Psalmenkommentar von Charles Haddon Spurgeon

PSALM 45 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Dass der Psalm eine so reiche Überschrift hat, gilt uns als ein Zeichen seiner königlichen Würde, seiner tiefen und erhabenen Bedeutung und der besondern Freude, die der Verfasser desselben an ihm hatte. Ein Brautlied oder ein Liebeslied. So übersetzen noch heute manche. Doch ist es nicht ein sinnlich sentimentales Liebeslied, sondern ein himmlisch hehrer Gesang von einer ewigen Liebe, ein Lied, das sich auch für Mund und Ohr von Engeln ziemt. Es ist eine Unterweisung der Kinder Korah, nicht ein leichtes oder gar albernes Erzeugnis weltlicher Minne, nicht eine schwärmerische Romanze, sondern ein Psalm voll heiligen Wahrheitsgehaltes. Als Unterweisung will das Lied geistlich verstanden sein. Wohl denen, die den tiefen Sinn seiner wonnigen Klänge verstehen. Das Lied war, wie die Widmung an den Sangmeister (vorzusingen) zeigt, für die heiligen Gottesdienste im Hause des HERRN bestimmt und sollte fein in Musik gesetzt und wohl eingeübt werden. Der König ohnegleichen, von dem der Psalm singt, ist es wert, dass er mit der lieblichsten Musik gepriesen werde. Statt von den Rosen muss es heißen: nach oder auf "Lilien ". Manche verstehen dies von einem Instrument, einem lilienförmigen Glockenspiel, zu dem es hätte gesungen werden sollen. Viel näher liegt es, an die Weise eines mit "Lilien" beginnenden Volksliedes zu denken, nach welcher der Gesang dieses Psalmes sich richten sollte. (Man vergl. die Überschrift von Ps. 60; 80) Oder sollte das Wort ein dem Liede selbst gegebener Name sein, so dass es wegen seiner erhabenen Schönheit und Keuschheit den Lilien verglichen wäre, deren Schmuck die Herrlichkeit Salomos überstrahlte? Wenn sich nicht sprachliche Bedenken (das "nach" oder "auf") gegen diese Fassung erhöben, würden wir ihr den Vorzug geben.

Inhalt
Manche erblicken, von andern Meinungen zu schweigen, in diesem Liede nur Salomo und Pharaos Tochter - sie sind sehr kurzsichtig; andere sehen darin beide, Salomo und Christus - uns dünkt, ihre Augen schielen; wir vermögen hier niemand anders zu sehen denn Jesus allein, oder, wenn Salomo überhaupt in diesem Liede zu schauen ist, so muss es etwa in der Art sein, wie wenn bei der photographischen Aufnahme einer Landschaft ein Wanderer im fernen Hintergrund vorüberzieht, so dass seine Gestalt nur als ein kaum erkennbarer Schatten auf dem Bilde erscheint. Der König von göttlicher Hoheit, dessen Stuhl immer und ewig bleibt (V. 7), ist nicht vom sterblichen Geschlecht, und sein ewiges Reich ist nicht begrenzt von dem Libanon und dem Bach Ägyptens. Nein, nimmer ist der Psalm ein Brautlied auf eine irdische Ehe, sondern dies hehre Epithalamium (Hochzeitsgedicht) gilt der Verbindung des himmlischen Bräutigams mit seiner auserkorenen Braut.

Einteilung. V. 2 ist ein Vorwort, worin der Dichter sein Vorhaben kundtut. V. 3-10 wird der Messias, dem das Lied gilt, angeredet, und zwar wird V. 3 seine unvergleichliche Schönheit bewundert, V. 4-10 seine Herrlichkeit in genauerer Schilderung gepriesen. In V. 11-13 wendet sich der Dichter an die Braut, und von ihr handeln ferner die Vers 14-16. Zum Schluss wendet sich der Psalm in V. 17. 18 noch einmal an den König, dessen ewigen Ruhm weissagend.


Auslegung

2. Mein Herz dichtet ein feines Lied;
ich will singen von einem Könige; meine Zunge ist ein Griffel eines guten Schreibers.

Mein Herz. Nie lässt sich’s so fein schreiben, als wenn das Herz die Feder führt. Lieder, die nicht des Herzens Sprache sind, beleidigen Gottes Ohr. Dichtet ein feines Lied. Das Lied ist fein nach Form und Inhalt. Es ist ein gutes Wort (wörtl.), von dem das Herz des Dichters überwallt. Ein edles Herz hat nur an edeln Gedanken seine Freude. Aus einer klaren Quelle fließen klare Wasser. Die Sprachforscher sagen uns, das hier mit dichten übersetzte Zeitwort heiße wallen, sieden, aufsprudeln. Demnach würde es anzeigen, wie tief und stark die innere Erregung, die Begeisterung des Dichters war, wie sehr ihn der Gegenstand erfüllte, den er besingen wollte; wie hinreißend muss daher das Lied sein, das so gleichsam ein Überwallen seines von Liebe und Begeisterung durchglühten Herzens ist! Wir haben hier nicht eine Reihe kühler Aussagen, und der Dichter gehört nicht zu jenen, welche frostigen Herzens die Regeln und Feinheiten der Poesie studieren; seine Verse sind der natürliche Erguss seiner Seele, vergleichbar den heißen Springquellen Islands. Traurig ist’s, wenn sich ein Herz für eine gute Sache nicht erwärmt, und schlimmer noch, wenn es für etwas Schlechtes entbrennt; aber köstlich, wenn ein warmes Herz und eine gute Sache zusammentreffen. O dass wir dem HERRN recht oft ein liebliches Lied als wohlgefälliges Speisopfer, frisch aus der Pfanne, frisch aus einem von Dank und Anbetung warmen Herzen darbrächten! Ich spreche: Mein Werk1 (das Erzeugnis meines dichterischen Schaffens) gilt dem König2. Das Lied hat den König ohnegleichen zu seinem einzigen Gegenstand, allein zu dieses Königs Ehre ward es verfasst; wohl konnte es daher sein Verfasser ein feines Lied nennen. Der Dichter schrieb nicht nachlässig; er bezeichnet sein Gedicht als ein Werk: er hat sein bestes Können daran gewendet. Wir sollen dem HERRN nicht Opfer bringen, die uns nichts gekostet haben. Edles Material will gut bearbeitet sein. Wenn wir von einem so erhabenen und herrlichen Wesen, wie es unser himmlischer König ist, reden oder dichten wollen, so gebührt es sich, dass wir uns liebend in den Gegenstand versenken und ihm all unser Sinnen und Denken zuwenden. Wir sollen uns die Wahrheit mit allen Mitteln, die uns Gott gegeben hat, innerlich zu eigen machen, damit unser Mund dann übergehe von dem, des das Herz voll ist. Meine Zunge ist ein Griffel eines guten Schreibers. Die meisten übersetzen: eines gewandten Schreibers, d. i. eines Schnellschreibers, und suchen demnach den Vergleichungspunkt in der Schnelligkeit, mit der des Dichters Zunge sich bewegen muss, um die ihm aus dem Herzen zuströmendem Gedanken auszusprechen. Allein der Vergleich dünkt uns matt, da an Schnelligkeit die Zunge doch stets der Feder überlegen ist. Wir möchten daher lieber übersetzen: eines geübten Schreibers, d. i. eines geschickten Schriftstellers, so dass die Sorgfalt und wohlüberdachte Klarheit, die künstlerische Ausgefeiltheit und Schönheit der Darstellung hervorgehoben wären.3 Es ist ja selten, dass die in der Erregung der Begeisterung gesprochenen Worte an gediegenem Wert und Genauigkeit an die verba scripta (die geschriebenen Worte) eines jedes Wort wägenden, geübten und gedankenvollen Meisters der Feder hinanreichen; in unserm Psalm aber spricht der Schreiber desselben in der Tat, wiewohl er ganz von Begeisterung erfüllt ist, doch so genau und wohlbedacht wie ein geübter Schriftsteller. Seine Worte sind daher auch nicht menschlich geistvolle Einfälle von Eintagswert, sondern tiefe Reden, wie sie aus der Seele eines Mannes geboren werden, der in stillem Sinnen für die Ewigkeit schreibt. Auch die ausgezeichnetsten Menschen sind nicht allezeit in solcher Gemütsverfassung. Wenn es der Fall ist, sollten sie den Strom ihrer heiligen Empfindungen nicht zurückhalten. Denn solche Herzensstimmung schafft jene glücklichen Stunden, da sich die Dichtkunst gottbegnadeter Seelen in den klangvollen Weisen ergießt, die die Gottesdienste im Hause des HERRN bereichern.


3. Du bist der Schönste unter den Menschenkindern,
holdselig sind deine Lippen;darum segnet dich Gott ewiglich.

Du. Als ob der König selber plötzlich vor ihn getreten wäre, bricht der Psalmdichter, in Bewunderung der Person dieses Königs ganz versunken, die einleitenden Worte ab, um seinen erhabenen Herrn unmittelbar anzureden. Ein von Liebe erfülltes Herz hat die Fähigkeit, sich den Gegenstand seiner Liebe zu vergegenwärtigen. Die Augen des Herzens sehen mehr als die Augen des Kopfes. Überdies offenbart sich Jesus selbst uns, wenn unser Herz ihm verlangend entgegenschlägt. Gewöhnlich ist es so, dass Jesus uns seine Gegenwart erfahren lässt, wenn wir ihn zu empfangen bereit sind. Ist uns das Herz warm, so beweist das, dass die Sonne scheint, und wenn wir ihre Wärme erfahren, so werden wir auch bald ihr Licht wahrnehmen. Du bist der Schönste unter den Menschenkindern. An Herrlichkeit, vor allem aber an sittlicher Schöne ist der König der Heiligen unvergleichlich. Der Grundtext hat hier eine eigentümliche Form des Zeitworts, die jedenfalls dazu dienen soll, den Begriff der Schönheit aufs Höchste zu steigern.4 Jesus ist von so wunderbarer Schönheit, dass wir es recht empfinden, wie alle gewöhnlichen Worte, überhaupt alle Menschenworte nimmer hinanreichen. Unter den Menschenkindern hat die Gnade nicht wenigen das Gepräge hoher sittlicher Schönheit verliehen, doch ist nicht einer unter ihnen ohne Flecken oder Tadel; in Jesus aber sehen wir alle Züge eines vollkommenen Charakters in harmonischem Ebenmaß vereinigt. Er ist ganz Lieblichkeit (Hohelied 5,16), wir mögen ihn betrachten, von welcher Seite wir wollen. Vor allem aber ist er schön, wenn wir ihn in der ehelichen Verbindung mit seiner Gemeinde betrachten; dann verleiht die Liebe seiner Schönheit einen hinreißenden Zug. Holdseligkeit ist ausgegossen über deine Lippen. (Grundtext) Wo sich sittliche, aus dem Angesicht strahlende Schönheit und Beredsamkeit in einem Manne vereinigen, verleihen sie ihm Majestät; beide sehen wir in höchster Vollendung in Jesus. Lieblichkeit der Person und Lieblichkeit der Rede erreichen in ihm ihren Gipfelpunkt. Holdseligkeit war in reichster Fülle ausgegossen über Jesu Lippen wie über sein ganzes Wesen, denn es war des Vaters Wohlgefallen, dass in ihm alle Fülle wohnen sollte; so ergossen sich denn auch holdselige Worte (Lk. 4,22) von seinen Lippen zu Nutz und Freude der Seinen. Die Zeugnisse der Wahrheit, die Verheißungen, die Worte lockender und tröstender Liebe entströmen den Lippen unsers Königs in solch übersprudelnder Fülle, dass wir nicht umhin können, diese Wasserfälle der Gnade der Rede eines Mose gegenüberzustellen, die nur gleich Regentröpflein niederrieselte. Wer in trautem Umgang mit dem Geliebten seiner Stimme gelauscht hat, fühlt es tief, dass nie ein Mensch also geredet hat wie dieser Mensch (Joh. 7,4). Die Braut sagt recht von ihm: Seine Lippen sind wie Lilien, die mit fließender Myrrhe triefen (Hohelied 5,13). Ein Wort aus seinem Munde zerschmolz das Herz Sauls von Tarsus und wandelte den schnaubenden Feind in einen Apostel, ein anderes Wort richtete Johannes den Theologen von der Erde auf, da dieser wie ein Toter zu seinen Füßen dalag (Off. 1,17). Und wie oft haben wir selbst die belebende und erquickende Macht seiner holdseligen Worte erfahren! Darum segnet dich (oder: hat dich gesegnet) Gott ewiglich. Wir würden gerne mit Calvin übersetzen: Darum dass Gott dich gesegnet hat ewiglich.5 Denn es will uns nicht einleuchten, dass die Schönheit, die doch von Gott verliehen ist, der Grund des göttlichen Segens sein solle. Vielmehr umgekehrt: dass Christus der Gesegnete des HERRN ist, gesegnet auf immer und ewig, das gerade macht ihn zum Schönsten unter den Menschenkindern, und dieser Segen ist der Quell der holdseligen Reden, die von seinen Lippen fließen. Allein der Grundtext berechtigt schwerlich zu dieser Fassung. Mehrere Ausleger nehmen nach Delitzsch’ Vorschlag an, mit dem Darum sei nicht der Sachgrund, sondern der Erkenntnisgrund angegeben: Darum (ist klar, dass) Gott dich gesegnet hat auf ewig. Sie nähern sich damit sachlich der vorigen Erklärung. Wenn man jedoch mit B. Moll († 1878) den Nachdruck darauf legt, dass die Schönheit des Königs hier als eine übermenschliche bezeichnet wird, so kann man bei dem nächsten Wortsinn (vergl. Luthers Übersetzung) bleiben. Eine solche alles Menschliche überstrahlende Herrlichkeit der Person und Begabung weist auf eine große und eigentümliche Bestimmung hin, und zwar darauf, dass Gott diesen König eben um dieser seiner Beschaffenheit willen zum geschichtlichen Träger und Vermittler des Segens Abrahams und Davids, der eine ewige Dauer und Kraft besitzt, gemacht hat. Ist dieser unser König so von Gott gesegnet, so wollen auch wir ihn benedeien, und dies umso mehr, als alle seine Segensfülle auf uns überfließt.


4. Gürte dein Schwert an deine Seite, du Held,
und schmücke dich schön!
5. Es müsse dir gelingen in deinem Schmuck. Zeuch einher,
der Wahrheit zugut, und die Elenden bei Recht zu erhalten, so wird deine rechte Hand Wunder vollbringen.
6. Scharf sind deine Pfeile, dass die Völker vor dir niederfallen,
sie dringen ins Herz der Feinde des Königs.
7. Gott, dein Stuhl bleibt immer und ewig;
das Zepter deines Reichs ist ein gerad Zepter.
8. Du liebest Gerechtigkeit und hassest gottlos Wesen;
darum hat dich Gott, dein Gott, gesalbet mit Freudenöl mehr denn deine Gesellen.
9. Deine Kleider sind eitel Myrrhe, Aloe und Kasia,
wenn du aus den elfenbeinenen Palästen dahertrittst in deiner schönen Pracht.
10. In deinem Schmuck gehen der Könige Töchter;
die Braut stehet zu deiner Rechten in eitel köstlichem Golde.


4. Gürte dein Schwert an deine Seite. Wer seinen König Jesus wahrhaft liebt, ist auf dessen Ehre und Herrlichkeit eifersüchtig bedacht und sehnt die Zeit herbei, da er seine Macht anziehen wird, um seine heilige Sache zum Sieg zu führen und seine Feinde auszurotten. Warum sollte das Schwert des Geistes still in der Scheide ruhen und müßig am Nagel hangen gleich den Waffen im Zeughaus? Es ist scharf und kräftig, beides zum Hauen und zum Stechen. Ach, dass Jesu göttliche Kraft sich recht offenbare zur Bekämpfung alles Irrtums! Die vorliegenden Worte dringen in den erhabenen König, dass er sich zum Kampfe rüste; er möge das Schwert an seine Hüfte gürten, um es jeden Augenblick ziehen zu können. Christus ist der rechte Herzog und Vorkämpfer der Kirche; das ganze Heer der Streiter ist ohne seine Führung ein kopfloser, ohnmächtiger Haufe. Wir sind nicht Helden, sondern Schwächlinge, die nur seine Kraft zum Sieg führt. Das Schwert Immanuels ist die einzige Hoffnung derer, die ihm Heerfolge leisten. Wir haben es dringend nötig, die Bitte dieses Verses zu der unsrigen zu machen. Wir können uns nicht verhehlen, dass der Herr seine Macht in der gegenwärtigen Zeit nicht so wie in früheren, zumal in den ersten Zeiten der christlichen Kirche, offenbart; darum gilt es, dass wir ihn mit dringendem Flehen zum Kampf herbeirufen, denn gleich den Griechen sind wir ohne unseren Achilles bald vom Feind überwunden, ja wir sind nicht mehr nütze als tote Leichname, wenn Jesus nicht in unserer Mitte ist. Du Held. Wahrlich, dieser Titel gebührt unserm Feldherrn. Er wird ihm nicht aus bloßer Höflichkeit beigelegt wie so manche der Ehrennamen, die sterblichen Erdensöhnen nur zur Befriedigung ihrer eitlen Ruhmsucht gegeben werden. Jesus ist der Held, der den gewaltigsten Kampf der Menschheit ausgefochten hat. In diesem und nur in diesem einen Falle ist Heroenkultus kein Götzendienst. Er ist der Gott-Held, von dem Jesaja 9,5 redet. Und schmücke dich schön, wörtl.: (gürte um dich) deine Herrlichkeit und Majestät. Die Liebe verlangt danach, den göttlichen Freund in seinem ihm gebührenden Hoheitsglanz und Schmuck zu schauen; sie trauert, wenn sie ihn im Gewand der Niedrigkeit sehen muss, und frohlockt, wenn er in dem Schmuck seiner Majestät erscheint. Für unseren König kann keine Pracht zu groß sein. Der Himmel selbst ist nur eben gut genug für ihn; ja all die Pracht, welche Engel und Erzengel und Throne und Herrschaften und Fürstentümer und Obrigkeiten (Kol. 1,16) ihm zu Füßen legen können, ist zu gering für ihn. Nur seine eigene wesentliche Herrlichkeit entspricht völlig dem, was die Seinen für ihn begehren.

5. Und in deiner Majestät fahre glückhaft dahin. (Grundtext6 Der fürstliche Held wird nun gebeten, in seinem ganzen Hoheitsglanz den Siegeswagen zu besteigen. Ja, gebe Gott, dass unser Immanuel bald hervorbreche, um unsere geistlichen Feinde zu besiegen und die Seelen an sich zu nehmen, die er mit seinem Blut erkauft hat. Das Folgende wird von etlichen älteren Auslegern eng mit dem Vorhergehenden verbunden und übersetzt: Fahre dahin auf dem Wort der Wahrheit und Sanftmut und Gerechtigkeit. Wahrlich, drei edle Rosse, die den Kriegswagen des Evangeliums ziehen. Andere übersetzen: für die (Sache der) Wahrheit und der Sanftmut-Gerechtigkeit. Er, der selber in seinem Wesen die Wahrheit und die herablassende. milde Gerechtigkeit ist, würde demnach gedrängt, für die Sache der Wahrhaftigen, der Sanftmütigen und Gerechten einzutreten. Die Wahrheit wird verlacht, die Sanftmut unter die Füße getreten und die Gerechtigkeit ausgerottet werden, es sei denn, dass der Gottmensch, in welchem diese Tugenden leibhafte Gestalt angenommen haben, sich zu ihrer Rettung aufmacht. Es sollte allezeit unser ernstes Flehen sein, dass Jesus in seiner allmächtigen Kraft das Gnadenwerk auf Erden hinausführe, damit nicht die gute Sache unterliege und die Gottlosigkeit die Überhand bekomme. So wird deine rechte Hand Wunder vollbringen, wörtlich: dich furchtbare (Taten) lehren. Der Psalmist weissagt, dass die erhobene Rechte des Messias vor dessen eignen Augen die schreckliche Niederlage seiner Feinde enthüllen werde. Jesus bedarf keines anderen Führers als seiner eigenen Hand, keines andern Lehrmeisters als seinem eigenen Macht. Möge er uns alle lehren, wie große Dinge er vollbringen kann, indem er sie eilend vor unseren Augen ausrichtet.

6. Scharf sind deine Pfeile. Unser König ist in allen Waffen geübt; er kann mit gleicher Kraft treffen die, welche nahe, und die, welche ferne sind. Und er hat keine stumpfen Pfeile; nicht einem seiner Wurfgeschosse fehlt die Spitze. Dass die Völker vor dir (Grundtext: unter dich) niederfallen. Allüberall sind der Erschlagenen des HERRN viele, wenn Jesus die Schlacht anführt. Ganze Völker erfahren seine Siegesmacht, wenn er die Pfeile seiner Wahrheit schießen lässt. Unter der Macht seiner Gegenwart fallen die Menschen zu Boden, wie wenn sie durchbohrt wären. Niemand kann stehen vor des Menschen Sohn, wenn er den Bogen seiner Allmacht in der Hand hat. Schrecklich wird jene Stunde sein, da seine Flammenpfeile auf seine Widersacher niederprasseln; dann werden Fürsten fallen und Nationen umkommen. Sie dringen ins Herz der Feinde des Königs. Unser Feldherr zielt nicht sowohl auf das Haupt als auf das Herz der Menschen. Und er trifft; jeder Schuss ist ein Treffer und dringt tief in den Lebensmittelpunkt des Menschen ein. Seien es nun Liebes- oder Rachepfeile, die Christus auf die Menschen abschießt, er verfehlt nie sein Ziel; und wenn seine Pfeile im Herzen stecken, verursachen sie einen Schmerz, der nicht leicht vergessen wird, und Wunden, die nur er heilen kann. Scharf sind die Pfeile der göttlichen Wahrheit, die uns von der Sünde überführen sollen, im Köcher des Wortes; scharf sind sie auf dem Bogen der Pfeilschützen, der Prediger des Worts; aber am empfindlichsten wird ihre Schärfe kund, wenn sie den Weg in Herzen finden, die bisher gleichgültig waren. Es sind seine Pfeile; er hat sie gemacht, und er schleudert sie. Er macht sie so scharf, er lässt sie in die Herzen dringen. Möge keiner von uns je unter den Zornespfeilen seines Gerichts hinsinken; denn kein Geschoss tötet so sicher wie sie.

7. Gott, dein Stuhl bleibt immer und ewig. Nach dem unmittelbar Folgenden ist es der König, der hier als Gott angeredet wird. Wer anders denn als unser Herr kann der König sein, von welchem dieser Psalm handelt? Der Sänger kann die Gefühle der Anbetung nicht zurückhalten. Sein erleuchtetes Auge schaut in dem königlichen Bräutigam der Gemeinde Gott, Gott selbst, und er sinkt vor diesem ewigen Monarchen in die Knie. Welch wunderbarer Geistesblick! Blind sind die Augen, die nicht Gott in Christus Jesus sehen können. Wie tief unser König sich herabließ, indem er mit seiner Gemeinde ein Fleisch ward und sie zu seiner Rechten auf den Königsthron erhob, das können wir erst dann recht ermessen, wenn wir seine ihm ureigne Herrlichkeit und Göttlichkeit begriffen haben. Welche Gnade für uns, dass unser Heiland göttlichen Wesens ist; denn wer anders als Gott selbst hätte das Heilswerk vollbringen können? Und wie herrlich, dass er auf einem Thron regiert, der niemals wanken und stürzen wird; denn wir bedürfen beider, einer königlichen Gnade und einer ewigen Liebe, wenn unsere Seligkeit gewiss sein soll. Könnte Jesu Herrschaft ein Ende nehmen, so würde unser Heil hinfällig sein; und wäre er nicht Gott und als solcher ewig, dann müsste jenes der Fall sein, denn kein Thron währt ewig außer dem, auf welchem Gott selber sitzt. Das Zepter deines Reichs ist ein gerad Zepter. Er ist der rechtmäßige Herrscher über alles, was ist. Seine Herrschaft ruht auf dem Recht, alle seine Gesetze sind recht, und das Ziel seiner Herrschaft ist ein Reich der Gerechtigkeit. Unser König ist kein Usurpator (der sich die Herrschaft anmaßt) und kein tyrannischer Bedrücker. Selbst wenn er einst seine Feinde mit der eisernen Rute zerschmeißen wird, wird er niemandem unrecht tun. Seine Rache wie seine Gnade sind beide in Übereinstimmung mit der Gerechtigkeit. Darum trauen wir ihm ohne Argwohn. Er kann nicht irren. Keine Trübsal ist zu schwer, denn er sendet sie; keine Züchtigung zu hart, denn er verordnet sie. O ihr gesegneten Jesushände, in euch ist die Herrschergewalt wohlgeborgen! Alle Gerechten freuen sich des Zepters dieses Königs, der in Gerechtigkeit regiert.

8. Du liebest Gerechtigkeit und hassest gottlos Wesen. Christus Jesus ist nicht neutral in dem großen Kampfe zwischen dem Guten und dem Bösen. So warm er das eine liebt, eben so heftig verabscheut er das andere. Wie befähigt ihn dies zum Herrscher und wie getrost dürfen die Untertanen auf einen solchen Fürsten trauen! Das ganze Erdenleben unseres Herrn hat die Wahrheit dieser Worte bestätigt, und er besiegelte sie damit, dass er in den Tod ging, um die Sünde hinwegzutun und das Reich der Gerechtigkeit aufzurichten. Ein tieferer Einblick in die Art, wie er jetzt auf dem Mittlerthron das Zepter führt, enthüllt uns dasselbe, und wenn er einst das Endgericht halten wird, wird es vor aller Welt offenkundig werden, wie er das Gute liebt und das Böse hasst. Wir sollten ihm in beidem nachahmen; beides ist notwendig zur Bildung eines rechschaffenen Charakters. Darum hat dich Gott7, dein Gott, gesalbet mit Freudenöl mehr denn deine Gesellen. Jesus erkannte als Mittler Gott als seinen Gott an, dem er, an Gebärden als ein Mensch erfunden, Gehorsam leistete. Auf Grund seines vollkommen heiligen Erdenlebens wird unserm Herrn und Heiland jetzt die höchste Freude als Lohn zuteil. Es gibt andere, welche die Gnade zu trauter Gemeinschaft mit ihm geführt und zu seinen Gesellen (Genossen, Teilhabern) gemacht hat; aber sie alle erkennen ihm die fürstliche Würde unter ihnen zu, wie es seinem Verdienst gebührt, und er ist der froheste von ihnen allen, weil er selber die Ursache ihrer Fröhlichkeit ist. Bei morgenländischen Festen goss man Öl auf das Haupt solcher Gäste, die man besonders ehren und willkommen heißen wollte. Gott selber salbt den Menschen Christus Jesus bei dem himmlischen Freudenfest, salbt ihn zur Belohnung für sein vollbrachtes Werk mit Freudenöl, überschüttet ihn mit einer höheren und volleren Freude, als sie irgendjemand sonst kennt. Das ist der Lohn, der dem Gottessohne für seine Schmerzen zuteil wird. Man beachte, wie V. 7 die Gottheit des Messias bezeugt wird und nun in diesem Vers seine Menschheit. Von wem anders könnte dies geschrieben sein als von Jesu von Nazareth? Unser Messias ist unser Gott. Jesus ist Immanuel, Gott mit uns.

9. Alle (Grundtext) deine Kleider sind (eitel) Myrrhe, Aloe und Kasia. Der Wohlgeruch der göttlichen Salbung durchdringt ganz die Gewänder des königlichen Bräutigams und strömt daraus hervor. Jesus ist ganz lieblich: dem geistlichen Auge ist er der Schönste unter den Menschenkindern, das geistliche Ohr wird entzückt von seinen holdseligen Reden und dem geistlichen Geruch duftet sein ganzes Wesen. Die Vortrefflichkeiten Jesu sind alle äußerst kostbar, vergleichbar den feinsten Spezereien; sie sind sehr mannigfaltig und daher vergleichbar, nicht der Myrrhe allein, sondern einem wohlbemessenen Gemenge der auserlesensten Wohlgerüche. Der Vater hat an ihm sein Wohlgefallen, und allen Wiedergeborenen ist er die höchste Wonne, denn er ist uns von Gott gemacht zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung. Merke: nicht nur Jesus selbst ist köstlich und lieblich, sondern sogar seine Kleider: alles, womit er es zu tun hat, wird von dem Wohlgeruch seiner Person durchduftet. Alle seine Kleider (Grundtext) sind also wohlriechend: sein königliches Purpurgewand ist uns so köstlich wie sein priesterliches Linnen, sein Prophetenmantel uns so wert wie der ungenähte Rock, worin er als Freund an unserer Seite wandelt. Seine Kleider sind eitel Myrrhe, Aloe und Kasia, übersetzt Luther: sie sind so davon durchduftet, dass sie gleichsam aus eitel Spezereien zu bestehen scheinen. Mit unfruchtbaren Versuchen, die einzelnen hier genannten Spezereien geistlich auszudeuten, wollen wir uns nicht aufhalten; der Sinn ist offenbar, dass alles Liebliche und Köstliche in Jesus vereinigt ist und von ihm ausströmt, wo immer er gegenwärtig ist. Wenn du aus den elfenbeinenen Palästen dahertrittst in deiner schönen Pracht.7 Jesus wohnt jetzt in königlicher Pracht; Elfenbein und Gold und alles Herrliche der Erde ist nur ein schwacher Vergleich. O dass er bald hervorträte, um seine Braut heimzuholen! Aus weiter Ferne strömt uns der köstliche Duft seiner himmlischen Herrlichkeit entgegen; was muss es sein, jenseit der Perlentore zu weilen, in den elfenbeinenen Palästen, mitten in den Zionshallen, die vom Gesang der Engel und der Seligen widerhallen, dort, wo der Thron Davids ist und Freude die Fülle vor dem Angesicht des Gesalbten ewiglich!

10. In deinem Schmuck gehen der Könige Töchter.8 Die Hofhaltung unseres himmlischen Königs entbehrt nicht des Hofstaates, und zwar des schönsten und edelsten. Jungfräuliche Seelen sind die Ehrenjungfrauen in den elfenbeinenen Palästen, die hehren Himmelslilien. Demütige und keusche Seelen schätzt der Herr als seine trauten Freunde, und sie haben in seinem Palast ihren Platz nicht unter dem Gesinde, sondern ganz nahe seinem Thron. Der Tag kommt, wo solche, die im buchstäblichen Sinn Königstöchter sind, es sich zur größten Ehre rechnen werden, der Gemeinde des HERRN zu dienen, und in der Zwischenzeit mag jede gläubige Schwester sich des freuen, dass sie eine Tochter des großen Königs, ein Glied der fürstlichen Familie des Himmels ist. Die Braut stehet zu deiner Rechten in eitel köstlichem Golde. Der Platz zur Rechten, den die königliche Gemahlin einnimmt, ist der Ehrenplatz auf dem Thron, zu dem des Königs Liebe sie erhebt, zum Zeichen, dass sie seine Macht und Herrlichkeit teilt. So hat auch die Gemeinde teil an der Ehre und Freude ihres Bräutigams, er erhebt sie zu der höchsten Würde. Und ihrer Würde entspricht das Gewand, in das sie gekleidet wird: nichts ist zu gut für sie, die Auserkorene; mit dem Besten des Besten schmückt der König sie. Gold ist das edelste Metall, und zwar ist’s Feingold (Grundtext), und Feingold von Ophir (Grundtext), das reinste, köstlichste Gold, das nur zu finden, womit sie bekleidet wird. Jesus hat seine Gemeinde nicht mit Gütern untergeordneten Wertes beschenkt. Seine Gerechtigkeit, mit der er sie bekleidet, ist von lauterstem Golde, ein Gewand, um das uns Engel beneiden könnten. Wohl denen, welche Glieder dieser so geehrten, so hoch geliebten Brautgemeinde sind. Wehe aber denen, die die Geliebten Gottes verfolgen. Wie kein Ehemann es duldet, dass sein Weib beleidigt oder misshandelt wird, so wird auch der himmlische Bräutigam die Unbill rächen, die der Erwählten seines Herzens zugefügt wird. - Lasst uns noch einmal die hehre Pracht überschauen, die in den betrachteten Versen vor unser Auge getreten ist. Die Schönheit des Königs hat unser Herz hingerissen; sodann haben wir gesehen, wie er sich als Held zum Kampfe rüstet, sich als König mit göttlicher Glorie schmückt, seinen Kriegswagen besteigt, seine Pfeile abschießt und die Feinde besiegt. Dann besteigt er den Thron, das Zepter in der Hand; der Wohlgeruch seiner Kleider erfüllt den ganzen Palast, sein Gefolge umgibt ihn, sein Auge aber ruht auf der Schönsten der Schönen, der Königin zu seiner Rechten, der die Töchter unterworfener Könige huldigen. Der Glaube ist’s, vor dessen Auge sich all diese Herrlichkeit enthüllt. Er liebt es, sich daran zu weiden, und wird, sooft er seinen Blick dieser Wunderpracht zuwendet, hingerissen zu liebender Anbetung und freudiger Erwartung.


11. Höre, Tochter, siehe, und neige deine Ohren;
vergiss deines Volks und deines Vaterhauses,
12. so wird der König Lust an deiner Schöne haben;
denn er ist dein Herr, und sollst ihn anbeten.
13. Die Tochter Tyrus wird mit Geschenk da sein;
die Reichen im Volk werden vor dir flehen.


11. Höre, Tochter, und sieh. Als väterlicher Berater und Lehrer redet der Dichter nun die königliche Braut an und bittet sie, auf sein liebevolles Mahnwort zu hören und mit dem rechten Blick das neue Verhältnis zu besehen, in das die Liebe des Königs sie erhoben hat. Und neige dein Ohr, dass dir keines der wichtigen Worte entgehe. Nichts kann mehr der ungeteilten Aufmerksamkeit derer würdig sein, welchen die Ehre zuteil wird, mit Christus vermählt zu werden, als die nun folgenden Mahnungen. Vergiss deines Volks und deines Vaterhauses. Der Welt abzusagen ist nicht leicht; aber es muss geschehen von allen, welche dem großen König angetraut sind, denn ein geteiltes Herz ist ihm unerträglich. Es wäre ja für die Geliebten selbst ein Elend und für ihren Herrn eine Schmach. Alle böse Gesellschaft, ja selbst die Gemeinschaft mit solchen, denen der Heiland nur gleichgültig ist, muss abgebrochen und gemieden werden; sie kann uns keinen Nutzen, wird uns sicher Schaden bringen. Unsre Wiege stand im Haus der Sünde - wir sind in Sünden empfangen und geboren. Fleischlich gesinnt sein ist eine Feindschaft wider Gott; wir müssen aus dem Hause unserer gefallenen Natur ausgehen, denn es ist erbaut in der Stadt des Verderbens. Nicht die natürlichen Bande werden durch die Gnade zerrissen, wohl aber die Bande unserer sündlichen Natur, die Fesseln der Verwandtschaft mit dem Bösen. Wir haben viel zu vergessen wie auch viel zu lernen, und das Verlernen geht so schwer, dass es dazu des sorgfältigsten Hörens und Erwägens und der Hingebung der ganzen Seele bedarf. Und wir würden damit doch noch nicht das Ziel erreichen, wenn die göttliche Gnade uns nicht beistünde. Doch was könnte uns eigentlich bewegen, des Diensthauses Ägyptens zu gedenken, davon wir ausgezogen sind? Können uns die Gurken und Zwiebeln und der Knoblauch noch reizen, wenn wir der eisernen Fesseln und der Geißel des Treibers und der Mordgier des höllischen Pharaos eingedenk sind? Wir entsagen der Torheit, um die Weisheit zu gewinnen, nichtigen Tändeleien für ewige Freuden, der Lüge für die Wahrheit, dem Elend für Wonne und Seligkeit, den Götzen für den lebendigen Gott. O dass die Christen die Mahnung unseres Verses recht lebhaft im Herzen bewegten! Aber ach, die Weltförmigkeit nimmt überhand, die Kirche ist befleckt, die Herrlichkeit des großen Königs verschleiert. Nur wenn die gesamte Kirche die Scheidung von der Welt in allen Stücken durchführt, wird die volle Herrlichkeit und Macht der Christenheit zutage treten.

12. So wird der König Lust an deiner Schöne haben. Ungeteilte Liebe ist Pflicht und Wonne der Gatten in jeder Ehe, ganz besonders aber in dieser erhabenen mystischen Verbindung zwischen Christus und seiner Braut. Die Gemeinde des HERRN muss an Jesus allein hangen; sonst wird sie ihm nicht gefallen, noch die volle Offenbarung seiner Liebe genießen. Kann er sich mit weniger begnügen und darf sie es wagen, ihm weniger anzubieten, als dass sie ganz sein eigen sein wolle? In Jesu Augen ist seine Gemeinde schön, und er hat je mehr Lust an ihrer Schönheit, je keuscher sie sich von allem Weltwesen rein hält. Die Innigkeit seiner Liebe haben die Seinen allezeit am köstlichsten erfahren, wenn sie willig sein Kreuz auf sich genommen und außen vor dem Lager seine Schmach getragen haben. Sein Geist wird betrübt, wenn sie sich unter die Leute dieser Welt mengen und derselben Werke lernen. Eine allgemeine und dauernde religiöse Neubelebung kann unserer armen Christenheit nicht geschenkt werden, bis diejenigen, welche Jesu anzugehören bekennen, ihre Liebe zu ihm dadurch beweisen, dass sie sich von der ungöttlichen Welt scheiden und nichts Unreines anrühren. Denn er ist dein Herr, und sollst ihn anbeten (ihm huldigen). Er ist und bleibt der König; seine herablassende Gnade schwächt seine Autorität und Würde nicht, verstärkt sie vielmehr. Unser Heiland ist auch unser Gebieter. Der Mann ist des Weibes Haupt; die Liebe, die er ihr entgegenbringt, entbindet sie nicht von der Pflicht, ihm zu gehorchen, sie macht ihr diese Pflicht nur süß. Die Gemeinde soll in heiliger Ehrfurcht zu Jesus aufblicken und sich in tiefer Demut anbetend vor ihm niederwerfen. Die traute Gemeinschaft mit ihm, zu der er sie erhebt, berechtigt sie zu edler Freiheit, nicht aber zu eigenwilliger Ungebundenheit. Er macht sie frei von allem Druck und aller Knechtschaft, doch legt er sein sanftes Joch auf ihren Nacken. Wer wollte, dass es anders wäre? Gott dienen zu dürfen, das macht den Himmel zum Himmel, und wenn wir dieses selige Vorrecht hienieden voll ausnützten, hätten wir schon den Himmel auf Erden. Jesus, du bist es, den deine Gemeinde preist in nimmer endendem Lobgesang und den sie anbetet in ununterbrochenem Gottesdienst. Lehre uns völlig dein sein. Habe Geduld mit uns und lass nicht nach, durch deinen Geist an unseren Herzen zu wirken, bis dein Wille geschieht auf Erden wie im Himmel!

13. Die Tochter Tyrus wird mit Geschenk da sein. Wenn die Gemeinde mit ganzer Treue an ihrem Herrn hängt und mit Heiligkeit geschmückt ist, wird es ihr an Huldigung nicht fehlen. Ihre Herrlichkeit wird auf die Menschheit tiefen Eindruck machen und auch die Heiden locken, dass sie ihr, und mit ihr ihrem Herrn, huldigen. Die Macht der Mission in den fernen Ländern beruht auf der Missionsgemeinde der Heimat. Eine heilige Kirche ist eine einflussreiche Kirche. Auch soll es der Gemeinde des HERRN nicht an Schätzen in ihren Kasten fehlen, wenn sie an Gnade reich ist; die freiwilligen Gaben fröhlicher Geber sollen die, welche für den HERRN arbeiten, in den Stand setzen, ihr heiliges Werk, ungehemmt durch Mangel an Mitteln, mit Eifer und Lust zu treiben. Die Tochter Tyrus, die Handelswelt, soll ihren Tribut der Brant des großen Königs darbringen, und das nicht unter dem Druck des Steuereintreibers, sondern aus Drang der Verehrung und Liebe. Die Reichen im Volk werden vor dir flehen. Nicht dadurch sollen die Hohen dieser Welt für den Glauben an Jesus gewonnen werden, dass wir ihren Torheiten schmeicheln, sondern dadurch, dass wir wider ihre Sünden zeugen. Nicht sollen sie der Kirche Gunst erzeigen, sondern sich um der Kirche Gunst bewerben. Diese soll nicht um die Gnade der Großen buhlen, sondern als Königin ihre Gnadengüter den Reichen im Volk austeilen, die sich flehend um sie drängen. Wir erniedrigen uns, wenn wir für Christi Sache betteln gehen wie Bettler um ein Almosen. Viele, die es besser wissen sollten, bequemen sich den Verhältnissen an und schweigen von unbeliebten Wahrheiten, um den Großen der Erde zu gefallen. Aber die wahre Braut Christi kann sich nicht so erniedrigen, wenn sie in der Heiligung fortschreitet; und je mehr ihre Heiligkeit offenbar wird, desto mehr werden die Herzen sich ihr zuneigen und freigebig werden, und reiche Opfergaben werden von allen Enden am Thron des Friedensfürsten niedergelegt werden.


14. Des Königs Tochter drinnen ist ganz herrlich;
sie ist mit güldnen Gewändern gekleidet.
15. Man führet sie in gestickten Kleidern zum König;
und ihre Gespielen, die Jungfrauen, die ihr nachgehen, führt man zu dir.
16. Man führet sie mit Freuden und Wonne,
und sie gehen in des Königs Palast.


14. Des Königs Tochter drinnen ist ganz herrlich. In ihrem stillen Gemach, in ihrer verborgenen Kammer ist ihre Pracht groß. Den Menschenaugen ist sie verborgen, aber der Herr sieht sie und preist sie. "Und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden." Die Gemeinde des HERRN ist von königlichem Geblüt, von fürstlicher Würde, sie ist eine Königstochter. Eitel Herrlichkeit ist ihr Teil. Von ihrem Bräutigam war gesagt, dass seine Kleider eitel Wohlgeruch seien, und von ihr heißt es, sie sei eitel Pracht und Herrlichkeit. In Jesus ist keine Beimischung von Üblem und Unschönem; so wird er auch seine Gemeinde ihm selbst darstellen ganz herrlich, ohne Flecken oder Runzel oder des etwas. Aus Goldwirkerei besteht ihr Gewand. (Grundtext) Es ist aus dem edelsten Material aufs feinste gewirkt. Mit welcher Kunst und Mühe hat unser Heiland das kostbare Gold seiner Gerechtigkeit zu einem Kleid für uns gewirkt! Solch köstliches Gewand ziemt der Braut, die zu so trauter Gemeinschaft mit dem großen König berufen ist. Der Herr selber sorgt dafür, dass an der vollen Herrlichkeit und Schönheit seiner Auserwählten nichts mangelt.

15. Man führet sie in gestickten Kleidern zum König. Der Tag kommt, da die himmlische Hochzeit öffentlich gefeiert werden wird, und diese Worte beschreiben den feierlichen Zug, in welchem die Königin, von ihren Freundinnen begleitet, ihrem fürstlichen Gemahl zugeführt wird. An jenem Tag der Herrlichkeit, wenn alles vollendet werden wird, da wird das ganze Weltall mit Bewunderung die Schönheit der Braut des Lammes sehen. Als sie noch in der Verborgenheit der Kammer war, war sie schon herrlich; was wird ihre Pracht sein, wenn sie an dem Tage, da ihr Herr offenbar wird, in seiner Herrlichkeit erscheint! Die feinste Stickerei ist nur ein schwaches Bild von der vollkommenen Schönheit der durch Gottes Geist ganz geheiligten Gemeine. Der vorliegende Vers sagt uns, wo die Kirche ihren Ruheort finden wird: an des Königs Busen; wie sie dorthin kommen wird: geführt durch die Macht der Gnade; und in welch fürstlichem Gepränge: aufs herrlichste gekleidet und begleitet von lichten, herrlichen Wesen. Und ihre Gespielen, die Jungfrauen, die ihr nachgehen, führt man zu dir. Alle, welche die Gemeinde des Herrn lieben und ihr dienen, werden an jenem Tage deren Seligkeit teilen. Sie machen ja selber einen Teil der Gemeinde aus; in dem Bilde unseres Psalms aber werden sie als die Ehrenjungfrauen der Braut dargestellt. Sie gehen mit der Braut in den Besitz des Königs über, erfreuen sich mit ihr seiner Gunst und genießen alle Herrlichkeit des Hofes. Man beachte, wie sie beschrieben werden: sie sind reines Herzens, Jungfrauen, sie stehen als Freundinnen in innigem Umgang mit der Braut, und sie folgen ihr nach, dienen ihr mit ganzer Treue. Niemand hoffe, am Ende in den Himmel eingeführt zu werden, der sich nicht jetzt durch die Gnade dafür zubereiten lässt.

16. Man führet sie mit Freuden und Wonne. Freude ziemt sich für ein Hochzeitsfest. Welche Wonne wird herrschen bei den Festen im Paradies, wenn alle Erlösten heimgebracht werden! Die Freude der Seligen selber und das Frohlocken der Engel wird die Hallen des neuen Jerusalem von Jubel ertönen lassen. Und sie gehen in des Königs Palast. Ihre Wohnungen voll Friede und Freude werden dort sein, wo Jesus, der König, für immer in Herrlichkeit regiert. Sie werden freien Zugang zum Throne haben. Schon auf dem Wege zum himmlischen Palast, da die Gnade sie leitet, ist Freude und Wonne; was muss es sein, wenn sie nun in die Herrlichkeit eingehen, und zwar, um ewig dort zu bleiben! Die Seligen sind nicht Tagelöhner, die in den Gefilden des Himmels arbeiten müssten, sondern Söhne, Prinzen fürstlichen Geblüts, die im königlichen Palast daheim sind. O selige Stunde, da wir dies alles genießen und über den Freuden der Ewigkeit die Leiden der Zeit vergessen werden!


17. An deiner Väter Statt werden deine Söhne sein;
die wirst du zu Fürsten setzen in aller Welt.
18. Ich will deines Namens gedenken von Kind zu Kindeskind;
darum werden dir danken die Völker immer und ewiglich.


17. An deiner Väter Statt werden deine Söhne sein. Die ehrwürdigen Heiligen, welche wie Väter in dem Dienst des großen Königs gestanden haben, sind alle dahingegangen; aber ein geistlicher Same füllt ihre Stelle ans. Die Veteranen scheiden aus, aber jugendliche Kräfte treten in die Lücken ein. Der Stammbaum derer von Gottes Gnaden stirbt nie aus. Die wirst du zu Fürsten setzen in aller Welt. Christi Diener sind Könige. Knechte des HERRN, die das Wort mit Erfolg verkündigt und einen Stamm oder ein Volk für das Evangelium gewonnen haben, erwerben sich mehr als königliche Ehren, und ihr Name ist gleich dem Namen der Großen auf Erden. Jesus setzt sie zu Fürsten. In Christi Heer wird der edelste Ehrgeiz befriedigt; unverwelkliche Kronen werden den treuen Streitern ausgeteilt. Alle Welt soll noch Christus unterworfen werden, und hochgeehrt werden die sein, welche kraft der Gnade an der Eroberung mitgewirkt haben; sie werden mit Christus herrschen, wenn er kommt.

18. Ich will deines Namens gedenken (sein Gedächtnis stiften) von Kind zu Kindeskind. Jehova selber verheißt durch den Mund des Propheten dem Friedensfürsten sowohl ewigen Ruhm als auch beständige Nachkommenschaft. Sein Name, das ist sein Ruhm, sein Charakter, seine Person. Diese sind seinem Volke teuer, es kann ihrer nicht vergessen, und so wird es sein, solange es Menschen gibt. Namen, die unter einem Geschlecht hochberühmt waren, sind oft im nächsten Zeitalter schon unbekannt; aber Jesu Lorbeeren werden allezeit frisch, sein Ruhm stets neu sein. Gott wird dazu sehen; seine Vorsehung und seine Gnade werden es also machen. Der Ruhm des Messias ist nicht menschlicher Hut übergeben; der Ewige selber bürgt für ihn, und seine Verheißungen wanken nicht. Auf alle Zeiten wird das Gedächtnis von Gethsemane und Golgatha in unvergänglichem Licht erglänzen; weder die Länge der Zeit noch der Nebel des Irrtums, noch die Bosheit der Hölle werden die Herrlichkeit des Namens dieses Königs trüben können. Darum werden dir danken (dich preisen) die Völker immer und ewiglich. Sie werden dich anerkennen als den, der du bist, und werden dir ohne Aufhören die schuldige Huldigung darbringen. Ja, Dank und Preis gebührt von aller Herzen dem, der uns geliebt und mit seinem Blut erkauft hat. Dieser Dank wird nie völlig bezahlt sein, sondern stets eine schwebende und sich immer vergrößernde Schuld bleiben. Unseres Königs tägliche Wohltaten mehren täglich unsere Verpflichtungen gegen ihn; so mögen sie denn auch die Zahl unserer Loblieder vermehren. Ein Zeitabschnitt nach dem andern enthüllt seine Liebe herrlicher. So mögen denn auch fort und fort die Wogen des Dankes auf Erden und im Himmel höher und höher schwellen und die Lieder des Lobpreises in vollen Akkorden zum Thron dessen aufsteigen, der tot war, und siehe, er ist lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und hat die Schlüssel des Todes und der Hölle.


Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Zu beachten ist, dass der Psalm nicht eigentlich dem Brautpaar gilt, sondern genauer als ein Loblied auf den König (vergl. V. 2) bei Gelegenheit seiner Hochzeit wird bezeichnet werden müssen (van Oosterzee). Denn auch mit dem, was er von der Braut sagt, will er eigentlich den König ehren.
  Es gibt drei Auslegungen des Psalms: Erstens die messianische Auslegung, welche gewöhnlich mit der allegorischen verbunden wird, und die geschichtliche, welche annehmen muss, dass der Psalm gleich dem Hohenlied erst durch eine Umdeutung seines Sinnes in späterer Zeit in den Kanon Aufnahme gefunden habe.
  Bei der geschichtlichen Auslegung können wir im Ernst jedenfalls nur an einen israelitischen König und einen Davididen denken; denn dem von dem König Ausgesagten muss 2. Samuel 7 zugrunde liegen. Aber welcher König mag es sein? Jedenfalls müsste der Psalm in einer Glanzepoche des davidischen Hauses gesungen worden sein. Salomo, an den man sonst am ehesten denken würde, kann nicht der gefeierte König sein, weniger wegen der V. 4-6 diesem zugeschriebenen kriegerischen Eigenschaften - der Sänger könnte bei der Schilderung des Königs ja idealisieren -, als deswegen, weil der 17. Vers eine Reihe von Ahnen auf dem königlichen Stuhl voraussetzt. Die Deutung des Psalms auf Joram und Athalja (!) durch Delitzsch will wenig befriedigen. Wir müssten also die Frage, welcher der Könige aus Davids Haus in dem Liede gefeiert werde, als eine bei dem Stande unserer Kenntnis der Geschichte derselben nicht zu beantwortende bezeichnen. Man wird aber, selbst wenn man zunächst von V. 7 (der Anrede des Königs als Elohim - wozu man die Erläuterungen zu diesem Verse, S. 79 ff., vergleiche) absieht, zugeben müssen, dass dem König Eigenschaften beigelegt werden, die kein König in Israels Geschichte je in ihrer Gesamtheit besessen haben kann. Und der König wird in so hohen Ausdrücken gepriesen - vergl. V. 3: "Du bist schöner gestaltet als Menschenkinder" und dann die Vers 7.8, mit denen man sich doch auseinandersetzen muss, - dass man sich in der Tat fragt, ob ein König, der "Gerechtigkeit liebet und gottlos Wesen hasst" (V. 8), sich solche Huldigung gefallen lassen konnte und ob der Sänger, der in solchem Zusammenhang eine solche Anrede, wenn auch an den vortrefflichsten König, richtete, es nicht eher verdient hätte, wegen Übertretung des ersten Gebots gesteinigt zu werden, als dass sein Gedicht später die Ehre erlebt hätte, in den heiligen Vorhöfen des Tempels zu den Tönen gottgeweihter Musik angestimmt zu werden.
  Wir begreifen also gut, dass man sich gerade durch den Inhalt dazu gedrängt sah, das Lied als unmittelbar den künftigen Messias besingend aufzufassen.
  Man hat dann meist, was ja sehr nahe lag, die einzelnen Züge des Psalms oder doch die Hauptzüge allegorisch gefasst, also geistlich gedeutet. Dass diese allegorische Auffassung aber Absicht des Dichters gewesen sei, das deutet dieser mit nichts an, und es widerspricht dem manches, z. B. dass dann Israel (das ja unter der Braut verstanden werden müsste) aufgefordert würde, Volk und Vaterhaus zu vergessen (V. 11), und anderes mehr.
  Van Oosterzee hat in seiner "Christologie van het Oude Verbond" (1855) noch eine andere Erklärung vorgeschlagen. Der Dichter schildere in dem Psalm allerdings den künftigen Messias, aber ohne Absicht der Allegorie, mit Farben, die er seiner Zeit (Salomos glanzvollen Tagen) entlehne. Vielleicht sei er gerade durch den schmerzlichen und anstößigen Abfall Salomos dazu geführt worden, sich in dichterisch-prophetischem Geist in die Zukunft zu erheben und den Messias am Tage seiner Hochzeit zu besingen. Dabei denke er also nicht an eine geistliche Ehe, sondern sehe wirklich in Entzückung den heißersehnten König der Zukunft an dem schönsten Tag seines Lebens. Die Königin seiner Wahl steht neben ihm; ein Teil des Brautschatzes wird ihm aus dem Tribut fremder Völker gebracht. Was, fragt van Oosterzee, wäre wohl mehr morgenländisch und zugleich echter israelitisch? Findet man darin nichts Anstößiges, dass David seinen großen Nachkommen so abmalt, dass sein Schwert von Blut trieft und das rauchende Schlachtfeld mit den Schädeln der Feinde bedeckt ist, - ohne dass es jemand einfallen würde, in dieser Form den buchstäblichen Ausdruck der Wahrheit zu finden, - warum sollte es uns dann ärgern, wenn nach ihm ein anderer Sänger den Messias uns als einen Fürsten vor Augen stellt, der in die Ehe tritt? Was könnte man dem Thronfolger Davids von diesem Gesichtspunkte aus Besseres wünschen, als dass er seine zahlreichen Söhne als Fürsten über zahlreiche Völker setzen könne, auf dass die ganze Welt sich seines göttlichen Segens und des Heils Israels erfreue? Die Beschreibung der Braut ist dann nichts anderes als eine ideale Vorstellung weiblicher Schönheit und Pracht, und auch der Zug, der sonst ungeziemend erscheint, dass die Gespielen der Braut bei der Hochzeit als ebenfalls dem Könige zugeführt dargestellt werden, konnte in diesem Zukunftsgemälde seinen Platz finden. Es ist dem Dichter offenbar darum zu tun, seinen Helden als so schnell wie nur möglich mit einer zahlreichen Nachkommenschaft gesegnet darzustellen. Der Messias stände nach dieser Auffassung also vor uns als ein anderer Salomo am Tage seiner Hochzeit, dem Tag der Freude seines Herzens (Hohelied 3,1). - Diese Erklärung lässt allerdings auch noch Fragen offen, scheint uns aber immerhin der Erwägung wert. - James Millard


V. 2. Mein Herz wallet über von feiner Rede. (Grundtext) Der Geist der Weissagung hat das Herz des Dichters ganz mit dem herrlichen Gegenstand erfüllt, und nun arbeitet und gärt es in starker innerer Bewegung und ist eben im Begriff sich Luft zu machen, überzusprudeln. Wir sehen hier ein wenig in die Art und Weise hinein, wie der Heilige Geist in den Propheten und Dichtern wirkte. George Harpur 1862.
  Merket nun hier und lernet hier das neue Herz der Gläubigen, darin Christus wohnt durch den Glauben, welches des Herrn Christi voll ist, dass es überläuft wie ein Brunnen und kann nicht schweigen, es muss hervorbrechen. Johann Arnd † 1621.


V. 3. Du bist der Schönste unter den Menschenkindern. Gerade dieser unmittelbare Übergang in die Anrede ist von hoher Schönheit. Der Dichter nimmt seine Feder in die Hand, um von dem König zu schreiben. Aber als ob ihm eben in dem Augenblick die glorreiche Person dessen, von welchem er zu reden gedachte, vor die Augen träte, bricht er plötzlich ab, um diesen König selber anzureden. Und seine Worte zeigen, dass er ganz von der Schönheit des Messias hingerissen ist. Erst beschreibt er die Herrlichkeit, die Schönheit und wunderbare Lieblichkeit seiner Person. Wiewohl an Jesus für das Auge fleischlich gesinnter Menschen keine begehrenswerte Schönheit zu entdecken war, ja seine Gestalt hässlicher war, denn anderer Leute, und sein Ansehen, denn der Menschen Kinder, so ist er doch für das erleuchtete Auge der König von unvergleichlicher Schönheit, und schöner noch ist er als Mittler, als Haupt und Bräutigam seiner Gemeinde. Und in den Augen des Vaters war er so gelebt, so wahrhaft herrlich, dass Huld ausgegossen ward auf seine Lippen. Man beachte den Ausdruck: Gnade ist nicht nur in sein Herz ausgegossen, sondern über seine Lippen, damit diese Gnade gleich Honig auf die Seinen niederträufle und sich für immer allen seinen Erlösten mitteile in einem immerfließenden Strom von Segnungen zu dieser Zeit und von Herrlichkeit hernach. Robert Hawker † 1827.
  Schön war er in seinem Niederkommen auf die Erde. Schön war er in seiner Kindheit: er wuchs auf in Gottes Gnade, und die Lehrer waren im Tempel von ihm hingenommen. Schön war er in seinem Mannesalter; wäre dem nicht so gewesen, sagt Hieronymus, wäre nicht etwas Wunderbares, eine himmlische Schönheit, in seinem Angesicht und ganzen Wesen gewesen, so würden nicht die Apostel und alle Welt (wie die Pharisäer selber eingestehen) ihm alsbald nachgefolgt sein. Schön war er in seiner Verklärung, weiß wie der Schnee, sein Antlitz leuchtend wie die Sonne (Mt. 17,2), so dass Petrus vor Entzücken nicht mehr wusste, was er redete. Schön war er in seinem Leiden, nichts Unziemliches war an ihm in seiner tiefsten Erniedrigung, dass selbst der heidnische Hauptmann zu dem Bekenntnis gedrängt ward: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen. Schön war er in seiner Auferstehung; schön in seiner Himmelfahrt. Mark Frank † 1664.
  O schöne Sonne, schöner Mond, schöne Sterne, schöne Blumen, schöne Rosen, schöne Lilien; aber o zehntausendmal schönerer Herr Jesus! Doch nein, mit dieser Vergleichung bin ich ihm nicht gerecht geworden. O schwarze Sonne, aber o schöner Jesu; o schwarze Blumen, schwarzer Himmel, schwarze Engel, aber o schöner, unvergleichlich schöner, ewig schöner Herr Jesus! Samuel Rutherford † 1661.
  Man vergleiche das schöne alte Volkslied: Schönster Herr Jesu, Herrscher aller Enden usw. - Ferner sei hingewiesen auf die Züge des Bildes Jesu in Prof. Franz Delitzsch’ Büchlein "Ein Tag in Kapernaum", aus dem wir folgendes Bruchstück (von Seite 70) anführen: Bei diesen Worten war sein auf einige Augenblicke verdüstertes Angesicht wie verklärt, indem der göttliche Grund seines menschlichen Wesens hindurchbrach, und Mirjam (die Mutter Jesu), alle Strahlen dieses Angesichts in sich saugend, fühlte sich wie von überirdischen Wonneschauern durchdrungen. Es entstand eine lange Pause. Mirjam schwieg, aber sie war, wie immer, ganz und gar Gebet. Schön - so sprach ihre in Gott entsunkene Seele - war die aufgehende Sonne, schön das grüne Gelände, schön der blaue See, schön dieses Liebesmahl im traulichen Kreise, aber schöner als alles ist Er. Welch eine Stunde ist dies! Meine Augen sehen den König in seiner Schöne. (Jes. 33,17.) - James Millard
  In dem einen, Christus, können wir alle Schönheit und Lieblichkeit, beides des Himmels und der Erde, bewundern. Die Schönheit des Himmels ist Gott, die Schönheit der Erde ist der Mensch; die Schönheit Himmels und der Erden miteinander ist dieser Gottmensch. Edward Hyde 1658.
  Du. "Ich habe eine Passion", sagte Zinzendorf in einer seiner Ansprachen an die Gemeinde in Herrnhut, "und die ist Er, nur Er".
  Holdseligkeit ist ausgegossen über deine Lippen. (Wörtl.) Aus dem Ganzen seiner Schönheit werden die Lippen besonders hervorgehoben. Über seine Lippen ist ausgegossen, von oben nämlich, Huldreiz oder Holdseligkeit, indem, auch schon ohne dass er spricht, die Bildung seiner Lippen und jede ihrer Regungen Liebe und Vertrauen erweckt; es leuchtet aber ein, dass von solchen Lippen voll ca/rij (Huld) auch lo/go/i th=j ca/ritoj (holdselige Reden) ausgehen. (Lk. 4,22; Pred. 10,2) Prof. Franz Delitzsch † 1890.
  Diese Worte lauten gerade, als ob der Herr mit dieser Holdseligkeit als einer Gabe von oben ausgerüstet worden wäre. Und stimmt das nicht gerade mit dem, was die Evangelisten berichten? Der Geist kam auf ihn herab, und mit dem Geist alle Gnadengaben des Geistes. George Harpur 1862.
  Holdselig war, was Jesus redete und wie er’s redete. Seine Worte waren Honigseim, trösteten die Seele und erfrischten die Gebeine (Spr. 16,24). Das Gesetz ist durch Mose gegeben, die Gnade und Wahrheit durch Jesum Christum geworden (Joh. 1,17). Nicht mit Donnern Sinais, sondern mit Seligpreisungen begann er die Bergpredigt. Er kam zu seinem Volke mit dem Wort der Gnaden, - mit dem Kuss der Gnaden, sagt Augustin. Und auch die ganze Art seines Redens war holdselig und mächtig zugleich; sein ganzes Wesen zog die Seelen mit Macht zu ihm, und selbst feindlich gesinnte Menschen wurden von seiner Holdseligkeit gefesselt (Joh. 7,46). Es wird in der Schrift berichtet, dass aus allen Völkern gekommen seien, zu hören die Weisheit Salomos, von allen Königen auf Erden (1. Könige 5,14), und dass die Königin von Reicharabien ausgerufen habe: Selig sind deine Knechte, die allezeit vor dir stehen und deine Weisheit hören. Darin war Salomo Vorbild auf Christus. John Boys † 1643.


V. 4. Gürte dein Schwert um die Hüfte, du Held. Uns will bedünken, der Psalmist rufe den König hier auf, seine königliche Würde anzulegen. "Wenn ein persischer oder ottomanischer Prinz," sagt J. P. Morier (1801), "den Thron besteigt, so gürtet er das Schwert um sich. So wurde z. B. Mohammed Jaffer, als er von dem Khan für die Zeit bis zur Ankunft seines Bruders zum Regenten ernannt wurde, dadurch mit dieser Würde bekleidet, dass ihm ein Schwert um die Hüfte gegürtet ward, eine Ehre, die er, vielleicht nicht bloß zum Schein, nur mit Widerstreben annahm." Und Dr. Davey sagt in der Beschreibung einer morgenländischen Krönung: "Ehe der Prinz wirklich als König gelten konnte, musste noch eine Zeremonie vor sich gehen: er hatte sich einen neuen Namen zu wählen und das königliche Schwert anzulegen. Der Fürst begab sich in großem Staat zum Tempel, wo er Oper darbrachte, und nachdem ihm das Schwert um die Hüfte gegürtet worden war, bot ihm der Priester ein Gefäß mit Sandelpulver, in das der Prinz, der jetzt erst König genannt werden durfte, seinen Finger tauchte." George Paxton † 1837.
  Dein Schwert. Das Wort Gottes wird solcher Waffe verglichen. Doch braucht das Schwert auch einen Helden, es zu führen. Mit dieser Waffe ausgerüstet, bahnt sich der Herzog unsrer Seligkeit seinen Weg mitten durch die Feinde; niemand kann ihm widerstehen. Edward Payson † 1827.


V. 5. Für die Sache der Wahrheit und der Sanftmut-Gerechtigkeit. Man darf nicht übersetzen: der Sanftmut und Gerechtigkeit; die beiden Wörter bilden vielmehr eine Art von Nomen copositum. Sanftmut-Gerechtigkeit ist aber nicht Gerechtigkeit mit Sanftmut gepaart oder durch sie gemildert - ein solcher Gegensatz der Gerechtigkeit und der Sanftmut ist dem alttestamentlichen Sprachgebrauch fremd - sondern Gerechtigkeit, die sich zuerst und hauptsächlich in der Sanftmut äußert. Die Sanftmut ist der Kern der Gerechtigkeit. Vergl. Zeph. 2,3: "Suchet den HERRN, all ihr Sanftmütigen des Landes, die ihr sein Recht tut, suchet Gerechtigkeit, suchet Sanftmut", wo die Sanftmütigen diejenigen sind, die das Recht des HERRN tun, und wo das Streben nach Gerechtigkeit sich vor allem in dem Streben nach Sanftmut äußert. Prof. E. W. Hengstenberg 1843.


V. 6. Scharf sind deine Pfeile. His sagittis, sagt Hieronymus, totus orbis vilneratus et captus est: Mit diesen Pfeilen (den Aposteln) ist die ganze Welt verwundet und gefangen genommen worden. So war Paulus ein Pfeil des Herrn, der von Jerusalem bis Illyrien und von Illyrien bis Spanien flog und Christi Feinde niederwarf. Christopher Wordsworth 1868.
  Der Feinde des Königs. Das ist nicht einfach so viel wie deine Feinde, sondern deutet an, dass das Königtum des Messias der Grund ihrer Feindschaft ist; gerade wie im zweiten Psalm ihr Ruf war: Lasset uns zerreißen ihre (Jehovas und seines Gesalbten) Bande. George Harpur 1862.


V. 7. Dein Thron, o Gott, (währt) immer und ewig. Alle alten Übersetzungen haben das Wort Elohim (Gott) in diesem Vers als Vokativ aufgefasst. Der Vers böte keine Schwierigkeit, wenn er ohne das Folgende (V. 8b) dastände, man also Jahve als angeredet ansehen dürfte. Die erwähnten Eigenschaften - Ewigkeit des Throns, Liebe der Gerechtigkeit, Hass des Bösen - werden ja auch sonst Gott im Besondern beigelegt. Auch für die Anführung des Verses im Hebräerbrief (1,8 f.) mit: "Betreffend den Sohn aber heißt es: Dein Thron, o Gott, ist in alle Ewigkeit" würde dieser Sinn des Psalmworts genügen; der Verfasser würde, gerade wie bei dem folgenden Zitat V. 10 ff., das im alten Testament von Gott oder Jahve Gesagte ohne weiteres auf den Sohn anwenden, und das von seinem neutestamentlichen Standpunkt aus mit Berechtigung, da der Sohn ja der offenbare Gott ist. Aber - in V. 8b ist unzweifelhaft (ob man dort "Gott" als Anrede oder als Subjektsnominativ auffasst, ist dafür gleichgültig) der König angeredet, und es scheint ganz unnatürlich, bei V. 8b einen plötzlichen Wechsel in der Person des Angeredeten anzunehmen, da ein solcher durch nichts angedeutet ist. Die mit "dich" V. 8b gemeinte Person muss dieselbe sein wie die mit "du" in V. 8a und mit "dein Thron" in V. 7 angeredete, also der König. Auch der Hebräerbrief wird die Vers so verstanden haben. Vom neutestamentlichen Standpunkte aus macht die Anrede des Königs als Gott ja auch keine Schwierigkeit. Anders stellt sich jedoch die Sache, wenn wir sie von dem Standpunkt des Psalmisten aus betrachten. Da erhebt sich die Frage, ob und wie wir es uns nach der Analogie des übrigen alttestamentlichen Gottesworts zurechtlegen können, dass der Psalmist hier den von ihm besungenen König als Elohim anredet.
  Allerdings wird an mehreren Stellen des alten Testaments die irdische Obrigkeit als "Gottes Stellvertreterin und Bildträgerin" (Delitzsch) Elohim genannt (vergl. 2. Mose 21,6; 22,7 f.; 1. Samuel 2,25; Ps. 82,1.6, vielleicht auch Ps. 138,1). Aber es ist doch ein großer Unterschied, ob die Könige oder Richter Elohim (Götter) genannt werden oder ob hier ein König unmittelbar als Elohim (Gott) angeredet wird. Manche Ausleger haben eben darum den ganzen Psalm als eine unmittelbare messianische Weissagung aufgefasst. (Vergl. dazu die Erläuterungen zum ganzen Psalm, S. 75 f.) Aber selbst wenn man (nicht einen theokratischen König, sondern unmittelbar) den künftigen Messias als in dem Psalm weissagend gepriesen ansieht, würde die Anrede als Gott auf alttestamentlichem Standpunkt ganz einzig dastehen. Es fällt dabei noch ins Gewicht, dass der Psalm der elohimischen Dichtungsweise angehört, welche das Wort Elohim im Werte von Jahve zu gebrauchen gewohnt ist. Die Weissagung würde sich hier mit einem gewaltigen Sprung auf die Höhe von Joh. 20,28 (den Gipfel der Vollendung des Glaubens der Jünger) erheben, und das in einem Psalm, der teilweise mit sehr irdischen Farben malt. Es könnte dann zur Vergleichung höchstens die einer viel höheren Stufe der Weissagungsentwicklung angehörende Stelle Jes. 9,5 herbeigezogen werden, wo der Prophet, der doch sonst die Schranke zwischen Gott und Mensch eifersüchtig wahrt, das hehre Königskind, den Immanuel, mit Namen begrüßt, die diesem mit voller Absicht göttliche Eigenschaften beilegen. Aber Ps. 45 kann nach seiner ganzen Haltung nicht mit Jes. 9 gleichgestellt werden; und doch würde der Psalm mit der direkten Anrede des Messias als Gott noch über Jes. 9 hinausgehen. Vollends unbegreiflich wird diese Anrede, wenn man mit den meisten Auslegern annimmt, dass der Psalm die Hochzeit eines geschichtlichen Königs besinge.
  Man hat den V. 7 daher auf verschiedene Weise anders zu deuten gesucht, indem man Elohim entweder als Prädikat oder als Subjekt des Satzes aufzufassen versuchte. Als Prädikat: Dein Thron ist Gott (= göttlich) auf immer und ewig; - eine Redeweise, die ganz ohne Beispiel ist. Als Subjekt: Dein Thron (das, was dir Herrschaft verleiht, worauf dein Thron sich gründet) ist Gott, mit vorausgestelltem Prädikat, was eine höchst missverständliche Ausdrucksweise wäre und auch nicht in den Zusammenhang passt, weil der Satz nach dem Parallelglied nicht eine Aussage darüber enthält, was Gott für den König sei, sondern, welche Bewandtnis es mit seinem Thron habe (Riggenbach, zu Hebr. 1,8, Kommentar 1913). Andere haben Gott als abgekürztes Prädikat (als gen. poss.) = Gottesthron gefasst: Dein Thron ist (ein Thron) Gottes. Sachlich ließe sich 1. Chr. 29,23; 28,5 gut vergleichen; sprachlich aber ist diese Ellipse (Auslassung) nicht zu rechtfertigen.
Man hat zwar diese Auffassungen damit sprachlich zu stützen gesucht, dass das d(ewf MlfO( (für immer und ewig) dann wie gewöhnlich als adverbialer Satzteil stehe, während man, wenn es Prädikat wäre, das dann übliche d(ewf MlfO(l: erwarten würde. Delitzsch hat dagegen bemerkt, dass das d(w Mlw( an unserer Stelle auch bei der gewöhnlichen Auffassung akkusativisch gedacht sei: ... ist für immer und ewig. Endlich ha man die Anfangsworte MyhÆil)E Kf)As:kIi als einen Begriff zusammengenommen: Dein Gottesthron ist immer und ewig. Gegen diese Auffassung spricht u. a., dass die Aussage ja eine Tautologie enthalten würde.
  Man sieht sich also doch auf die vokativische Auffassung der alten Übersetzungen angewiesen, wenn man nicht etwa zu sogenannten Verbesserungsversuche greifen will. Diese bieten sich unschwer, sind aber doch wohl Verlegenheitsauskünfte. Olshausen ergänzt vorne Nykih": Gott hat befestigt usw.; Lagarde will d(ewf in d(asf umwandeln: Gott stützt deinen Thron ewiglich; aber ... steht hinter ... zu gewöhnlich, als dass der Vorschlag Gewicht haben könnte. Am ehesten ließe sich mit Nöldeke annehmen, das Wort Elohim (Gott) sei eine Glosse (spätere Einfügung) eines Lesers oder Abschreibers, sei es, dass derselbe die in V. 7-8a enthaltenen Aussagen für einen König zu erhaben fand, diese Sätze also trotz dem dann bei V. 8b anzunehmenden schroffen Personenwechsel von Jahve verstehen zu müssen und durch die Einschiebung des Elohim diesen Sinn gegen Missverstand schützen zu sollen glaubte, sei es, dass die Einschiebung mit dem späteren, seine Aufnahme in den Psalter vermittelnden religiösen Gebrauch des Liedes zusammenhängt. Aber auch dieser Versuch, durch Annahme einer Glosse die Schwierigkeit zu umgehen, hat seine ernsten Bedenken.
  Delitzsch, von Orelli und andere halten darum an der Echtheit de vokativischen Elohim fest. Beide ziehen dabei in Betracht, dass der Psalm auch sonst den gefeierten König mit hohen, über das Empirische (die Wirklichkeit bei den geschichtlichen Königsgestalten des Volks) weit hinausgehenden Worten preist. Siehe die folgenden Auszüge. - James Millard
  Der in unserm Psalm gefeierte König kann umsomehr Elohim heißen, als er in seiner himmlischen Schöne, seiner unwiderstehlichen Macht, seiner sittlichen Reinheit und Hoheit dem Sänger als die vollendete Wirklichkeit des engen Verhältnisses erscheint, in welches David und sein Same zu Gott gestellt ist. Er nennt ihn so, weil er in dem durchsichtigen Gefäße seiner schönen Menschlichkeit Gottes Herrlichkeit und Heiligkeit zu heilwärtiger Sichtbarkeit unter den Menschen gelangt sieht. Zugleich aber sichert er diese Benennung des Königs mit Elohim dadurch vor einem Missverständniss, dass er sofort auch mit KfyhÆel)E MyhÆil)E (Elohim, dein Gott), welches in den korahitischen und überhaupt den elohimischen Psalmen so viel wie "Jahve, dein Gott" ist, von dem göttlichen Könige den Gott, der über ihm steht, unterscheidet. Prof. Franz Delitzsch † 1890.
  Hier (V. 7) ist eine gewisse Identität mit der Gottheit nicht bloß dem derzeitigen Träger eines Amtes, sondern der Person des Königs, beziehungsweise seinem Hause, seiner Dynastie, zugesprochen, so dass sie ewig (wie Gott) herrschen wird. Vergl. V. 17 f. 3. Wie in der Zeit diese Herrschaft dank ihrem göttlichen Charakter alle sonstige Erdengröße weit überragt, so verbreitet sich ihr Glanz auch im Raume ins Ungemessene. Die Völker können diesem herrlichen Fürsten nicht widerstehen (V. 6); die fremden Könige suchen seine Gunst und senden ihm ihre Töchter (V. 10); die Schätze der reichsten Städte werden ihm und seiner Gemahlin dargebracht (V. 13), welche freudig den Glanz ihres heimischen Hofes mit dem höheren des davidischen vertauschen soll. Die Söhne werden so ruhmvoll herrschen wie die Vorfahren und als Unterkönige, solange sie nicht regieren, überall auf Erden die Majestät des Hauses vertreten (V. 17). Das setzt jedenfalls eine großartige Erweiterung des bescheidenen israelitischen Gebietes voraus, denn auf das israelitische bezogen, zumal das halbierte, wären die "Fürsten auf der ganzen Erde" lächerlich. Selbst in unglücklicher Zeit erhebt der davidische König höhere Ansprüche (Ps. 60). Denken wir vollends an Ps. 2,8; 72,11, so ist die unabsehbare Aussicht auf Herrlichkeit in der Zukunft keineswegs ungereimt. Aber allerdings lässt sie sich nur verstehen, wenn dem gefeierten Königtum nach des Sängers Bewusstsein eine aller Erdenmacht überlegene Herrlichkeit innewohnte. So wurde eine glänzende Epoche in der Geschichte des davidischen Hauses besungen. Die Nachwelt hat das Lied von dem mit gottesbildlicher Doxa (Herrlichkeit) umgebenen (Delitzsch) gerechten König auf den künftigen Herrscher auf Davids Thron bezogen, der mit vollerem Recht Gottheit für sie in Anspruch nehmen durfte (vergl. Jes. 9,5). Prof. Conrad von Orelli 1882.
  Der Thron des Messias unterscheidet sich von den Thronen dieser Welt durch seine ewige Dauer, und sein Zepter von demjenigen der weltlichen Machthaber dadurch, dass es stets richtig gehandhabt wird. Bischof G. Horne † 1792.
  Der Krummstab ist von jeher etwas anderes gewesen als jener Stab, von dem es heißt: Das Zepter deines Reichs ist ein gerades Zepter. Christ. G. Barth in Piepers Jahrbuch 1859.


V. 8. Mancher liebt Gerechtigkeit, würde aber nicht für sie in den Kampf gehen. Solcherart war Christi Liebe zur Gerechtigkeit nicht. Mancher hasst gottlos Wesen, aber nicht, weil ihm das gottlose Wesen in der Seele zuwider wäre, sondern weil es üble Folgen mit sich bringt. Solcherart war der Hass Christi nicht. Um Christo ähnlich zu sein, müssen wir die Gerechtigkeit lieben, wie er sie liebte, und das gottlose Wesen hassen, wie er es hasste. Lieben und hassen wie er, das heißt vollkommen sein, wie er vollkommen ist. Die Vollendung dieser Liebe und dieses Hasses ist die sittliche Vollendung. George Harpur 1862.
  Darum. Man beachte, wie oft in der Schrift die Verherrlichung Christi als Folge seiner Verdienste dargestellt wird. G. Harpur 1862.
  Gott, dein Gott. Gott war der Bundesgott Christi, damit er auch unser Bundesgott sein könne. Der Bund wurde zuerst mit dem Haupte geschlossen und in ihm zugleich mit uns, den Gliedern. William Troughton 1656.
  Öl der Freuden. Man pflegte bei festlichen Anläsen das Haupt mit wohlriechenden Ölen zu salben. Vergl. Ps. 23,5; 104,15; Jes. 61,3. Der Heilige Geist, mit dem Jesus gesalbt ward, ist ein Geist der Freude. Giovanni Diodati † 1649.


V. 9. Deine Kleider sind eitel Myrrhe, Aloe und Kasia. Er ist in überfließender Fülle gesalbt mit dem köstlichsten Salböl. Die hier genannten Spezereien waren wegen ihres edeln Wohlgeruches berühmt. Myrrhe und Kasia werden 2. Mose 30,23 f. unter den Gewürzen genannt, aus welchen das heilige Salböl bereitet ward, das von niemand nachgemacht und zu keinen andern als den vorgeschriebenen heiligen Zwecken gebraucht werden durfte. Aaron ward damit gesalbt, desgleichen die Stiftshütte mit ihren Geräten. Die Salbung des göttlichen Heilands beschränkte sich nicht darauf, dass ihm etliche zeremonielle Tropfen aufs Haupt geschüttet worden wären, sondern es wird von ihr gesagt, sie sei so reichlich, dass gleichsam alle seine Kleider eitel Myrrhe, Aloe und Kasia seien. David Pitcairn 1846.
  Aus elfenbeinenen Palästen usw. Der letzte Teil des 9. Verses hat den Auslegern viel Mühe gemacht. Ein Ausweg scheint mir der zu sein, dass man minni (was andere gleich minnim, Saitenspiel, fassen) als Eigenname der Minäer fasst, deren Land, in Reich-Arabien gelegen, nach dem Geographen Strabo an Myrrhen und Weihrauch überaus reich war. Nun ist es merkwürdig, dass nach dem Geschichtsschreiber Diodor Siculus die Einwohner von Reich-Arabien sehr kostbare, mit Elfenbein und Edelsteinen verzierte Häuser hatten. Dann würde die Stelle also lauten: Aus elfenbeinenen Palästen der Minäer erfreut man dich. Wir erinnern uns, dass im vorhergehenden Vers das Öl, womit Christus gesalbt sei, Öl der Freuden genannt wurde. Wenn nun hier von Christus ausgesagt wird, dass er erfreut werde, so ergänzen wir wohl mit Recht: mit den in der ersten Vershälfte genannten Spezereien Myrrhe, Aloe und Kasia, mit denen jenes Salböl gewürzt war. Diese wenden aus den elfenbeinenen Palästen Minäas, aus dem reichen Gewürzland, und zwar aus den Wohnungen der Großen, wo die feinsten Wohlgerüche aufgespeichert sind, dem König als kostbare Gabe gebracht. George Harpur 1862.


V. 11. Vergiss deines Volks und deines Vaterhauses. In dreierlei Beziehung müsst ihr allem absagen, spricht Christus. 1) All euern sündlichen Lüsten, dem alten Adam, eures Vaters Hause. Seit Adams Abfall wohnen Gott und der Mensch nicht mehr beisammen, und von jener Zeit an ist unser Vaterhaus eine Heimstätte schlechter Sitten, ein Haus voller Sünde und Gottlosigkeit. 2) All euern weltlichen Vorzügen. "So jemand zu mir kommt und hasset nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, der kann nicht mein Jünger sein." (Lk. 14,26.) Wer all dies hat, muss bereit sein, sich von dem allem zu trennen; nicht vom einen oder andern, sondern von allem. 3) Eurem eignen Leben, allem Eigenwillen, aller Eigengerechtigkeit, aller Selbstgenügsamkeit, allem Selbstvertrauen, aller Selbstsucht. Lewis Stuckley † 1687.
  Bist du auf dem Berge, so sieh nicht hinter dich nach Sodom. Bist du in der Arche, so schweife nicht nach der Welt zurück wie der Rabe. Bist du auf dem Wege nach Kanaan, so vergiss die Fleischtöpfe Ägyptens. Streitest du gegen Midian, so fall nicht auf die Knie, dir am Wasser gütlich zu tun. Bist du auf dem Dach, so lass fahren, was im Hause ist (Mk. 13,15). Hast du die Hand an den Pflug gelegt, so sieh nicht zurück (Lk. 9,62). Themistokles begehrte mehr die Kunst des Vergessens zu lernen als die des sich Erinnerns. Die erste Lektion, welche Sokrates seine Jünger lehrte, war: "Gedenke"; denn er meinte, erkennen sei nichts anderes, als dass man sich das in Erinnerung rufe, was die Seele bereits gewusst habe, ehe sie sich mit dem Leibe verbunden habe. Aber die erste Lektion, welche Christus seine Jünger lehrt, ist: Vergiss dein Volk und Vaterhaus, oder: Tu Buße, ändere deinen Sinn, wende dich vom Bösen. Thomas Adams 1614.

V. 11f. Tobias Kießling, der bekannte gottesfürchtige Kaufmann in Nürnberg († 1824), war in seiner Jugend voll innerer Unruhe; er fühlte, dass ihm etwas fehle, und seine Seele verlangte heftig nach dem Frieden in Gott. Durch einen Salzburger wurde er mit Andreas Rehberger, Prediger bei St. Jakob, bekannt. Er ward nun noch strenger gegen sich selbst; er fing an, so gesetzesstreng zu leben wie der strengste Israelit, aber er fühlte, mir fehlt die Hauptsache. Er sagte von sich: Ich komme mir vor wie einer, dem Arme und Finger fest verbunden oder verwachsen sind, und der sich nun vergebens abmüht, eine künstliche Maschine zu erfinden, die dasselbe leistet, was Hand und Arm durch die Kraft des Lebens ganz leicht leisten. Eine Christenlehre Rehbergers über Röm. 4,4 hatte ihn, der so viel mit Beten, Kirchengehen, Wohltun und Almosen umging, so sehr geärgert, dass er vor Zorn weinte und gegen Rehberger ganz aufgebracht war. Da half nun wieder der Herr, auf dass sich niemand rühme. Er ging 1766 eines Nachmittags wieder zu St. Jakob in die Kirche; da predigte Rehberger über Ps. 45,11.12: Höre usw. Da kam es vollends zum Brechen der letzten Eisrinde, und nach vielen ernsten Tränen hieß es bei ihm: Rein ab und Christo an. Von da an wurde er gesetzt zum Segen für viele in Nürnberg, in Franken, in Österreich. Rudolf Kögel 1895.


V. 12. So wird der König Lust an deiner Schöne haben. Das ist eine sehr liebliche, tröstliche Verheißung. Denn der heilige Geist merkt und weiß wohl, dass die Heuchelei in unserm Herzen stecket, dass wir gerne rein und ohne alle Befleckung vor Gott sein wollten. Also war im Papsttum eine gemeine Anfechtung, dass wir gerne zum Sakrament gehen wollten, wenn wir darzu würdig wären. Also suchen wir von Natur Reinigkeit in uns, erforschen unser ganz Leben und wollten gern etwas Gutes und Reines in uns finden, dass wir der Gnade nicht bedürften, sondern aus unserm Verdienste vor Gott fromm und gerecht geachtet und erkannt würden. Eben also gedenken wir auch, wenn wir beten sollen: Ich betete wohl gerne, bin aber nicht würdig, dass mich Gott erhöre. Diese Gedanken kommen von diesem großen Mönche (der Selbstgerechtigkeit), welcher in uns steckt und uns vergiftet. Mit der Weise wirst du nimmer nicht beten müssen, wenn du so lange warten willst, bis du würdig werdest. Darum spricht der heilige Geist: Ich will dir einen sehr guten Rat geben, durch welchen, so du mir folgest, wirst du überaus schön werden. Denn wenn du vor Gott schön sein willst, dass ihm alle deine Werke gefallen und er also zu dir sagen solle: "Dein Gebet gefällt mir, ich habe ein Gefallen an allem dem, so du redest, tust und gedenkest," so tue ihm also: Höre und schaue drauf, und neige deine Ohren. Also wirst du sehr schöne werden, wenn du hören, drauf schauen und aller vorigen Gerechtigkeit und Frömmigkeit ganz und gar vergessen und gläuben wirst. Alsdann bist du schön; nicht aber von dir selbst, sondern des Königs halben, welcher dich mit seinem Worte geschmücket hat, durch welches er dir verkündigen lässt und anbeut seine Gerechtigkeit, seine Heiligkeit, Wahrheit, Stärke und alle Gaben des heiligen Geistes. Er braucht aber sehr herrliche Worte, in dem, dass er spricht: Der König wird Lust an deiner Schönheit haben, das ist, du wirst ihn durch diesen deinen Glauben dahin dringen, dass er tue, was du willst, dass er, aus großer Liebe beweget, selbst dir nachlaufen wird, auf dass er bei dir sei und Wohnung bei dir mache. Denn wenn Gott sein Wort gegeben hat, lässt er sein Werk nicht liegen, das er in dir angefangen hat, sondern gestattet, dass du vom Teufel, von der Welt und von deinem eigenen Fleisch angefochten werdest, auf dass er dich dadurch wacker mache. Und eben auf diese Weise nimmt er seine Braut für großer Liebe in die Arme. Martin Luther 1532.


V. 13. Unter der Tochter Tyrus sind die Heiden gemeint, indem ein Teil statt des Ganzen steht. Tyrus, eine Stadt an den Grenzen desjenigen Landes, in welchem diese Weissagung erging, dient als Typus der Nationen, welche an Christum glauben sollten. Von dort stammte jene kananäische Frau, die zuerst, nach ihrem "Vaterhaus" und ihrem "Volk", ein Hund war; als sie aber zu dem König kam und ihm nachschrie, da war sie durch den Glauben schön geworden, so dass sie das große Wort hören durfte: O Weib, dein Glaube ist groß! Der König hat Lust an deiner Schöne! Aurelius Augustinus † 430.
  Mit Geschenk. Diejenigen, welche ihre Güter und Habe verkauften (Apg. 2,45; 4,34 f.), kamen mit Geschenken, das Antlitz dieser Königin zu suchen, "und legten’s zu der Apostel Füßen." Ja, damals brannte die Liebe in der Gemeinde. Aurelius Augustinus † 430.
  Die Reichen. Die sind wahrlich reich an Gnade, deren inneres Leben durch ihren äußeren Reichtum nicht gehindert wird. Es ist ein seltener Anblick und ein besonderes Werk der Gnade, wenn die Reichen ihre Gaben bringen und, was auch in unserm Text die Hauptsache ist, sich selber Christo und seiner Gemeinde ergeben. Joseph Caryl † 1673.


V. 14. Des Königs Tochter drinnen ist ganz herrlich. Der Sinn der Stelle mag sein: 1) dass ihre größte Herrlichkeit darin bestehe, dass sie solch trauter Gemeinschaft mit dem König gewürdigt sei. Oder 2) dass sie am herrlichsten sei, wenn sie in den innersten Gemächern des Königspalastes weile, weil diese am prächtigsten waren. Oder 3) dass sie in köstlichem Schmuck erstrahle, nicht nur wenn sie vor dem Volk erscheine, sondern auch, wenn sie drinnen im Palast sei; denn sie schmücke sich für den König, damit er Lust an ihrer Schöne habe, und nicht, damit andere sie anstaunen. Oder endlich 4) dass die inwendige Herrlichkeit ihrer Tugenden und Gaben ihr größter Schmuck sei. Arthur Jackson † 1666.
  Drinnen. Am Tempel war von außen nichts zu sehen als Holz und Steine, innen aber war er ganz herrlich; zumal das Allerheiligste war ganz golden. Selbst der Fußboden war, ebenso wie die Decke, mit Gold überkleidet. John Sheffield 1654.


V. 15. Ihre Gespielen, die Jungfrauen, die ihr nachgehen. Auch der gereifteste Christ kann zu der Gemeinde des HERRN nicht sagen: Ich bedarf dein nicht. Die Königin mag keine ihrer Gefährtinnen missen. Vergl. Eph. 4,16; Kol. 2,19. William Troughton 1656.


V. 16. Man führet sie mit Freude und Wonne. Nie ist eine Vermählung mit solch feierlichem Freudengepränge gefeiert worden, wie dies einst bei der Hochzeit Christi mit seiner Brautgemeinde im Himmel der Fall sein wird. Gott der Vater wird frohlocken ob der herrlichen Ausführung und Vollendung seines wunderbaren Liebesratschlusses. Christus, der Bräutigam, wird frohlocken ob des Lohnes seiner Schmerzensarbeit, seines Leidens und Todeswehs (Jes. 53,11). Der Heilige Geist wird frohlocken, weil die Heiligung und Zubereitung der Gläubigen, die ihm anvertraut war (2. Kor. 5,5), zur Vollendung gekommen ist. Die Seelen, die er als rohe Steinblöcke vorgefunden hat, glänzen nun als herrlich behauene und polierte Bausteine am geistlichen Tempel. Die Engel werden frohlocken. Groß war schon ihre Freude, als in der Menschwerdung Christi der Grundstein dieses Bauwerks gelegt wurde; wie groß muss dann erst die Freude sein, wenn der Schlussstein eingefügt wird unter vieltausendstimmigem Lobpreis der Gnade, welche das Werk vollführt hat! Gottes Kinder selber werden sich freuen mit unaussprechlicher Freude, wenn sie in des Königs Palast eingehen, um auf ewig bei dem Herrn zu sein (1. Thess. 4,17). So wird Freude sein überall, nur nicht bei den Teufeln und den Verdammten, die vor Neid mit den Zähnen knirschen werden ob der Herrlichkeit, die den Gläubigen zuteilwird. Joh. Flavel † 1691.


V. 17. An deiner Väter Statt werden deine Söhne sein. O Kirche Gottes, so meine denn nicht, du seiest verlassen, weil du weder Petrus noch Paulus siehst, - die nicht siehst, von denen du gezeugt worden. Aus der eigenen Frucht deines Leibes sind dir Väter erstanden. Aurelius Augustinus † 430.
  Auch für den König selbst ist solches neue Band ein seliges Band. Viel herrliche und königliche Ahnen hat er gehabt bis auf Isai zurück, nun aber werden ihm, dem ewigen Könige, Kinder geboren wie der Tau aus der Morgenröte (Ps. 110,3; vergl. Jes. 53,10), und diese werden als Fürsten sitzen auf Thronen in aller Welt. Gleichwie der Herr seinen Jüngern verheißen hat: Wahrlich, ich sage euch, dass ihr, die ihr mir seid nachgefolgt, in der Wiedergeburt (aller Dinge), da des Menschen Sohn wird sitzen auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit, werdet ihr auch sitzen auf zwölf Stühlen und richten die zwölf Geschlechter Israels. (Mt. 19,28) Und wie Paulus sagt: Wisset ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden? (1. Kor. 6,2.) Prof. A. Tholuck 1843.


V. 18. Darum werden dich preisen die Völker immer und ewiglich. Dass Christus sich seine Gemeinde zur Braut erwählt hat und ihr von Jahr zu Jahr durch sein Wort und seinen Geist mehr Seelen hinzufügt, die er bekehrt und denen er königlichen Sinn, königliche Gedanken und Neigungen gibt, das mehrt stets und auf ewig seine majestätische Herrlichkeit. David Dickson † 1662.


Homiletische Winke

V. 2. Drei für den christlichen Prediger wichtige Stücke: 1) Dass seine Predigt "ein gutes Wort" sei, was sie vor allem dann sein wird, wenn sie von dem besten Gegenstande, dem König ohnegleichen, handelt. 2) Dass seine Sprache fließend sei, durch natürliche Begabung, durch Bildung und Übung, vor allem aber durch das Wirken des Heiligen Geistes. 3) Dass sein Herz von dem Gegenstand überwalle. George Rogers 1870.
V. 3. Jesus der Schönste unter den Menschenkindern.
  Jesus, seine Person, sein Evangelium und seine Segensfülle.
  1) Wir dürfen und sollen Christum rühmen. Die Engel, Gott, die Schrift, die Heiligen des alten und des neuen Bundes rühmen ihn, so sollen auch wir es tun. 2) Weswegen sollen wir ihn rühmen? a) Wegen einer Schönheit. Sind Weisheit, Gerechtigkeit, Liebe, Sanftmut nicht echte Schönheit? Alle Züge sittlicher Schönheit sind in ihm in höchster Fülle, Vollendung und Harmonie. b) Wegen seiner Holdseligkeit. Gottes Huld ist über ihn ausgegossen und in ihm verkörpert. c) Wegen des ewigen göttlichen Segens, der auf ihm ruht. George Rogers 1870.
V. 3-6. In diesen Versen wird der Herr Jesus dargestellt: 1) als höchst liebenswert; 2) als der Liebling Gottes; 3) als der Besieger aller seiner Feinde. Matthew Henry † 1714.
V. 4. Christus der Held.
  Dass der himmlische Heerführer am Kampfe teilnimmt, ist die Ehre, die Freude, die Sicherheit, die Kraft, der Sieg und der Lohn seiner Streiter.
V. 4-6. Der Sieg des Messias vorhergesagt und ersehnt.
V. 6. 1) Die Pfeile des göttlichen Zornes sind scharf, 2) noch schärfer die Pfeile der gütigen Vorsehung; 3) am allerschärfsten aber die Pfeile der die Herzen überwältigenden Gnade Gottes in Christo. Der Köcher des Allmächtigen ist mit diesen Pfeilen wohlgefüllt. George Rogers 1870.
  Wie sind diese Pfeile beschaffen? Was sind sie? Wen treffen sie? Wohin treffen sie? Was richten sie aus? Was kommt danach?
V. 7. Der göttliche König, sein Thron, dessen Dauer, sein Zepter. Lasst uns diesen König anbeten, ihm gehorchen, auf ihn trauen, uns bei seinem weisen Regiment und sichern Schutz beruhigen und uns seiner freuen.
V. 8. Christus hasste das Böse, als es bei der Versuchung an ihn selber herantrat, er hasste es an andere, enthüllte seine Gottlosigkeit, starb, um es zu zerstören, und wird einst kommen, es ewig zu verdammen.
  Christi Liebe und Hass.
  "Das Freudenöl", Predigt von C. H. Spurgeon, Botschaft des Heils, 11. S. 225. Baptist. Verlag, Kassel.
V. 9. Die Kleider unsers Königs - seine Ämter, seine beiden Naturen, seine Bundesverordnungen, seine Ehren usw. - sind voll köstlichen Wohlgeruchs.
V. 10.11. Die Brautgemeinde soll ihrer Verbindung mit dem königlichen Bräutigam gedenken, ihrer früheren Verbindungen vergessen.
V. 12. Christi Lust an der Schönheit seiner Braut.
V. 14-16. 1) Der neue Name der Braut: Des Königs Tochter. Sie ist dies a) als aus Gott geboren, b) als dem Sohne Gottes vermählt. 2) Das Wesen der Braut: Sie ist drinnen ganz herrlich, a) weil Christus in ihrem Herzen regiert, b) weil sie der Tempel des Heiligen Geistes ist. 3) Das Gewand der Braut: mit Gold durchwirkt, gestickt. Dies Kleid ist die Gerechtigkeit Christi, mit anderen Worten sein vollkommener Gehorsam und sein sühnender Tod. 4) Die Gefährten der Braut: Jungfrauen, die ihr nachgehen. 5) Der Einzug (die Heimfahrt) der Braut. (V. 15 u. 16) a) Sie wird den König sehen in seiner Schöne. b) Der König wird seine Liebe zu ihr vor aller Kreatur erklären. Duncan Macgregor 1869.
V. 15. 1) Die Zuführung der Braut zu Christus. a) Wenn die Seelen zuerst zu ihm gebracht werden ("Ich habe euch vertraut einem Manne", 2. Kor. 11,2). b) Wenn sie beim Tode vor ihn treten. c) Wenn die vollendete Gemeinde ihm dargestellt wird (Eph. 5,27). 2) Wie sie ihm zugeführt wird: a) in herrlichem, von ihm selber gewirktem Gewande; b) mit allen ihren Nachfolgern. Diese sind (a) Jungfrauen, (b) ihre Gefährten, (c) ihre Diener (sie gehen ihr nach). George Rogers 1870.
V. 17. "Die ununterbrochene Linie mehrerer Adliger". Pred. von C. H. Spurgeon, Botschaft des Heils, 11. S. 81. Baptist. Verlag, Kassel.
V. 18. Der ewige Ruhm Christi.

Fußnoten

1. Fraglich ist, ob y&a(Ama als Sing. oder Plur. zu fassen ist. Plural liegt freilich sprachlich näher. Zur Bedeutung vergl. man poi/hma = Poem.

2. Diese Übers. ist immerhin möglich, da Klm wie ein Eigenname behandelt sein kann und der seltenere Gebrauch des Artikels überhaupt eine Eigentümlichkeit des poetischen Stils im Hebräischen ist.

3. Für ryhimf ist durch Esra 7,6 die Bedeutung geübt, bewandert erwiesen. Und da dort (wie überhaupt später) rp"so sogar Schriftgelehrter heißt, wird man es wagen dürfen, hier nicht an die Schriftzüge, sondern an den Stil zu denken. Näher liegt freilich die gewöhnl. Übers.: eines hurtigen Schreibers.

4. Wahrscheinlich ist tfypiyf ypiyF oder tfypiyf hpoyf zu lesen.

5. In diesem Fall wird für r$e)A NkI"-l(a genommen.

6. Andere übersetzen: Ja, deine Majestät. Glück zu. Fahre hin für die Wahrheit usw.

7. Während die früher gebräuchlichen Lutherbibeln vor dem ersten Gott einen Beistrich setzen, es also als Anrede an den Messias fassen, nimmt die revid. Lutherbibel Gott, dein Gott als Subjekt. Luther selbst schwankt. Beide Auffassungen sind sprachlich gleichberechtigt. Natürlicher scheint aber die Fassung der revid. Bibeln Sogar Hebr. 1,9 kann man es als fraglich ansehen, ob der Verfasser das erste o(qeo/j als Vokativ oder als Subjektsnominativ auffasst. Dagegen ist das MyhiÆl)E (Gott) in V. 7 (Hebr. 1, 8) Anrede an den König.

8. Wir haben Luthers ganz unhaltbare Übersetzung stehen lassen, weil sich Spurgeons Bemerkungen daran anfügen lassen. Die jetzt allgemein beliebte Übers.: Aus elfenbeinenen Palästen (den königlichen Wohnungen des Vaters der Braut) erfreut dich Saitenspiel ist ansprechend; ganz über allen Zweifel erhaben ist es freilich nicht, dass ynImi eine abgekürzte Pluralform oder ein Schreibfehler statt MynImi Saitenspiel (Ps. 150,4), ist.

9. Der Grundtext bedeutet wahrscheinlich: Königstöchter sind unter deinen Kostbarkeiten, oder: unter deinen Vertrauten (zu welchen jetzt die Eine, die in den folg. Versen angeredet wird, dem König als Hauptgemahlin angetraut wird). Im Talmud sind (nach Bäthgen) tOrqfy: My$inf würdige oder vornehme Frauen, und daraus ist die engl. übers. among thy honourable women, an welche Spurgeons Bemerkungen anknüpfen, zu erklären.