Psalmenkommentar von Charles Haddon Spurgeon
PSALM 76 (Auslegung & Kommentar)
Überschrift
Ein Psalmlied Asaphs. Form und Inhalt dieses Psalms weisen auf dieselbe Hand hin, welche den vorhergehenden geschrieben hat, und dass diese beiden Psalmen aneinandergereiht sind, ist eine treffliche Anordnung. Im 75. Psalm sang der Glaube von zukünftigem Sieg; hier darf er den vollendeten Sieg besingen. Der vorliegende Psalm ist ein frohlockender Kriegsgesang, ein Triumphlied, dem König aller Könige zu Ehren angestimmt, ein Lobgesang des theokratischen Volkes auf seinen göttlichen Herrscher. Auf Saitenspiel, vorzusingen. Der Vorsteher der Tempelmusik wird in diesen Worten angewiesen, den Psalm unter Begleitung von Saiteninstrumenten singen zu lassen. Der Meister der Harfen und Zitherspieler wird aufgefordert, seine besten Kräfte in den Dienst dieses Psalms zu stellen; und wahrlich, der Psalm ist der lieblichsten und erhabensten Töne würdig, welche der Menschengeist den Saiten entlocken kann. - Es liegt kein Grund vor, in einem Lied, das ein so einheitliches Ganzes bildet, Abschnitte zu machen.
Auslegung
2. | Gott ist in Juda bekannt, in Israel ist sein Name herrlich; |
3. | zu Salem ist sein Gezelt, und seine Wohnung zu Zion. |
4. | Daselbst zerbricht er die Pfeile des Bogens, Schild, Schwert und Streit. Sela. |
5. | Du bist herrlicher und mächtiger denn die Raubeberge. |
6. | Die Stolzen müssen beraubet werden und entschlafen, und alle Krieger müssen die Hand lassen sinken; |
7. | von deinem Schelten, Gott Jakobs, sinkt in Schlaf Ross und Wagen. |
8. | Du bist erschrecklich. Wer kann vor dir stehen, wenn du zürnest? |
9. | Wenn du das Urteil lässest hören vom Himmel, so erschrickt das Erdreich und wird still, |
10. | wenn Gott sich aufmacht zu richten, dass er helfe allen Elenden auf Erden. Sela. |
11. | Wenn Menschen wider dich wüten, so legest du Ehre ein; und wenn sie noch mehr wüten, bist du auch noch gerüstet. |
12. | Gelobet und haltet dem HERRN, eurem Gott; alle, die ihr um ihn her seid,bringet Geschenke dem Schrecklichen, |
13. | der den Fürsten den Mut nimmt und schrecklich ist unter den Königen auf Erden. |
2. Gott ist in Juda bekannt. Ob er in der ganzen übrigen Welt unbekannt wäre, hat er sich doch seinem Volke durch seine Gnadentaten so herrlich kundgetan, dass er ihm kein unbekannter Gott ist. In Israel ist sein Name herrlich (wörtl.: groß). Bekannt sein heißt, wenn es von Gott gesagt wird, so viel wie berühmt und geehrt sein: wer ihn kennt, bewundert seine Größe und betet sie an. Wiewohl Juda und Israel unglücklicherweise staatlich getrennt waren, wussten sich die Gottesfürchtigen beider Reiche doch einig in betreff Jehovas ihres Gottes; und was für Spaltungen die sichtbare Kirche auch schwächen mögen, soll doch von den wahren Gläubigen, wenn es den HERRN zu preisen gilt, stets gesagt werden können: "Es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem Herrn" (2. Chr. 5,13). In der Welt draußen ist’ s finster; aber inmitten des auserlesenen Kreises enthüllt Jehova seine Herrlichkeit, und er ist der Gegenstand der Anbetung aller, die ihn schauen. Die Welt kennt ihn nicht, und darum schmäht sie ihn; aber seine Gemeinde brennt vor Verlangen, seinen Ruhm zu verkündigen bis an die Enden der Erde.
3. Zu Salem ist sein Gezelt. Er wohnt in der Stadt des Friedens,1 und der Friede wird dadurch gewährleistet, dass daselbst sein heiliges Zelt aufgerichtet ist. Die Gemeinde Gottes ist der Ort, da der HERR wohnt, und er, der HERR des Friedens, gibt ihr Frieden. (2. Thess. 3,16.) Und seine Wohnung zu Zion. Auf dem erkorenen Berge stand der Palast des großen Königs. Das ist die Herrlichkeit der Gemeinde, dass der Erlöser in ihr wohnt in der Kraft seines Heiligen Geistes. Alles Anstürmen der Feinde gegen die heilige Gottesstadt ist vergeblich; denn sie greifen nicht uns allein, sondern den HERRN selber an. Immanuel, Gott-mit-uns, hat sich ein Heim bereitet inmitten seines Volkes; wer sollte uns denn schaden können?
4. Daselbst zerbrach er (Grundtext2 die Pfeile (wörtl.: die Flammen oder Blitze) des Bogens. Ohne seinen stillen Wohnort zu verlassen,3 sandte er sein allmächtiges Wort aus und schnappte so die blitzenden Pfeile seiner Widersacher auf, ehe sie ihr Ziel erreichen konnten. Die Vorstellung ist erhaben; sie zeichnet trefflich die Leichtigkeit, Vollkommenheit und Schnelligkeit des göttlichen Handelns. Schild, Schwert und Streit. Jede Waffe, ob zum Schutz oder Trutz, zerschmettert der HERR in Stücke; todbringende Pfeile und das Leben schützende Rüstungen waren gleicherweise nutzlos, als dieser allgewaltige Kriegsheld sein Machtwort aussandte. In den geistlichen Kämpfen unserer und aller Zeiten wird man das gleiche erfahren; nie soll es einer Waffe, die wider die Gemeinde des HERRN zubereitet wird, gelingen. (Jes. 54,17.) Sela. Es ziemt sich, dass wir bei einer den Glauben so mächtig stärkenden Wahrheit etwas verweilen und unserm herrlichen Kriegsherrn dankerfüllten Herzens huldigen.
5. Du bist herrlicher und mächtiger denn die Raub(e)berge.4 Weit überstrahlt Jehova an Herrlichkeit und Macht alle die Weltmächte, welche sein Volk zu unterdrücken und zu berauben suchten, wiewohl sie an Macht und Größe Bergen zu vergleichen waren. Assur hatte die Völker ausgeplündert, bis es Berge von Raub aufgehäuft hatte; das nannte man unter den Menschen ruhmvoll, aber der Psalmdichter verachtet solchen Ruhm und erklärt, Jehova strahle in einem gar anderen Glanze. Was ist solcher Kriegsruhm, vom höchsten Standpunkt aus betrachtet, meist anders als ein Prahlen mit Mordtaten, was der Ruhm der Eroberer anders als Blutdampf von Menschengemetzeln? Solcher Glanz ist nur trügerischer Schein, der die Schwärze der Gesinnung und der Absichten verhüllt; Jehovas Lichtglanz aber ist die Ausstrahlung seiner Heiligkeit, und seine schrecklichen Taten geschehen in Gerechtigkeit zur Verteidigung der Schwachen und zur Befreiung der Geknechteten. Bloße Macht mag Ruhm ernten, aber herrlich ist sie nicht; wenn wir jedoch die gewaltigen Taten des HERRN anschauen, sehen wir beide Eigenschaften, Macht und Vortrefflichkeit, vollkommen vereint.
6. Die Stolzen (wörtl.: die Herzensstarken, vergl. unseren Ausdruck: die Löwenherzen) wurden beraubet. Sie kamen, um zu plündern, und wurden selber ausgeplündert. Sie sind entwaffnet, die so starken Mutes waren; ihr Herz, das eben noch so mächtig schlug in wilder Kampfgier, ist kalt und tot, der Gottesengel der Pest hat ihr Lebensblut gerinnen lassen; alle Kriegslust ist ihnen für immer genommen, und Waffen und köstliche Kleider dazu. Sie sind entschlummert zu ihrem Schlaf - dem letzten, dem Todesschlummer. Und alle (die tapferen) Krieger mussten die Hand lassen sinken, wörtl.: fanden nicht ihre Hände, d. h. sie waren ganz ohnmächtig zu streiten oder auch nur sich emporzuraffen. Ihr Arm ist gelähmt, sie können nicht einen Finger rühren, denn Todesstarre hat sie ergriffen. Welch ein Schauspiel war das, als Sanheribs Heer in einer Nacht so gänzlich vernichtet ward! Die Hände, welche sich so drohend erhoben hatten, um Jerusalem niederzureißen, konnten sich nicht einmal vom Rasen emporrichten, die gewaltigsten Kriegshelden waren so schwach wie die lahmen Krüppel vor der Tür des Tempels; ja sie vermochten nicht einmal ihre Lider aufzutun, tiefer Schlaf verschloss ihre Augen in ewiger Finsternis. Gott, wie erschrecklich bist du! So wirst du auch für uns fechten und in der Stunde der Gefahr die Feinde deines Evangeliums hinstrecken. Darum wollen wir auf dich trauen und uns nicht fürchten.
7. Von deinem Schelten: ein Wort vollbrachte alles, es bedurfte nicht eines einzigen Schlages. Gott Jakobs. Du Gott deines ringenden Volkes, das wieder, gleich seinem Stammvater, seinen Feind untertritt, du Gott des Bundes und der Verheißung, du hast als solcher für dein auserwähltes Volk gekämpft. Versanken in Schlaf Ross und Wagen. Man wird kein Wiehern noch Rasseln mehr hören. Still ist das Getrapp der Pferde und das Getöse der Wagen; die Reiterei Assurs wird nicht mehr die Erde erdröhnen lassen. Die Israeliten hatten stets besondere Furcht vor Rossen und Streitwagen: daher rief das plötzliche Schweigen der ganzen Reiter- und Wagenmacht des Feindes besonderes Frohlocken hervor. Die Rosse lagen auf den Boden gestreckt, und die Kriegswagen standen unbeweglich, als ob das ganze Lager in Schlaf versunken wäre. So kann der HERR einen gerichtlichen Schlaf über die Feinde seiner Gemeinde schicken, eine Vormahnung des andern Todes, und das kann er tun, wenn sie auf dem Gipfel der Macht stehen und nach ihrer Meinung eben im Begriff sind, das Andenken des Volkes Gottes auszutilgen. Die Rabsake5 dieser Welt können schreckliche Briefe schreiben (Jes. 37,14); aber der HERR antwortet ihnen nicht mit Feder und Tinte, sondern mit einem Schelten, das in jeder Silbe den Tod birgt.
8. Du bist erschrecklich. Nicht Sanherib noch Nisroch, sein Gott (Jes. 37,38), sind zu fürchten, sondern Jehova allein, der mit einem stillen Tadel das ganze Heer des mächtigen Weltherrschers im Tode erbleichen ließ. Die Menschenfurcht ist ein böser Fallstrick, die Gottesfurcht aber ist eine große Tugend und hat einen mächtigen Einfluss zum Guten auf das menschliche Gemüt. Gott ist von Grund des Herzens beständig und allein zu fürchten. Wer kann vor dir stehen, wenn du zürnest? Ja, wer vermöchte es, vor dem Angesichte des Dreimalheiligen zu bestehen, sobald sein Zorn entbrennt (wörtl.)? Die Engel stürzten aus ihrer Herrlichkeit, als ihre Empörung seine Gerechtigkeit reizte; Adam verlor seine Stätte im Paradies in der gleichen Weise; Pharao und andere stolze Herrscher schwanden dahin vor seinem Stirnrunzeln; ja, niemand ist auf Erden oder in der Hölle, der die Schrecken des Zornes Gottes aushalten könnte. Wie glücklich sind diejenigen, welche in der durch Jesus vollbrachten Versöhnung geborgen sind und darum keinen Grund haben, den gerechten Zorn des Richters aller Welt zu fürchten!
9. Vom Himmel ließest du das Urteil hören. Eine so völlige Niederlage war augenscheinlich ein Gericht vom Himmel; auch die das Ereignis nicht mit Augen schauten, hörten doch die Kunde davon und sagten: Das ist Gottes Finger! Der Mensch hört Gottes Stimme nicht, wenn er es verhüten kann; aber Gott sorgt dafür, dass sie gehört werden muss. Das Echo jenes Urteils, das an dem hochmütigen Assyrien vollstreckt ward, ist noch zu hören und wird durch alle Zeiten forttönen zum Preis der göttlichen Gerechtigkeit. Die Erde erschrak und ward still. Alle Nationen erzitterten bei der Kunde und wurden starr und stumm vor Schrecken. Stille folgte dem Kriegslärm, als die Macht des Bedrückers zermalmt war; und Gott ward in Ehrfurcht dafür gepriesen, dass er den Völkern Ruhe gegeben hatte. Wie leicht kann Jehova sich eine still lauschende Zuhörerschaft versammeln! Mag sein, dass er in den letzten Tagen durch ähnliche Machtwunder im Reich der Gnade die Bewohner der ganzen Erde innerlich nötigen wird, dem Evangelium zu lauschen und sich der Herrschaft seines allerhabenen Sohnes zu unterwerfen. Ach, dass es geschehe, lieber Herr! .
10. Als Gott sich aufmachte zu richten. Die Menschen versanken in ehrfurchtvolles Schweigen, als der Höchste den Richtstuhl bestieg und den Spruch der Gerechtigkeit vollstreckte. Wenn Gott still ist, toben die Menschenkinder; wenn er sich erhebt, sind sie stumm wie ein Stein. Dass er helfe allen Elenden (allen sanftmütigen Duldern) auf Erden. Der Allherrscher der ganzen Menschheit achtet sonderlich auf die Armen und Verachteten; er macht es zu seiner Hauptaufgabe, alles ihnen widerfahrene Unrecht wieder gut zu machen. Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen. Sie besitzen davon jetzt wenig genug; aber ihr Rächer ist stark und wird ihnen sicherlich helfen. Er, der die Seinen errettet, ist derselbe Gott, der ihre Feinde über den Haufen wirft; er ist ebenso allmächtig, selig zu machen wie zu verderben. Sela. In stiller Andacht lasst uns den Gott Jakobs anbeten.
11. Wenn Menschen wider dich wüten, so legest du Ehre ein, wörtl.: Denn der Grimm der Menschen muss dich preisen. Das grimmige Wüten der Menschen wird nicht nur überwunden werden, sondern auch deiner Verherrlichung dienstbar gemacht werden. Der Mensch tut mit all seinem Schnauben nichts anderes, als dass er die Trompete des ewigen Ruhmes Jehovas bläst. Heftige Stürme treiben oft die Schiffe desto schneller zum Hafen. Der Teufel bläst das Feuer an und macht das Eisen glühend, und dann formt der HERR dieses nach seinem Gutdünken. Mögen Menschen und Teufel wüten, so viel sie wollen, sie können doch nicht anders als Gottes Absichten dienstbar sein. Der Schluss des Verses lautet wörtlich: Mit dem Überrest des (heftigen) Grimmes gürtest du dich. Unter dem Überrest des Grimmes kann man nicht wohl mit Luther die äußersten, höchsten Anstrengungen der Feinde verstehen; man muss die Worte, wenn in diesem Versglied überhaupt an den Zorn der Menschen zu denken ist, so verstehen, dass der Grimm der Feinde bis auf den letzten Rest Gott als Waffe diene, mit der er ihren Untergang herbeiführe. Sich gürten ist soviel wie sich waffnen; denn man trug die Waffen im Gurt. Der HERR gürtet sich den Zorn der Menschen um als ein Schwert, das seinen Absichten dienen muss, und das ist gewiss, dass Menschen oft in der Hand Gottes ein Schwert sind, mit dem er andere züchtigt. Andere verstehen unter dem Grimm den Grimm Gottes. Delitzsch bemerkt zu dem Vers: "Der Grimm der Menschen wird dich preisen, d. h. er muss zuletzt zu deiner Verherrlichung dienen, indem dir nämlich immer ein noch unerschöpfter Rest, und zwar nicht bloß von Grimm, sondern von Grimmesfülle (Grundtext Mehrzahl) verbleibt, womit du dich gegen solchen menschlichen Grimm gürten, d. i. waffnen kannst, um ihn zu dämpfen. Der ‚Rest’ ist der, wenn menschlicher Grimm sich ausgetobt hat, indem Gott die Titanen ruhig und lachend (Ps. 2,4) gewähren lässt, auf Gottes Seite übrige und nun sich entladende Vorrat unendlicher Grimmesfülle ." Der Vers lehrt deutlich, dass auch das aufs ungeheuerlichste anschwellende Böse unter der Aufsicht des HERRN steht und zuletzt seinen Preis vermehren muss.
12. Gelobet und haltet dem HERRN, eurem Gott. Ja, das dürfen wir wohl, eingedenk solcher Heils- und Gerichtserweisungen. Ob wir geloben oder nicht, steht in unserer Wahl; aber die getanen Gelübde zu bezahlen ist unsre heilige Pflicht. Wer Gott, seinen Gott, betrügen möchte, ist wahrlich ein Schuft. Gott hält seine Zusagen; mögen die Seinen es nicht an der Erfüllung ihrer Versprechungen fehlen lassen. Er ist ihr treuer Gott und verdient es, ein treues Volk zu haben. Alle, die ihr um ihn her seid, bringet Geschenke dem Schrecklichen. Mögen alle umliegenden Nationen dem einen lebendigen Gott huldigen, möge sein eigen Volk ihm mit Freuden seine Gaben darbringen, und mögen seine Priester und Leviten in dem heiligen Opferdienst vorangehen. Einem solchen Gott sollte nicht bloß mit Worten, sondern mit Gaben gehuldigt werden. Du Ehrfurchtgebietender, hier bringe ich mein Opfer; mich selber sollst du haben!
13. Der den Fürsten den Mut (buchstäbl.: den Geist) nimmt. Ihr Mut und Unternehmungsgeist, ihr Verstand und ihr Lebensgeist sind in seiner Hand, und er kann sie ihnen so leicht nehmen, wie der Gärtner eine Ranke von einer Pflanze schneidet. (Der Grundtext hat abschneiden, vergl. dazu Jes. 18,5; Off. 14,18 f.) In Gottes Hand ist niemand groß. Cäsaren und Napoleone fallen unter seinen Streichen, wie die Zweige eines Baumes unter der Axt des Holzhauers. Und schrecklich ist unter den Königen auf Erden. Während sie andern schrecklich sind, ist er es ihnen. Wenn sie sich an seinem Volk vergreifen, wird er bald mit ihnen ein Ende machen. Sie werden durch seine furchtbare Macht vernichtet werden; denn der HERR ist der rechte Kriegsmann, Jehova ist sein Name (2. Mose 15,3). Frohlocket vor ihm, ihr alle, die ihr den Gott Jakobs anbetet!
Erläuterungen und Kernworte
Zum ganzen Psalm. Kein Psalm hatte ein größeres Recht, auf Ps. 75 zu folgen, als dieser. Gleiche Ausdrücke (Gott Jakobs 75,10; 76,7; Fromme, Frevler der Erde 75,9; 76,10) und durchaus gleiches Gepräge sprechen für Einheit des Verfassers. Auch sonst bilden sie ein Paar: Ps. 75 bereitet auf die göttliche Gerichtstat als bevorstehende vor, welche Ps. 76 als geschehene feiert. Denn es kann kaum einen Psalm geben, dessen Inhalt sich so genau mit einer anderweitig bekannten Geschichtslage deckt, wie anerkanntermaßen (LXX: pro`j to`n)Assu/rion) der Inhalt dieses Psalms mit der Niederlage der Heeresmacht Assurs vor Jerusalem und ihren Folgen. Kommentar von Prof. Franz Delitzsch † 1890.
V. 3. Es ist nicht bedeutungslos, dass Jerusalem hier Salem, d. i. unversehrt, genannt ist; es wird damit angedeutet, dass das Zelt Gottes, trotz den Angriffen der Feinde, ja mitten in dem Kriegsgewühl unversehrt oder im Frieden blieb. Wieviel mehr mussten nun, nachdem die Angreifer vernichtet worden, Glück und Wohlergehen erblühen! Hermann Venema † 1787.
Mir scheint hier auf den Löwen aus Juda angespielt zu werden; denn das mit Gezelt übersetzte Wort wird sonst von dem Versteck des Löwen gebraucht, z. B. Jer. 25,38, und das zweite Wort (Wohnung) können wir ebenfalls Lager (von Tieren) übersetzen, wie z. B. in Psalm 104,22. Simon de Muis † 1644.
V. 4. Daselbst. Dass gerade hier sich legen mussten die stolzen Wellen Assurs, dass gerade hier vor Salems Höhen der Ring ihm an die Nase gelegt worden und das Gebiss in seinen Mund, wie Jes. 37,29 spricht, davon musste, zugleich mit dem Namen des Gottes Israels, der Ruhm durch alle Lande gehen. (Ps. 48,11.) Prof. August Tholuck 1843.
Schild und Schwert sind die Waffen, die man in der Nähe, wie die wie ein Blitz daherfahrenden Pfeile des Bogens die Waffen, die man von ferne braucht. Der Sinn ist: Es werde die Stadt Gottes von ferne oder von nahem bestritten, so schützt sie doch der HERR und treibet ihre Feinde ab. Johann David Frisch 1719.
V. 5. Gott war in Babylon, in Ägypten, in anderen Weltreichen nicht bekannt, und sein Gezelt war nicht unter ihnen; darum waren sie nicht herrlich. Aber seht, was hier steht: Du bist herrlicher und mächtiger denn die Raubeberge, nämlich du Juda, du Israel, du Salem, du Zion bist herrlicher als jene, was immer ihre Herrlichkeit sein mag, denn du erfreust dich geistlicher Segnungen. Haben die Völker umher stattliche Türme? Du hast den Tempel. Haben sie mächtige Städte? Du hast Jerusalem, die Stadt Gottes. Haben sie weise Männer? Du hast Propheten. Haben sie Götter von Gold, Silber und Edelgestein? Du hast den wahren, lebendigen Gott, Jehova, als deinen Gott. Haben sie gute menschliche Gesetze? Du hast ein göttliches Gesetz, das weit vortrefflicher ist. Haben sie irdische Vorzüge? Du hast geistliche. Haben sie die Herrlichkeit der Welt? Du hast die Herrlichkeit des Himmels. William Greenhill † 1677.
V. 6. Was der Sänger von dem Schlafe sagt, dem machtlos die Tapfern anheimgefallen, ist um so bezeichnender, da Schlafsucht mit der Pest verbunden ist und tiefe Betäubung unmerklich die Hingesunkenen in den ewigen Schlaf hinübergeführt hatte. "Da sie sich des Morgens früh aufmachten," heißt es in den Geschichtsbüchern (2. Könige 19,35), "siehe, da lag es alles voll toter Leichname." Es malt der Dichter, als ob man mit ihm hineinträte in das noch vor kurzem so lebhafte, nun aber mit dem Schweigen des Todes bedeckte Kriegslager. Ähnlich wie unser Psalmist ruft Nahum mit Bezug auf das endliche Schicksal Assyriens: Es schlafen deine Führer, König von Assyrien, es ruhen deine Feldherrn; dein Volk ist zerstreut auf den Bergen, und niemand sammelt (Nah. 3,18). Prof. August Tholuck 1843.
Und nicht fanden alle die Tapfern ihre Hände. (Wörtl.) Die Stärke und Macht eines Mannes ist in seinen Händen; sind die ihm abgehauen oder kann er sie sonst nicht brauchen, so ist all seine Hoffnung dahin. Wird einem Krieger das Schwert genommen, so wird er noch mit seinen Händen versuchen zu tun, was er kann; hat er aber diese nicht mehr, so kann er nichts mehr ausrichten, und wenn er ein Riese wäre. Die Hände nicht finden, heißt daher: keine Macht mehr haben, das auszuführen, was man beabsichtigte. John Owen † 1683.
V. 7. Sinkt in Schlaf. Man vergleiche das Entschlafen Siseras, Richt. 4,21. Christopher Wordsworth 1868.
V. 8. Wer mag bestehen vor deinem Angesicht, sobald du zürnest? (Wörtl.) Die Engel etwa? Sie sind nur gleichsam gebrochene Lichtstrahlen der ewigen Sonne; wenn Gott sein Antlitz verbäte, würden sie aufhören zu leuchten. Oder der Mensch? Seine Herrlichkeit und Pracht, den Farben des Regenbogens vergleichbar, schwindet, wenn Gott sein Angesicht zornstrahlend gegen ihn kehrt. Oder die Teufel? Wenn er das Wort spricht, so fallen sie vom Himmel wie ein Blitz. Wer mag vor ihm bestehen? ein Schilfrohr, ein Dornstrauch vor einer Zeder? eine Feder vor einer Flamme, eine Heuschrecke vor dem Allmächtigen, eine irdene Scherbe vor einem eisernen Zepter? John Cragge 1657.
V. 10. Als Gott sich zum Gericht erhob. (Wörtl.) Der Richter sitzt erst hin, verhört, untersucht und überlegt; dann fasst er seinen Entschluss, und darauf erhebt er sich, um das Urteil zu sprechen. Robert Bruce † 1631.
V. 11. Der Grimm gottloser Menschen gegen das Volk Gottes vermehrt sehr den Preis Gottes. 1) Ihr Grimm bringt die Gottlosen auf viele listige Pläne, durch deren Vereitlung die Weisheit Gottes und seine Fürsorge für die Auserwählten sehr ins Licht gestellt werden. 2) Er treibt sie zu vielen, heftigen und gewaltsamen Angriffen auf das Volk Gottes, um es zu vernichten, und gibt Gott dadurch Anlass, seine Macht in der Verteidigung der Seinen kundzutun. 3) Ihr Grimm macht sie manchmal geeignet, als Gottes Werkzeuge zur Züchtigung der Seinen zu dienen, und reinigt Gott auf diese Weise von dem Verdacht, als beschützte er die Sünde bei denen, die ihm nahestehen; so macht Gott, das die, welche die Heiligkeit hassen, diese bei den Seinen fördern, und dass mithin die, welche ihnen den größten Schaden zufügen wollten, ihnen vom größten Nutzen sind. 4) Das Wüten der Menschen gegen Gottes Kinder gibt Gott reichlich Gelegenheit zu beweisen, wie mächtig seine Gnade ist, indem diese den Mut des Volkes Gottes aufrecht hält und überhaupt die Gemeinde des HERRN am Leben erhält trotz allem, was die Widersacher gegen sie vornehmen. 5) Das Wüten der Gottlosen dient trefflich dazu, die wunderbaren Taten Gottes, die er zum Besten seines Volkes in der Welt ausführt, desto heller erglänzen zu lassen. 6) Es dient aber auch dazu, die Gerechtigkeit Gottes zu erweisen, wenn er sich aufmacht, an den Feinden seiner Auserwählten Rache zu üben. So seht ihr also, wie gut es ist, eingekerkert, gegeißelt, gemartert, verbrannt oder zersägt zu werden. Oft haben die Feinde selbst, gleich Adoni-Besek (Richter 1,7), es am Tage ihrer Heimsuchung bekennen müssen, wie gerecht Gott an ihnen handle. John Warren 1655.
Homiletische Winke
V. 2. | Gottes Name wird einem desto erhabener, je besser man ihn kennt. |
V. 3a. | Die Friedensstadt Salem ist die Stätte, da Gott wohnt. Wie segensreich ist der Friede in der Gemeinde und wie unselig der Hader. Die Ursachen der Uneinigkeit und die Mittel, die Einigkeit zu fördern. |
V. 4. | Die der Gemeinde des HERRN verliehenen Siege über Heidentum, Irrlehre, Verfolgung usw. 1) Wo werden die Feinde überwunden? Daselbst - nicht eigentlich auf dem Schlachtfeld, sondern zu Zion, im Hause Gottes, wie Amalek durch Mose auf dem Berge, Sanherib durch Hiskia im Tempel. 2) Wie? a) Durch den Glauben, b) durch Gebet. Die Waffen unserer Ritterschaft sind nicht fleischlich usw. George Rogers 1871. |
V. 5. | Der HERR als unser Teil, verglichen mit den Schätzen der Weltreiche. 1) Was die Welt ist, verglichen mit der Kirche: Raubeberge. a) Unbarmherzigkeit statt Liebe, b) Gewalttätigkeit statt Friede. 2) Was die Kirche ist, verglichen mit der Welt: innerlich herrlicher, darum auch im tiefsten Grunde mächtiger. George Rogers 1871. |
V. 6. | Sie entschlummerten zu ihrem Schlaf. Verschiedenerlei Entschlafen. |
V. 8. | Der Zorn Gottes. Ein sehr reicher Predigtstoff. |
V. 9.10. | (Grundtext) 1) Zu wessen Bestem machte Gott sich auf? Für die Elenden (Gebeugten, Sanftmütigen) auf Erden. 2) Wozu machte er sich auf? a) Sie zu rächen, b) ihnen zu helfen. 3) Wie trat er für sie ein? Er ließ vom Himmel her das Urteil hören, erhob sich zum Gericht. 4) Was für eine Wirkung hatte ihre Befreiung? Die Erde fürchtete sich und ward stille. |
V. 11a. | Wie mehrt das Wüten der Menschen gegen Gott und sein Volk Gottes Ehre? |
V. 11. | Der Menschen Grimm gegen Gott und Gottes Grimm gegen seine Feinde. |
V. 12a. | 1) Wem sollen Gelübde abgelegt werden? Nicht Menschen, sondern Gott. 2) Was für Gelübde sollen wir Gott tun? Gelübde der Herzenshingabe, des willigen Dienstes, der Aufopferung für ihn. 3) Wie sollen solche Gelübde gehalten werden? a) Aus Pflichtgefühl, b) aus Furcht vor Gottes Missfallen, c) aus dankbarer Liebe. George Rogers 1871. |
V. 12b. | Wie angemessen, pflichtgemäß, angenehm und nützlich es ist, dem HERRN Geschenke zu bringen. |
Fußnoten
1. Salem, der alte Name für Jerusalem, heißt unversehrt, sich des Friedens erfreuend, Jerusalem wahrscheinlich Wohnung (Gründung) des Friedens.
2. Hier sowie V. 6.7.9.10 muss im Imperfekt übersetzt werden.
3. Wäre dies der Sinn, so stünde doch wohl M&Ifmi. Es wird einfach gemeint sein, dass Jerusalem der Schauplatz der Vernichtung der Feinde war.
4. Andere: Glanzvoll (lichtumflossen, erlaucht) bist Du, herrlich von den Raubbergen her. Die Berge wären danach der Sitz Gottes, von wo aus er die Beute gemacht, d. i. die Feinde besiegt hat. Über die Konjekturen Hitzigs und anderer sehe man die Kommentare.
5. Rabschakeh, ein hebraisierter assyrischer Titel, von Luther Erzschenke übersetzt, bedeutet Oberst, Feldherr. Siehe Jes. 36,2 usw.