Psalmenkommentar von Charles Haddon Spurgeon
PSALM 14 (Auslegung & Kommentar)
Überschrift
Diese inhaltreiche Dichtung ist einfach überschrieben: Ein Psalm Davids, vorzusingen, oder: dem Sangmeister. Diese Widmung an den Vorsteher des Musikchors im Tempel, die sich an der Spitze von 55 Psalmen findet, will offenbar sagen, dass die so bezeichneten Psalmen nicht allein zum Privatgebrauch der Gläubigen bestimmt waren, sondern auch bei den Tempelgottesdiensten von dem dazu bestellten Chor unter Musikbegleitung gesungen werden sollten. Es waren der levitischen Sänger im Ganzen viertausend in vierundzwanzig Klassen. Mehrere der zur öffentlichen Aufführung bestimmten Psalmen enthalten wenig oder gar keine Lobpreisung und sind nicht unmittelbar an Gott gerichtet. Das beweist, dass die Theorie des Kirchenvaters Augustin († 430), die von manchen Gesangbuch - Herausgebern wieder aufgefrischt worden ist, dass man nämlich nur Loblieder singen solle, trotz ihrer scheinbaren Berechtigung keinen Schriftgrund hat. Die alttestamentliche Gemeinde besang in ihren geistlichen Liedern nicht nur die heiligen Lehren der göttlichen Offenbarung, auch brachte sie in ihnen nicht nur Bitte, Dank und Anbetung vor den Allerhöchsten, sondern der gottbegnadete Sänger Israels legte der Gemeinde in seinen Psalmen unter der Leitung des göttlichen Geistes sogar die Klagetöne heiliger Entrüstung in den Mund. Manche Leute haschen nach jeder "Feinheit", welche einen Schein von Richtigkeit hat, und gefallen sich darin, in grillenhaft übertriebener Genauigkeit noch mehr zu leisten als andere. Das wird aber schlichte Leute nicht hindern, an der alten, erprobten Weise festzuhalten und in ihren heiligen Gesängen nicht allein den Herrn zu erheben, sondern auch nach des Paulus Vorschrift einander zu lehren und zu vermahnen in Psalmen und Lobgesängen und geistlichen lieblichen Liedern, dabei dem Herrn in ihrem Herzen singend und spielend (Kol. 3,16).
Wir wollen den Psalm zur Unterstützung unseres Gedächtnisses überschreiben: Das Lied von der praktischen Gottesleugnung. Die vielen Vermutungen über die Veranlassung zur Dichtung dieses Psalms sind so völlig aus der Luft gegriffen, dass es Zeitverschwendung wäre, sie des langen und breiten aufzuzählen. Der Apostel Paulus hat uns im Kapitel 3 des Römerbriefs es gezeigt, dass es die Absicht des vom Geiste Gottes erleuchteten Dichters war, zu beweisen, dass alle Menschen unter der Sünde sind. Es liegt demnach kein Grund vor, eine besondere geschichtliche Veranlassung zu suchen, wenn doch die ganze Geschichte des Menschengeschlechts von schrecklichen Beweisen unserer gänzlichen Verderbtheit starrt. Mit lehrreichen Abänderungen ist uns im 53. Psalm eine zweite Auflage dieses für unser Geschlecht so demütigenden prophetischen Bußrufes gegeben. Es war offenbar der Trieb des heiligen Geistes, der den Psalmisten bestimmte, eine Wahrheit, die dem fleischlichen Sinne stets so zuwider ist, zwiefach zu bezeugen.
Einteilung. Das törichte Glaubensbekenntnis der Welt V. 1a; dessen Sitten verderbender Einfluss V. 1b, 2.3; die Verfolgungssucht der Gottlosen V. 4; deren Spott über die Gottesfürchtigen V. 6; und endlich V. 7 die Bitte, der Herr möge sich zur Freude der Seinen als Retter offenbaren.
Auslegung
1. | Die Toren sprechen in ihrem Herzen: Es ist kein Gott. Sie taugen nichts und sind ein Gräuel mit ihrem Wesen; da ist keiner, der Gutes tue. |
Der Tor1. Der Gottesleugner ist der Tor im besonderen und ein Tor im allgemeinen Sinne. Er würde Gott nicht leugnen, wenn er nicht seinem innersten Wesen nach ein Tor wäre, und nachdem er Gott geleugnet hat, darf es uns nicht wundernehmen, dass er auch in seiner Handlungsweise ein Tor wird. Sünde ist immer Torheit; und wie es der Gipfelpunkt der Sünde ist, sogar das Dasein des Allerhöchsten zu leugnen, so ist es auch die denkbar größte Torheit. Wer da sagt, es gebe keinen Gott, widerstreitet den unwiderleglichsten Beweisen, und das ist Halsstarrigkeit; er widersetzt sich der übereinstimmenden Erkenntnis der ganzen Menschheit, und das ist Dummheit; er unterdrückt das eigene Bewusstsein, und das ist Wahnsinn. Wenn der Sünder den Gott, welchen er hasst, durch die Leugnung seines Daseins vernichten könnte, dann wäre in seinem Unglauben wenigstens noch etwas Sinn, wenn auch viel Bosheit; aber gleichwie es einen Menschen, der in den Flammen ist, nicht vor dem Verbrennen schützt, wenn er das Dasein des Feuers leugnet, so wird auch die Bezweiflung des Daseins Gottes den Richter der ganzen Welt nicht davon abhalten, alle, die sich wider ihn empören, auszurotten. Im Gegenteil, die Gottesleugnung ist ein Verbrechen, das den Himmel herausfordert, und schreckliche Rache wird daher über alle die Toren kommen, welche sich dieses Verbrechens schuldig machen. Ein Sprichwort sagt: Des Narren Zunge schneidet ihm den Hals ab, - und in diesem Falle bringt sie Leib und Seele ins ewige Verderben. Ach, und wenn das noch alles Unheil wäre! Aber das Traurigste ist, dass ein Tor hundert andere erzeugt und dass solch ein lästernder Schreihals seine schreckliche Lehre ausbreitet, wie ein Aussätziger die Pest. Das hier für Tor gebrauchte Wort (nabal) führt nach der wahrscheinlichsten Ableitung auf den Begriff des Welken und Saftlosen, wie man es von Laub und Blumen sagt (z. B. Jes. 40,7 f.), bezeichnet also hier, im sittlichen und religiösen Sinn angewendet, die Torheit als geistliche Fadheit, Dürre und Nichtsnutzigkeit. Der Tor hat Saft und Kraft der Weisheit, Verständigkeit, Ehrbarkeit und Gottesfurcht verloren. John Trapp († 1669) trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er ihn einen ausgemergelten Menschen, eine lebendige Leiche, ein wandelndes Grab nennt, einen Menschen, in dem alle Religion und aller gesunde Menschenverstand verwelkt und verdorrt, zerstört und verwüstet sind. Mit welchem Ernst sollten wir selbst den Schein eines Zweifels an der Gegenwart, der Wirksamkeit, der Macht und der Liebe Gottes meiden; denn all solches Misstrauen ist seinem Wesen nach Torheit, und wer von uns möchte wohl mit den Toren in unserem Text zusammengestellt werden? Doch wollen wir nicht vergessen, dass allen unwiedergeborenen Menschen mehr oder weniger von solcher Torheit im Herzen steckt.
Die Toren sprechen in ihrem Herzen: Es ist kein Gott. Ist es möglich, dass ein Mensch mit dem Munde an Gott zu glauben bekennt und dennoch in seinem Herzen das Gegenteil sagt? Ist er vielleicht in der Frechheit noch nicht so weit vorgeschritten, seine Torheit in Worten auszuposaunen? Oder will der Dichter sagen, dass des Herzens Gedanken vor Gott wie Worte sind, auch wenn sie vor Menschen noch nicht laut geworden? Ist das Herz die Stätte, wo der Mensch zuerst ein Ungläubiger wird, - das Herz und nicht der Kopf? Oder soll es als ein törichtes Reden im Herzen, als ein Mühen, die Stimme des Gewissens niederzuschreien, bezeichnet werden, wenn jemand gottesleugnerische Reden führt? Das ist jedenfalls nicht unrichtig. Hätte das Herz Lust zur Wahrheit und Gerechtigkeit, so würde der Verstand keine Schwierigkeit haben, über die Frage, ob es einen allgegenwärtigen, persönlichen Gott gibt, zur Klarheit zu kommen; aber da das Herz Recht und Gerechtigkeit hasst, ist es kein Wunder, dass es den Gott los sein möchte, der in all seinem Walten heilig ist und sich als den Beschützer des Rechts und den Rächer des Unrechts offenbart. Solange das Menschenherz bleibt, wie es ist, darf uns die weite Verbreitung der Zweifelsucht nicht befremden. Ein fauler Baum bringt arge Früchte
(Mt. 7,17). David Dickson († 1662) sagt: "Solange der Mensch nicht wiedergeboren und nicht mit Gott versöhnt ist, ist er in Wirklichkeit nichts anderes als ein Wahnsinniger." (Vergl. 5. Mose 32,28; Jer. 4,22; 5,21; Ps. 49,21; Eph. 4,18 u. a. St.) Was Wunder denn, wenn er tolles Zeug redet! Solche Toren wie die, mit denen wir es in unserem Text zu tun haben, sind allen Zeiten und allen Ländern gemein. Dem Unkraut gleich gedeihen sie ohne Pflege und sind sie in aller Welt zu finden. Ausbreitung bloßer Verstandes - Aufklärung vermindert ihre Zahl nicht. Da es sich hier nicht um einen Fehler im Gehirn, sondern im Herzen handelt, findet sich diese Torheit vielmehr oft mit großer Gelehrsamkeit vereinigt. Die Spitzfindigkeiten der Zweifelsucht zu widerlegen wird so lange vergebliche Mühe sein, bis die Gnade in das Herz einzieht und es zum Glauben willig macht. Narren mögen in einer Stunde mehr Einwürfe aufbringen, als weise Leute in sieben Jahren beantworten können. Ja es ist ihre Freude, den Weisen Steine in den Weg zu legen, über die sie straucheln sollen. Der Prediger ziele auf das Herz und predige die allüberwindende Liebe Jesu; auf diese Weise wird er durch Gottes Gnade mehr Zweifler für den Glauben des Evangeliums gewinnen, als hundert der besten Denker, die mit ihren apologetischen oder polemischen Beweisführungen nur den Kopf treffen.
Die Toren sprechen in ihrem Herzen: Es ist kein Gott. Diese Behauptung ist so ungeheuerlich, dass der Mensch es kaum wagt, sie bestimmt auszusprechen. Calvin scheint der Meinung, die Worte: "Kein Gott" (buchstäbl.) seien schwerlich als ein förmlicher Vernunftschluss, als ein positiver dogmatischer Satz zu werten. Andere Ausleger führen den Gegenbeweis. Es ist nicht nur der Wunsch der verderbten Natur des Sünders und die Hoffnung seines aufrührerischen Herzens, dass es keinen Gott gebe, sondern er müht sich auch ab, sich auf irgendeine Weise dazu zu bringen, es als Tatsache zu behaupten, und zuweilen meint er wirklich, er glaube es. Es ist ein überaus ernster Gedanke, dass es Menschen gibt, die mit ihren Lippen Gott anbeten und dennoch in ihrem Herzen sprechen: Es ist kein Gott. (Man vergl. z. B. Jer. 5,2.12) Und zwar handelt es sich hier um die Leugnung des persönlichen Gottes. Es ist beachtenswert, dass es nicht so sehr der abstrakte Begriff der Gottheit ist, gegen den sich die Angriffe richten (Elohim wird nach Delitzsch nie im abstrakten Sinn gebraucht), als vielmehr der Begriff des sich persönlich in der Welt offenbarenden, allgegenwärtigen und allwaltenden Gottes. Eben als der Wirkende, als der Herrscher und Gesetzgeber und Retter ist Gott die Zielscheibe, auf die sich die Pfeile des menschlichen Grimmes richten. Welch ohnmächtige Bosheit und wahnsinnige Wut, die gegen den tobt und schäumt, in dem wir leben, weben und sind! Welch schreckliche Geisteskrankheit, die den Menschen, der sein Alles dem Herrn verdankt, dahin führt, auszurufen: Es ist kein Gott.
Sie taugen nichts. Dieses Urteil bezieht sich auf alle Menschen, und zwar gibt uns der Heilige Geist die Vollmacht zu dieser Behauptung. Man lese das 3. Kapitel im Römerbrief (Röm 3). Feindschaft wider Gott bekundet tiefe Verderbnis des innersten Wesens. Die wörtliche Übersetzung: Sie machen ihr Tun2 verderbt, d. h. verderblich handeln sie, erinnert uns daran, dass die Sunde nicht nur passiv in unserer Natur liegt als Quelle des Bösen, sondern dass wir selber mit unserm Tun die Flamme schüren und uns immer mehr sittlich verderben. So machen wir das noch schwärzer, was von Anfang schon schwarz wie die Nacht war. Wir schmieden unsere eigenen Ketten durch gewohnheitsmäßiges und beharrliches Ausüben des Bösen.
Sie sind ein Gräuel mit ihrem Wesen, wörtlicher: Abscheulich handeln sie. Wenn Menschen damit anfangen, dass sie das Dasein des Allerhöchsten leugnen, wer mag sagen, wo sie enden werden? Wenn erst dem Meister die Augen ausgestochen sind, was werden dann die Gesellen nicht alles anfangen? Man betrachte den Zustand der Welt zur Zeit der Sintflut, wie er 1. Mose 6,12 dargestellt wird (woran uns besonders das dort zuerst gebrauchte Wort tyxi$:hi erinnert), und man bedenke, dass die menschliche Natur dieselbe geblieben ist. Wer ein schreckliches Gemälde von der ohne Gott dahinlebenden Welt sehen will, muss die peinlichste Stelle der ganzen von Gott eingegebenen Schrift, das erste Kapitel im Römerbrief, lesen. Gelehrte Hindus haben bekannt, dass diese Beschreibung buchstäblich genau auf die heutigen Zustände in Indien passe; und es stände in unseren Landen gerade so, wenn bei uns nicht die Macht der Gnade durch das Evangelium die Sünde eindämmte und zurückhielte. Ach, jene Beschreibung ist ohnehin ein nur zu genaues Bild dessen, was auch in unseren Landen im Geheimen getrieben wird. Dinge, die Gott und Menschen im höchsten Grad ekelhaft sind, schmecken manchem Gaumen lieblich.
Da ist keiner, der Gutes tue. Unterlassungssünden müssen da überhand nehmen, wo Begehungssünden epidemisch sind. Wer tut, was er nicht tun sollte, lässt sicher ungetan, was er tun sollte. Welch ein Bild unseres Geschlechts wird uns hier gezeigt! Die gefallene, entartete Menschheit ist eine Wüste ohne Oase, eine Nacht, in der kein Sternlein blinkt, ein Müllhaufen, in dem kein Edelstein zu finden ist, ein Höllenabgrund, dessen Tiefe niemand ergründen kann.
2. | Der Herr schauet vom Himmel auf der Menschen Kinder, dass er sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage. |
3. | Aber sie sind alle abgewichen und allesamt untüchtig; da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer. |
Der Herr schaut vom Himmel auf der Menschen Kinder. Wie von einem hohen Wachtturm aus beobachtet er mit scharfem, durchdringendem Blick die Menschen. Er straft nicht blindlings wie ein Tyrann, der in plötzlicher Zornesaufwallung den Befehl gibt, alles ohne Unterschied niederzumetzeln, weil das Gerücht eines Aufruhrs zu seinen Ohren gedrungen ist. Welch herablassende Teilnahme Gottes für das Menschengeschlecht und welch unparteiische Gerechtigkeit wird uns hier vor Augen gestellt! An Sodom, das der Herr erst verderbte, nachdem er hinabgefahren war und die Stadt besucht hatte
(1. Mose 18,21.33; 19), haben wir ein deutliches Beispiel davon, wie sorgfältig die göttliche Gerechtigkeit die Sünde besieht, ehe sie die Strafe hereinbrechen lässt, und wie sie die Gerechten ausfindig macht, damit sie nicht mit den Schuldigen umkommen. Sieh, wie die Augen des Allwissenden den ganzen Erdkreis durchforschen und unter allen Völkern und Nationen danach spähen, ob jemand klug sei und nach Gott frage. Er, der vom Himmel herniederschaut, kennt das Gute und erkennt es alsbald, und er würde sich hoch freuen, irgendwo etwas Gutes zu finden. Aber unter all den unwiedergeborenen Menschenkindern ist sein Suchen und Forschen fruchtlos; denn unter dem ganzen adamitischen Geschlecht (
Aber sie sind alle abgewichen. Alle Menschen ohne Ausnahme sind ihrem Schöpfer abtrünnig geworden und haben seine Gesetze und die ewigen Grundordnungen des Rechts verlassen. Gleich störrigen Rindern haben sie sich geweigert, ihren Nacken unter das Joch zu beugen; wie irrende Schafe haben sie ein Loch in der Hecke gefunden und die gute Weide verlassen. Der Urtext spricht von dem Geschlecht als einem Ganzen, einer Gesamtheit (lkIoha). Die Menschheit als Ganzes ist dem Verderben verfallen, so dass ihre Gesinnung nichtswürdig, ihr Wandel befleckt geworden ist. Sie sind allesamt untüchtig. Alle einzelnen miteinander (wdIfx:ya) sind verdorben und versauert (Wxlf)Ene), wie schlecht gewordene Milch oder verdorbener Sauerteig, oder, wie manche es wiedergeben; sie sind faul, ja stinkend geworden. Der einzige Grund, warum wir diese Fäulnis nicht deutlicher wahrnehmen, ist, dass wir uns daran gewöhnt haben, gerade wie Leute, die Tag für Tag in einer Luft arbeiten, die von ekelhaften Dünsten erfüllt ist, schließlich nichts mehr davon merken. Der Müller beachtet den Lärm seiner Mühle nicht, und wir bemerken nur schwer unsere Verderbtheit und unseren sittlichen Verfall. Aber gibt es keine Ausnahmen von der Regel? Sind alle Menschen sündig? Ja, sagt der Psalmist in nicht misszuverstehender Weise: sie alle. Erst hat er es positiv ausgesprochen, jetzt wiederholt er es in der Form der Verneinung: Da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer. In bestimmtester Weise wird es hier verneint, dass irgendein Adamssohn aus sich selbst etwas Gutes tue. Dies ist der Urteilsspruch des allsehenden Gottes, der nicht übertreiben, noch sich irren kann. Der Heilige Geist, der durch den prophetischen Sänger redet, begnügt sich nicht damit, zu sagen: ihre Gesamtheit, alle miteinander, sondern er fügt die erdrückenden Verneinungen hinzu: keiner, auch nicht einer. Was sagen die Gegner der Lehre von der natürlichen Verderbtheit hierzu? Und welche Empfindungen weckt dieses Zeugnis des Heiligen Geistes in unseren Herzen? Drängt es uns nicht, es zu unserm persönlichen Bekenntnis zu machen, dass auch wir von Natur verderbt sind, und die freie Gnade zu preisen, die uns erneuert hat im Geiste unseres Gemüts, auf dass nun nicht mehr die Sünde uns tyrannisch beherrsche, sondern die Gnade uns freundlich leite und regiere?
4. | Will denn der Übeltäter keiner das merken, die mein Volk fressen, dass sie sich nähren; aber den Herrn rufen sie nicht an? |
Der Hass gegen Gott und die Verderbtheit des Lebens sind die treibenden Kräfte, welche die Verfolgungen der Frommen erzeugen. Menschen, die keine selig machende Erkenntnis von göttlichen Dingen haben und sich selbst zum Dienst der Bosheit verkaufen, so dass sie Übeltäter werden, haben keine Neigung, den Herrn um Errettung aus ihrer Sklaverei anzurufen, sondern sie machen sich eine Lust daraus, das arme, verachtete Volk Gottes zu verschlingen. Das ist schwere Knechtschaft, ein Übeltäter zu sein! Ein Galeerensklave oder einer, der zur Arbeit in den Minen Sibiriens verbannt ist, hat kein erniedrigenderes und erbärmlicheres Los. Die Arbeit ist hart, der Lohn schrecklich. Diese Sklaverei erwählen solche, die aller Erkenntnis bar und unvernünftig3 wie die Tiere sind. Wer aber von Gott gelehrt ist, schreit nach Befreiung aus solchen Ketten. Dieselbe Unwissenheit, welche die Menschen in der Knechtschaft der Sünde festhält, gebiert in ihnen den Hass gegen die frei geborenen Kinder Gottes; deshalb suchen sie diese zu verzehren, wie man Brot isst!4 - täglich, gierig, als wäre es eine ganz gewöhnliche Alltagssache, die Heiligen Gottes zu unterdrücken. Wie die Hechte im Teich die kleinen Fische fressen, wie die Adler den kleineren Vögeln nachstellen, wie die Wölfe die Schafe auf der Weide zerreißen, so verfolgen, verlästern und verschlingen die Gottlosen die Nachfolger Jesu, als wäre das etwas ganz Natürliches. Während sie so die Frommen sich zur Beute zu machen suchen, schwören sie allem Beten ab, und hierin stimmen sie alle überein; denn wie könnten sie hoffen, erhört zu werden, da ihre Hände voll Blut sind?
5. | Da fürchten sie sich; denn Gott ist bei dem Geschlecht der Gerechten. |
Es geht den Bedrückern nicht immer nach Wunsch. Plötzlich kommen dann und wann Anfälle von Zittern und Beben über sie, und es gibt Zeiten, wo sie vor dem Schall der göttlichen Stimme (V. 4) zu Boden fallen. (Vergl. Joh. 18,6.) Der Grundtext malt ihr Erschrecken in lebhaften Farben: da erschaudern sie schaudernd, oder, da das Zeitwort dxp den Nebenbegriff des Plötzlichen hat: da überfällt sie schrecklicher Schrecken. Da, wo sie Gott leugneten und sein Volk quälten und vergewaltigten; da, wo sie von Ruhe und Sicherheit träumten, da übernahm sie der Schrecken, diese halsstarrigen, hochmütigen Sünder, diese Nimrode und Herodesse mit dem großen Maul und der eisernen Faust. Ein unbeschreibliches, entsetzliches, geheimnisvolles Grausen lässt ihre Haut erschaudern. Die verhärtetsten Menschen haben Zeiten, wo das Gewissen ihnen kalten Angstschweiß auf die freche Stirn treibt. Wie Feiglinge oft grausam sind, so haben alle grausamen Menschen ein feiges Herz. Es kann einem aber auch das Haar zu Berge stehen machen, wenn Sünden längst vergangener Zeiten einen wie Schreckgespenster verfolgen. Ob auch die Ungläubigen noch so laut mit ihrem Unglauben prahlen, so klingt ihnen doch ein Ton in den Ohren, der ihnen alle Ruhe nimmt.
Denn Gott ist bei dem Geschlecht der Gerechten. Das ist es gerade, was den Ruchlosen die Gesellschaft der Gottesfürchtigen so widerwärtig macht: sie merken, dass Gott bei diesen ist. Sie mögen ihre Augen schließen, so fest sie wollen, sie können doch nicht umhin, das Bild Gottes in dem Charakter wahrhaft begnadigter Gotteskinder wahrzunehmen, noch können sie sich der Erkenntnis verschließen, dass der Herr daran ist, sein Volk aus ihrer Hand zu erretten. Gleich Haman erfasst sie unwillkürlich ein Grauen, wenn sie einen Schützling Gottes wie den Mardochai sehen. Selbst wenn der Fromme in niedriger Stellung vor dem Tore des Palastes trauert, wo sein Feind in Pracht schwelgt, so fühlt der Sünder doch den Einfluss des wahren Adels des Gläubigen und zittert davor; denn er merkt, dass sich da etwas Göttliches offenbart. Mögen die Spötter sich in Acht nehmen, denn sie verfolgen den Herrn Jesus, wenn sie sein Volk bedrücken. Die Verbindung zwischen Gott und seinem Volke ist überaus innig. Im alten Bunde wohnte Gott schon bei dem Geschlecht der Gerechten; jetzt wohnt er in geheimnisvoller Weise durch den Geist in ihnen.
6. | Ihr schändet des Armen Rat; aber Gott ist seine Zuversicht.5 |
Ungeachtet ihrer Feigheit hüllen sich die Gottlosen doch in das Fell des Löwen und spielen die Herren über Gottes leidendes Volk. Obgleich sie selber Toren sind, spotten sie doch über die wahren Weisen, als ob die Torheit auf deren Seite wäre. Aber was kann man auch anderes von ihnen erwarten? Wie sollten viehisch rohe Gemüter Verständnis für Vortrefflichkeit haben? Wie können Eulenaugen die Sonne bewundern? Die besondere Zielscheibe ihres Witzes scheint das Vertrauen der Frommen auf den Herrn zu sein. "Was kann euer Gott nun für euch tun? Wer ist der Gott, der euch aus unserer Hand erretten könnte? Wo ist der Lohn für all euer Bitten und Flehen? Höhnische Fragen solcher Art schleudern sie den schwachen Gotteskindern ins Angesicht. Wir wollen uns aber durch ihr Lachen und Höhnen nicht aus unserer Festung locken lassen, sondern wollen ihren Spott verspotten und ihrem Hohn mit Hohn antworten. Wir brauchen nur ein wenig zu warten, dann wird der Herr, der unsere Zuflucht ist, seine Auserwählten rächen und seinen Widersachern, die sich einst über ihn und sein Volk lustig gemacht haben, den Garaus bereiten.
7. | Ach, dass die Hilfe aus Zion über Israel käme, und der Herr sein gefangen Volk erlöste! So würde Jakob fröhlich sein, und Israel sich freuen. |
Dieses Schlussgebet ist natürlich genug; denn was könnte so wirksam die Gottesleugner überführen, die Verfolger niederwerfen, der Sünde wehren und die Frommen in Sicherheit bringen, als die offenbare Erscheinung des großen Heiles Israels? Das Kommen des Messias war das Sehnen der Gottesfürchtigen aller Zeiten, und obgleich er bereits einmal gekommen ist, um mit einem Sühnopfer die Missetat hinwegzunehmen, so warten wir doch darauf, dass er zum zweiten Mal erscheine ohne Sühnopfer zur Vollendung unserer Seligkeit. (Vergl. Hebr. 9,28) Ach, dass die Jahre des Harrens schon zu Ende wären! Warum verzieht er so lange? Er weiß, dass die Sünde überhandnimmt und sein Volk untertreten wird; warum kommt er nicht, die Seinen zu befreien? Seine glorreiche Wiederkunft wird sein altes Bundesvolk von der buchstäblichen und das geistliche Israel von der geistlichen Gefangenschaft befreien. Der kämpfende Jakob und der sieghafte Israel werden sich gleichermaßen vor ihm freuen, wenn er als ihr Heil offenbar wird. O dass er jetzt käme! Welch glückliche, heilige, entzückende, himmlische Tage würden wir dann erleben! Aber lasst uns ihn nicht für säumig halten; denn siehe er kommt, er kommt bald, er kommt in Eile tacu/ Off. 22,20). Wohl allen, die auf ihn harren!
Erläuterungen und Kernworte
Zum ganzen Psalm. Meist fasst man den Psalm als lehrhafte Spruchdichtung auf. Die hebräischen Perfektformen V. 1-5 drücken dann allgemeine, von vielen einzelnen Fällen abgezogene Erfahrungstatsachen aus und sind mit Luther im Präsens zu übersetzen. Ganz abweichend ist die von nicht wenigen neueren Auslegern vertretene historische Auffassung, bei der man die Anfangsverse des Psalms imperfektisch übersetzt. Ihre Hauptstütze sucht diese Auffassung in V. 5: "Da erbebten sie, erbebten." Darnach wäre der Psalm als ein Rückblick auf eine entsetzliche Katastrophe zu verstehen, durch die in einer Zeit allgemeinen Abfalls über die Frevler das göttliche Strafgericht gekommen war, während die Gerechten dabei unversehrt geblieben waren. Der Schlussvers fügt sich aber bei dieser Auffassung schlecht dem Gedankengang ein, wenn man nicht den ganzen Psalm einer späten Zeit zuweisen will, wogegen sehr triftige Gründe sprechen. Man ist dann genötigt, V. 7 als späteren Zusatz anzusehen, während der Vers sich bei der gewöhnlichen Auffassung des Psalms ohne große Schwierigkeit dem bisherigen Gedankengang anfügt. - James Millard
Das Herz ist nach der Schrift nicht nur Werkstatt des Wollens, sondern auch des Denkens. Der nabal (der Tor) bleibt nicht dabei stehen, dass er so handelt, als ob kein Gott sei, sondern er leugnet auch geradezu, dass ein Gott sei, ein persönlicher nämlich.
Dass es solche Gottesleugner unter den Menschen geben kann, stellt der Psalmist als das Äußerste und Tiefste menschlicher Selbstverderbnis obenan. Subjekt des Folgenden: "Sie machen verderbt, machen abscheulich (ihr) Handeln", sind dann nicht diese Gottesleugner, sondern die Menschen insgemein, unter denen es solche gibt. Die Verneinung "Es ist kein Gutestuer" lautet so unbeschränkt wie 12,2. Aber weiterhin unterscheidet der Psalmist von der verderbten Gesamtheit ein gerechtes Geschlecht, welches dieses Verderben als Verfolgungsleiden zu erfahren bekommt. Er meint, was er sagt, von der Menschheit als ko/smoj (Welt), in welchem ihm zunächst, wie in der göttlichen Rede 1. Mose 6,5.12, das Gemeinlein der durch Gnade der Verderbensmasse Entnommenen verschwindet. Da es nur die Gnade ist, welche dem allgemeinen Verderben entnimmt, so lässt sich auch sagen, dass die Menschen beschrieben werden, wie sie von Natur sind, obgleich freilich nicht von dem Erbsündenzustand an sich, sondern von dem Tatsündenzustand, der, wenn die Gnade nicht eingreift, daraus emporwuchert, die Rede ist. Prof. Franz Delitzsch † 1890.
Was sollen wir dazu sagen, dass derselbe Psalm mit geringen Abweichungen noch einmal in die heilige Sammlung aufgenommen ist? Kümmert sich der Geist Gottes so sehr um die Worte und Taten der Toren, dass es ihm nicht genügt, sie einmal zu beleuchten? Oder geht uns das Geschwätz und der Wahnwitz dieser Toren so nahe an, dass es nötig ist, uns einmal und abermals und Römer 3 zum dritten Mal darauf hinzuweisen? Sicherlich ist doch keiner von uns solch ein Tor! Nein, wenn uns nur jemand einen solchen zeigen wollte, der sich untersteht, wenn auch nur in Gedanken zu sagen: Es ist kein Gott, er würde sicherlich nicht unbehelligt bleiben, er sollte es bald erfahren, dass wir nicht zu seiner Partei gehören - wir, die wir sogar imstande sind, David selbst über diese und jene Glaubenssätze zu belehren, die er gar nicht gekannt hat. Ja noch mehr, wir, die wir David eine Vorlesung über seine eigenen Psalmen halten könnten, wir, die wir die Bedeutung seiner Weissagungen weit klarer erkennen als er, der dem heiligen Geiste die Feder hielt, wir sollten mit irgendeinem stichhaltigen Grunde des Atheismus bezichtigt werden können? Wir wollen ja zugeben, dass in andern Dingen ein kleiner Beigeschmack von Torheit und diese und jene Unvollkommenheit an uns gefunden werden mag; aber es ist undenkbar, dass wir, die wir mit dem himmlischen Manna des Wortes Gottes fast übersättigt sind, die wir unsere Lehrer unterweisen könnten, die wir fähig sind, Ansichten und Lehrsätze aufzustehen, deren Schwierigkeiten selbst Gelehrte vom Fach nicht zu lösen vermögen, jemals zu dem Gipfel der Torheit und des Wahnwitzes gelangen sollten, den Gedanken zu hegen, es gebe keinen Gott! Nein, wir sind nicht so unliebenswürdig, einen Türken oder offenbaren Ungläubigen solch schrecklichen Dinges zu bezichtigen. - Meine Lieben, haltet euch nicht selbst für klug! Bei ernstlicher Betrachtung des Kapitels 3 im Römerbrief werdet ihr finden, dass Paulus aus diesen und ähnlichen Worten der Schrift den Schluss zieht, dass die ganze Nachkommenschaft Adams unter der Sünde und dem Fluche Gottes liege. Diese seine Folgerung wäre ohne Beweiskraft, wenn nicht jeder Mensch von Natur eben von der Art wäre, die der Prophet hier beschreibt. Derselbe Apostel bezeichnet den natürlichen Zustand der Menschen Eph. 2,12 so: ohne Gott (a}qeoi) in der Welt. Wir lesen selbst unter den Heiden nicht von mehr als drei oder vier Leuten irgendwelchen Ansehens, die so weit gegangen wären, es als einen Lehrsatz aufzustellen, dass es keinen Gott gebe. Aber wiewohl die meisten Leute das Dasein der Gottheit theoretisch nicht in Frage stellen, vielmehr jeden offenbaren Atheisten verabscheuen, so leugnen sie Gott doch in ihrem Herzen und ihren Neigungen. Sie leben, als ob es keinen Gott gäbe. In all ihrem Vornehmen tut sich keinerlei Ehrfurcht vor Gott kund. Darum werden sie in Wirklichkeit nach Gottes Urteil im buchstäblichen Wortverstande Atheisten. William Chillingworth † 1643.
V. 1. Die Welt, in der wir leben, ist eine Welt der Toren. Der weitaus größere Teil der Menschen handelt wider alle Vernunft. So groß ist ihre Verblendung, dass sie das Zeitliche dem Ewigen, die Genüsse des Augenblicks solchen, die nimmer enden werden, vorziehen und lieber den Einflüsterungen Satans als Gottes Zeugnis Gehör geben. Von allen Torheiten ist die größte die, welche sich auf die ewigen Dinge bezieht; denn sie ist die verhängnisvollste, zumal es für den, der darin beharrt, keine Heilung mehr gibt. Ein Missgriff in zeitlichen Dingen lässt sich manchmal später wieder gut machen und ist jedenfalls von verhältnismäßig geringer Tragweite; aber ein Irrtum in geistlichen und ewigen Dingen ist nicht nur hienieden schon von der größten Bedeutung, sondern kann auch, wenn während des ganzen Lebens festgehalten, nie wieder berichtigt werden. Denn nach dem Tode gibt es keine Erlösung mehr. John Jamieson 1789.
Warum widersetzen sich die Menschen der göttlichen Autorität, gegen die sie doch nichts auszurichten vermögen? Was anders als der Geist der Feindschaft kann sie veranlassen, sich wider ein so sanftes Joch zu sträuben, eine so leichte Last abzuwerfen, so friedliche und liebliche Pfade zu scheuen und statt dieser solche einzuschlagen, die so offenbar Wege zur Hölle sind, da man hinunterfährt zu des Todes Kammern? (Spr. 7,27) Lieber umkommen wollen als gehorchen: Ist das nicht der Höhepunkt der Feindschaft? Ja, wenn sie in ihrem Herzen sprechen: Kein Gott, heißt das so viel als: Ach, dass es keinen gäbe! Ihre Feindschaft erreicht nicht nur den Gipfel der Bosheit, sondern auch des Wahnsinns, indem sie den Schöpfer aller Dinge, den Urheber ihres eigenen Daseins vernichtet zu sehen wünschen. Ihre Wut beraubt sie aller Einsicht. Sie merken nicht, dass, was sie wünschen, die höchste Unmöglichkeit ist, und dass, wenn jenes Unmögliche möglich wäre, mit der Vernichtung Gottes zugleich auch ihre eigene und aller gelassenen Wesen Vernichtung gegeben wäre, und dass ihrer Herzen Gedanken, in Worte gefasst, auf nichts Geringeres als eine schreckliche und grässliche Verwünschung und Verfluchung Gottes und der ganzen Schöpfung zugleich hinauslaufen würden. Es ist, als wollten sie durch die Lästerungen ihres giftigen Atems die ganze Natur zerstören, das Weltall in ein Nichts auflösen. Sie reden wider Himmel und Erde, sich selber und alle Dinge zugleich, als ob sie dächten, ihr ohnmächtiger Hauch könnte die Allmacht überwältigen, die unerschütterlichen Grundpfeiler von Himmel und Erde ins Wanken bringen und das göttliche Schöpferwort "Es werde" durch ihr armseliges Nein zunichte machen. John Howe † 1705.
Wer leugnet, dass es einen Gott gibt, sündigt freventlich gegen das Licht der Natur; denn jedes Geschöpf, selbst die kleinste Mücke oder Fliege und der verächtlichste Wurm im Staube ist geeignet, den, der das Dasein Gottes in Frage stellt, zu widerlegen und zu beschämen. Der Name Gottes ist der ganzen Schöpfung in so deutlichen und leuchtenden Schriftzügen aufgedrückt, dass ihn alle Menschen dort mit Leichtigkeit lesen können. Der Gottesbegriff ist so fest und tief in die Tafeln des Menschenherzens geprägt, dass Gottes Dasein leugnen so viel ist als die Grundprinzipien der Natur verneinen. In der Hölle gibt es solche Atheisten nicht; denn die Teufel glauben und zittern (Jak. 2,19). Wer nicht an einen Gott glaubt, ist demnach schlechter als die Teufel. Der Kirchenvater Augustin († 430) sagt: Obgleich es manche gibt, welche denken oder doch sich einzureden suchen, dass es keinen Gott gebe, würde dennoch selbst der schlechteste und elendeste Schuft, der jemals gelebt hat, nicht den Mut haben, offen zu sagen: Es ist kein Gott. Der römische Philosoph Seneca († 65) sagt: Mentiuntur qui dicunt se non sentire Deum esse: nam etsi tibi affirmant interdiu nocte tamen dubitant, d. h. Lügner sind alle, die sagen, sie könnten es nicht wahrnehmen, dass es einen Gott gibt; denn obgleich sie es bei Tage behaupten mögen, bezweifeln sie es selber bei Nacht. Ich habe von einigen gehört, die zweifeln, ob es einen Gott gebe; aber nie habe ich jemand kennen gelernt, der nicht, wenn er krank wurde, Gott um Hilfe angefleht hätte. Darum lügen alle, die solches sagen. Sie sündigen gegen das Licht ihres eigenen Gewissens. Die den größten Eifer entwickeln, das Dasein Gottes zu leugnen, können es nicht tun, ohne dass ihr Gewissen dagegen zeugt und ihnen die Schamröte ins Angesicht treibt. Thomas Brooks † 1680.
Wer in der Welt ist ein vollkommenerer Tor, wer ist unwissender und elender als ein Gottesleugner? Eher kann doch jemand glauben, dass er selber gar nicht wirklich existiere, als dass er an dem Dasein Gottes zweifelt. Denn er selbst kann aufhören zu sein; einst war er nicht, sein Wesen verändert sich, und zu vielen Zeiten seines Lebens weiß er nicht, dass er ist, wie z. B. jede Nacht, wenn er schläft; aber nichts von alledem ist bei Gott möglich. Kann irgendetwas in der Welt törichter sein, als zu denken, dass dieses wunderbare Himmelszelt und diese Erde durch Zufall entstanden sein sollten, während doch der größte Künstler nicht eine Muschel machen kann? Wunderbare Wirkungen sehen und keine Ursache anerkennen, eine vortreffliche Weltregierung und keinen Regenten, eine Bewegung ohne ein Unbewegliches, einen Kreis ohne einen Mittelpunkt, eine Zeit ohne eine Ewigkeit, ein Zweites ohne ein Erstes, - ein Etwas, das nicht aus sich selber den Anfang genommen hat, erkennen, und doch nicht erkennen, dass ein anderes Etwas sein muss, woraus es seinen Ursprung hat und das selber ohne Anfang sein muss, - das alles sind Dinge, die so gegen die gemeine Lebensweisheit und den gesunden Menschenverstand streiten, dass der wirklich in seinem Verstand tierisch geworden sein muss, der es nicht anerkennen will. Das aber ist eben das Wesen des Toren, der in seinem Herzen spricht: Es ist kein Gott. Das Gebilde spricht: Niemand war mein Bildner. Die Zunge hat gewiss nicht sich selber sprechen gemacht und redet dennoch wider den, der sie geschaffen, und spricht: Was gemacht ist, das ist; der es gemacht hat, ist nicht. Bischof Jeremy Taylor † 1667.
Es gibt kein verächtlicheres Wesen auf Erden als solch einen Gottesleugner. Sein Gemüt ist jeder wahren Erhebung und Begeisterung unfähig. Er kann sich nur als eine ganz bedeutungslose Null ansehen. Sein Leben ist nichts als ein Vegetieren, gleich dem der Tiere um ihn her, und wie das Vieh stirbt, so stirbt auch er. Sein Los ist nur dadurch umso trauriger, als er von seinem jämmerlichen Dasein und Verenden ein Bewusstsein hat. In der Not muss er von allen Geschöpfen das elendste sein; er fühlt den ganzen Druck des gegenwärtigen Unglücks, ohne dass ihm die Erinnerung an Vergangenes oder die Aussicht in die Zukunft Erleichterung geben könnte. Vernichtung ist das größte Glück, das er sich denken kann, und ein Strick oder eine Pistole seine einzige Zuflucht. Wenn nur nicht zuzeiten das Gewissen seine Stimme mit unbezwingbarer Macht erheben würde! Das ist das Schrecklichste. Wollt ihr darum einen dieser finstern, glaubenslosen Menschen in der jämmerlichsten Rolle sehen, so müsst ihr ihn unter den Schrecken des herannahenden Todes beobachten. Vor etwa dreißig Jahren fuhr ich mit einem solchen Elenden auf einem Schiffe zusammen, als sich ein frischer Wind erhob, der niemand als jenen in Schrecken setzen konnte. Das Schwanken des Schiffes brachte ihn außer Fassung. Er fiel auf seine Knie und bekannte dem Schiffsprediger, er sei bis dahin ein schnöder Gottesleugner gewesen. Wie ein Lauffeuer ging das Gerücht durch die Mannschaft, auf dem Verdeck sei ein Atheist. Manche der Matrosen, welche dies Wort noch nicht gehört hatten, meinten, es sei vielleicht ein seltener Fisch. Wie erstaunten sie, als sie sahen, dass es ein Mensch sei, und aus seinem eigenen Munde vernahmen, dass er bis zu dem Tage nicht an einen Gott geglaubt habe. Als er sich so in der Angst am Boden wand, flüsterte eine der ehrlichen Teerjacken dem Hochbootsmann zu, es würde ein gutes Werk sein, ihn über Bord zu werfen. Aber der Hafen war nun in Sicht, der Wind legte sich plötzlich, - da legte sich auch auf einmal die Bußangst jenes Mannes. Er bat alle Anwesenden, als Ehrenmänner nichts von der ganzen Sache verlauten zu lassen. Er war noch nicht mehr als zwei Tage an Land, als einer aus der Gesellschaft über ihn spöttelte, dass er an Bord so fromm gewesen sei. Davon wollte er aber nichts wissen und schwur es in so heftiger Weise ab, dass es zu einem ernsten Streite kam, der mit einem Zweikampf endete. Der Gottesleugner erhielt einen Stich in den Leib, und als er sein Blut fließen sah, wurde er ein eben so guter Christ, wie er an Bord gewesen, bis er gewahr wurde, dass seine Wunde nicht tödlich sei. Jetzt ist er einer der frechsten Freidenker und ist eben daran, eine Flugschrift gegen den althergebrachten Aberglauben an Gespenster und Kobolde in die Welt zu senden. Joseph Addison † 1719.
Der berühmte Naturforscher Athanasius Kircher († 1680), Erfinder der Laterna magica, hatte an der Wand seiner Studierstube eine schöne Karte des Sternenhimmels hängen. Eines Morgens trat ein Gottesleugner zum Besuch ein. Kircher arbeitete noch eine Zeitlang an seinem Schreibtische fort. Jener betrachtete inzwischen die Bilder an der Wand und auch die Himmelskarte und als Kircher aufstand, fragte der Gast: "Woher hast du die schöne Karte? Wer hat sie gemacht?" Dieser antwortete: "Es hat sie niemand gemacht, es hat sie auch niemand hingehängt, sie ist von selbst an die Wand gekommen." "Du scherzest," antwortete der Freund, "das ist ja unmöglich." Nun aber antwortete Kircher: "Ja, wie sollte das nicht möglich sein? Hältst du es doch für möglich, dass Sonne, Mond und Sterne selbst, die hier nur abgebildet sind, von niemand gemacht seien." Karl Gerok, Die Psalmen, † 1890.
"Es ist kein Gott; ich kann ihn nirgend finden",
So spricht der Tor, "er ist nicht dort noch hier."
O reiß doch ab von deinem Haupt die Binden,
Und Gottes Licht strahlt in dein Auge dir!
Gibt’s keinen Gott? Blick’ auf, es straft dich Lügen
Der ungezählten Sterne funkelnd Licht;
Ja, deines Gottes Bild, mit untilgbaren Zügen
Ist dir’s geprägt ins eigne Angesicht.
Gibt’s keinen Gott? Des Stromes Silberwelle,
Die Luft, die dich umweht, der Erde grüne Flur,
Die Bäume, Blumen, Felsen, Wasserfälle:
Sie preisen all’ mit einer Stimme nur
Des Ew’gen Ehre, der sie alle schuf.
Find’st du in dir ihn nicht: hör’ ihren mächt’gen Ruf!
Nach Giovanni Cotta.
Der Atheismus ist ein Kauz; am Mittag,
Wo hell die Sonne glänzt am Firmament,
Schleicht flatternd er daher und schließt die Augen,
Blinzt dann nach ihrem Licht und ruft: Wo ist sie?
Nach Sam. Taylor Coleridge † 1834.
Die Toren sprechen in ihrem Herzen. Intus est os cordis, sagt Augustin († 430), auch das Herz hat einen Mund. Gott, sagt Cyprian († 258), ist cordis auditor, er hört das Herz; - demnach hat es eine Sprache. Silens auditur, sagt Gregor von Nazianz († 390) von Mose (2. Mose 14,15), er wird erhört, ohne dass er ein Wort spricht. Ein Philosoph hat gesagt: Mens vider, mens audit, mens loquitur. Der Geist des Menschen ist es, der durch die Organe sieht, hört und redet, - nicht diese an und für sich. Richard Clerke † 1634.
Verderbt, abscheulich handeln sie; da ist keiner, der Gutes tue. Weil die Menschen in ihrem Innern verderbt sind, werden sie auch in ihrem Tun abscheulich. Verderbt sind sie vor Gott, abscheulich vor den Menschen. Es gibt drei Arten von Leuten, von denen keiner Gutes tut. Da sind die, welche Gott weder verstehen noch suchen; die sind tot. Dann kommen die, welche Gott verstehen, aber nicht suchen; die sind gottlos. Und endlich gibt es Leute, welche Gott suchen, aber nicht verstehen; die sind Toren. Bernhard von Clairvaux † 1153.
Origenes († 254) stellt die Frage, wie man das sagen könne, dass unter den Juden und Griechen keiner sei, der Gutes tue, da man doch viele sehe, die die Nackten kleiden, die Hungrigen speisen und andere gute Taten tun. Darauf gibt er selber folgende Antwort: "Wie man von jemand, der einen Grund legt und darauf eine oder zwei Mauern errichtet, noch nicht sagen kann, er habe ein Haus gebaut, bis er es vollendet hat, so erreichen auch jene, obgleich sie manches Gute tun, doch das vollkommene Gute nicht, welches allein durch Christus zu finden ist." Aber es ist nicht die Absicht des Apostels (Röm. 3, wo er unseren Psalm anführt), den Menschen nur die Vollkommenheit ihrer Gerechtigkeit abzusprechen (denn selbst die Gläubigen des neuen Bundes erreichen durch ihr Tun die erforderliche Gerechtigkeit nicht von ferne), sondern er zeigt, was die Menschen von Natur sind, dass sie nämlich ohne die Gnade und den Glauben an Christus alle unter der Sünde und darum dem gleichen Urteil versagen sind. Tut jemand ein gutes Werk, so geschieht es entweder durch die Gnade, und dann kommt es also nicht von ihm selbst her; oder, wenn er es durch das Licht der Vernunft tut, so ist es nicht wirklich rein und gut, entweder das Werk selbst oder die Beweggründe und Absichten desselben halten die Prüfung nicht aus. Andrew Willett † 1621.
V. 2. Keiner fragt nach Gott in der rechten Weise. Sie suchen Gott nicht um sein selbst willen, oder nicht ihn allein, sondern andere Dinge neben ihm und vor ihm; oder sie fragen nach ihm in kalter, gleichgültiger Weise, oder nicht andauernd, oder sie suchen ihn nicht da, wo er zu finden ist, in seinem Worte, oder nicht zur Zeit, da er zu finden ist. Thomas Wilson 1653.
V. 3. Allesamt verdorben. So beschreibt der römische Satiriker sein Zeitalter:
Längst erfüllt ist das Maß; kaum mögen kommende Zeiten
Ärgeres zeugen als das, was jetzt die Erde befleckt.
Ließen von schlimmen Begierden im Wahne die Väter sich treiben:
Gleichen Wahnes Verderben reißt auch die Söhne dahin;
Schamlos spreizt sich das Laster.
Nach J. Juvenal † um 120.
V. 4. Die Unvernünftigkeit der Menschen ist die Ursache, weshalb sie nicht scheuen, was sie scheuen sollten. Warum fürchten sich die Gottlosen nicht zu sündigen? Weil sie die Entsetzlichkeit der Sünde nicht kennen. Es ist offenbar, dass sie keine Einsicht haben, denn sie fressen Gottes Volk, wie sie Brot essen. Solche Bissen würden ihnen den Mund verbrennen, wenn sie noch irgendwelche Empfindung hätten. Sie würden es nimmer wagen, den Augapfel Gottes anzutasten, wenn sie wüssten, was sie tun. Richard Alleine † 1681.
Wie wenige nehmen die Zeugnisse der Schrift über die Feindschaft der ungöttlichen Welt gegen Gottes Volk ernst. Das Wort der Wahrheit sagt uns, dass die Gottlosen voller Gier sind, die Heiligen zu verzehren, und dass es ihnen eben solches Vergnügen bereitet, wie dem Hungrigen ein Mahl. Die Schrift vergleicht sie mit reißenden Löwen und Bären, listigen Füchsen, wilden Stieren, gefräßigen Schweinen, giftigen Skorpionen, stechenden Dornen usw. In den stärksten Ausdrücken wird uns ihre Emsigkeit und Unverdrossenheit in der Ausführung ihrer blutdürstigen Anschläge vorgeführt. Sie finden keinen Schlaf, wenn sie nicht ein Unheil angerichtet haben. Herodias will samt ihrer Tochter lieber das Blut eines Heiligen als ein halbes Königreich. Haman wägt gerne dem König zehntausend Zentner Silbers dar, wenn nur die Juden umgebracht werden. Sein Hass geht gegen das ganze Volk, das anders ist denn alle Völker. (Esther 3,6-9) "Dieweil ihr nicht von der Welt seid, darum hasset euch die Welt." (Joh. 15,19) Könnt ihr eine Natter ohne Gift oder einen Leoparden ohne Flecken finden, dann mögt ihr auch erwarten, eine gottlose Welt ohne Hass gegen Gottes Auserwählte zu finden. Ihr mögt ebenso wohl Himmel und Hölle miteinander aussöhnen, als den Samen der Schlange und den des Weibes. Echte Frömmigkeit ist die Zielscheibe ihrer Pfeile. "Sie setzen sich wider mich, darum dass ich ob dem Guten halte." (Ps. 38,21) Die Welt gibt zwar vor, die Frommen aus andern Gründen zu hassen, weil sie stolz seien, sich besser dünken als andere, und was dergleichen Vorwände mehr sind, - allein der wahre Grund des nie und nimmer zu schlichtenden Zwistes ist die Heiligkeit der Knechte Gottes. Gottlose Menschen stürzen lieber ihre eigene Seele in die Verdammnis, als dass sie es lassen könnten, den Dolch gegen Gottes Augapfel zu zücken. Wiewohl sie wissen, was ein Wort sie kosten kann, ist ihnen doch nichts zu niedrig, wenn sie nur damit Gottes Volk umbringen können. Würden wir die Zeugnisse der Schrift über den Hass der Ungläubigen gegen die Gottseligen gebührend werten, wir würden uns nimmer auf unsere Klugheit und Vorsicht verlassen, als könnten wir uns selber vor den überall drohenden Gefahren schützen, sondern würden uns in die Arche retten, um uns vor der Flut ihres Zornes zu bergen. Wir würden, wenn wir je unter sie geworfen und doch mit heiler Haut davongekommen sind, Gott preisen für die Errettung, wie die drei Männer im Feuerofen. Wir würden uns nicht so sehr wundern, wenn wir von neuen Gräueltaten und Bedrückungen hören, als vielmehr darüber, dass Gott sie noch immer so zurückhält. Wir würden die Gesellschaft der Gottlosen scheuen wie die Nähe von Löwen und Skorpionen und ihnen nie etwas anvertrauen. Wir würden uns nicht mit ihnen verbinden, noch unsere Jünglinge und Jungfrauen mit solchen Söhnen und Töchtern Belials paaren oder unsere Kinder gottlosem Gesinde überlassen. Nach Lewis Stuckley † 1687.
V. 5. Da überfällt sie schrecklicher Schrecken. Nicht immer sehen wir beim Herannahen von Gefahren solche Feigheit und Verzagtheit über vermessene Sünder kommen; denn wenn auch keiner von ihnen wahren Mut besitzt, so haben doch viele von ihnen eine Art verzweifelten Starrsinns und eine frevelhafte Frechheit, sogar angesichts des Todes, wie Agag
(1. Samuel 15,32). Es ist das gleichsam die Leichenstarre des geistlichen Todes. Ihr Gewissen ist ganz unempfindlich geworden, zu ihrer eigenen Verdammnis. Aber wenn der Herr sie aus dieser Todesstarre wiedererweckt und der Wurm des Gewissens zu nagen beginnt, dann hat es sich noch immer als wahr erwiesen, dass die frechsten Sünder die erbärmlichsten Feiglinge werden. John Dod † 1645.
Denn Gott ist bei dem Geschlecht der Gerechten. Wo der König der Ehren ist, da wird auch etwas von seiner Herrlichkeit sichtbar; und wie Gott sein Wort mit Hoheit umgibt, weil es sein Wort ist, so fällt auch der Schein seiner Herrlichkeit auf seine Kinder, selbst wenn sie in der tiefsten Erniedrigung sind. Als Stephanus als Gefangener vor den hohen Rat geschleppt wurde, offenbarte Gott seine Gegenwart, denn es heißt: Sein Angesicht leuchtete wie eines Engels Angesicht (Apg. 6,15); und in einem gewissen Maße findet sich etwas Ähnliches auch sonst in der Regel bei den Gerechten, wie Salomo sagt: Die Weisheit des Menschen erleuchtet sein Angesicht (Pred. 8,1) So sagt auch Petrus (1. Petr. 4,14): Selig seid ihr, wenn ihr geschmäht werdet über dem Namen Christi. Denn der Geist, der ein Geist der Herrlichkeit und Gottes ist, ruht auf euch. So war es auch bei den Märtyrern. Welche Majestät prägte sich in ihrer Unschuld und in ihrer ganzen Haltung aus! Welche Anmut spiegelte sich auf ihrem Antlitz! Gerade dadurch wurden oft die gefühllosen Schergen erschreckt und verwirrt, so dass es auch da sich erwies, dass diese Menschen, die Gottes Volk wie Brot aßen (V. 4), von geheimnisvollem Grausen erfasst wurden, und zwar eben darum, weil es offenbar wurde, dass Gott bei dem Geschlecht der Gerechten ist. Gott gibt den Gottlosen oft einen Wink, wie dem Pilatus (Mt. 27,19), dass sein Volk gerecht sei. Obgleich Saul den David hasste und zu töten suchte, fürchtete er sich doch vor David, denn der Herr war mit diesem und war von Saul gewichen (1. Samuel 18,9-12) Gott offenbarte seine Gegenwart in David und schlug Sauls Gewissen durch dessen gottseliges und weises Verhalten, und das machte ihn furchtsam. Die Charakterstärke der Gläubigen unter den Verfolgungen ist den Widersachern eine Anzeige ihrer eigenen Verdammnis, jenen aber eine Anzeige ihres Heils, und zwar ist es Gott, der diese so verschiedenen Ahnungen erweckt. (Vergleiche Phil. 1,28.) Thomas Goodwin † 1679
V. 6. Ihr schändet des Armen Rat; aber Gott ist seine Zuversicht. Diese Worte zeigen in lieblicher Weise Gottes Fürsorge für die Armen, Gedrückten und Verfolgten. Gerade diese Eigenschaft Gottes wird in der Schrift so klar hervorgehoben Wir mögen die Schaftras und Vedas der Hindus, den Koran der Mohammedaner, die Gesetze der Griechen und der Römer, ja selbst den Talmud der Juden (der vielleicht von allen die unbarmherzigsten Vorschriften enthält) durchforschen und werden in ihnen allen nicht das Zartgefühl und Mitleid für die Nöte, Trübsale, Bedrückungen und Kümmernisse der Armen finden, das uns in der Bibel fast auf jeder Seite entgegentritt. Barton Bouchier 1855
Jeder Tor, der in seinem Herzen spricht, es gebe keinen Gott, holt aus demselben Köcher einen Pfeil, um ihn auf die Unschuld und Tugend zu schießen. Die unfruchtbare Michal hat nur zu viele Söhne, welche gleich ihrer Mutter den heiligen David verhöhnen John Trapp † 1669
Es gibt nichts, das die Gottlosen so verachten, als wenn jemand seine Zuversicht auf Gott setzt. Das Vertrauen auf Gott erscheint ihnen als das törichtste Ding von der Welt. Die Gründe dafür sind folgende: l) Sie kennen Gott nicht, und es wäre töricht, jemand zu trauen, den man nicht kennt 2) Sie sind Feinde Gottes, und Gott ist ihr Feind, und sie halten es für Torheit, einem Feind zu trauen. 3) Sie kennen die Art und Weise nicht, in der Gott denen, die auf ihn trauen, beisteht und hilft und 4): Sie suchen solche Hilfe, die bei Gott nicht zu finden ist. Sie wollen Befreiung vom Übel, um ihren Lüsten zu dienen. Sie wünschen Bewahrung, um ihre Torheiten und ihre schmutzigen Pläne auszuführen. Das und nichts anderes sind ihre Wünsche, und die kann und wird Gott ihnen nicht gewähren. Es ist eine Torheit, wenn irgendjemand denkt, Gott werde ihn in der Sünde bewahren. So urteilen sie denn auch ganz richtig von ihrem Standpunkt aus, wenn sie es für Torheit halten, aus Gott zu trauen. Darum rufen sie ihn auch nicht an (V. 4). John Owen † 1683
V. 7. Ach, dass die Hilfe usw. Trübsal und Widerstand entflammen den Geist des Gebets Davon finden wir überall in den Psalmen Beispiele. Die Leiden sind die Würze des Gebets, wie der Hunger für die Speise. Die Gebete von Leuten, die ohne Anfechtung sind, sind oft recht fade, und viele Beter solcher Art beten nicht wirklich, sondern ahmen das Beten nur andern nach oder tun es aus Gewohnheit. Wolfgang Musculus † 1563.
Aus Zion. Zion, die Gemeinde, ist kein Heiland, auch dürfen wir unser Vertrauen nicht auf ihre Prediger und Einrichtungen setzen und doch kommt durch sie das Heil über die Menschen. Die hungrigen Scharen werden gespeist durch die Jünger, die sich freuen, beim Festmahl des Evangeliums zu Tische dienen zu dürfen (Joh. 6,11). Zion ist der Ort, von wo die Wasser des Heils nach Ost und West fließen, bis alle Nationen davon trinken (Hes. 47; Sach. 14,8). Wahrlich Grund genug, ängstlich darauf bedacht zu sein, dass allem Wirken, das von der Gemeinde des lebendigen Gottes ausgeht, die höchste Reinheit und die Kraft des Geistes bewahrt werde. C. H. Spurgeon 1869.
Wenn der Herr sein gefangen Volk erlösen wird, so werden wir, wie es Ps. 126,1 heißt, sein wie die Träumenden. Ein herrlicher Traum fürwahr, in dem wir uns aber dennoch mit aller Einbildungskraft nicht annähernd zu der Herrlichkeit, der Schönheit und Pracht der Wirklichkeit werden emporschwingen können. John Mason Neale 1860.
Kein Siechtum bleicht der Jugend frische Farben,
Nicht Sorge mehr noch Kummer trübt den Blick.
Kein Alter beugt das Haupt. Nicht länger darben,
Die Armut plagte hier und widriges Geschick.
Nicht schreckt mehr Todesfurcht; nicht fliehn die Freuden
Vor bittrer Reu’, vor Angst und Gram und Leiden.
Nach einem Zitat von James Millard Neale 1860.
Homiletische Winke
V. 1a. | Die Torheit der Gottesleugner. Der Atheismus des Herzens. |
V. 1. | Man beschreibe 1) das Glaubensbekenntnis des Toren; 2) die Torheit dessen, der sich an dieses Glaubensbekenntnis hält. - Oder: Der Atheismus. 1) Seine Quelle; das Herz. 2) Sein Glaubensbekenntnis: Es ist kein Gott. 3) Seine Früchte: Sie taugen nichts usw. 1) Die eine große Quelle der Sünde: die Gottentfremdung. 2) Ihr Herrschaftssitz: das Herz. 3) Ihre Wirkung auf den Verstand: Sie macht den Menschen zum Toren. 4) Ihre Offenbarung im Leben: Begehungs- und Unterlassungssünden. |
V. 1b. | Die Laterne des Diogenes. Richte sie auf alle Menschenklassen und beleuchte deren Sünden. |
V. 2. | 1) Wie der Herr mit forschendem Blick auf das Menschengeschlecht niederschaut. 2) Was für Leute er finden möchte. 3) Welche wohlwollenden Absichten er dabei hegt. Wonach Gott ausschaut, und wonach wir ausschauen sollten. Die Menschen haben in der Regel einen schnellen Blick für solches, was mit ihrer Art übereinstimmt. |
V. 2-3. | Gottes Umschau nach einem von Natur guten Menschen; das Ergebnis; Lehren, die daraus zu ziehen sind. |
V. 3. | Die gänzliche Verderbtheit unseres Geschlechts. |
V. 4. | Haben denn keine Einsicht alle die Übeltäter? (Grundtext) Wenn die Menschen Gott und sein Gesetz, die Schlechtigkeit und die schlimmen Folgen der Sünde bis zu den Qualen der Hölle und andere große Wahrheiten richtig erkennen würden, würden sie dann so leichtfertig sündigen, wie sie es tun? Nein - und ja! Erkennen sie aber dies alles, und beharren sie dennoch in ihrer Missetat, wie schuldig und töricht sind sie! Stoff zu einer eindringenden, die Herzen durchforschenden Predigt. |
V. 4a. | Das himmelschreiende Verbrechen, wider Licht und Erkenntnis zu sündigen. |
V. 4b. | Gebetslosigkeit - ein sicheres Zeichen innerer Gottlosigkeit. |
V.5. | Die törichten Befürchtungen derer, die ohne Gottesfurcht sind. Wie nahe der Herr den Gerechten ist; was diese Nähe Gottes für seine und seines Volkes Feinde bedeutet, und welche Ermutigung darin für die Gerechten liegt. |
V. 6. | Wie weise es ist, seine Zuversicht auf den Herrn zu setzen. Beschreibe 1) den Armen, der hier gemeint ist; 2) seinen Rat; 3) seine Schmach; 4) seine Zuflucht. Gottvertrauen; der Spott der Toren, die Hoffnung der Weisen. |
V. 7. | Sehnsüchtige Adventshoffnungen. Oder: Die Sehnsucht des Gottesvolkes nach der Offenbarung des vollen Heils. Hilfe aus Zion. Gott die Quelle, seine Gemeinde der Kanal der Segnungen für die Menschheit. Thema für eine Erweckungspredigt. 1) Ein häufiger Zustand der Gemeinde: Gefangenschaft. 2) Das Mittel der Lösung aus den Banden: Das Kommen des Herrn in seiner Gnade. 3) Die Folge: Große Freude. Die Gefangenschaft der Seele. Was ist darunter zu verstehen? Wie wird die Seele darin am Leben erhalten? Wie herausgeführt? Was für Folgen hat das? |
Fußnoten
1. Im Grundtext steht die Einzahl, die aber natürlich nicht einen einzelnen, sondern eine Klasse von Menschen bezeichnen soll. Beim Fehlen des Artikels übersetzt man sinngemäß wohl am besten: Toren sind es, die sprechen usw.
2. hlfyli(A gehört als Objekt zu den beiden aktiven Verben: Verderbt, ja abscheulich machen sie ihr Tun.
3. Delitzsch übersetzt: Sind so gar unvernünftig alle Übeltäter? W(d:yf)Æl, ohne Objekt, sei von absolutem Nichtwissen zu verstehen, wie, 82,5 und öfters. Andere übersetzen: Haben es denn nicht erfahren alle Übeltäter.
4. Wörtlich: Die mein Volk verzehren- was wohl heißen soll: Die mein Volk fressen, wie sie Brot essen, als wäre es etwas ganz Natürliches, Wohlberechtigtes. Vergl. die Ausmalung dieses Gedankens Micha 3,2 f. Andere geben dem Ausdruck mit Luther den Sinn, dass sie von gottloser Ausbeutung des Volkes leben.
5. Es ist wohl zu übersetzen: Des Gedrückten Rat - macht ihn nur zuschanden! (umsonst ist es doch,) denn der Herr ist seine Zuflucht. Das Fut. ist, wie auch z. B. 3. Mose 18,17 imperativisch zu fassen. Der Begriff des Vergeblichen ist in dem ykIi = denn verborgen. Spurgeon dagegen fasst es nach der engl. Übersetzung, als ob das Perf. stände: Ihr habt des Armen Rat geschändet, weil der Herr seine Zuflucht ist.