Psalmenkommentar von Charles Haddon Spurgeon

PSALM 37 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

(Ein Psalm) Davids. Im Grundtext lautet die Überschrift, wie bei vielen Psalmen, nur: Von David. Ob die Dichtung bestimmt gewesen sei, öffentlich gesungen zu werden, wird nicht gesagt. Der Psalmist hat sie, wie V. 25 zeigt, im höheren Alter verfasst; desto beachtenswerter ist, was er uns hier aus dem reichen Schatze seiner Erfahrung mitteilt.

Inhalt
Der Psalm behandelt im Licht der Zukunft das große Rätsel, das schon so manchem Kopf - und Herzzerbrechen zugleich verursacht hat, dass es nämlich den Gottlosen so wohl geht, während die Gerechten viel Trübsal haben, und verbietet nachdrücklich das Grämen und Grollen des Unglaubens. Der Herr redet in diesem Psalm auf gar liebliche Weise durch den Mund seines Knechts zu den Seinen; er beschwichtigt die, ach, so häufig in ihnen aufsteigenden Gedanken und Empfindungen der Missgunst und Unzufriedenheit und stillt ihr Herz, sowohl in Bezug auf die Wege, die er seine auserwählte Herde führt, als auch in Bezug auf die Gefahren, die ihnen von den sie umringenden Wölfen drohen. Unser Lehrgedicht enthält acht goldene Lebensregeln; auch finden sich darin als Illustrationen zwei Mitteilungen aus der eignen Erfahrung des Dichters. Der ganze Psalm ist sehr anziehend durch seine zahlreichen scharfen Gegensätze.

  Eine Einteilung lässt sich nicht gut durchführen. Ein und dasselbe Thema wird in vielen Variationen wiederholt. Unser Psalm gleicht einem Kapitel aus den Sprüchen; die meisten Vers bilden ein Ganzes für sich. Auch dem Inhalt nach ist er den Sprüchen nahe verwandt (vergl. Spr. 3,31; 16,3.8; 20,24; 23,17; 24,19). Wir haben hier, wie Hengstenberg und ihm beipflichtend Moll bemerkt, die Davidische Wurzel und Grundlage der Salomonischen Spruchdichtung vor uns. Die ersten Buchstaben der Vers folgen dem hebräischen Alphabet. Diese Dichtungsform sollte ohne Zweifel auch dem Gedächtnis eine Hilfe sein. - Der Leser sei nachdrücklich gebeten, bei diesem Psalm, wie bei jedem anderen, erst den Schrifttext ohne jede Beihilfe einer Erklärung zu lesen und auf sich wirken zu lassen, ehe er sich unserer Auslegung zuwendet.


Auslegung

1. Erzürne dich nicht über die Bösen;
sei nicht neidisch auf die Übeltäter.
2. Denn wie das Gras werden sie bald abgehauen,
und wie das grüne Kraut werden sie verwelken.


1. Die Mahnung, mit der David beginnt, führt uns gleich mitten in den Gegenstand des Psalms. Es ist leider nur zu häufig der Fall, dass die Gläubigen in Zeiten der Trübsal meinen, Gott handle unfreundlich und hart mit ihnen, wenn sie sehen müssen, wie solche, die ohne alle Frömmigkeit und Ehrbarkeit sind, im Glücke schwimmen. Da ist denn die Mahnung gar nötig: Erzürne dich nicht über die Bösen. Erhitze (wörtl.), ereifere dich nicht über sie. Unsere Natur ist nur zu geneigt, ein Feuer in unserem Busen zu entzünden, wenn wir freche Gesetzesübertreter auf hohem Rosse reiten sehen, während gehorsame Untertanen im Staub und Kot wandeln müssen. Nur in der Schule der Gnade können wir es lernen, die scheinbar widersinnigsten Führungen der Vorsehung mit der Gelassenheit, ja der Hoffnungsfreudigkeit des Glaubens zu betrachten, der die feste Überzeugung hat, dass Gott gerecht ist in allem seinem Tun. Es scheint dem fleischlichen Urteil hart, wenn die besten Happen den Hunden hingeworfen werden, während die Kinder, die den Vater lieben, vor Mangel ermatten. Sei nicht neidisch auf die Übeltäter. Wörtlich: Gerate nicht in Glut über sie. Die gleiche Mahnung in anderen Worten. Sind wir arm, verachtet und in großer Bedrängnis, so wird unser alter Adam ganz natürlich auf die Reichen und Angesehenen neidisch; und wenn wir uns dessen bewusst sind, gerechter zu sein als sie, wird der Böse ganz gewiss bei der Hand sein, uns lästerliche Gedanken einzuflüstern. Wenn es heftig donnert, kann selbst der Rahm der Menschheit gerinnen. Wir sollen die Gottlosen, statt mit Neid, mit Abscheu und Grauen betrachten; doch sind ihre reich gedeckten Tafeln und vergoldeten Staatskutschen sehr dazu angetan, unsere armseligen, halbblinden Augen zu bezaubern. Wer beneidet aber den wohlgemästeten Osterochsen um die farbigen Schleifen und Kränze, womit er auf dem Gang zur Schlachtbank geschmückt ist? Dies Bild trifft in der Tat die Sache; denn die gottlosen Reichen werden nur wie das Vieh auf den Schlachttag gemästet (Jak. 5,5).

2. Denn wie das Gras werden sie bald abgehauen.1 Schon schärft der Tod seine Sense. Üppig sprosst das Gras aus, aber plötzlich mäht die Sichel es nieder. Die Vernichtung wird rasch, ja plötzlich über die Gottlosen hereinbrechen. Sie steht ihnen ganz gewiss bevor und wird sie mit überwältigender Macht treffen und ihr Schicksal unabänderlich besiegeln. Das Gras kann dem Schnitter nicht widerstehen, noch ihm entrinnen. Und wie das grüne Kraut werden sie verwelken. Der üppige Schmuck der Wiesen und Felder vergeht, sobald der dürre Ostwind von der Wüste her mit seinem Gluthauch das Land heimsucht; so vergeht auch alle Herrlichkeit der Gottlosen in der Stunde des Todes. Der unheimliche Sensenmann mäht die frechen Sünder nieder wie Gras und die Glut des göttlichen Zornes lässt sie verwelken wie Heu; sie sterben, und ihr Gedächtnis vermodert. Wie ist’s nun aus mit allem, mit dem sie vor kurzem noch so prahlten! Ist es der Mühe wert, unsere Kraft dadurch verzehren zu lassen, dass wir uns über solche Eintagsfliegen aufregen? Die Gläubigen haben in sich einen lebendigen und unvergänglichen Samen, der da ewiglich bleibt; was sollten sie denn solche beneiden, die bloß Fleisch sind, das wie Gras verdorrt, oder sich nach ihrer Herrlichkeit sehnen, die wie des Grases Blume bald abfällt und vergeht? (Vergl. 1. Petr. 1, 23-25.)


3. Hoffe aus den Herrn, und tue Gutes;
bleibe im Lande, und nähre dich redlich.

Vertraue auf den Herrn. (Grundtext) Hier haben wir die zweite Vorschrift und sie schließt sich trefflich an die erste an; denn rechtes Gottvertrauen heilt uns vom Murren und Neiden. Unser natürlicher Blick sieht die Dinge nur, wie sie zu sein scheinen; unsere Augen schielen, darum sehen wir scheel. Der Glaube aber hat schärfere Augen und nimmt die Dinge wahr, wie sie wirklich sind; daher seine Seelenruhe. Und tue Gutes. Der echte Glaube beweist seinen Gehorsam durch die Tat. Gutes tun ist eine feine Arznei gegen den verzehrenden Groll. Gottgeweihte Tätigkeit birgt eine Freude in sich, die allen Rost des Missvergnügens wegnimmt. Ein Schlüssel, den man oft braucht, ist immer blank. So wirst du das Land bewohnen2: "das Land", darinnen Milch und Honig fließt, das Gelobte Land. Du wirst nicht in der Wüste des Murrens und Haderns umherirren, sondern in dem verheißenen Lande der Ruhe und Zufriedenheit wohnen. "Wir, die wir glauben, gehen in die Ruhe." (Hebr. 4,3.) Wie es Israel äußerlich erging, das hing wesentlich von seiner inneren Stellung ab. So ist’s auch bei uns. Ist im Herzen der Himmel, so wird er auch im Hause sein. Die folgenden Worte3 übersetzen einige: Und wirst dich im Glauben nähren. Redlichkeit und Glaube haben die Verheißung, dass ihnen das Nötige auch für dies Leben nicht fehlen wird. Der gute Hirt wird an allen, die auf ihn trauen, seine Treue erweisen. Es soll ihnen weder im Geistlichen noch im Leiblichen etwas fehlen. Dem Sinne nach ähnlich ist die Übersetzung anderer: Und wirst dich an der Treue (Gottes) weiden. Gottes Wahrhaftigkeit, die Treue, mit der er seine Verheißungen erfüllt, wird dir ein beständiges Festmahl sein. Wieder andere sehen in den Worten eine Aufforderung: Und übe Treue, oder: weide dich an der Treue (Gottes). Beide Mahnungen sind jedenfalls köstlich, und ihre Befolgung ist ein sicheres Mittel, die zehrende Glut des Neides für immer im Herzen zu löschen.


4. Habe deine Lust am Herrn;
der wird dir geben, was dein Herz wünscht.

Mit diesem lieblichen Wort des Zuspruchs führt uns der Psalm wieder eine Stufe höher. Erst wurden wir ermahnt, uns nicht in Wallung bringen zu lassen; darauf folgte die Aufforderung, in der Tat und Wahrheit auf den Herrn zu trauen, und nun wird uns zugerufen, uns mit heiliger Inbrunst an unserem Gott zu ergötzen. Habe deine Lust am Herrn. Lass Jahwe die Freude und Wonne deines Geistes sein. Gemeinde Naturen suchen ihre Lust in fleischlichen Dingen; beneide sie nicht, wenn es ihnen gestattet wird, mit solch loser Speise ihren Bauch zu füllen. Dir sprudelt eine Quelle besserer Freuden; trink dich satt an ihr. In einem gewissen Sinn ahme den Gottlosen nach: Sie ergötzen sich an dem, was ihr Teil ist; siehe du zu, dass du die Wonne des besseren dir bestimmten Teils voll auskostest. Dann wirst du jene nicht mehr beneiden, sondern bemitleiden. Es bleibt in unseren Herzen unzweifelhaft kein Raum für Gram und Neid, wenn wir bedenken, dass Gott unser ist. Statt des unheimlichen Feuers, das jene im Herzen entzünden, lodern die Flammen heiliger Freude hoch empor. Alles, was Gott uns von sich geoffenbart hat, jeder seiner Namen, alle seine Eigenschaften, Worte und Taten sollten uns ein heiliges Ergötzen sein, und wenn wir über diese köstlichen Dinge nachsinnen, sollten wir so guter Dinge sein, wie der Jünger Epikurs, der sich mit tiefem Behagen an den Genüssen seiner reichen Tafel weidet. Der wird dir geben, was dein Herz wünscht. Die Erfüllung der Pflicht, am Herrn des Herzens Lust zu haben, ist an sich schon süß und selig; doch wird ihr außerdem noch ein köstlicher Lohn in Aussicht gestellt. Wer am Herrn seine Wonne hat, wird von der Kreatur los und begehrt und erbittet darum nichts, als was Gott gefällt; daher ist es ohne Gefahr, ihm carte blanche zu geben, ihm unbeschränkte Vollmacht des Bittens zu erteilen. Sein Wille hat sich dem Willen Gottes völlig unterworfen: darum kann er haben, was er will. Es sind die tieferen Anliegen und Begehren oder Bitten unseres Herzens hier gemeint, nicht alle gelegentlich in uns auftauchenden Wünsche. Es gibt gar manche Dinge, die unsere Natur sich wohl wünschen möchte, um die zu bitten uns die im Herzen wirkende Gnade aber nie erlauben würde. Diese tief empfundenen, im Gebet vor Gott gebrachten Anliegen sind es, denen die Verheißung unseres Verses gilt. Auch darf der Vers nicht auseinandergerissen und die Verheißung nicht von der im ersten Teil genannten, dem geistlichen Menschen gar lieblichen, dem fleischlichen aber widerstrebenden Bedingung losgelöst werden.


5. Befiehl dem Herrn deine Wege,
und hoffe aus ihn; Er wird’s wohl machen,
6. und wird deine Gerechtigkeit hervorbringen wie das Licht,
und dein Recht wie den Mittag.


5. Befiehl dem Herrn deinen Weg (Grundtext Einzahl), wälze (wörtl.) die ganze Sorgenlast deines Lebensweges auf ihn. (Vergl. 1. Petr. 5,7.) Übergib in des Ewigen Hände nicht nur das, was dir jetzt so das Herz beschwert (V. 1), sondern alle deine Kümmernisse und Sorgen; ja stelle ihm den ganzen Verlauf deines Lebens anheim. Lass fahren alle Angst, entsage deinem Eigenwillen, unterwirf dein Urteil der ewigen Weisheit, überlass alles deinem treuen Gott. Fürwahr ein treffliches Mittel, Herzeleid und Missgunst zu vertreiben! Allerdings ist es eine hohe Stufe des Glaubens, auf die diese vierte Lebensregel hinweist. Wie glücklich muss der Mensch sein, der Tag für Tag nach ihr lebt! Und traue auf ihn, so wird Er es (wohl) machen oder hinausführen. (Grundtext) Übergeben wir alles im Glauben dem Herrn, so werden wir am Ende fröhlich rühmen können: Er hat alles wohl gemacht! Der Landmann sät und eggt und dann überlässt er die Ernte Gottes treuen Händen. Was sollte er auch anders tun? Er kann den Himmel nicht mit Wolken bedecken, noch kann er dem Regen gebieten, herniederzurieseln, oder der Sonne, aus der Wolkenhülle hervorzubrechen, noch kann er den Tau hervorbringen. Er tut wohl daran, die ganze Sache Gott zu überlassen; und so ist es auch für uns alle die höchste Weisheit, nachdem wir im Gehorsam unsere Pflicht getan haben, das Weitere in Gottes Händen zu lassen und einen gesegneten Ausgang zu erwarten.

6. Und wird deine Gerechtigkeit hervorbringen wie das Licht. In Sachen unserer persönlichen Ehre dürfen wir uns ganz besonders daran genügen lassen, still zu sein und unsere Rechtfertigung dem Richter aller Welt zu überlassen. Je mehr wir uns da ereifern und erhitzen, desto schlimmer für uns. Da gilt es in hohem Maße, dass im Stillesein unsere Kraft liegt. Der Herr wird den Verleumdeten rechtfertigen. Ist es uns um Gottes Ehre zu tun, so wird er zu der unseren sehen. Es ist merkwürdig, wie der Schmutz der Verleumdung an solchen, die gelernt haben, die Schmähungen mit dem Mut des Glaubens zu erdulden, nicht haften bleibt, sondern abfällt, wie ein Schneeball von einer Granitwand. Selbst in den schlimmsten Fällen, wo unser guter Name eine Zeitlang wirklich verdunkelt wird, wird Gott die Schatten weichen lassen, wie die Finsternis vor der Morgendämmerung entfliehen muss, und dies Licht wird zunehmen, bis der einst Geschmähte allgemein geachtet und geehrt wird. Und dein Recht wie den Mittag. Kein Schatten eines Tadels soll an dem Mann haften, der auf Gott vertraut; er soll auf der Mittagshöhe des Glanzes stehen. Alles Dunkel seines Kummers und seiner Schmach soll weichen.


7. Sei stille dem Herrn und warte auf ihn;
erzürne dich nicht über den,
dem sein Mutwille glücklich fortgeht.

Sei stille dem Herrn. Dies Mahnwort kommt aus dem Heiligtum. Ihm nachzuleben, dazu bedarf es viel Gnade. Das unruhige Gemüt zu beschwichtigen, in heiliger Stille vor dem Herrn zu bleiben und geduldig die Zeit abzuwarten, wo die dunklen Führungen der Vorsehung sich aufhellen werden, - das ist’s, wonach jedes begnadigte Herz ringen sollte. "Und Aaron schwieg stille." (3. Mose 10,3) "Ich will schweigen und meinen Mund nicht auftun; denn Du hast’s getan." (Ps. 39,10.) Eine schweigsame Zunge zeigt in vielen Fällen nicht nur einen weisen Verstand, sondern ein geheiligtes Herz. Und warte (harre gespannt) auf ihn. Dem Ewigen ist die Zeit nichts; lass sie auch dir nichts sein, wo es zu harren gilt. Gott ist’s wohl wert, dass wir auf ihn warten. Er kommt nicht, ehe seine Stunde geschlagen hat, aber er kommt auch nie eine Minute zu spät; seine Uhr geht immer richtig. Wenn wir eine Erzählung lesen, werden wir nicht stutzig, wenn sich die Knoten immer verwickelter knüpfen; wir wissen, der Schluss wird die Lösung bringen. So sollten wir auch über das große Drama des Lebens nicht voreilig urteilen, sondern bis zur Schluss-Szene warten und sehen, auf was für ein Ende das Ganze hinausläuft. Erzürne (erhitze) dich nicht über den, der seinen Weg glücklich durchführt, über den Mann, der Intrigen spinnt. (Wörtl.) Es dient zu nichts Gutem, wohl aber zu vielem Bösen, wenn du dir Kopf und Herz zermarterst über den Erfolg, den verworfene Intriganten in dieser Zeit haben. Lass dich nicht zu unreifen Urteilen hinreißen; du bereitest durch sie Gott Unehre und dir selber Herzeleid. Fasse den festen Entschluss, du wollest, mögen die Gottlosen noch so glänzende Erfolge in allen ihren Unternehmungen haben, über die Sache mit Gleichmut hinweggehen und es nie erlauben, dass in dir ein Zweifel über die Gerechtigkeit und Güte Gottes aufsteige. Was soll’s, wenn auch die Intrigen der Gottlosen Glück und Gedeihen haben, während deine Pläne zu Wasser werden? In den schmerzlichen Enttäuschungen und Vereitlungen deiner Pläne ist dennoch ein größeres Maß göttlicher Liebe als in den Erfolgen der Gottlosen.


8. Steh ab vom Zorn und lass den Grimm;
erzürne dich nicht, dass du auch übel tust.
9. Denn die Bösen werden ausgerottet;
die aber des Herrn harren, werden das Land erben.
10. Es ist noch um ein kleines, so ist der Gottlose nicht mehr;
und wenn du nach seiner Stätte sehen wirst, wird er weg sein.
11. Aber die Elenden werden das Land erben,
und Lust haben in großem Frieden.


8. Steh ab vom Zorn und lass den Grimm. Hiermit kehrt die Spruchreihe wieder zu der Warnung des Anfangs zurück, mit näherer Ausführung und Begründung derselben. Hadere nicht mit der Vorsehung, indem du mit Bitterkeit auf die zeitlichen Ergötzungen derer schaust, die doch so bald alles Glücks beraubt sein werden. Fleischlicher Zorn ist stets ein naher Verwandter des Wahnsinns; hier ist er die höhere Unsinnigkeit. Lass den Grimm fahren, den bösen Gesellen, der dir den Frieden stört; und ob er sich dir in seiner Unverschämtheit immer wieder aufdrängen will, so lass ihn ein für allemal wissen, dass ihr geschiedene Leute seid! Erzürne (erhitze) dich nicht, (es führt) nur zum Bösestun. (Grundtext) Da hast du den Grund, warum du mit dem Zorn nichts zu schaffen haben sollst: er wirft dich in den Kot, ehe du dich’s versiehst. Wer Groll im Herzen trägt, steht am Rand eines Abgrunds. Du nennst deinen Zorn sittliche Entrüstung über das Böse und anfangs war er das vielleicht in der Tat; aber siehe zu, wohin er dich führt! Unbemerkt wirst du mitten im Hadern gegen Gott sein. Und viele, die die Schlange der Unzufriedenheit am Busen genährt haben, sind endlich dazu gekommen, schwere Sünden zu begehen, um ihre vermeintlichen Rechte zu erobern. Hüte dich davor, dich mit anderen Leuten zu beschäftigen und dich über ihr Scheinglück aufzuhalten; lass du nur das eine deine Sorge sein, dass du auf dem rechten Weg erfunden wirst. Und wie du vor der äußern Sünde zurückschreckst, so zittere auch vor dem inneren Murren.

9. Denn die Bösen werden ausgerottet. Trifft sie nicht schon vorher die verderbende Hand Gottes, so wird doch ihr Tod ein schreckliches Gericht sein; nicht eine sanfte Versetzung in eine höhere Lebensform, sondern eine Hinrichtung durch das Schwert der rächenden Gerechtigkeit. Die aber des Herrn harren - die sich an den Unsichtbaren halten, als sähen sie ihn, und sich mit seiner Weisheit und Liebe und seinen untrüglichen Verheißungen trösten - die (im Grundtext nachdrücklich hervorgehoben) werden das Land erben. Jetzt scheint es, als wären die Frevler die Erben der den Glaubensvätern gegebenen Verheißungen; aber wer warten kann, wird die Herrschaft der Gottlosen vernichtet sehen. Ob Abrahams geistliche Nachkommen auch heute noch als Fremdlinge hier auf Erden wallen, es wird doch die Zeit kommen, in der sie das Erdreich besitzen (Mt. 5,5). Leidenschaft hat, nach Bunyans Gleichnis, ihre guten Dinge zuerst und sie sind bald dahin; Geduld bekommt ihre guten Dinge zuletzt und sie währen ewig.

10. Es ist noch um ein kleines, so ist der Gottlose nicht mehr. Wenn verworfene Menschen hoch emporkommen, schwemmen Gottes Gerichte sie oft plötzlich hinweg. Ihre Reichtümer schmelzen dahin, ihre Macht vergeht und ihr Glück wandelt sich in Elend; ja, nicht nur alle ihre Herrlichkeit, sondern sie selbst sinken dahin und zählen nicht mehr unter die Lebenden. Die Kürze des Erdenlebens lehrt uns erkennen, dass der Glanz der gottlosen Reichen und Hohen dieser Welt nur schimmerndes Rauschgold ist. Was beneidest du denn, o Gotteskind, das du in mancherlei Trübsal bist, Menschen, die binnen kurzem im Staube, und niedriger als im Staube, gebettet sein werden? Und wenn du nach seiner Stätte sehen wirst, wird er weg sein. Sein Haus wird öde stehen, sein Amtssitz leer sein und seine Habe ohne Besitzer; er selbst wird aus dem Gedächtnis völlig ausgelöscht sein, vielleicht durch seine eignen Ausschweifungen schlagartig vom Leben abgeschnitten oder auf ein ärmliches und schmachbedecktes Sterbebett hingestreckt sein. Er ist verschwunden wie eine vorübergegangene Wolke, vergessen wie ein Traum; - wo sind seine prahlerischen, anmaßenden Reden und wo all der Luxus, der arme Sterbliche denken ließ, er sei trotz seiner Sünden ein Günstling des Himmels?

11. Aber die Elenden (die stillen Dulder, die Sanftmütigen Mt. 5,5) werden das Land erben. Dieses Wort unseres Psalms hat der erhabene Bergprediger in seine Seligpreisungen aufgenommen. Sollen sie das Land der Verheißung in Besitz nehmen, so ist darin eingeschlossen, dass sie leben werden. Gerade sie, die so viel Unrecht in stiller Sanftmut dulden, sollen die Herrscherkrone erlangen; sie sollen die Erfüllung der Bundesgnaden und die volle Verwirklichung der Heilsratschlüsse Gottes erfahren. Sie, die sich in wahrer Demut unter Gottes Hand beugen und im Glauben auf das Gegenwärtige und Sichtbare verzichten, sie sollen die Zukunft haben und ihr Los zugeteilt bekommen unter dem heiligen Samen, unter den Erben der Gnade, denen alle Fülle des Guten nach heiligem Geburtsrecht zufallen muss. Und ihre Lust haben an großem Frieden.4 (Wörtl.) Der Friede ist’s, wonach ihr Herz begehrt und Frieden sollen sie in überschwänglichem Maß haben. Haben sie nicht eine Fülle des Reichtums, so wird ihnen die Fülle des Friedens, die sie genießen, dafür ein überreicher Ersatz sein. Andere haben ihre Lust am Streiten und beschwören dadurch selber ihr Unglück herauf; Friedfertigkeit aber führt zu Frieden und je mehr jemand ihn liebt, desto reichlicher wird er ihm zuteil. In dem goldenen Zeitalter der letzten Tage, in denen die ganze Erde sich tiefen Friedens erfreuen wird, wird die volle prophetische Bedeutung solcher Worte ans Licht treten.


12. Der Gottlose droht dem Gerechten,
und beißt seine Zähne zusammen über ihn.
13. Aber der Herr lacht über ihn;
denn er sieht, dass sein Tag kommt.
14. Die Gottlosen ziehen das Schwert aus und spannen ihren Bogen,
dass sie fällen den Elenden und Armen,
und schlachten die Frommen.
15. Aber ihr Schwert wird in ihr Herz gehen,
und ihr Bogen wird zerbrechen.

In diesen Versen haben wir vor uns das Bild eines stolzen Bedrückers, der bis an die Zähne bewaffnet ist.

12. Der Gottlose sinnt (Unheil) gegen den Gerechten. (Wörtl.) Warum kann er den Braven nicht in Frieden lassen? Weil Feindschaft ist zwischen dem Schlangen-Samen und dem Weibes-Samen. Aber warum greift er ihn dann nicht in offenem, ehrlichem Kampfe an? Warum sinnt er so mühsam, wie er ihn durch tückische Anschläge verderben könne? Weil es Schlangenart ist, hinterlistig zu sein. Unter offener Flagge segeln, passt denen nicht, die an Bord des Apollyon5 sind. Und beißt seine Zähne zusammen (dem Schall nachahmenden Wort des Grundtexts entsprechender: knirscht mit den Zähnen) über ihn. Die Gottlosen zeigen durch ihre Gebärden, was sie tun würden, wenn sie die Macht dazu hätten. Können sie den Frommen nicht zerreißen, so müssen sie doch die Zähne zusammenbeißen über ihn; können sie ihn nicht zermalmen, so müssen sie wenigstens mit den Zähnen knirschen gegen ihn. Das ist genau, was eine verkommene Welt dem einen Gerechten sondergleichen, dem Friedefürsten, gegenüber getan hat. Dennoch übte er an denen, die so ihre Wut und ihren Hass an ihm ausließen, keine Rache, sondern erduldete das Unrecht wie ein stilles Lamm.

13. Aber der Herr lacht über ihn. Der Gottesfürchtige braucht sich nicht darum zu bekümmern, dass dem Ruchlosen vergolten werde; er kann das ruhig dem Allherrn (Adonai) überlassen. Mag der stolze Verächter mit den Zähnen knirschen und vor Wut schäumen; er hat es mit einem zu tun, der auf ihn und all sein Rasen mit Verachtung hinabblickt, ja der über ihn lacht, denn er sieht und hat schon vorlängst gesehen (wörtl.), dass sein Tag kommt. Der Gottlose aber sieht’s nicht, wie nahe ihm das Verderben auf den Fersen ist; er prahlt, wie er die Frommen zermalmen wolle, während die Rache schon ihren Fuß erhoben hat, ihn zu zertreten wie den Kot aus der Gasse. Wie entsetzlich: Sünder, in der Gewalt eines eifrigen Gottes und dennoch sinnend, wie sie seine Kinder verderben können. O ihr Armen, die ihr so in das gezückte Schwert des Herrn lauft.

14. Die Gottlosen haben das Schwert gezückt. (Grundtext Perf.) Sie sind ganz zum Angriff bereit; sie haben das Schwert schon in der Hand und warten sehnsüchtig auf den Augenblick, in dem sie es dem Gerechten ins Herz stoßen können. Und den Bogen gespannt, wörtl.: niedergetreten. Eine Waffe ist ihnen nicht genug, sie halten noch eine andere in Bereitschaft. Sie sind mit einem so mächtigen Bogen gerüstet, dass sie ihn nicht mit der Hand, sondern mit dem Fuße spannen müssen. Wenn es auf Waffengewalt und Bereitschaft ankommt, muss es ihnen gelingen. Dass sie fällen den Elenden und Armen. Die sind das Wild, dem sie nachstellen, die Beute, die sie mit ihrer fluchwürdigen Bosheit zu erjagen suchen. Nicht ihresgleichen greifen diese Feiglinge an, sondern solche, die sich ihres sanftmütigen Geistes oder ihres geringen Standes wegen nicht wider sie verteidigen können. Lasst uns stets daran denken, wie unser sanftmütiger und demütiger Meister von grausamen Feinden umringt war, die sich mit allen möglichen Waffen gerüstet hatten, ihn zu fangen und zu fällen. Und schlachten die Frommen, Grundtext: redlich Wandelnde. Nichts außer der völligen Ausrottung der wahrhaft Frommen genügt den Gottlosen. Alle, die aufrichtig handeln und gerade Wege gehen, haben den tödlichen Hass der listigen Ränkemacher, deren Lust die Ungerechtigkeit ist, auf sich lasten. Diese kennen kein heißeres Verlangen, als jene hinzuschlachten, ein Blutbad unter ihnen anzurichten. Ein Hinweis auf die Geschichte ist überflüssig. Wie wahr sind unseres Heilands Worte: Wärt ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern Ich habe euch von der Welt erwählet, darum hasst euch die Welt. (Joh. 15,19.)

15. Aber ihr Schwert wird in ihr Herz gehen. Gleich Haman, dem ersten Ersinner einer Bartholomäusnacht (Esther 3), werden sie an den Galgen gehängt werden, den sie selber für Mardochai errichtet haben. Unzählige Male ist dies der Fall gewesen. Auch Saul, der den David umzubringen suchte, fiel in sein eignes Schwert. Und ihr Bogen wird zerbrechen. Sie haben sich doppelt bewaffnet gegen die Wehrlosen; aber all ihre List und Macht hilft ihnen nichts. Ein Stärkerer wird über sie kommen und ihren Bogen zerbrechen oder sie werden in der Raserei diesen so überspannen, dass er von selber bricht. Die Bosheit überlistet sich selbst. Sie trinkt den Giftbecher, den sie für einen anderen gemischt hat, und verbrennt sich selbst an dem Feuer, das sie für den Nächsten angezündet hat. Was sollen wir uns denn das Herz zermartern über dem Gedeihen der Gottlosen, wenn diese so beflissen sind, sich selber zu verderben, während sie annehmen, den Heiligen Schaden zuzufügen?
  Die nächsten neun Vers beschreiben hauptsächlich die Gesinnung und den gesegneten Stand der Gottseligen und die Lichtwirkung des Bildes wird erhöht durch einige dunkle Pinselstriche, die die Gottlosen und ihr Schicksal zeichnen.


16. Das Wenige, das ein Gerechter hat, ist besser
als das große Gut vieler Gottlosen.
17. Denn der Gottlosen Arm wird zerbrechen;
aber der Herr erhält die Gerechten.
18. Der Herr kennt die Tage der Frommen,
und ihr Gut wird ewiglich bleiben.
19. Sie werden nicht zuschanden in der bösen Zeit,
und in der Teuerung werden sie genug haben.
20. Denn die Gottlosen werden umkommen;
und die Feinde des Herrn, wenn sie gleich sind wie eine köstliche Aue,
werden sie doch vergehen, wie der Rauch vergeht.
21. Der Gottlose borgt und bezahlt nicht;
der Gerechte aber ist barmherzig und gibt.
22. Denn seine Gesegneten erben das Land;
aber seine Verfluchten werden ausgerottet.
23. Vom dem Herrn wird solches Mannes Gang gefördert,
und er hat Lust an seinem Weg.
24. fällt er, so wird er nicht weggeworfen;
denn der Herr hält ihn bei der Hand.


16. Das Wenige, das ein Gerechter hat, ist besser denn das große Gut vieler Gottlosen. Das ist ein feines Sprichwort. Das wenige eines Gerechten wird der Menge (Grundtext) der Schätze vieler Gottlosen gegenübergestellt, wodurch die Aussage sehr kraftvoll wird. Es ist mehr wahres Glück in dem durchs Wort Gottes und Gebet geheiligten (1. Tim. 4,5) Gericht Kraut des gottseligen Menschen als in dem gemästeten Ochsen profaner Feinschmecker. Wir möchten lieber mit Johannes fasten, als mit Herodes Feste feiern; lieber mit den Propheten in Obadjas Höhle von Brot und Wasser leben, als mit den Götzenpriestern an Isebels Tisch schwelgen (1. Könige 18,13.19). Das Glück eines Menschen besteht nicht in den Haufen Goldes, die er in der Truhe hat. Die Zufriedenheit findet multum in parvo (viel in wenig), während einem gottlosen Herzen die ganze Welt zu wenig ist.

17. Denn der Gottlosen Arme werden zerbrochen. (Wörtl.) Alle Macht, Unheil zu stiften, wird ihnen genommen werden, denn eben die Arme, die sie gegen Gott und die Frommen erhoben haben, werden zermalmt werden. Sie werden weder anderen mehr schaden noch sich selber helfen können. Gott macht oft die sich allmächtig wähnenden Bösen zu ohnmächtigen Krüppeln. Gibt es einen verächtlicheren Anblick als die Raubgier, wenn ihr die Zähne ausgebrochen (Ps. 3,8; 58,7), und die Bosheit, wenn ihr die Arme zerschmettert sind? Aber der Herr erhält die Gerechten. Jahwe selber stützt sie; so sind sie wohl bewahrt.

18. Der Herr kennt die Tage der Frommen. Gottes Vorwissen lässt ihn des stolzen Unterdrückers lachen (V. 13); aber für die lauteren Seelen, die mit ganzem Herzen an ihm hängen, sieht er eine lichtvolle Zukunft voraus, und er behandelt sie als Erben des Heils. Das ist allezeit unser Trost, dass alle unsere Geschicke unserem Gott bekannt sind und nichts von alledem, was uns zukünftig begegnen wird, ihn überraschen kann. Kein Pfeil kann uns von ungefähr durchbohren, kein Dolch uns unvermerkt ins Herz treffen; weder in der Zeit noch in der Ewigkeit kann uns irgendein Übel zustoßen, das Gott nicht vorhergesehen hätte. Die Zukunft wird nur eine fortgehende Entfaltung all des Guten sein, das der Herr für uns aufbewahrt hat. Und ihr Erbe (Grundtext) wird ewig bleiben. Ihr Erbteil schwindet nicht dahin. Es ist ein unveräußerliches und unantastbares Erblehen; niemand kann sie dessen berauben, niemand es zerstören. Das ist des Gläubigen alleiniges Vorrecht, ein ewiges Besitztum zu haben.

19. Sie werden nicht zuschanden in der bösen Zeit. Wohl kommen auch für sie schwere Zeiten der Heimsuchung; aber diese sind zugleich die Zeiten, wo sie in besonderer Weise die heraus- oder hindurchrettende Macht Gottes erfahren. Da die Redlichen nie darauf gerechnet haben, von aller Not verschont zu bleiben, so sind sie auch nicht enttäuscht, wenn sie nun berufen werden, ihr Teil Trübsal hinzunehmen, sondern sie werfen sich vielmehr in der bösen Zeit von neuem auf ihren Gott und erproben in neuer Weise seine Treue und Liebe. Gott ist nicht bloß in den sonnigen Tagen des Glücks ein Freund, sondern auch im Sturmes-Tosen der Trübsal. Und in der Teuerung werden sie genug haben. Ihr Mehl im Kad soll nicht verzehrt werden und ihrem Ölkrug soll nichts mangeln, bis die Zeit der Heimsuchung vorbei ist; und wenn ihnen auch nicht gerade die Raben Brot und Fleisch bringen, kommt ihnen doch auf irgendwelche andere Weise das zu, was sie benötigen; denn dem Gerechten wird sein Brot gegeben, sein Wasser hat er gewiss (Jes. 33,16). Unser Heiland selber stützte sich hierauf, als ihn hungerte in der Wüste, und wies im Glauben den Versucher zurück; auch wir können uns mit derselben Erwägung des Sorgengeistes entschlagen, der uns zur Sünde verleiten will (V. 8). Wenn Gottes Vorsehung über uns wacht, brauchen wir uns über den Preis des Roggens nicht abzuhärmen. Mehltau und Hagel und Dürre sind in der Hand des Herrn. Der Unglaube kann auch nicht eine Ähre vor dem Brandigwerden schützen; der Glaube aber kann, wenn er nicht die Ernte bewahrt, Größeres als dies tun, nämlich uns die Freude am Herrn bewahren.

20. Denn die Gottlosen werden umkommen. Was für ein Zauberlicht auch ihre Gegenwart umgaukeln mag, ihre Zukunft ist Finsternis, die man greifen mag. Das Urteil ist über die Gottlosen schon gefällt, sie werden nur zur Hinrichtung aufbehalten. Mögen sie in Purpur und köstlicher Leinwand Eindruck machen wollen und alle Tage herrlich und in Freuden leben, das Damoklesschwert hängt doch über ihnen und wenn sie bei nüchternem Verstand wären, würde sich ihr Lachen in Weinen und ihre Ausgelassenheit in Wehklagen verkehren. Und die Feinde des Herrn werden sein wie das Köstlichste (d. h. das Fett) der Lämmer. (Andere Übers.6 Wie das Fett der Opfer völlig auf dem Altar verzehrt wurde, so werden die Gottlosen gänzlich vertilgt werden und von der Stätte ihrer Ehre und ihres Stolzes verschwinden. Es ist nur ein Unterschied: Sie sind Gott kein süßer Geruch. Die meisten Ausleger übersetzen: Und die Feinde des Herrn sind wie die Pracht der Auen. Damit würde der Dichter zu dem Bild des zweiten Verses zurückkehren. Sie mögen Eindruck machen wollen wie die Ebene Saron im Frühlingsschmuck; doch wenn der Glutwind der göttlichen Gerichte über sie hinfährt, ist alles eine dürre Wüste. Sie schwinden dahin wie der Rauch, schwinden dahin. Sic transit gloria mundi: So vergeht alle Herrlichkeit der Welt! Wo ist die dicke Rauchwolke, die alles in Finsternis hüllte? Dahin, dahin! Die Wiederholung ist ergreifend. Nicht eine Spur ist von ihnen zurückgeblieben. Vergl.

21. Der Gottlose borgt, und bezahlt nicht; - dies teils, weil er nicht will, hauptsächlich aber, weil er nicht kann. Mangel folgt der Verschwendung; so bleibt die Schuld denn ungetilgt. Oft kommt solche Armut über die Gottlosen in diesem Leben. Ihre "noblen Passionen" bringen sie so herunter, dass sie an der Tür des Wucherers anklopfen müssen und dem Bankrott verfallen. Der Gerechte aber ist barmherzig (mildtätig) und gibt. Die Barmherzigkeit gibt ihm viel; darum gibt auch er in barmherziger Liebe den Dürftigen. Er ist mildtätig und je mehr er gibt, desto mehr hat er. Er leiht nicht, sondern er gibt. Soviel er nur kann, leiht er der Stimme der Not sein Ohr. Er gibt nicht, um die Trägheit dadurch zu ermutigen, sondern in wirklicher Barmherzigkeit und gesunder Mildtätigkeit, die wirklichen Mangel voraussetzt. Das Wort mag uns ein Wink sein, wie viel besser es in der Regel ist, zu geben als zu leihen. Meist läuft das Leihen aufs Schenken hinaus, und es ist ebenso gut, diese Tatsache im Voraus anzuerkennen und durch ein wenig Großzügigkeit dem Unvermeidlichen vorzubeugen. Wenn diese beiden Sätze eine Beschreibung des Gottlosen und des Gerechten sind, so hat der Schreiber dieser Zeilen guten Grund, zu wissen, dass der Gottlosen in und um London nicht wenige sind.

22. Denn seine Gesegneten erben das Land. Gottes Segen ist wahrer Reichtum. Wirkliches Glück, wie es den Auserwählten bundesmäßig zugesichert ist, liegt in der göttlichen Huld. Aber seine Verfluchten werden ausgerottet. Sein Stirnrunzeln ist Tod, ja noch mehr, es ist die Hölle. Man vergl. Mt. 25,34.41.

23. Von dem Herrn aus werden die Schritte eines Mannes gefestigt, an dem7 er Wohlgefallen hat. (Grundtext) Nicht in des Mannes Körperkraft und Willensstärke liegt es, wenn er feste Schritte tut. Einem Saul gebrach es von Natur an beidem nicht und doch wurde sein Gang zum Erbarmen schwankend und haltlos. Der Herr ist’s, der unsere Knöchel ehern und unser Rückgrat eisern macht; und seine Lust ist’s, in den Schwachen seine Macht zu erweisen. Nicht die Glätte oder Rauheit des Weges, auf dem wir wandeln müssen, wohl aber die Art unseres Ganges wird erkennen lassen, ob der Herr an uns Wohlgefallen hat. Ein Abraham ging festen Schrittes den dornenvollen Pfad auf Morijas Höhe.

24. Doch kann es auch dem Gerechten wohl begegnen, dass er einen Fehltritt tut und nicht nur wankt, sondern wirklich zu Fall kommt, oder es kann das Unglück ihn zu Boden bringen. Es mag sein, dass er gleich einem Hiob von allem entblößt wird, gleich Joseph ins Gefängnis kommt oder gleich Jona in die Tiefe des Meers geworfen wird. Aber auch gesetzt den Fall, dass er fallen sollte, so wird er doch nicht (der Länge nach) hingestreckt. (Grundtext) Er mag auf die Knie stürzen, aber nicht aufs Angesicht oder wenn er auch den Boden berührt, wird er doch bald wieder aufrecht stehen. Keiner der Heiligen Gottes soll einen Fall tun, von dem er sich nicht wieder erhebt; dies ist das Schicksal der Gottlosen und Heuchler (Ps. 36,13). Der Kummer kann uns in den Staub legen und der Tod ins Grab, aber tiefer können wir nicht sinken, und aus der tiefsten Niedrigkeit werden wir zur höchsten Höhe fahren. Denn der Herr hält ihn bei der Hand, wörtl. stützt seine Hand. Jahwe neigt sich in herablassender Liebe zu den Seinen, er hält sie mit seiner eignen Hand im Fallen auf und gibt ihnen damit einen Stützpunkt, an dem sie sich wieder aufrichten können. Er überlässt es nicht von ihm gesandten Helfern, sie aufzurichten, sondern leistet ihnen persönlich Beistand. Selbst wenn der Herr es zugibt, dass wir fallen, lässt er uns in einem gewissen Maße seine haltende Macht erfahren. Wo die Gnade uns nicht vor dem Sinken schützt, bewahrt sie uns doch vor dem Versinken, wie es Petrus so herrlich erlebt hat (Mt. 14,31; Lk. 22,32). Hiob hatte am Ende doppelt so viel Reichtum wie zuvor, Joseph wurde ein Herr über ganz Ägyptenland und Jona kam glücklich ans Land. Nicht darum stehen die Auserwählten von jedem Falle auf, weil sie etwa stark oder weise sind oder ein besonderes Verdienst haben, sondern weil der Herr ihr Helfer ist, so dass niemand und nichts sie überwältigen kann.


25. Ich bin jung gewesen und alt worden,
und habe noch nie gesehen den Gerechten verlassen
oder seinen Samen nach Brot gehen.
26. Er ist allezeit barmherzig, und leiht gerne,
und sein Same wird gesegnet sein.


25. Dieser Vers enthält eine Beobachtung, die David in seinem langen Leben gemacht hatte. Ich könnte nicht sagen, dass die Worte gerade so, wie sie da stehen, meine Erfahrung ausdrücken; habe ich doch mehr denn einmal Kinder absolut vorbildlicher Menschen unterstützt, die mich als gewöhnliche Bettler ansprachen. Aber das wirft keinen Zweifel auf das, was David hier als seine Erfahrung mitteilt. Er lebte unter einer Haushaltung, deren Verheißungen mehr aufs Äußerliche und Irdische gingen, als die der jetzigen Haushaltung, wo der persönliche Glaube mehr im Vordergrund steht. Nie wird der Gerechte verlassen; das ist jedenfalls eine Regel ohne Ausnahme. Selten genug ist’s, dass sein Same nach Brot geht; und obwohl es gelegentlich vorkommt, als Folge von Verschwendung, Trägheit oder anderen Fehlern der Söhne, so ist es doch ohne Zweifel eine so seltene Sache, dass manche leben, die einen derartigen Fall nie gesehen haben. Geh in die Armenhäuser und sieh, wie wenige der Insassen Kinder wahrhaft frommer Eltern sind; tritt in die Gefängnisse und beachte, wie viel seltener noch du dort einen Sohn gläubiger Eltern triffst. Oft werden Söhne armer Prediger des Evangeliums reich. Ich bin nicht alt8, aber ich habe manche Familien armer gottesfürchtiger Leute zu Reichtum kommen sehen und habe es vielfach beobachtet, dass der Herr die Treue des Vaters durch den Erfolg, den er dem Sohne gab, belohnte, so dass ich oft gedacht habe, die beste Weise, seine Nachkommen auszusteuern, sei die, um Christi Willen arm zu werden. In der Geschichte der indischen Mission z. B. können wir diese Wahrheit vielfach illustriert sehen.

26. Er ist immer barmherzig (mildtätig) und leiht gerne. Die Gerechten stehen beständig (buchstäblich: den ganzen Tag) unter dem Antrieb edelmütiger Freigebigkeit. Sie werden wohlhabend nicht durch Sparsamkeit, sondern durch Mildtätigkeit. Gleich dem gütigen Geber aller guten Gaben, dessen geliebte Kinder sie sind, ist’s ihnen eine Lust, Gutes zu tun. Wie knickerige, habsüchtige Maulchristen auf die Seligkeit hoffen können, ist denen ein Wunder, die solche Verse in ihrer Bibel lesen. Und sein Same wird gesegnet sein, ja (nach dem Wortlaut des Grundtextes) anderen zum Segen sein. Gott zahlt im nächsten Geschlecht mit Zinsen heim. Wenn Kinder frommer Leute Gott nicht fürchten und lieben, muss es seinen Grund in einer Versäumnis der Eltern oder in irgendeiner anderen unentschuldbaren Ursache haben. Der Freund des Hausvaters ist der Freund der Familie. Der Gott Abrahams ist auch der Gott Isaaks und Jakobs.


27. Lass vom Bösen und tue Gutes,
und bleibe wohnen immerdar.
28. Denn der Herr hat das Recht lieb,
und verlässt seine Heiligen nicht;
ewig werden sie bewahrt;
aber der Gottlosen Same wird ausgerottet.
29. Die Gerechten erben das Land
und bleiben ewig drinnen.


27. Dieser Vers enthält die siebente Vorschrift, die doppelt, verneinend und bejahend, ausgedrückt ist und die Quintessenz des ganzen Psalms enthält. Lass (weiche) vom Bösen und tue Gutes. Wir dürfen die Übeltäter nicht beneiden, sondern müssen uns ihrer Gesinnung und ihrem Beispiel gegenüber gänzlich ablehnend verhalten. Wir dürfen mit der Sünde keinen Waffenstillstand schließen, noch uns auf irgendwelche Verhandlungen mit ihr einlassen; es gilt, ihr ohne Zögern gänzlich abzusagen, und noch mehr als das, ihr mit aller Macht entgegenzuarbeiten. Wer es unterlässt, Gutes zu tun, gerät bald in böse Dinge. Und bleibe wohnen allezeit, d. h.: so wirst du allezeit wohnen bleiben. Mache dich so des Segens teilhaftig, den Gott dem treuen Samen Abrahams verheißen hat. Erlange das bleibende, friedevolle Erbteil des wahren Israel. Aller Gewinn und alle Ergötzung, die dir das Böse bietet, ist von kurzer Dauer; aber die Gnade lohnt mit ewigen Gütern.

28. Denn der Herr hat das Recht lieb. Ehre zu geben, dem Ehre gebührt, ist Gottes Lust, besonders wenn ein redlicher Mann von seinen Mitmenschen verleumdet worden ist. Es muss für Gott nach seinem Wesen in der Tat eine wahre Freude sein, solchen, die Unrecht erleiden, zu ihrem Recht zu helfen und die Anschläge der Ungerechten zunichte zu machen. Der erhabene Lenker der Geschicke lässt ganz gewiss den Reichen und den Armen, den Guten und den Bösen gerechtes Maß zuteil werden; denn er hat das Recht lieb. Und verlässt seine Heiligen (Grundtext: Frommen) nicht. Dies würde nicht recht sein, darum wird es nie geschehen. Gott ist gegen die ihm treu Ergebenen eben so treu, wie er allen Menschen gegenüber gerecht ist. Ewiglich werden sie bewahrt. Ihre ewige Sicherheit ist durch die Bundeszusagen gewährleistet und durch die Leistung der Bürgschaft sind diese rechtskräftig geworden. Mag kommen, was will, die Heiligen Gottes werden in Christus Jesus bewahrt; er lebt und sie sollen auch leben. Ein König behütet seine Kronjuwelen; so der Herr die Seinen. Wie das Manna, das doch sonst zerschmolz und verdarb, in dem goldenen Krüglein in der Bundeslade unter dem Gnadenstuhl auf immerwährende Reiten behalten wurde, so werden auch die treuen Seelen in der Macht Jesu, ihres Versöhners, bewahrt. Aber der Gottlosen Same wird ausgerottet, gleich dem Hause eines Jerobeam und eines Ahab, von denen nicht ein männliches Mitglied überblieb. Unrecht erworbene Würden und Reichtümer kommen selten auf das dritte Geschlecht; der Fluch reift aus, ehe viele Jahre dahin sind, und schüttet seine bösen Früchte über das gottlose Haus. In der Hinterlassenschaft ruchloser Menschen ist das sicherste Erbstück das Gericht, das sich an ihrer Familie vollzieht.

29. Die Gerechten werden (Grundtext) das Land erben. Als Miterben Jesu Christi werden sie das himmlische Kanaan, das Gegenbild des irdischen, mit allen seinen Bundessegnungen in Besitz nehmen. Und ewig darin bleiben. Von den irdischen Gütern kann man uns, wie von einem Pachtgut, vertreiben; aber aus dem himmlischen Besitz kann uns niemand ausbieten. Das Paradies ist das unantastbare Erbe der Gläubigen und sie sollen ewig darin wohnen und seine Fülle genießen. Wer möchte nicht unter solchen Bedingungen in den Dienst des Herrn treten? Und wer wollte sich noch wegen der so schnell dahinschwindenden Schätze der Gottlosen ereifern und grämen?


30. Der Mund des Gerechten redet die Weisheit,
und seine Zunge lehret das Recht.
31. Das Gesetz seines Gottes ist in seinem Herzen,
seine Tritte gleiten nicht.
32. Der Gottlose lauert auf den Gerechten,
und gedenkt ihn zu töten.
33. Aber der Herr lässt ihn nicht in seinen Händen,
und verdammt ihn nicht, wenn er verurteilt wird.


30. Der Mund des Gerechten redet die Weisheit. Da sich der ganze Psalm damit beschäftigt, das verschiedene Geschick der Gerechten und der Gottlosen darzustellen, ist es entsprechend, dass er ein Zeichen gibt, woran man den Gerechten erkennen kann. Des Menschen Zunge ist kein übles Kennzeichen seiner Gesinnung. Der Mund verrät das Herz. Gute Menschen reden in der Regel, was zur Erbauung dient, ihre Rede ist lieblich und mit Salz gewürzt und am liebsten sprechen sie von göttlichen Dingen, entsprechend der göttlichen Erleuchtung, die sie empfangen haben. Gerechtigkeit ist Weisheit, ins Tun umgesetzt; daher sind sittlich gereifte Charaktere auch wahrhaft weise Menschen. Sie sinnen auf Weisheit (vergl. den Grundtext), darum reden sie auch weise. Und seine Zunge lehrt (wörtl.: redet) das Recht. Er tritt für das Recht ein, fällt über Menschen und Dinge ein gerechtes Urteil und sagt voraus, dass Gott seine Gerichte über die Gottlosen kommen lassen wird, wie der Herr es von alters her getan hat. Er führt weder törichte noch schlüpfrige, weder seichte noch gemeine Reden. Was wir sprechen, ist von weit größeren Folgen, als manche sich einbilden.

31. Das Gesetz seines Gottes ist in seinem Herzen, seine Tritte gleiten nicht. Da ist das Beste am besten Ort; so bringt es die besten Erfolge zu Stande. Es wundert uns nicht, dass dieses Mannes Rede so bewundernswert ist, da sein Herz mit einem so köstlichen Schatz gefüllt ist. An dem Guten und Göttlichen feine Lust haben, die innersten Beweggründe und Wünsche reinigen und weihen lassen, dem Herrn von Herzensgrund gehorsam sein, - das ist die sicherste Weise, den ganzen Lauf des Lebens auf sein erhabenes Ziel hinzurichten und sich sogar in den kleinen Dingen des Lebens, in den einzelnen Schritten, vor bedenklichen Fehltritten zu behüten. In solchen Zeiten wie die, in welchen wir leben, einen gleichmäßig festen Gang zu bewahren, diese Gnade wird nur solchen gegeben, deren Herzen gegen Gott redlich gesinnt sind und die darum in Wahrheit, nach unserem Vers, Gott ihren Gott nennen können. Die weltliche Klugheit muss sich bald hierhin, bald dorthin wenden und winden und strauchelt und fällt und kommt mit all ihren Sprüngen doch nicht ans Ziel, während die Aufrichtigkeit gemessenen Schrittes auf ihrem geraden Wege fortgeht und das Ziel langsam, aber sicher erreicht.

32. Der Gottlose lauert auf den Gerechten und gedenkt ihn zu töten. Bildeten die Gesetze des Landes nicht eine Schranke, so würden wir bald unter den Gerechten ein Blutbad angerichtet sehen. Jesus wurde belauert von seinen Feinden, die nach seinem Blut dürsteten (z. B. Lk. 20,20), und seine Jünger dürfen von denen keine Gunst erwarten, die den Meister gehasst und getötet haben.

33. Aber der Herr lässt ihn nicht in seinen Händen. Gott erscheint oft zur Befreiung seiner Knechte, und wenn er in diesem Leben ihren Leib nicht aus den Händen ihrer Feinde errettet, so erfüllt er ihre Seele mit solchem Überschwang der Freude und des Friedens, dass sie sich triumphierend aus der Gewalt ihrer Peiniger emporschwingen. Wir mögen wie Hiob für eine Weile in des Feindes Hand sein; aber dass wir seiner Macht überlassen werden sollten, ist unmöglich. Und verdammt ihn nicht, wenn er verurteilt wird. Die Zeit schon wird das voreilige Urteil umstoßen oder sonst wird die Ewigkeit den Gerechten von dem Verdammungsurteil reinigen, das in der Zeit über ihn gefällt worden war. Die Vorsehung lässt wohl, und zwar aus sehr weisen Absichten, auf Erden mancher Ungerechtigkeit den Lauf; aber nicht allezeit wird sauer süß genannt, noch immerdar das Licht als Finsternis verschrien werden. (Vergl. Jes. 5,20). Zu seiner Zeit wird das Recht an den Tag kommen: Alles Unechte, mag es noch so scheinbar sein und noch so anmaßend auftreten, wird entlarvt und das Wahre und Echte enthüllt werden. Haben wir treu gehandelt, so dürfen wir uns getrost von dem kleinlichen Gericht der Leute auf das Reichsgericht des großen Tages, der alles offenbar machen wird, berufen.


34. Harre auf den Herrn, und halte seinen Weg,
so wird er dich erhöhen, dass du das Land erbst;
du wirst es sehen, dass die Gottlosen ausgerottet werden.
35. Ich habe gesehen einen Gottlosen, der war trotzig,
und breitete sich aus, und grünte wie ein Lorbeerbaum.
36. Da man vorüberging, siehe, da war er dahin;
ich fragte nach ihm, da wurde er nirgends gefunden.
37. Bleibe fromm, und halte dich recht;
denn solchem wird’s zuletzt wohl gehen.
38. Die Übertreter aber werden vertilget miteinander,
und die Gottlosen werden zuletzt ausgerottet.
39. Aber der Herr hilft den Gerechten;
der ist ihre Stärke in der Not.
40. Und der Herr wird ihnen beistehen und wird sie erretten;
er wird sie von den Gottlosen erretten und ihnen helfen;
denn sie trauen auf ihn.


34. Harre auf den Herrn. Dies Wort enthält die achte goldene Lebensregel unseres Psalms und ein hohes Ziel ist’s, das sie uns vor Augen hält. Harre, bis Gottes Stunde gekommen ist. Warte gehorsam als ein Knecht, hoffnungsfreudig als ein Erbe, mit gewisser Zuversicht als ein Held des Glaubens. Dies Wörtlein "Harre" ist leicht zu sagen, aber schwer auszuführen; dennoch muss der Glaube es zur Tat werden lassen. Und halte seinen Weg. Bleibe auf dem schmalen Pfad; lass dich nicht durch Hast nach Reichtum oder durch Genus und Bequemlichkeit zu unheiligen Handlungen verleiten. Dein Wahlspruch sei: Vorwärts, immer vorwärts! Werde nicht matt und denke nie daran, vom guten und geraden Wege des Herrn abzuweichen. Wer bis ans Ende beharrt, der wird selig (Mt. 10,22). So wird er dich erhöhen, dass du das Land erbest. Du sollst von den irdischen Gütern alles haben, was dir wirklich gut ist, und bei den himmlischen Gütern gibt es keine Einschränkung. Erhöhung soll das Los der Hochgesinnten sein; nicht mehr soll zwischen ihrer inneren Würde und ihrer äußeren Stellung ein Missverhältnis sein. Du wirst es sehen, dass die Gottlosen ausgerottet werden. Ein schrecklicher und zugleich höchst lehrreicher Anblick! Die Rüge des Grämens und Neidens, welch ein Antrieb zur Dankbarkeit! Sei still, meine Seele, du siehst es ja im Glauben voraus, welch schreckliches Ende es mit den Feinden des Herrn nehmen wird.

35. Zum zweiten Mal schlägt David sein Tagebuch auf und teilt uns daraus, diesmal in dichterisch hohem Stil, mit, was er gesehen hat. Es ist wichtig, dass wir im Gedächtnis bewahren und verwerten, was wir von den Führungen der göttlichen Vorsehung beobachten. Ich habe gesehen einen Gottlosen, der war trotzig (gewalttätig). Er flößte allen Schrecken ein, er herrschte über andere mit tyrannischer Gewalt und setzte alles durch, ein Cäsar an Macht, ein Krösus an Reichtum. Und breitete sich aus und grünte wie ein Lorbeerbaum. Er reihte Haus an Haus und rückte Feld an Feld (Jes. 5,8) und wurde immer mächtiger und reicher. Er schien immergrün zu sein wie ein Lorbeerbaum, er breitete sich behäbig aus und stand im blühenden Wachstum wie ein Baum, der seit unvordenklichen Zeiten in seiner heimischen Erde steht (Grundtext), der nie verpflanzt worden ist und sich desto tiefer eingewurzelt hat. Der Grundtext nennt keine besondere Baumart; eine weit sich ausbreitende und himmelhoch sich erhebende Eiche mag uns das Bild nahebringen. (Einige lesen: wie eine Zeder.) Der Gottlose ist ein Ding von Erden, dessen Wurzeln im Untern haften; seine Würden sind welkendes Laub und ob auch sein Schatten den Pflanzen Licht und Luft raubt, die unter seiner Krone dahinzusiechen verurteilt sind, so ist er doch selbst ein sterblich Ding, wie die Axt des Holzhauers erweisen wird. In dem himmelragenden Baum, der der König des Waldes zu sein beansprucht, siehe die Größe des Gottlosen zur jetzigen Zeit; warte eine Weile und wundere dich über des Wechsels der Dinge, wenn der Stamm als Brennholz hinweggeschafft und selbst der Wurzelstrunk aus dem Erdreich gerissen wird.

36. Da man vorüberging, siehe, da war er dahin - sowohl der Baum als auch der Mensch. Wie rein fegt der Tod alles hinweg! Zum Erstaunen aller war auf einmal der große Mann dahin, sein Gut verkauft, sein Geschäft bankrott, sein Haus verödet, sein Name vergessen und das alles in so kurzer Zeit! Ich suchte (Grundtext) ihn, da wurde er nirgends gefunden. Wir forschen und suchen, von Neugierde getrieben, nach dem Gottlosen; aber er hat keine Spur hinter sich gelassen. Wie an Vögel von schlimmer Vorbedeutung begehrt niemand sich an ihn zu erinnern. Manche der allergeringsten Frommen sind im Gedächtnis der Nachwelt unsterblich, ihre Namen duften noch heute in der Gemeinde des Herrn wie eine ausgeschüttete Salbe, während man von den hervorragendsten Ungläubigen und Schmähern nach wenigen Jahren kaum mehr den Namen weiß. Menschen, die gestern noch in aller Munde waren, sind morgen vergessen; denn nur die Tugend ist unsterblich.

37. Achte auf den Frommen und schaue an den Redlichen. (Grundtext9 Hast du so mit Erstaunen den Sturz des Gottlosen beobachtet, so wende nun deine Aufmerksamkeit dem aufrichtig und von ganzem Herzen vor Gott Wandelnden zu und beachte den grellen Gegensatz. Gute Menschen sind unserer Beachtung und Beobachtung wert. Ein aufrichtiger Mensch ist ein Wunder der Gnade und ist es darum wohl wert, dass wir ihn genau betrachten. Doch richtet der Psalmdichter unsere Aufmerksamkeit hier vor allem auf das verschiedene Endgeschick der Gerechten und der Gottlosen. Manche übersetzen; Denn eine Zukunft oder ein (glückliches) Ende wird dem Mann des Friedens. Das Friedenskind hat ein Ende voll Friedens. Friede ohne Ende wird am Ende dem Manne Gottes zuteil. Am Lebenstag des Gläubigen mag’s am Morgen regnen, am Mittag donnern und danach in Strömen gießen; aber es muss sich aufklären, ehe die Sonne unter den Horizont sinkt. Kampf und Not mögen andauern bis zu unserer letzten Stunde; aber dann werden wir zum letzten Mal damit zu tun gehabt haben. Andere übersetzen: Dass Nachkommenschaft dem Manne des Friedens zuteil wird.10 Von diesem Segen hat der Psalm schon früher geredet.

38. Die Übertreter aber werden vertilget miteinander. Gemeinsamer Untergang harrt derer, die in der Empörung wider Gott gemeinsame Sache gemacht haben. Und die Gottlosen werden zuletzt ausgerottet. Einige übersetzen hier: Das Ende der Gottlosen wird abgeschnitten. Ihre Zeit wird verkürzt, ihr Scheinglück nimmt ein jähes Ende, alle ihre Hoffnungen erlöschen. Die Stunde ihrer Hinrichtung kommt eilend herbei. Ihre Gegenwart wird verkürzt durch ihre Sünden; sie bringen ihr Leben nicht zur Hälfte (Ps. 55,24). Eine Zukunft haben sie nicht, wenigstens keine solche, die von uns begehrt würde, während die Gerechten ihre herrliche Zukunft für ihr höchstes Gut und bestes Erbteil achten. Auch hier übersetzen viele (vergl. zu V. 37); Die Nachkommenschaft der Gottlosen wird ausgerottet. Obwohl der Kindersegen und das Fortbestehen der Geschlechter eine der besonderen Israel gegebenen Verheißungen war, die wir nicht ohne weiteres auf uns übertragen dürfen, sehen wir es doch noch heute sowohl an einzelnen Familien als an ganzen Völkern, wie die Sünde zum Untergang führt.

39. Aber die Hilfe (das Heil) der Gerechten kommt vom Herrn. (Wörtl.) Unter dem Heil ist zu verstehen Hilfe und Errettung jeder Art; alle Hilfe aber wird hier Jahwe als dem alleinigen Helfer zugeschrieben. Lasst uns seinen Namen preisen. Der ist ihre Stärke, besser: ihre Schutzwehr (vergl. zu Ps. 27,1), in der Not. Während die Drangsal die Gottlosen zu Fall bringt, treibt sie die Gerechten zu ihrem allmächtigen Schirmherrn, dem es eine Lust ist, sie zu schützen und zu befreien.

40. Und der Herr wird ihnen beistehen und wird sie erretten. In alle Zukunft wird Jahwe seinen Auserwählten helfen. Unser mächtiger Verbündeter wird seine Streiterscharen uns zum Entsatz in die Schlacht führen. Er wird sie von den Gottlosen erretten. Wie er den Daniel aus der Löwengrube errettete, so wird er seine Auserkorenen vor ihren Feinden bewahren; darum brauchen sie sich nicht zu ereifern, noch den Mut sinken zu lassen. Und ihnen helfen, denn sie trauen auf ihn oder bergen sich bei ihm. Der Glaube verbürgt die Sicherheit der Auserwählten. Er ist das Merkmal, das die Schafe der Herde Gottes auszeichnet und wonach diese von den Böcken werden geschieden werden. Nicht ihr Verdienst, sondern ihr Glaube unterscheidet sie von jenen. Wer möchte es denn nicht versuchen, im Glauben zu wandeln? Wer wirklich auf den Herrn traut, wird nicht länger an den Unregelmäßigkeiten der gegenwärtigen Zeit Anstoß nehmen und sich über sie erhitzen und ereifern, sondern sich mit der Überzeugung beruhigen, dass Gottes geheimnisvolle Wege dennoch gerecht sind und, was jetzt hart scheint, doch ohne Zweifel von Gottes gutem und gnädigem Willen also geordnet ist. So endet der Psalm mit einem Klang, der die ungeheiligte Unruhe, mit der er begonnen hatte, zu Grabe läutet. Wohl denen, die sich also aus schlimmen Gemütsstimmungen in eine gute, liebliche Glaubensstimmung hineinsingen können.


Erläuterungen und Kernworte

Zu diesem und den verwandten Psalmen. Der Glaube an Gott ist zugleich Glaube an eine gerechte Vergeltungsordnung. Die Tugend muss belohnt werden, Wohlverhalten und Wohlergehen müssen unzertrennliche Gefährten sein; die Gottlosigkeit aber muss eben so notwendig bestraft werden. Dieser Forderung des natürlichen Rechtsgefühls und des Gottesglaubens widerspricht die Tora (das Gesetz) in keiner Weise. Segen und Fluch sind die Grundbegriffe, gerechte Vergeltung der alles beherrschende Grundgedanke des Gesetzes. Vergl. 3. Mose 26 und 5. Mose 28. Dagegen scheint die Wirklichkeit hiermit im Widerspruch zu stehen, da das äußere Ergehen der Menschen ihrer sittlichen Würdigkeit sehr oft nicht entspricht.
  Im Neuen Testament bildet nun dies kein schwer zu lösendes Rätsel. Denn teils ist die Glückseligkeit hier eine höhere, innere und verborgene, die von dem äußeren Ergehen unabhängig ist - vergleiche die Glückseligkeitslehre des Himmelreichs in Mt. 5; teils erwarten wir erst nach dem Tode die volle Ausgleichung durch gerechte Vergeltung. Im alten Bund war es anders. Die Belohnungen und Strafen waren wesentlich und hauptsächlich irdisch-zeitlicher Natur; von einem Leben nach diesem enthielt das Gesetz nichts Bestimmtes, und man war daher hinsichtlich der Vergeltung ausschließlich auf das Diesseits angewiesen und konnte der göttlichen Langmut nicht denselben Spielraum einräumen wie im neuen Bunde. In einer Beziehung freilich gab es schon im Alten Testament eine relative Unsterblichkeit: Das Volk als Ganzes blieb dasselbe und lebte durch die Generationen fort, und hinsichtlich der Völker stellten die Propheten in Aussicht den Tag des Herrn, an welchem durch Gericht und Erlösung die göttliche Gerechtigkeit sich enthüllen werde. Und insofern der Einzelne in seinen Nachkommen an jener Unsterblichkeit teilhatte, gab es auch für ihn eine Zukunft, in der er Segen oder Fluch als Frucht seines Tuns einernten konnte. Aber das Rätsel des individuellen Lebens im Glück der Gottlosen und Unglück der Frommen war dadurch noch nicht befriedigend gelöst. Über dieses Rätsel Licht zu erlangen, ringt daher der sinnende Geist des alttestamentlichen Weisen, vergl. das Buch Hiob und den Prediger. Auch in den Psalmen wird die Frage besprochen, namentlich in den der Chokma-(alttestamentlichen Weisheits-) Literatur nahe stehenden Lehrpsalmen. In Bezug auf die theoretische, mehr oder weniger vollkommene Lösung der Frage können wir hier vier verschiedene Stufen wahrnehmen:
  1) Der Knoten des Rätsels wird nicht gelöst, sondern einfach zerhauen. Der Gerechte, der schon dem Untergang nahe scheint, muss gerettet werden, sonst wäre Jahwe nicht Jahwe, also um seines Namens willen; der Frevler, der sich so sicher wähnt, muss doch dem Gericht verfallen, so gewiss ein gerechter Gott ist. - So speziell in mehreren Gebetspsalmen, z. B. Ps. 3; 4; 5; 7; 9; Der feste, freudige Glaube weiß hier von keinem Zweifel.
  2) Die Möglichkeit des Zweifels wird vorausgesetzt und der Anfechtung wird vorgebeugt durch mancherlei Erinnerungen und Ermahnungen, namentlich Ps. 37 von David. Das Glück der Gottlosen ist ein zeitweiliges und scheinbares und wird reichlich aufgewogen durch mancherlei Segen des Frommen, nämlich seine Seligkeit in Gott. Dieser Psalm geht nicht wesentlich über das Gesetz hinaus.
  3) Der Kampf der Anfechtung ist wirklich eingetreten und im Leben des einzelnen gläubigen Individuums beendet worden: Ps. 73 von Assaph, der seine eigene Erfahrung mitteilt. Das Glück der Gottlosen und das Unglück der Frommen wird stark betont; erst am Ende dieses Lebens kommt der Ausgleich.
  4) Ruhige Betrachtung des Gegenstandes im Anschluss an ein Sprichwort: Ps. 49 voll den Kindern Korah. Dieser Psalm vereinigt in sich die Grundgedanken der Psalmen 37; 73; Das Glück der Gottlosen ist scheinbar (= Ps. 37), da nämlich der Reichtum nichtig ist und nicht von dem gemeinsamen Schicksal des Todes erretten kann. Das Ende dieses Lebens bildet für alle den Wendepunkt (= Ps. 73). G. T. 1881.
  Zum ganzen Psalm. Der Psalm antwortet auf viele Zweifel, die der Kleinglaube in Bezug auf die Gerechtigkeit der göttlichen Weltregierung aufwirft.
  1) Gottlose Menschen blühen und gedeihen. - Antwort: Der Gerechte soll sich darüber nicht ereifern, denn wie das Gras werden jene bald abgehauen usw.
  2) Aber den Gerechten geht’s übel. - Antwort: Das Dunkel ihres Unglückes wird dem Licht fröhlichen Gedeihens weichen; so gewiss sie glauben, dass auf die Nacht der Tag folgt, so gewiss dürfen sie in der Trübsal überzeugt sein, dass Erquickung und Befreiung kommen werden.
  3) Aber man schmiedet Intrigen wider die Gerechten und verfolgt sie mit gewissenloser Bosheit; ja, fast ist es schon den Ruchlosen gelungen, sie gänzlich zu verderben. - Antwort V. 12-15: Der Herr durchschaut alle die Anschläge der Bösen und lacht über ihre tückische und doch törichte Bosheit; während sie geschäftig sind, den Gerechten zu stürzen, und hoffen, dass der Glückstag bald kommen werde, an dem sie über den Untergang der verhassten Frommen jubeln können, sieht der Herr, dass der Unglückstag des Gottlosen herankommt, ein finsterer Tag, ein Tag der Rache und des Jammers. Ihr Bogen wird zerbrechen und das Schwert, das sie schon gezückt haben, wird ihr eignes Herz durchbohren.
  4) Aber die Gerechten haben geringe Mittel. - Antwort V. 16 f.
  5) Aber es werden noch drückendere Zeiten über sie kommen. - Antwort V. 19. (Wir müssen es dem Leser überlassen, die weiteren Einwürfe und Antworten dem Psalm zu entnehmen.)
  Wollen wir aber; der Errettung teilhaftig werden, von der der Psalm am Schluss redet, so gilt es, dass wir uns nicht in Undankbarkeit ereifern über Gottes rätselhafte Führungen (V. 1), dass wir auf den Herrn trauen und Gutes tun (V. 3), am Herrn unsere Lust haben und nicht in den irdischen Dingen unsere Befriedigung suchen (V. 4), ihm unsere Wege befehlen (V. 5), fein still und demütig werden (V. 7-11), aufrichtigen Herzens seien (V. 14) und mildtätig (V. 21.26), Wahrheit und Gerechtigkeit reden (V. 30), das Gesetz unseres Gottes in unserem Herzen haben und seinen Weg halten (V. 31.34), auf den Herrn harren und nicht zu unerlaubten Mitteln greifen. Nicholas Byfield † 1622.
  Wir könnten den Psalm ein herzstärkendes Mittel für den Rechtschaffenen in böser Zeit nennen oder ein heilsames Pflaster wider die Plage der Unzufriedenheit oder ein unfehlbar wirkendes Gegenmittel gegen das Gift der Ungeduld. Nathanael Hardy 1649.
  Tertullian († etwa 230) nennt den Psalm einen Spiegel der Vorsehung, Isidor († 440) eine Arznei gegen das Murren. Christ. Wordsworth 1868.
  Der Psalm erinnert uns nach Inhalt und Form sehr an das Buch der Sprüche. Wir hören in ihm Lehren gesunder Lebensweisheit und Gottesfurcht aus dem Munde gereifter Erfahrung, wie wir es uns etwa denken könnten, dass der Vater einer Familie oder ein Vater in Christus sie den um ihn gescharten Lernbegierigen mitteilen würde. Barton Bouchier 1855.


V. 1. Erzürne dich nicht usw. Hier zeigt sich der erleuchtete David als einen großmütigen Vorgänger, die Kleinmütigen zu unterweisen, dass sie sich den mit Bitterkeit vermengten Zorn nicht sollen einnehmen lassen. Ps. 4,5. Johann David Frisch 1719.
  Sei nicht neidisch. Als die Königin Elisabeth von England im Gefängnis war, beneidete sie das Milchmädchen; aber wenn sie gewusst hätte, welch eine glorreiche Herrschaft sie später vierundvierzig Jahre lang führen würde, hätte sie jene Magd nicht beneidet. Und ebenso wenig braucht ein gottseliger Mensch, ob er auch im Elend ist, einen Gottlosen, der auf dem Gipfel des Gedeihens und der Lust steht, zu beneiden, wenn er das betrachtet, was er bereits in Händen hat, und vor allem, was er zu erwarten hat. John Trapp † 1669.
  Würde man es nicht für Torheit achten, wenn jemand, der der Erbe eines Jahreseinkommens von Zehntausenden ist, einen Komödianten beneiden würde, der wie ein König gekleidet ist und doch nicht einen Fußbreit Landes besitzt? Der, obwohl er nach dem äußeren Ansehen, in der Scheinverehrung, die ihm dargebracht wird, und in dem Gefolge, das um ihn ist, einem König oder Edelmann gleicht, dennoch zur selben Zeit in Wirklichkeit ein Bettler ist, der sich mit dem Teller die Pfennige von den Zuschauern zusammenholen muss? So sind gottlose Menschen, ob sie auch prächtig gekleidet sind und köstlich leben, seinen Wunsch sich zu versagen brauchen und mehr haben, als das Herz begehren kann, doch nur zum Schein reich; der gottselige Christ ist der wahre Erbe. Zu welchem Guten dient jenen all ihr Gedeihen? Es lässt nur den Tag ihres Verderbens desto schneller herbeikommen. Dem Ochsen, der ins Joch gespannt wird, ist ein längeres Leben beschieden, als demjenigen, der auf die fette Weide geführt wird; dass diesem solch herrliche Tage gegeben werden, dient nur dazu, seine Schlachtung zu beschleunigen. Und so ist’s auch, wenn Gott einen gottlosen Menschen auf fette Weide setzt, ihn zu Ansehen und Macht kommen lässt: Es beschleunigt nur sein Verderben. Ludovicus de Carbone, angeführt von John Spencer † 1654.


V. 1.2. Wie gleichzu greift und trifft der Prophet des Herzens Gedanken in dieser Anfechtung und hebt auf alle Ursache derselben und spricht zum ersten: O Mensch, du bist zornig, hast auch Ursache, wie du meinst; denn es sind böse Menschen und tun Unrecht und viel Übel und es geht ihnen dennoch wohl, dass die Natur achtet, aufrechte Ursache des Zorns hier zu sein. Aber nicht so, liebes Kind; lass Gnade und nicht Natur hier regieren. Brich den Zorn und stille dich eine kleine Zeit. Lass sie übel tun, lass es ihnen gut gehen; höre mich, es soll dir nicht schaden. So spricht denn der Mensch: Ja, wenn wird es denn aufhören? Wer mag die Länge halten? Er antwortet; Denn wie das Gras usw. Ein feines Gleichnis ist das, schrecklich für die Intriganten und tröstlich für die Leidenden. Wie fein hebt er uns aus unserem Gesicht und setzt uns vor Gottes Gesicht! Vor unserem Gesicht grünt, blüht und mehrt sich der Intriganten Haus und bedeckt alle Welt ganz, dass sie allein etwas scheinen; wie das grüne Gras die Erde deckt und schmückt. Aber vor Gottes Angesicht, was sind sie? Heu, das man schier machen soll; und je höher das Gras wächst, je näher ihm die Sensen und Heugabeln sind. Also, je höher, weiter die Bösen grünen und oben schweben, je näher ihr Unterliegen ist. Warum wolltest du denn zürnen, da doch ihre Bosheit und Glück so ein kurz Wesen ist? So sprichst du denn: Was soll ich währenddessen tun? Woran soll ich mich halten, bis dass solches geschehe? Höre zu, große Verheißung: Hoffe auf den Herrn und tue Gutes usw. Martin Luther 1526.
  Oft verwelken die Gottlosen, wie das grüne Kraut, im Frühling ihres Lebens; mitten im Emporblühen fallen sie, im Beginn ihrer unheilvollen Verschwörungen verderben sie. Aber wenn sie sich auch zur vollen Größe entfalten, reifen sie doch nur der Ernte, der vorbestimmten Zeit des Abgeschnittenwerdens, entgegen. Robert Mossom 1657.


V. 3. Man beachte wohl die doppelte Mahnung; Vertraue usw. und tue usw. Das ist die rechte Ordnung; dies beides muss miteinander Hand in Hand gehen. Das eine ist die wirkende Kraft, das andere der Erweis dieser Kraft. Beiden zusammen gehört die folgende Verheißung. C. H. Spurgeon 1870.
  Das Land Kanaan galt als der Inbegriff der irdischen und als das Vorbild der himmlischen Glückseligkeit. In des Herrn Land die Fülle der Gottesgaben zu genießen und dort unter des Herrn Schutz, nahe seinem Heiligtum und inmitten des auserwählten Volks zu wohnen, das war alles, was der echte Israelit sich nur wünschen konnte. Thomas Scott † 1821.


V. 4. Woran das menschliche Herz sonst seine Lust hat, das hält es hoch und wert, zieht’s anderen Dingen vor, denkt fleißig daran, redet und hört und liest gern davon, sucht’s, liebt’s und freut sich dessen, vergnügt sich damit, leidet gern etwas darum, verlieret’s ungern usw. Johann David Frisch 1719.
  Beachte, was deine und was Gottes Sache ist. Habe du deine Lust am Herrn und er wird dir geben, was dein Herz wünscht. C. H. Spurgeon 1870.
  Wie viel Gnade und Liebe weht uns in diesen Worten an! Zuvor wurden wir zum Vertrauen ermuntert und nun dies liebliche Wort hinzugefügt wird, wie wird es so klar, dass die Mahnung des heiligen Geistes auf den Frieden und die Seligkeit unseres Herzens abzielt. Ziemt es sich, solch milde Freundlichkeit geringschätzig außer Acht zu lassen? Auch er hat seine Lust an euch; ich spreche zu solchen, von denen dies angenommen werden darf. Auch heißt es Spr. 8,31 ganz allgemein: Meine Lust ist bei den Menschenkindern. Bedenkt, wer er ist und wer ihr seid; und staunt und betet an. Und woran anders solltet ihr eure Lust haben? Was wolltet ihr nennen, das euch euren Gott ersetzen könnte? Überdies, wer anders sollte an ihm seine Lust haben, als ihr, seine Freunde, seine Kinder, seine Hausgenossen? Bedenkt, welche Lebenskraft und Lebensfreude es in euch ergießen wird; denn die Freude am Herrn wird eure Stärke sein (Neh. 8,10). Wie mutig und getrost könnt ihr dann euren Lauf fortsetzen und alle eure täglichen Pflichten erfüllen! Ihr seid berufen, diesem Herrn zu dienen. Dürft ihr auch nur daran denken, sein Joch abzuwerfen? Wie wünschenswert ist es denn, dass ich an dem meine Lust habe, dem ich dienen muss; dies allein macht diesen Dienst ihm annehmbar und mir leicht und lieblich. Ferner ist dies ein Vergnügen, dessen ihr nicht beraubt werden könnt, eine Freude, die niemand von euch nehmen soll (Joh. 16,22). Andere Dinge, an denen ihr euch vergnüget, schwinden dahin, ihr erfahrt es Tag für Tag. Aber weder Mensch noch Teufel kann euch hindern, an Gott eure Wonne zu haben, wenn euer Herz sich ihm hingibt. Und seid ihr nie dazu geführt worden, an einer Person oder Sache Gefallen zu finden, gegen die ihr früher eine Abneigung hattet? Sogar jemand, der euch ein Unrecht zugefügt hat, könnte euch später durch Freundlichkeit das Herz abgewinnen. Sagt mir doch einen Grund, warum euer Herz gegen den herrlichen Gott härter sein sollte, der euch nie etwas Böses getan und dessen Walten über euch stets solches Wohlwollen, solche Liebe bezeugt hat. Bedenkt auch, wie ihr aus Erden so manchem Leiden und Ungemach ausgesetzt seid, dem ihr, auch wenn ihr dem Herrn nicht anhinget, doch nicht entgehen könntet (denn Leiden ist aller Menschen Los), das ihr hingegen dadurch, dass ihr am Herrn eure Lust habt, leicht werdet zu ertragen vermögen. Und über das alles bedenket ernstlich, dass ihr sterben müsst. Da gibt es kein Entrinnen. Wie erträglich, vielmehr wie lieblich wird euch dann der Gedanke sein, zu ihm zu gehen, mit dem ihr hier auf Erden schon in so trauter, wonniger Gemeinschaft gelebt habt! Wie schrecklich aber, vor ihm erscheinen zu müssen, wenn euer Gewissen euch anklagt, dass ihr trotz all dem Werben und Locken seiner Liebe ihm fremd und kalt gegenüber gestanden habt! John Howe † 1705.
  Der wird dir geben usw. Dir soll geschehen, wie du willst (Mt. 15,28). Man sagt von Luther, er habe von dem Allmächtigen haben können, was immer er begehrt habe. Was sollte ein Günstling, der das fürstliche Vorrecht der besondern Fürsorge seines Königs hat, von diesem nicht erlangen können? John Trapp † 1669.
  Gottes und des Gottseligen Wünsche kommen überein; die beiden sind in dem, was sie wollen, eines Sinnes. John Bunyan † 1688.


V. 5. Befiehl usw. Das Wort des Grundtextes heißt wörtlich: etwas auf einen wälzen, wie jemand eine Last, die ihm zu schwer ist, auf die Schultern eines anderen abwälzt, der stärker ist als er. William de Burgh 1860.
  Beachte wiederum das Zwillingspaar; Befiehl und traue. C. H. Spurgeon 1870.
  Er wird’s machen. (Wörtl.) Die Sache, die Gott machen wird, ist nicht spezifiziert, zum Zeugnis: Alles, was Machens bedarf und seiner Sorge nötig hat, ob’s ihm gleich nur überhaupt besohlen wäre, soll doch besorgt werden. Das Machen Gottes selbst belangend, so ist es allezeit an den Seinigen gut und wohl getan. Es muss ihm der Ruhm bleiben, dass er habe alles wohl gemacht, Mk. 7,37, vergl. Ps. 52,11. Johann David Frisch 1719.
  Er wird’s wohl machen. Wenn ein schwieriges Stück Arbeit einem Lehrling gegeben wird, damit er daran seine Kunst versuche, ist man zu Recht besorgt, dass es in der jungen, ungeübten Hand misslingen werde; wenn sich aber ein geschickter und erfahrener Meister daran macht, bezweifelt niemand, dass dieser das werde wieder vollbringen können, was er schon so oft zur Zufriedenheit aller zustande gebracht hat. Wäre unser Gott ein Neuling in der großen Kunst der Weltregierung und der Leitung seiner Gemeinde, hätte er bis zum heutigen Tag noch nie eine Probe seiner unendlichen Weisheit, Macht und Güte, womit er die schrecklichsten Ereignisse zum Wohl und zur Freude der Seinen wendet, abgelegt, so müsste uns in der Tat Bestürzung ergreifen, wenn es uns ist, als ob wir in den Gefahren zu versinken im Begriff wären, in die uns die List der Feinde so oft bis über die Ohren hineinstürzt. Aber da der Herr in den vergangenen Zeiten so viele Beweise gegeben hat sowohl von seiner unübertrefflichen Meisterschaft als auch von seinem festen Willen, alle menschlichen Angelegenheiten, wie zu seiner Verherrlichung, so zum wahren Besten aller derer, die ihn lieben, hinauszuführen, so würde es gottvergessene, unentschuldbare Undankbarkeit sein, die glückliche Vollendung irgendeines Werkes, das er begonnen hat, in Zweifel zu ziehen. Robert Baylie 1643.
  Man vergleiche Paul Gerhardts köstliches Lied ans dem Jahre 1653; Befiehl du deine Wege.


V.6. Mag man dich auch beschuldigen, als gingst du mit bösen Dingen um, lass dich’s nicht anfechten; denn ob dein Ruf auch durch Verleumdungen und Lästerreden eine Weile verdunkelt würde, wie die Sonne durch Nebel und Wolken, so wird deine Unschuld doch gleich der Sonne, die alle Dünste vertreibt, wieder aus den Wolken hervorbrechen und wird so hell leuchten wie die Sonne am Mittag. Symon Patrick † 1707.


V. 7. Sei stille. Das ist das Schwerste, was von einem Menschen verlangt werden kann; mag ihm das Schwierigste zu tun befohlen werden, es ist nichts gegenüber diesem Gebot, nichts zu tun. S. E. Hieronymus † 420.
  David sah seinen Feind, den Saul, Glück haben, und dass ihm sein Mutwille glücklich fortging, war aber stille, befahl’s Gott und wollte ihn nicht verderben, ob er gleich oft in seine Hände kam. Johann Arnd † 1621.
  Sei stille dem Herrn, richte dein Auge gläubig auf ihn und bringe all die Gedanken des Unglaubens zum Schweigen, die sich in dem zagenden Gemüt erheben und am Herzen nagen, wenn es nur auf das Leiden und die Not blickt und nicht Gottes Hand in den Trübsalen erkennt und die Nebeldünste der Erde ihm so den Anblick der ewig klaren Sterne entziehen. Da mag das Herz wohl mit Jakob in düsterer Schwermut klagen: "Es geht alles über mich" (1. Mose 42,36), oder mit Elia in der Anwallung des Verzagens; "Es ist genug; so nimm nun, Herr, meine Seele" (1. Könige 19,4), oder mit Jona im finsteren Geist des Murrens: "Zu Recht zürne ich" (Jona 4,9). All solchen Einflüsterungen des Unglaubens soll sich das Herz verschließen, still sein und wissen, dass Gott dennoch im Regimente sitzt und alles wohl macht. Schweigen soll die Stimme des Murrens, aber nicht die Stimme des Flehens; denn das Gebet führt uns gerade in die heilige Stille vor dem Herrn. Wir wenden uns zu dem Gott unseres Heils, blicken zu ihm auf, übergeben ihm all unseren Kummer, alle unsere Sorgen und fühlen uns, indem wir das tun, gestärkt zur Geduld und Hoffnung. Dieses Stillesein schließt die Bereitwilligkeit ein, den Herrn für uns wählen zu lassen, auf Grund der Überzeugung, dass alle unsere Sachen weit besser in seinen als in unseren eigenen Händen ausgehoben sind.
  Noch einige praktische Bemerkungen; 1) Dies Stillesein vor dem Herrn bezieht sich zunächst auf diejenigen Prüfungen, die Gott uns sendet, nicht auf die Leiden, die wir uns, wie es so oft geschieht, selber bereiten. Es ist ein Unterschied zwischen den Bürden, die uns die Pflicht auslegt, und denjenigen, die wir uns durch unser Abweichen selber zuziehen. Jene können wir auf den Herrn abwälzen, diese aber mögen wir zu unserer Züchtigung lange zu tragen haben und unter ihrer Last dahinzukeuchen verurteilt sein. 2) Allezeit sollen wir uns dieser edlen Kunst befleißigen. Jeder von uns gibt zu, dass wir in den großen Prüfungen des Lebens der ausharrenden Geduld bedürfen; wir mögen aber nicht so bereitwillig sein, zuzugeben, dass wir sie in den kleinlichen, sich täglich wiederholenden Mühen ganz gewöhnlicher Art eben so nötig haben. Aber diese sind ebenso wohl ein Prüfstein unseres Christentums wie jene. James Burns † 1864.
  Beachten wir wiederum das Zwillingspaar der Pflichten; Sei stille und warte. - Sodann bemerke man den Gegensatz: Der Gottlose führt seinen Weg glücklich durch (Grundtext) - und V. 5: Der Herr wird’s wohl machen. Die Ursache des Kummers ist, dass der Gottlose alle seine Intrigen glücklich ausführen zu können scheint; der Trost aber ist, dass auch mit uns alles zum guten Ende hinausgeführt werden soll, und das auf die beste Weise durch Gott selbst. C. H. Spurgeon 1870.


V. 8. Und was hilft solcher Zorn? Er macht die Sache nicht besser, ja führt sie nur tiefer in den Schlamm. Und ob es schon aufs Allerbeste geriete, dass du oben lägest und gewönnest, was hast du gewonnen? Gott hast du verhindert, damit seine Gnade und Gunst verloren, und den bösen Übeltätern bist du gleich worden und wirst gleich mit ihnen verderben, wie folget. Martin Luther 1526.
  Ihrer viel tun böse Dinge im Zorn aus Rachgier und Ungeduld, was sie später in Ewigkeit gereut. Johann Arnd † 1621.


V. 9. Werden das Land erben: Sowohl der Sterblichen als auch der Lebendigen, sowohl die alte als auch die neue Erde. Das Land der Sterblichen oder die alte Erde wird hier den Frommen verheißen mit ihren Häusern, Ackern, Gütern, Schätzen, Nutzbarkeiten und Gemächlichkeiten, soviel ihnen dieser Dinge not und nützlich sind. Das Land der Lebendigen aber, die neue Erde, darin Gerechtigkeit wohnt, 2. Petr. 3,13, soll mit ihren Schätzen, Gütern, fried- und freudevollen Wohnungen alles vollkommen machen. Johann David Frisch 1719.


V. 9.11.22.29.38. Die Weisheit, Güte und Gerechtigkeit wäre in der Regierung Gottes wahrzunehmen, wenn wir Augen dazu hätten! Der genealogische und chronologische Teil derselben wird in der Absicht auf den Unterschied der Gerechten und Gottlosen am wenigsten beobachtet. Magnus Friedrich Roos 1774.


V. 11. Den Sanftmütigen wird der Besitz des Landes Kanaan und damit zugleich, nach den Propheten, die Herrschaft über die Erde verheißen. Nicht die stürmischen Geister, die nach dem Besitz der Welt jagen und ringen, sollen das Erdreich besitzen, sondern die stillen Dulder, die jetzt aus einem Winkel in den anderen gedrängt und auf alle Weise unterdrückt werden. Gerade sie, die alles Rechtes und Besitzes beraubt erscheinen, sie und sie allein sollen die Erde besitzen und genießen; und was könnte angemessener und billiger sein? Nicht jetzt sollen sie die Erde haben, denn noch ist sie nicht des Habens wert. Nicht diese verfluchte Erde soll ihr Eigentum sein; aber wenn der Herr der Erde diese völlig in Besitz genommen hat und statt des Fluches Gottes Segen sie bedeckt, dann sollen die Gesegneten des Herrn sie nach heiligem Recht erben. John Pennington 1656.
  Und ihre Lust haben an großem Frieden. (Wörtl.) Wahrlich, wenn einst die Herrlichkeit des Herrn die Erde bedeckt, wenn alle Reiche dieser Welt das Eigentum des Friedensfürsten geworden und die Gottlosen ausgerottet sind, dann wird Friede und Heil in unermesslicher Fülle aus Erden sein. W. Wilson 1860.


V. 12-15. Man beachte, wie den Gottlosen ihr Zähneknirschen über die Gerechten damit gleichsam erwidert wird, dass der Herr über sie lacht, und wie sich alle ihre Unheilspläne durch des Herrn Leitung gegen sie selber wenden müssen. C. H. Spurgeon 1870.


V. 13. Das Lachen unseres Herrn Gottes spritzt höllisch Feuer. Martin Luther † 1546.
  Scheint es nicht fast, als stehe der Heilige Geist unseren Trübsalen gar kühl gegenüber, da er Gott darstellt, als lache er dabei nur? Wenn unsere Rettung bei Gott etwas gilt, warum erhebt er sich denn nicht, der Wut unserer Feinde mit Macht entgegenzutreten? Wir wissen, dass dieses Gedulden Gottes, wie wir schon zu Ps. 2,4 gesagt haben, unsere Geduld bewähren soll. Und damit kein Fleisch murrend frage, warum der Herr der Gottlosen nur lache und nicht an ihnen Rache übe, wird der Grund hinzugefügt: Er sieht, dass der Tag ihres Verderbens nahe ist. Jean Calvin † 1564.


V. 14.15. Wenn die Gottlosen am nächsten daran sind, dem Volk des Herrn ein Unheil zuzufügen, dann ist das Unheil ihnen selber am nächsten. John Trapp † 1669.


V. 16. Das wenige, das ein Gerechter hat, ist besser usw. 1) Weil die Gottlosen sich vielfach durch unrechte Mittel bereichern und damit sich nicht nur auf Erden viel Plage bereiten, sondern auch einen Schatz des Zorns auf den Tag des Zornes häufen (Röm. 2,5), während die Gerechten bei dem Wenigen, aber Wohlerworbenen, das sie besitzen, Frieden des Gewissens und dazu die Hoffnung auf den Himmel genießen. 2) Weil die Gerechten ihre Güter wohl anwenden und dadurch wahren Nutzen davon haben, während die Gottlosen ihre Reichtümer missbrauchen und diese ihnen somit nur schaden. 3) Weil die Gerechten, ob sie auch nur von der Hand zum Munde leben, was sie haben, als Gottes Gaben und Unterpfänder seiner väterlichen Liebe und Fürsorge genießen, so dass es ihnen ein süßes Himmelsmanna ist, das sie köstlich erquickt und tief befriedigt, während die Gottlosen bei all ihren Reichtümern von solcher Freude und Sättigung nichts wissen. 4) Weil Gott die Gerechten bei grober Kost nicht selten besser gedeihen lässt, als die Gottlosen bei all ihrem Überfluss, vergl. Dan. 1,8-16. 5) Endlich, weil die Gottlosen ihren Reichtum nicht lange genießen, vergl. die folgenden Vers des Psalms. Arthur Jackson † 1666.
  Solche, die dem Herrn fern und fremd gegenüber stehen, haben wohl den Gebrauch der äußeren, irdischen Gaben Gottes, aber man kann nicht eigentlich sagen, dass sie sie genießen. Sie scheinen die Herren ihrer Güter und sind doch deren Sklaven. Sie mögen von Genuss träumen, aber all ihr Genuss ist ein Traum, leere Einbildung. Wahre Erquickung fließt aus einer anderen Quelle als einer solchen, nach der man in der Erde graben kann. Gottes Liebe ist der Brunnquell aller echten Freude. O wie hebt das den Wert jeder, auch der alltäglichsten Gnadengabe, wenn wir sagen können; "Christus hat mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben, damit ich mich dieser Segnungen erfreuen könne." Und haben wir dann auch nur Nahrung und Bedeckung (1. Tim. 6,8), so haben wir mehr, als wer ohne diesen Schatz der Liebe Gottes das ganze Türkenreich oder alle Schätze Indiens besäße. David Clarkson † 1686.
  Wie die Wasserbäche, die von den Hügeln einiger der Molukken (der indonesischen Gewürzinseln) fließen, von dem Zimt und den Gewürznelken duften, die dort wachsen, so wird auch, was du hast, und wäre es nur ein Trunk Wassers, nach der Liebe und Gnade des Gebers schmecken. George Swinnock † 1673.
  Mit den gottlosen Reichen ist’s wie mit einem Schiff, das mit Gold und Silber beladen ist; es mag bis zum Sinken beladen sein und hat doch Raum, zehnmal mehr zu fassen. So geht’s auch hier: Was der elende Geizhals hat, mag genug und übergenug sein, ihn ins Verderben zu stürzen: Aber er hat nie genug, sein Wünschen zu befriedigen. Der König von Spanien, weitaus der größte Fürst in der ganzen Christenheit, dessen Reich so weit ist, dass er sagen kann, die Sonne bescheine dasselbe allezeit, hat doch den Wahlspruch: Totus non sufficit orbis: Die ganze Welt genügt nicht. Und die Zeit wird gewisslich kommen, wo die reichsten Gottlosen, die je gelebt haben, eingehen werden, dass ihre Verantwortlichkeit so viel geringer gewesen und somit ihr Zustand in der Ewigkeit so viel weniger elend wäre, wenn sie in Armut gelebt und sich ihr Brot ihr Leben lang an den Türen hätten erbetteln müssen. John Glascock 1659.
  Besser des Lazarus Krumen mit dem Segen als des reichen Mannes köstliche Speisen mit dem Fluch; besser ein zwilchener Kittel mit dem Segen, als Purpur und Seide mit dem Fluch. Thomas Brooks † 1680.


V. 17. Der Gottlosen Arme; ihre Kraft, ihre Tapferkeit, ihr Einfluss, ihre Klugheit, ihr Reichtum. Thomas Brooks † 1680.


V.18. Der Herr kennt die (Lebens-)Tage der Frommen und keine Bosheit der Menschen kann sie verkürzen. W. Wilson 1860.


V. 21. Bezahlt nicht: Weil er es vor Not nicht kann. Vergl. 5. Mose 28,12.43 f. Ein Israelit, der in solche Lage kam, wurde samt seiner Familie dem Gläubiger leibeigen, vergl. 2. Könige 4,1. Daniel Creßwell † 1844.


V. 23. Und er hat Lust an seinem Wege. Man beachte, dass wir in V. 4 gemahnt worden sind, am Herrn unsere Lust zu haben, und dass nun hier vom Herrn ausgesagt wird, er habe an uns und unserem Wege Lust. Ferner: Unser Weg ist seine Lust und wir sollen seinen Weg halten (Ps. 34). Diese Gegensätze sind lehrreich. C. H. Spurgeon 1870.


V. 24. Fällt er, so wird er nicht weggeworfen, denn usw. Damit tröstet der Geist und antwortet den heimlichen Gedanken, die jemand möchte haben und bei ihm selbst sagen: Ja, ich habe dennoch etwa gesehen, dass der Gerechte hat unterliegen müssen, und ist seine Sache gar in die Asche gefallen vor denen Gottlosen? Ja, spricht er, liebes Kind, lass das auch sein, dass er falle; aber er wird dennoch nicht so liegen bleiben und verworfen sein; er muss wieder auf, ob schon alle Welt dran verzweifelt habe. Denn Gott erwischt ihn bei der Hand und hebt ihn wieder auf. Martin Luther 1526.


V. 25. David sagt nicht, er habe den Gerechten nie in Trübsal gesehen, sondern: Er habe ihn nie in der Trübsal verlassen gesehen. Oder seinen Samen nach Brot gehen, fügt er hinzu, weil das Betteln in dem Gottesstaate Israel ein Zeichen der äußersten Verlassenheit war. Denn obwohl Gott vorausgesagt hatte, dass es allezeit an Armen im Lande nicht fehlen würde, hatte er es doch Israel wissen lassen, dass völlige Verarmung nur eitle Folge der Untreue des Volks sein würde (vergl. 5. Mose 15,11. 4), und hatte so trefflich für die Bedürftigen gesorgt, dass eigentliche Bettelarmut kaum eintreten konnte, wie Bettler denn auch im ganzen Alten Testament nur an wenigen Stellen erwähnt werden. Wollte aber jemand sagen, David selber habe sich von Ahimelech und von Nabal Brot erbettelt, so antworte ich: Vereinzelte Fälle des Bettelns machen noch keinen zum eigentlichen Bettler. Wir können nicht sagen, David habe sich sein Brot erbettelt, weil er einmal in Bedrängnis war und Ahimelech um Brot bat und in einem zweiten Notfall sich an Nabal wandte. In solchen plötzlichen Verlegenheiten könnte der reichste Mann der Welt in die Lage kommen, um ein Stück Brot zu fragen. Treffliche Menschen können in solch eine Klemme geraten; aber sie werden selten, wenn überhaupt je, darin gelassen. Joseph Caryl † 1673.
  Man wird vielleicht einwerfen, dass es viele gerechte Leute gegeben habe, die arm gewesen seien. Aber man beachte, dass hier voll mildtätigen Gerechten die Rede ist, wie der folgende Vers zeigt. Und wer hat je einen solchen oder dessen Samen in so großer Armut gesehen, dass er gewohnheitsmäßig nach Brot gehen musste? Als unser Heiland viertausend Mann mit sieben Broten und ein wenig Fischen gespeist hatte, so dass alle gesättigt waren, da konnten die Jünger noch sieben Körbe mit den übrigen Brocken füllen. "Die Lebensmittel wurden im Austeilen vermehrt, und so ist’s mit den Almosen, die den Armen gegeben werden", sagt Augustinus zu der Stelle. Michael Jermin † 1659.
  Ich habe noch nie gesehen usw. Ich halte dafür, dass dies in allen Fällen buchstäblich wahr ist. Auch ich bin nun ein Greis; ich bin in manchen Ländern gereist und habe vielerlei Gelegenheit gehabt, fromme Leute in allerlei Lebenslagen kennen zu lernen, und habe noch nie, dass ich wüsste, ein Beispiel des Gegenteils gesehen. Gott legt denen Ehre bei, die ihn fürchten; und so trefflich sorgt er sowohl für sie als auch für ihre Nachkommen. Adam Clarke † 1832.
  Wir finden in der Tat Ausnahmen, wie z. B. bei Elis Nachkommen (1. Samuel 2,36). Aber das war die Folge davon, dass Eli eben nicht den vollen Charakter eines Gerechten hatte. Und wir wissen, dass die Verheißungen ausbleiben müssen, wenn wir die Mittel zu ihrer Erfüllung vernachlässigen. Siehe 1. Mose 18,19. David Davidson 1836.


V. 25.26. Viele Leute quälen sich mit sorgenvollen Gedanken, wie es ihren Kindern wohl gehen werde, wenn sie selber nicht mehr da seien; aber sie bedenken nicht, wie Gott für sie selber gesorgt hat, als sie noch Kinder waren. Ist des Herrn Arm verkürzt? Ist er nicht dein Vater geworden, als Vater und Mutter dich verließen Ps. 27,10)? Und sollte diese Güte, die du erfahren hast, dich nicht zu der Überzeugung bringen, dass er auch deine Kinder nicht verlassen werde? Viele Väter sorgen sich im Misstrauen gegen Gott dermaßen um ihre Kinder, dass sie ihrem Leib das Nötige an Nahrung und Ruhe vorenthalten und sogar ihre Seele aufs Spiel setzen, um jene als vermögende Leute zu hinterlassen. Wenn Wucher, Betrug, Bedrückung und Erpressung sie reich machen können, so sollen sie nicht arm sein. Ihre Torheit wäre lächerlich, wenn es nicht so tief traurig wäre. Sie sorgen sich, ihre Kinder möchten ins Elend geraten, und doch schlagen sie den geradesten Weg ein, sie ins Elend zu führen; denn sie werden sie nicht sowohl als Erben ihrer Güter, als vielmehr als Erben ihrer Übeltaten zurücklassen. Die Kinder erben so gewiss ihrer Väter Sünden als deren Ländereien. "Gott spart desselben Unglück auf seine Kinder und seine Nachkommen werden des Brots nicht satt habend" (Hiob 21,19; 27,14) Der Gerechte aber ist allezeit barmherzig und leiht gerne und sein Same wird gesegnet sein. Wovon der Weltmensch denkt, dass es seine Kinder arm machen werde, davon sagt Gott, dass es dem Samen des Gerechten ein Segen sein werde. So vertraue denn dem Herrn die Zukunft deiner Kinder an. Thomas Adams 1614.


V. 26. Man merke: Je mehr der Gerechte gibt und leiht, desto besser ist’s für seine Kinder. Denn die Kinder sind stets am besten versorgt, deren Eltern also gesinnt sind, dass sie lieber Gott ihre Kinder, als ihren Kindern Reichtümer anvertrauen und die ihre Hoffnung darauf gründen, dass, ob sie auch sterben, Gott lebt. Könnte nur einer dieser reichen und doch erbärmlichen Väter, die sich selber aushungert und ausgemergelt haben, um ihre Söhne zu großen Herren zu machen, von den Toten aufstehen und das Wort Salomos erfüllt sehen: "Der Reiche zeugt einen Sohn, dem bleibt nichts in der Hand" (Pred. 5,13); ich bin überzeugt, das Nachsinnen über diese Dinge würde ihn so unglücklich machen, wie es nur eine Höllenpein kann. So bedenkt doch ihr dies, die ihr jetzt lebt und es an anderen seht, und verschließt euch der Einsicht nicht, dass eben dasselbe euren Kindern begegnen mag, wenn ihr dahin seid, falls eure Güter von euch schlecht erworben oder schlecht angewandt worden sind. Matthew Griffith 1633.


V. 29. Das Land erben. Wie nachdrucksvoll ist es, dass dieselbe Verheißung mit demselben Ausdruck fünfmal, nämlich V. 9.11.22.29.34, wiederholt wird. W. Wilson 1860.


V. 30.31. Darum redet der Gerechte recht und dichtet Weisheit, dass Gottes Gesetze nicht in dem Buch, nicht in den Ohren, nicht auf der Zunge, sondern in seinem Herzen ist. Gottes Gesetz mag niemand recht verstehen, es sei ihm denn im Herzen, dass er es lieb habe und lebe danach, was der Glaube an Gott tut. Darum, ob die Gottlosen wohl viel Worte machen von Gott und seinem Gesetz, rühmen sich der Schrift Lehrer und Erfahrene, so reden sie doch niemals recht noch weise. Denn sie haben es nicht im Herzen; darum verstehen sie ihn nicht, es betrügt sie der Schein, dass sie die Worte und die Schrift führen und deswegen wüten und verfolgen die Gerechten. Ferner, des Gerechten Tritte rutschen nicht aus, sondern gehen gewiss frei einher, in gutem Gewissen, darum, dass er der Sache gewiss ist, und mag nicht verführt werden durch Menschen-Gesetz und -Beilehren. Aber die Gottlosen fallen und rutschen allezeit hin und her, haben keinen gewissen Tritt, weil sie Gottes Gesetz ohne den Glauben nicht recht verstehen. Martin Luther 1526.


V. 34. Harre. Wer in Wahrheit auf Gott vertraut, wartet geduldig, bis Gottes Stunde gekommen ist, bedient sich keiner anderen als der ihm von Gott au die Hand gegebenen Mittel und wandelt auf Gottes Weg, ob dieser auch ein Umweg scheint. Sie eilen mit Weile und stürzen ihre Seele nicht durch Hast in Gefahr. Sie treten nicht ab von dem guten und geraden Wege des Herrn, ob sie auch dadurch einem Verlust oder einer Trübsal ausweichen und einen begehrenswerten Vorteil erlangen könnten. Der echte Glaube lehnt sich auf seinen Gott; darum hält er Gottes Weg ein. Wer die Armut mehr fürchtet als die Sünde, wer mehr um die Dinge dieser Welt als um seine Seele besorgt ist, ja wer nicht eifersüchtig darüber wacht, dass seine irdischen Sorgen nicht die Oberhand gewinnen, - bei dem ist es klar, dass er in Bezug auf sein irdisches Durchkommen nicht im Gottvertrauen lebt. Und wer das Zeitliche nicht Gottes treuen Händen überlässt, der hat auch seine Seele nicht gläubig Gott übergeben, was immer er in dieser Beziehung denke oder vorgebe; seine Hoffnung auf die Seligkeit ist nichts als Einbildung. David Clarkson † 1686.


V. 35. Warum wird der Gottlose (nach Luthers und anderen Übersetzungen) hier mit einem Lorbeerbaum verglichen? Weil dieser im Winter, wenn die anderen, nützlicheren Bäume verwelkt und nackt dastehen, so grün ist wie im Sommer. So ist’s mit den Gottlosen. Wenn Gottes Kinder in den Stürmen der Verfolgungen, Anfechtungen und Trübsale verwelkt und wie tot sind, gedeihen die Gottlosen und scheinen in den Augen der Welt gar glücklich zu grünen. Das war der Fall mit Hophni und Pinehas (1. Samuel 2). Während die Gottesfürchtigen über die Schändung des Heiligtums trauerten, ließ Gott jene gewähren, dass sie sich den Bauch füllten und in ihrer Bosheit gediehen. Aber warum? Weil er sie verderben wollte. J. Gore 1633.


V. 35.36. Heute treibt er
Der Hoffnung zarte Blätter, morgen Blüten,
Die ihn mit dichter Blumenpracht umkleiden;
Am dritten Tage tödlich kommt der Frost,
Und - wenn er denkt, der gute sichere Mann,
Dass seine Größe reift - nagt ihm die Wurzel
Und stürzt ihn, so wie mich.
Kardinal Wolsey in Heinrich VIII. von William Shakespeare † 1616.

  Als der Herr einst den unfruchtbaren Feigenbaum verfluchte, verdorrte dieser rasch, und zwar bis auf die Wurzel. Der schreckliche Fluch des jüngsten Tages wird nicht weniger wirksam sein. Thomas Tymme 1634.


V. 40. Er wird - wird - wird. O der Beredsamkeit des Geistes Gottes, der Sicherheit der Gläubigen, der Gewissheit der Verheißungen! John Trapp † 1669.
O der schändlichen Untreue, Misstreue und verdammten Unglaubens, dass wir solchen reichen, mächtigen, tröstlichen Zusagungen Gottes nicht glauben, und zappeln so gar leicht in geringen Anstößen, so wir nur böse Worte von den Gottlosen hören. Hilf Gott, dass wir einmal rechten Glauben bekommen, den wir sehen, dass er in aller Schrift gefordert werde. Amen! Martin Luther 1526.


Homiletische Winke

V. 1. Die Kunst, die Seelenruhe zu bewahren.
V. 1.2. Eine häufige Anfechtung und ein bewährtes Mittel gegen dieselbe, nämlich der Blick auf das Ende des Sünders.
V. 2. Wie und wann die Gottlosen umkommen.
V. 3. Zwei Satzpaare, die ein heiliges, und zwei, die ein glückliches Leben (siehe S. 695) schildern. Das Bild des Gläubigen. 1) Aus wen traut er? 2) Was treibt er? 3) Wo wohnt er? 4) Wie nährt er sich?
V. 4. Man zeige, woran der Gläubige seine Lust hat und welcherart die Begehren seines Herzens sind und den Zusammenhang zwischen beiden. Sonnenschein im Herzen. Predigt von C. H. Spurgeon, Min.-Ausg. Bd. 3, S. 361. Bapt. Verlag, Kassel.
V. 5.6. Das Leben des Christen; 1) ein Leben der Entsagung; 2) ein Leben des Glaubens; 3) ein Leben voll zunehmender Herrlichkeit.
V. 6. Guter Trost für verleumdete Gerechte. Wo ist ihre Ehre jetzt? Wer wird sie enthüllen? Die allmähliche, aber sichere Weise dieser Enthüllung, und das herrliche Ende.
V. 7. Was sollen wir? Stille sein. Vor wem? Dem Herrn. Wann? Wie? Warum? Stille, Geduld und Selbstbeherrschung. Sei stille dem Herrn: 1) ergeben in seinen Willen, denn was er will, dient stets zu deinem wahren Besten; 2) ruhend in seiner gnadenvollen Liebe; 3) bleibend in seinem Wort.Ruhe in dem Herrn. Predigt von C. H. Spurgeon, Botschaft des Heils, Bd. 3, S. 193. Bapt. Verlag, Kassel.
V. 8. Eine Predigt für aufgebrachte Gemüter. 1) Stehe ab vom Zorn. Der Zorn ist Unsinnigkeit, ist Sünde, verhindert dein Gebet, führt zum Übeltun und mag zu noch Schlimmerem führen. 2) Lass den Grimm auch für die Zukunft ganz fahren, scheide dich von ihm, bereue ihn, wache über dein Gemüt, halte deine Leidenschaften in Zucht und meide alles, was mit dem Murren und Neiden verwandt ist.
V. 9. Die Erben der Herrschaft.
V. 10. Bedenke, 1) was der abgeschiedene Sünder hat verlassen müssen; seine Besitztümer, Freuden, Ehren, Hoffnungen, Pläne usw.; 2) wohin er gegangen ist; 3) ob du sein Los teilen willst oder wirst.
V. 10.11. Schreckensworte für die Gottlosen, Trostworte für die Gläubigen.
V. 11. Die Wonne, die der Elenden harrt.
V. 15. Die selbstmörderische Natur des Bösen.
V. 16. Die Kunst, aus wenig viel zu machen.
V.16.17. 1) Verschiedene Besitzer einander gegenübergestellt. 2) Ihre Besitztümer miteinander verglichen. 3) Wem wird der Vorzug gegeben? 4) Warum?
V. 17b. 1) Die bevorzugten Leute, von denen der Text redet. 2) Ihre offenbare Not: Sie bedürfen des Stützens. 3) Der eigenartige Segen, den sie genießen: sie werden aufrecht erhalten über, unter und nach der Trübsal. 4) Ihr hoher Beschützer.
V. 18a. Der Trost, dass Gott um alles, was die Frommen betrifft, weiß und sich liebevoll und hilfsbereit kümmert.
V. 18b. Der Besitzt der Frommen. Worin besteht er? Wie haben sie ihn erlangt? Wie lange wird er ihnen bleiben?
V. 19. Gute Worte für böse Zeiten.
V. 21. Das Verhalten in Geldsachen - ein Prüfstein des Charakters.
V. 22. Gottes Segen das Geheimnis aller wahren Glückseligkeit; Gottes Missfallen- der Urgrund alles Elends.
V. 23. Das Geheimnis eines festen Ganges.
V. 24. Was mag geschehen? Was kann nicht geschehen? Was wird geschehen?
V. 25. Ein Spruch aus der Erfahrung eines ergrauten Beobachters.
V. 26. Des Gerechten barmherzige Gesinnung, seine edelmütige Handlungsweise und sein reicher Lohn. Worin besteht der Segen, der auf Kindern von frommen Leuten ruht, und worin nicht?
V. 28. 1) Des Herrn Liebe zum Recht. 2) Seine Treue gegen die Treuen. 3) Durch beides ist die Bewahrung der Frommen, aber auch 4) der Untergang der Gottlosen verbürgt.
V. 29. Kanaan als Vorbild des Erbes der Gerechten.
V. 30. Unsere Rede ein Prüfstein unserer Gottseligkeit.
V. 31. Das Beste am besten Ort mit der besten Wirkung.
V. 32.33. Unsere Feinde; ihre tief gewurzelte Bosheit; unser göttlicher Beschützer und Sachwalter.
V. 34. 1) Eine zwiefache Ermahnung: a) Harre auf den Herrn, b) und halte seinen Weg - warte und wirke, steh still und wandle, nimm. Gnade aus Gottes Fülle und wende sie an. 2) Eine zwiefache Verheißung; a) So wird er dich erhöhen, dass usw. - Gott der Urheber aller Erhöhung und Ehre. b) Du wirst es sehen, dass die Gottlosen ausgerottet werden - und sie werden ausgerottet werden. William Jay † 1853. Harrender Glaube, beharrliche Tugend, und die diesen beiden verheißene Erhöhung.
V. 34c. Was bewegt das Herz der Gottseligen angesichts des Schicksals der Sünder? Die Gottlosen abgeschnitten (wörtl.); 1) oft schon in diesem Leben von ihrer Stätte, ihren Reichtümern und Aussichten; 2) im Tode von jeglichem Besitz und Genuss; 3) am jüngsten Tage von der Auferstehung des Lebens (Joh. 5,29). William Jay † 1853.
V. 35-37. Drei denkwürdige Szenen; 1) Der imposante Anblick des Gottlosen; 2) sein erstaunliches Verschwinden; 3) das friedvolle Ende des Friedenskindes (nach anderer Übersetzung).
V. 39.40. Ein sechsfaches Seil der Verheißung. Wer kann sich daran halten? (Die Gerechten - denn sie trauen auf ihn).

Fußnoten

1. Die Pausalform WlmIayi ist entweder gleich WlImIayi, also Imperf. des durch 1. Mose 17,11  gesicherten niphal lmanf von llamf abschneiden: werden sie abgeschnitten, so Luther, Kautzsch u. a., oder gleich WlmI:yi, Imperf. kal von ll"mf verwelken: verwelken sie, so LXX, Ewald, Bäthgen u. a.

2. Bei Luthers Fassung müsste man Cr)b Nk# erwarten, wie 1. Mose 26,2. An Neigung zum Auswandern ist schwerlich gedacht. Fasst man den Imper. als Ermahnung, so wird das Wort: Bewohne das Land, eine Ermunterung zum stillen, in Gott beruhigten Leben im Land der Verheißung sein (Moll). Doch kann man nach Spr. 20,13 b den Imperativ trotz seiner asyndetischen Stellung (ohne w) als Verheißung auffassen, und dies liegt nach V. 9.11.22.29 und bes. V. 27 (wo der gleiche Imper., allerdings mit w copulat., steht) sachlich näher: so wirst du das (verheißene) Land bewohnen, vergl. dazu Spr. 2,21 und viele Stellen. So z. B. Stier, Bäthgen, auch die engl. Bibel.

3. Auch diese Worte werden, schon von den alten Übersetzern, sehr verschieden gefasst. Der Imperativ kann wieder entweder als Befehl oder als Umschreibung einer Verheißung gefasst werden. Die einfachste Übers. ist wohl: und übe Treue. (h(r hinter etwas her sein.) Andere übers.: und weide dich (oder. so wirst du dich weiden) an der Treue (Gottes); doch müsste man dann den Zusatz "Gottes" erwarten. Bäthgen fast (wie Luther) hnwm) als adverbiellen Akkus., doch nach Jes. 33,6 in der Bedeutung Sicherheit: so wirst du in Sicherheit (das Land) beweiden. Luther 1524: und nähre dich im Glauben.

4. Da Friede im Hebr. ungetrübtes inneres und äußeres Wohlsein bedeutet, kann man den Sinn des Grundtextes oft besser durch die Übersetzung Heil wiedergeben. Danach ist auch die Auslegung Spurgeons, die nur eine Seite hervorhebt, zu ergänzen.

5. Apollyon, d. h. der Verderber, Name des im Gesicht Off. 9,11 geschauten Engels aus dem Abgrund, hier als Schiffsname angewandt.

6. So übersetzt die engl. Bibel nach den Alten. rkIa heißt in der Tat meist Lamm. Durch Ps. 65,14 und andere Stellen steht aber auch die Bedeutung Aue fest und diese wählen mit Luther fast alte neueren Ausleger. Vergl. V. 2. Luther folgt aber nicht den Akzenten der Masora, nach diesen ist zu übersetzen: Und die Feinde des Herrn sind (so vergänglich) wie die Pracht der Auen; sie vergehen wie der Rauch, vergehen.

7. Das Waw ist erklärend: und zwar eines solchen, an dem ... Da bei Mann der Artikel fehlt, muss es allgemein gefasst werden. Schultz-Keßler betonen hier die Grundbedeutung von rbegIe: der Starke, der mannhafte Mensch. Vergl. Hiob 38,3.

8. Spurgeon war bei dem Erscheinen des zweiten Bandes des Treasury, der diesem Psalm enthält erst 36 Jahre alt.

9. Luther hat, mit den alten Übersetzungen, die Concreta als Abstracta gefasst: Bewahre Frömmigkeit und habe Rechtschaffenheit vor Augen. Doch würde man dann
h("r: (übe) statt h)"r: (sieh an) erwarten, vergl. V. 3. Wir übersetzen mit der engl. Bibel und den meisten neueren Auslegern: Achte auf den Frommen und schaue an den Redlichen, dass usw. Das Subjekt des Nachsatzes ist als Objekt in den Vordersatz genommen.

10. MOl$f $y)il: muss zusammengefasst werden; und da in dem parallelen V. 38b tyrixA)a jedenfalls nicht die Zukunft als Geschick bedeutet, sondern wie Ps. 109,13 soviel wie (raze ist, werden wir das Wort auch hier Nachwuchs übersetzen müssen.