmen sein. Die menschliche Stimme erreicht ihr Bestes, wenn sie im besten Geist die besten Worte dem besten Herrn zu Ehren singt. Irdische Liebe und menschliche Heldentaten dürfen die singende Muse nicht ganz in Beschlag nehmen; die lieblichsten Weisen sollten von Gottes Liebe und den Siegen Immanuels wachgerufen werden. Singen wir wohl genug dem HERRN? Könnten uns nicht die Vöglein am Himmel wegen unsres grämlichen, undankbaren Schweigens strafen?

6. Mit Trompeten und Posaunen (-Schall) jauchzet. Die Anbetung Gottes sollte sich in herzhaft lauten Tönen kundtun. Die weit schallenden Trompeten und Posaunen sind Sinnbild der Kraft, mit welcher das Lob aus unserem Herzen strömen sollte. Vor dem HERRN, dem Könige. Am Krönungstage oder wenn gefeierte Herrscher durchs Land ziehen, jauchzt das Volk und die Posaunen schallen, bis die Mauern von den Festesklängen widerhallen. Sollten die Menschen für ihre irdischen Fürsten mehr begeistert sein als für den himmlischen König? Ist denn keine Treue mehr bei den Untertanen dieses herrlichsten, ja einzigen Herrschers? König Jehovah ist sein Name, und es gibt seinesgleichen nicht; wollen wir ihm denn nicht zujauchzen? O dass die Herrlichkeit der Königsmacht Jesu sich unseren Seelen recht enthülle, so wird es bald aus sein mit dem kaltherzigen, von der dröhnenden Orgel erstickten Gemurmel, das jetzt so oft die Stelle herzinnigen Gemeindegesanges vertritt.


7. Das Meer brause und was darinnen ist;
der Erdboden und die darauf wohnen.
8. Die Wasserströme frohlocken,
und alle Berge seien fröhlich
9. vor dem HERRN; denn er kommt, das Erdreich zu richten.
Er wird den Erdboden richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit Recht.


7. Das Meer brause und was darinnen ist. Ja, auch das Donnern der Wasserwogen ist eine nicht zu großartige Musik bei solchem Vorhaben. Händel hätte bei manchen seiner gewaltigen Chöre gewiss gerne solche Kraft in Dienst genommen, um seine erhabenen Gedanken und Gefühle zum Ausdruck zu bringen, und der von Gott begeisterte Psalmist hat fürwahr daran wohl getan, das unvergleichliche Brausen des Meeres zu Hilfe zu rufen. Das Meer ist des HERRN, so preise es seinen Schöpfer! Es trägt in und auf seinem Schoße einen reichen Schatz göttlicher Güte; warum sollte ihm in dem Orchester der Natur ein Platz versagt werden? Seines Basses Grundgewalt stimmt trefflich zu den tiefen Geheimnissen der göttlichen Herrlichkeit. Der Erdboden und die darauf wohnen. Das Festland soll mit dem Ozean einstimmen. Berg und Tal, Stadt und Land sollen den Jubelklang weitertragen, der den Allherrn willkommen heißt. Gibt es wohl ein erhabeneres Dichterwort als dieses? Die Musen des Parnassus können es der Muse Zions nicht gleich tun; der kastalische Quell hat nie so klar gefunkelt wie der Born des Heils, dem die heiligen Sänger ihre Begeisterung zuschreiben. Und doch erreicht kein Lied die Erhabenheit seines Gegenstandes, wenn König Jehovah gepriesen werden soll.

8. Die Wasserströme (sollen) frohlocken, wörtl.: in die Hände klatschen. Die wallenden Flüsse, die von Flut und Ebbe bewegten Strommündungen und die rauschenden Wasserfälle, sie werden hier aufgefordert, dem Allmächtigen zu huldigen und gleichsam die Hände zusammen zu schlagen, wie Menschen es tun, wenn sie ihren Fürsten frohlockend begrüßen (2. Könige 11,12). Und alle Berge seien fröhlich in Gemeinschaft mit den Wasserfluten. Die so schweigsamen Berge mögen ihre Natur vergessen und in einem heiligen Überschwang von Wonne ihre Stimme laut werden lassen.

9. Vor dem HERRN, denn er kommt, das Erdreich zu richten. Musik sanfterer Art, die die Sterne mit ihren freundlichen Äuglein blinken machte, ziemte bei dem ersten Kommen des HERRN in Bethlehem; bei seinem zweiten Kommen aber sollen die Trompeten tönen; denn dann erscheint er als Richter. Und die ganze Welt soll ihm alsdann zujauchzen, da er mit königlicher Pracht umgürtet ist. Die Regierung Christi ist der tausendjährige Wonnemond der Natur. Alle Kreatur segnet sein Zepter; ja, schon das Nahen seines Reiches entfesselt hehren Jubelklang. Wie bei des Tages Anbruch die Erde vor Freude weint, bis ihr die Tautröpflein in den Augen stehen, so soll das Herannahen der Weltherrschaft Jesu die ganze Schöpfung mit Wonne füllen. Er wird den Erdboden richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit Recht. Dies eben ist der Grund der Freude. Er ist kein Zwingherr und kein Schwächling; er unterdrückt nicht die Guten und begünstigt nicht die Nichtsnutzigen; sein Gesetz ist gut, seine Taten sind rechtschaffen, seine Regierung die Verkörperung der Gerechtigkeit. Gibt es in dieser armen mit Weh und Leid geschwängerten Welt irgendetwas, worüber man sich freuen kann, so ist es das Kommen eines solchen Befreiers, die Thronbesteigung eines so herrlichen Herrschers, dem alles untertan werden soll. Willkommen, o Jesu, von Herzen willkommen! Unsre Seele versinkt in Entzücken beim Rauschen deines nahenden Siegeswagens und kann nur rufen: Komm bald! Ja, komme bald, Herr Jesu!


Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Der Gegenstand des Psalms ist das Lob Jehovahs. Das Lied zerfällt in drei Strophen zu je drei Versen. Der erste Teil zeigt, weshalb, der zweite, wie, und der dritte, von wem Jehovah gepriesen werden soll. Frederick Fysh 1850.
  Die syrische Übersetzung überschreibt den Psalm: "Von der Erlösung des Volkes aus Ägypten"; aber das "neue Lied" ist nicht das Lied Moses, sondern das Gegenbild dieses, vergl. Off. 15,3. Dort am Meer erscholl das "Jehovah ist König worden" erstmals, hier wird die Vollendung des dort angehobenen Anfangs besungen, die schließliche Glorie des durch Gericht zu voller Wirklichkeit hindurchbrechenden göttlichen Reiches. Anfang und Schluss sind aus Ps. 96. Dazwischen ist fast alles aus Jes. 40-66. Dieses Buch des Trostes für die Exilanten ist wie ein kastalischer Quell für die religiöse Lyrik geworden. - Nach dem Kommentar von Prof. Franz Delitzsch † 1890.
  Der Psalm ist offenbar eine Weissagung von dem Kommen Christi zur Rettung der Welt; und was hier von dem Psalmisten vorhergesagt ist, wird in dem Liede der gebenedeiten Jungfrau als in der Erfüllung begriffen besungen. Der Psalm ist die Stimme, Maria gleichsam das Echo.
1. Die Stimme: Singet dem HERRN ein neues Lied.
Das Echo: Meine Seele erhebt den HERRN.
2. Die Stimme: Denn er hat Wunder getan.
Das Echo: Denn er hat große Dinge an mir getan.
3. Die Stimme: Es half ihm (zum Sieg) seine Rechte und sein heiliger Arm.
Das Echo: Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreuet. usw.
4. Die Stimme: Der HERR hat sein Heil kundgetan; vor den Augen der Völker offenbarte er seine Gerechtigkeit.
Das Echo: Seine Barmherzigkeit währet immer für und für bei denen, die ihn fürchten.
5. Die Stimme: Er gedachte an seine Gnade und Treue dem Hause Israel.
Das Echo: Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf.
  Die Parallelen sind auffallend; Maria hat offenbar diesen Psalm im Sinn gehabt, als sie ihren Lobgesang dichtete. Und das zeigt, dass der Psalm, mag er auch auf den vorbildlichen Errettungen aus Ägypten und Babel fußen, schließlich doch auf die Erlösung der Welt durch Jesum Christum zu deuten ist. Und um diese anzukündigen, kann keine Sprache zu stark, kein dichterisches Bild zu erhaben sein. Adam Clarke † 1832.


V. 1. Er hat Wunder getan. (Wörtl.) Er hat seine Erhabenheit und seine Güte in dem Erlösungswerke erschlossen. Was für Wunder hat Christus nicht getan! Beschaue seine Wunder, von seiner Menschwerdung bis zu seinem - o Wunder über Wunder - Kreuzestode, seiner Auferstehung und Himmelfahrt und der Erfüllung der Welt mit dem Evangelium! Nach Adam Clarke † 1832.
  Es half ihm seine Rechte und sein heiliger Arm. (Wörtl.) Aus Jes. 59,16; 63,5. An beiden Stellen steht der Arm Gottes den gewöhnlichen Mitteln gegenüber, die, wiewohl sie der Macht Gottes nichts abbrechen, doch ihren Anblick manchmal wie Vorhänge verhüllen. Jean Calvin † 1564.
  Die Schöpfung ist das Werk der Finger Gottes (Ps. 8,4), die Erlösung ein Werk seines Armes - ja seines Herzens: selbst das blutete sich zu Tode, um es zu vollbringen. Thomas Adams 1614
  Ein Pfarrer in Irland hatte mehrere Wochen hindurch im Gottesdienst einen kleinen zerlumpten Knaben bemerkt, der jeden Sonntag kam und sich mitten im Chorgang der Kanzel gerade gegenüber hinstellte, wo er mit gespanntester Aufmerksamkeit dem Gottesdienst folgte. Der Pfarrer hätte gerne gewusst, was das für ein Kind sei, und beeilte sich darum mehrmals, gleich nach der Predigt hinauszugehen; aber er konnte es nie erspähen, denn so wie der Gottesdienst zu Ende war, war auch der Knabe verschwunden, und niemand vermochte über ihn Auskunst zu geben. Nach einiger Zeit erschien der Knabe nicht mehr. Es vergingen etliche Wochen, da kam ein Mann zu dem Pfarrer und sagte ihm, ein Schwerkranker verlange sehr nach ihm. Er setzte hinzu: "Ich schäme mich eigentlich, Sie zu bitten, den weiten Weg zu machen; aber es ist eins meiner Kinder, und er will niemand anders haben als Sie. Er ist ein merkwürdiges Kind und redet allerlei, das ich gar nicht verstehe." Der Pfarrer versprach zu kommen und machte sich bald auf den Weg, wiewohl der Regen in Strömen floss und es zwei Stunden Wegs in rauhem Bergland zu gehen galt. Als er an dem bezeichneten Ort ankam, sah er eine elende Hütte vor sich, an deren Tür der Mann ihn erwartete. Als er hineingeführt worden war, sah er, dass das Innere der Wohnung so erbärmlich war wie das Äußere. In einer Ecke auf ein wenig Stroh gebettet lag ein Kind, in dem der Pfarrer alsbald jenen Knaben wiedererkannte, der so regelmäßig seine Kirche besucht hatte. Wie der Prediger sich dem elenden Lager nahte, richtete sich der Knabe auf und rief, indem er die Arme emporhob: "Er hat gesiegt mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm" - und hauchte damit seine Seele aus. K. Arvine 1859.


V. 2. Der HERR hat sein Heil kundgetan: durch das Erscheinen des Sohnes Gottes im Fleisch und die Wunder, die dieser getan hat. Vor den Augen der Völker offenbarte er seine Gerechtigkeit: in dem Evangelium, siehe Röm. 1,17; 3,22. Benjamin Boothroyd † 1836.
  Kundgetan. Das hebräische Wort bezeichnet nicht nur ein Verkündigen (mit Worten), sondern ein Kundtun mit Tatbeweisen. Hinzugefügt ist das Wort offenbaren, das eigentlich aufdecken heißt, dass etwas bloß und klar daliegt. Damit ist das Wesen dieser evangelischen Kundmachung gar deutlich beleuchtet, im Gegensatz zu dem, was dunkel, in Schattenbilder und Vorbilder eingehüllt und durch die Zeremonien des Gesetzes verschleiert ist. Vergl. 2. Kor. 3 Wenn endlich beigefügt wird, dass die Enthüllung vor den Augen der Völker geschehen sei, so deutet das an, dass das Heil auch diesen gehört und ihnen ohne Unterschied dargeboten wird, da das Evangelium offen und klar verkündigt wird. Hieraus erhellt, dass der Gegenstand und der Grund des neuen Liedes (V. 1) in dem so wundersamen Ereignis zu finden ist, dass Gott, der vormals die Völker ihre eigenen Wege wandeln ließ, sie jetzt in der Zeit des messianischen Heils alle ohne Unterschied zur Seligkeit beruft durch Glauben und Wiedergeburt. Hermann Venema † 1787.


V. 3. Er gedachte an seine Gnade und Wahrheit dem Hause Israel. Der Dichter sagt sehr treffend, Gott habe, indem er die Welt erlöste, an seine Wahrheit gedacht, welche er dem Volke Israel gegeben hatte. Dieser Ausspruch schließt zugleich in sich, dass Gott von keinem anderen Beweggrund getrieben wurde, als dass er treulich halten wollte, was er selbst verheißen hatte. Und um recht deutlich hervorzuheben, dass die Verheißung in keiner Weise auf Verdienst oder Gerechtigkeit des Menschen gegründet worden, nennt der Psalmist zuerst die Gnade und dann die Wahrheit oder Treue Gottes. Die Ursache lag nicht außerhalb Gottes, sondern lediglich in seinem freien Liebeswillen, der lange zuvor Abraham und seinem Samen bezeugt worden war. Das Wort "gedachte" wird in Anpassung an die menschliche Auffassung gebraucht, weil uns, was lange ausgesetzt worden ist, vergessen zu sein scheint. Mehr denn zwei Jahrtausende verflossen von der Zeit an, da die Verheißung gegeben wurde, bis zu der Erscheinung Christi, und da das Volk Gottes vielen Trübsalen und Widerwärtigkeiten unterworfen war, braucht es uns nicht zu wundern, wenn die Glieder desselben viel geseufzt und allerlei bösen Befürchtungen über die Ausführung der verheißenen Erlösung Raum gegeben haben. Jean Calvin † 1564.
  Aller Welt Enden sahen das Heil unsers Gottes. O unglückseliges Judenland, die Enden der Erde haben Gottes Heil gesehen, jegliches Land ist von Freude bewegt, das ganze Weltall ist froh, die Wasserströme schlagen die Hände zusammen, die Berge jauchzen; nur die verstockten Herzen der Juden glauben nicht, sondern sind mit der Strafe des Unglaubens in der Finsternis ihrer Verblendung geschlagen! Gregor v. Nazianz † 390.


V. 4. Jauchzet, singet, rühmet und lobet! Preiset Gott, dass er euch Christum gegeben. Als die Bewohner von Argolis durch die Römer von der Willkürherrschaft der Macedonier und Spartaner befreit waren, quae gaudia, quae vociferationes fuerunt! quid florum in Consulem profuderunt! welch große Freude sie da bezeugten, was für laute Ausrufe sie da machten! Sogar die Vögel, die über sie hinflogen, fielen der Sage nach vor Schrecken über ihren Lärm zu Boden. Der Ausrufer bei den dort gefeierten nemeischen Spielen ward angehalten, das goldene Wort Freiheit wieder und immer wieder erschallen zu lassen. John Trapp † 1669.


V. 5. Wir sind nicht nur Tempel, sondern, wie Clemens von Alexandrien sich ausdrückt, auch Zimbeln des Heiligen Geistes. John Boys † 1625.
  Mit Harfen, mit Harfen. Die Wiederholung ist bedeutsam; sie soll anzeigen, dass auch die eifrigsten Anstrengungen, welche Menschen machen mögen, um das große Werk der Welterlösung zu feiern, doch weit zurückbleiben gegen den Reichtum der Gnade Gottes. Jean Calvin † 1564.
  Mit Psalmen feierten Josaphat und Hiskia ihre Siege. Psalmen ergötzten die Herzen der Verbannten, als sie aus Babylon wiederkehrten. Psalmen ermunterten und stärkten die Makkabäer bei ihren mannhaften Kämpfen um die Unabhängigkeit ihres Landes, und in Psalmen ertönten immer wieder ihre Danksagungen. Der Herr aller Psalmdichter und Sohn Davids bewies mit den Worten eines Psalms, dass er größer war als David, und sang mit seinen Jüngern Psalmen in der Nacht vor seinem Leiden, als er das heilige Mahl der Liebe einsetzte. Mit Psalmen priesen Paulus und Silas Gott um Mitternacht im Gefängnis, als ihre Füße in den Stock gelegt waren, und sangen so laut, dass die andern Gefangenen sie hörten. Und nach seinem eigenen Vorbild ermahnt der Apostel die Christen zu Ephesus und Kolossä, sich untereinander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen lieblichen Liedern zu lehren und zu vermahnen. Hieronymus berichtet,2 dass man in seinen Tagen die Psalmen überall in den Feldern und Weingärten des Heiligen Landes habe hören können, und dass sie gar lieblich geklungen hätten, vermischt mit dem Gesang der Vögel und dem würzigen Lenzesduft der Blumen. Der Bauer stimmte, während er den Pflug lenkte, ein Hallelujah an, Schnitter, Weingärtner und Schafhirt sangen Davids Lieder. Das, sagt Hieronymus, sind unsre Liebeslieder, das unsre Hirtenflöten und Ackerwerkzeuge. Sidonius Apollinaris, Bischof von Clermont, † 488, lässt sogar die Schiffer, während sie ihren schwer beladenen Kahn stromaufwärts ziehen, Psalmen singen, bis die Ufer vom Hallelujah widerhallen, und benutzt diese Sitte in gar lieblicher Weise als Bild der christlichen Lebensreife.3 J. J. St. Perowne 1864.
  Der Literarhistoriker Isaak d’Israeli († 1848) kommt in seinem Buche, betitelt "Literatur-Merkwürdigkeiten", auch auf das Psalmensingen zu sprechen und erwähnt dabei die Verbreitung dieser Sitte des Psalmensingens in Frankreich, die dort unter den Katholiken zuerst durch die Übersetzung des Clement Marot, des Lieblingssängers von Franz I., entstanden sei. Das Singen der Psalmen wurde so volkstümlich, dass d’Israeli meint, es habe sich dadurch zuerst "dem grämlichen Sinn des strengen Calvin" der Gedanke aufgedrängt, es in seine Genfer Kirchenordnung einzuführen. Diese "ansteckende Wut des Psalmensingens", wie Warton sie fast lästerlich nennt, breitete sich rasch durch Deutschland sowohl wie durch Frankreich aus und ging dann auch nach England hinüber. D’Israeli erzählt höhnisch, zu der Zeit der Republik seien bei dem Festmahl des Lord Mayors und anderen Stadtfestlichkeiten in London Psalmen gesungen worden; die Soldaten hätten sie auf dem Marsch und bei der Parade angestimmt, und es habe wenige Häuser mit Fenstern nach der Straße gegeben, aus denen nicht des Abends ein Psalm erklungen sei. Wir können nur hinzufügen: Wollte Gott, es wäre wieder so! C. H. Spurgeon 1874.


V. 5.6. Offenbar will hier der Psalmdichter, indem er zum Gebrauch von Musikinstrumenten beim Preise Gottes auffordert, darauf hinweisen, welch brünstiger Eifer die Gläubigen bei diesem edlen Werk beseelen sollte. Er will eben nichts unterlassen wissen, was Gemüt und Empfindung des Menschen beim Lobsingen anregen und unterstützen kann. Zwar kann Gottes Name offenbar eigentlich nur durch die artikulierte Stimme gepriesen werden; aber es hat guten Grund, dass David solche Hilfsmittel hinzufügt, durch welche die Gläubigen des Alten Bundes gewohnt waren, sich zur Gottesverehrung zu ermuntern. Wir dürfen jedoch nicht unterschiedslos alles, was einstmals den Juden anbefohlen war, als auf uns anwendbar ansehen. Es unterliegt für mich keinem Zweifel, dass das Spielen auf Zimbel, Harfe und Leier und diese ganze Art Musik, die in den Psalmen so oft erwähnt wird, einen Teil der Erziehung, d. i. der dem Kindesalter zugehörenden Unterweisung des Gesetzes bildete. Ich rede dabei nur von dem geordneten Tempelgottesdienst. Denn auch in unserer Zeit sollten, meine ich, Gläubige, wenn sie sich durch Musikinstrumente erheitern wollen, es sich zur Regel machen, ihre Fröhlichkeit nicht von dem Lobpreis Gottes zu scheiden. Aber wenn sie ihre heiligen Versammlungen besuchen, wären Musikinstrumente zum Feiern des Preises Gottes ebenso wenig passend wie das Verbrennen von Weihrauch, das Anzünden von Lichtern und die Wiederherstellung der andern Schatten des Gesetzes. Die Päpstlichen haben darum gar törlich diesen Gebrauch wie so manchen anderen von den Juden entlehnt. Menschen, die äußeres Gepränge lieben, mögen sich wohl an solchem Getöne ergötzen; Gott aber hat viel größeres Wohlgefallen an der Schlichtheit und Einfalt, die er uns durch den Apostel empfiehlt. Paulus will, dass wir in der öffentlichen Versammlung der Heiligen Gott nur in verständlicher Sprache preisen (1. Kor. 14,16). Die menschliche Stimme übertrifft doch, auch wenn sie nicht von der Allgemeinheit verstanden wird, sicherlich bei weitem alle leblosen Musikinstrumente; dennoch wissen wir, was Paulus wegen des Redens in einer unbekannten Sprache angeordnet hat. Was sollen wir dann von solchem Musizieren sagen, welches das Ohr mit nichts als leerem Schall erfüllt? Wirft jemand ein, dass die Musik doch sehr nützlich sei, das Gemüt der Menschen zu wecken und die Herzen zu rühren? Ich gebe es zu, allein hüten wir uns, dass sich nichts Verderbliches einschleiche, das den reinen Gottesdienst befleckt und die Menschen in Aberglauben hineinzieht. Umso mehr als der Heilige Geist uns durch den Mund Pauli ausdrücklich vor dieser Gefahr warnt, so ist es, das muss ich sagen, nicht nur unbedachter Eifer, sondern arge Widersetzlichkeit, über das, wozu er uns berechtigt, hinauszugehen. Jean Calvin † 1564.
  Der Gesang und das Spielen auf den Saiteninstrumenten war Sache der Leviten, die Trompeten und Hörner dagegen wurden von den Priestern, und nur von diesen, geblasen. Die Harfen und die Singstimmen bewirkten den Wohlklang, während die Trompeten und Posaunen dem Ganzen Kraft verliehen. Lieblichkeit und kraftvolle Energie sollten beim Dienste Gottes vereint sein. C. H. Spurgeon 1874.
  Die Trompeten kommen im Psalmbuch nur hier vor. Sie waren von gerader, langgestreckter Form, wie auch an dem bekannten Triumphbogen des Titus ersichtlich ist, und wurden im Krieg, wie auch an Neumonden und Festen von den Priestern geblasen. Von diesen hell schmetternden Trompeten unterschieden sind die dumpfer klingenden gekrümmten Posaunen oder Hörner. William Kay 1871
  Die Trompeten dienten den Israeliten bei religiösen oder bürgerlichen Anlässen ähnlichen Zwecken wie die Glocken bei den Christen und der Ruf der Türmer bei den Mohammedanern. Man meint sogar, Mohammed habe das Ausrufen der Gebetstunden angeordnet, um einen Unterschied zwischen seiner Religionsgemeinschaft und den Juden mit ihren Trompeten sowie den Christen mit ihren Glocken hervortreten zu lassen. John Kitto † 1854.
  Vor dem HERRN, dem Könige. Dieser Zusatz zu den Worten "Jauchzet mit Trompeten und Posaunen" zeigt, dass es sich um eine Anspielung auf das Gejauchze handelt, welches bei der Krönung eines Königs oder anderen das Wohl des Landes betreffenden Feiern üblich war. Hermann Venema † 1787.


V. 7.8. Diese Aufforderungen an die Natur in ihren großartigsten Gestaltungen - an das Meer in seiner mächtigen Weite und an die Erde mit ihren Wasserströmen und Bergen - berechtigen nicht nur, sondern ermuntern und verpflichten sogar den christlichen Prediger, in seinen Gebeten und Predigten Gott mehr als den Gott der Schöpfung anzuerkennen, statt sich so ausschließlich auf die dem Christentum eigentümlichen Lehren zu beschränken. Das eine sollte man tun und das andere nicht lassen. Thomas Chalmers † 1847.


V. 8. Das Händeklatschen ist eine Gebärde der Freude und des Beifalls. Das Klatschen oder Rauschen des Wassers im Fluss gibt einen ähnlichen Klang. Darum wird hier gesagt, dass die Wasserströme in die Hände klatschen sollen. Henry Hammond † 1660.
  Die Sprache ist bildlich, insofern der unbeseelten Schöpfung Leben, bewusstes Handeln, eine Stimme usw. beigelegt wird. Und doch drückt sie, wie die Bildersprache der Schrift überhaupt, eine Wahrheit aus, nämlich diejenige, welche der Apostel ohne Bild gemäß der ihm gewordenen Offenbarung in den Worten ausgesprochen hat, dass die Kreatur frei werden solle von dem Dienst des vergänglichen Wesens zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Und diese Befreiung wird eintreten, weil die Ursache der gegenwärtigen Gebundenheit, die Sünde, nickt mehr bestehen wird. Wenn die Welt, wie es in dem letzten Vers dieses Psalms geweissagt ist, der gerechten Herrschaft des kommenden Königs unterworfen sein wird, dann wird die Erde und die ganze Schöpfung ihrem dann herrlich gegenwärtigen Herrscher huldigen und mit einstimmen in das Lob, welches dann Israel und die Völker, die erlöste und verklärte Gemeinde, ihm darbringen werden. William de Burgh 1860.


V. 9. Der Psalter beschäftigt sich viel damit, die wohltätigen Früchte zu feiern, welche die Herrschaft Christi auf der ganzen Erde hervorbringen wird. Sein Reich wird seinem innersten Wesen nach ein Reich der Heiligkeit und darum ein Reich der Gerechtigkeit sein. Kriege und Grausamkeiten, unbillige Gesetze und gottlose Einrichtungen, die so lange die Erde gequält haben, werden verbannt sein. Diese glückliche Umgestaltung wird gewöhnlich dargestellt in der Form einer feierlichen Ankündigung, dass der HERR komme, den Erdboden zu richten. Es ist wichtig, dass wir dies im Auge behalten, damit wir nicht auf die Meinung kommen, es sei von dem letzten großen Gerichtstag die Rede. Die Psalmen, welche diese Ankündigung zum Hauptinhalt haben, sind Jubelpsalmen erster Ordnung. Ihre Aufgabe ist es, Christum anzukündigen als den Friedensfürsten, der gerechte Gesetze mit Unparteilichkeit handhaben und damit allem Unrecht und Streit ein Ende machen wird. O welcher Trost für alle Unterdrückten und Notleidenden! Ja, da mag wohl alle Kreatur aufgefordert werden, vor Freude die Hände zusammenzuschlagen, da der HERR dies herrliche Werk unternommen hat. Er wird es hinausführen! William Binnie 1870.


Homiletische Winke

V. 1. Ein neues Lied. Notwendigkeit, Lieblichkeit und Nützlichkeit der Bewahrung der geistlichen Frische in der Frömmigkeit, dem Christendienst und der Anbetung Gottes.
  Er hat Wunder getan (Grundtext): Er hat 1) ein wunderbares Weltall geschaffen; 2) eine wunderbare Weltregierung geordnet; 3) eine wunderbare Gabe (Christum) gegeben; 4) eine wunderbare Erlösung gestiftet; 5) ein wunderbares Buch mit dem Griffel seines Geistes geschrieben; 6) eine wunderbare Fülle eröffnet; 7) eine wunderbare Umwandlung bewirkt. William Jackson 1874.
  Er siegt. Gottes Siege in Gericht und Erbarmen, sonderlich durch Christum am Kreuz und durch seinen Geist in den einzelnen Herzen, wie im Großen in seiner Gemeinde und durch dieselbe.
V. 2a. Das Heil Gottes. 1) Worin es besteht. 2) Warum es geplant worden ist. 3) Was seine Ausführung gekostet hat. 4) Unter welchen Bedingungen daran Anteil gegeben wird. 5) Wie es darum verkündigt werden soll. 6) Wie die Verachtung desselben gestraft werden wird. William Jackson 1874.
  1) Was haben wir unter dem Heil zu verstehen? 2) Warum heißt es sein (des HERRN) Heil? 3) Wie hat er es kundgetan? 4) Zu welchem Zweck? 5) Mit welchem Erfolg? E. G. Gange 1874.
  Das große Vorrecht, das Evangelium zu kennen. 1) Worin das Evangelium besteht: a) nach der Offenbarung der Schrift; b) nach der Predigt des Wortes; c) nach der Erleuchtung des Geistes; d) nach der Erfahrung des Lebens. 2) Was es gewirkt hat. a) Wir haben es geglaubt. b) Unsre Freude an demselben wächst fort und fort mit der zunehmenden Erkenntnis. c) Wir können es andern verkündigen. d) Wir verabscheuen alle, die es verdunkeln.
V. 2. Die Herrlichkeit des Heils. 1) Es ist göttlich: sein Heil. 2) Es stimmt mit der Gerechtigkeit: seine Gerechtigkeit. 3) Es ist schlicht und klar: er hat es kundgetan, geoffenbart. 4) Es ist für alle Arten von Menschen bestimmt: vor den Völkern.
V. 3a. Wie der HERR an seinen Bund gedenkt. Es gibt Zeiten, in welchen er ihn zu vergessen scheint; aber selbst dann erweist er sich treu. Und zu andern Zeiten zeigt es sich in großen Gnadenerweisungen, dass er seines Wortes eingedenk ist. Gründe, die ihn nötigen, allezeit an seinen Bund zu gedenken.
V. 3b. Aller Welt Enden usw. 1) Das gilt buchstäblich. Die Sendboten des Heils suchen jedes Land auf. 2) Das gilt in bildlichem Sinn, von Leuten, die am Rande der Verzweiflung und des Abgrunds stehen. 3) Das gilt als Weissagung. Man verweile bei den herrlichen Verheißungen, die für die Zukunft gegeben sind. E. G. Gange 1874.
  1) Fremdlinge von den entlegensten Ländern haben das Heil Gottes gesehen. Die Griechen (Joh. 12,20), die Menge zu Pfingsten, der Kämmerer aus dem Mohrenland, Grönländer, Südseeinsulaner, Neger, Rothäute usw. 2) Die gereiftesten Gläubigen haben es gesehen, als sie am äußersten Rand der irdischen Welt standen, im Begriff, in die obere Welt einzugehen. 3) Die schnödesten Sünder haben es gesehen, solche, die sich so weit verirrt hatten, dass sie sich mit dem nächsten Schritt in der Hölle gefunden hätten; so der sterbende Schächer, die stadtbekannte Sünderin, so manche, die Whitefield treffend Teufels-Auskehricht nannte. W. Jackson 1874.
V. 6. Die Freude ist ein wesentlicher Bestandteil des Lobes. Dass der Herr König ist, ist ein wichtiger Gedanke bei seiner Anbetung. Bei der frohen Ehrung dieses Königs dürfen sich die Gefühle in mannigfacher Weise kundgeben.
V. 7.8. Die anbetende Schöpfung. 1) Eine großartige Versammlung: Meer, Erde, Flüsse, Berge. 2) Die Mannigfaltigkeit, die da hervortritt. Verschieden in Wesen, Ausdruck, Erscheinung, aber geeint in dem einen, dass alle allezeit Gott preisen. 3) Die Freude, die da herrscht. Hierin gleichend den Anbetern im Himmel, und aus dem gleichen Grunde: weil keine Sünde da ist. E. G. Gange 1874.
V. 8. Der Wasserströme Frohlocken und der Berge Jubel.
V. 9. Das letzte Gericht als ein Grund der Dankbarkeit.
  Vor dem HERRN. Wo sind wir? Worin sollte unsre Freude bestehen? Vor wem sollten alle unsere Taten geschehen? Wo werden wir einst sein? Vor dem HERRN? Was sind wir vor dem HERRN? Was werden wir sein, wenn er kommt?

Fußnoten

1. Der Grundtext lautet: mit Stimme (Getöne) des Gesangs, d. h. mit lautem Gesang.

2. Hieronymus an die Witwe des Marcellus: Quocunque te verteris, arator stivam tenens Alleluja decantat, sudans messor psalmis se avocat et curva attondens vitem falce vinitor aliquid Davidicum canit. Haec sunt in hac provincia carmina, hae (ut vulgo dicitur) amatoriae cantiones, hic pastorum sibilus, haec arma culturae.

3. Sidonius:
  Curvorum hinc chorus helciariorum
  Responsantibus Alleluja ripis
  Ad Christum levat amicum celeusma
  Sic, sic psallite, nauta et viator! (Nach Delitzsch)