Psalmenkommentar von Charles Haddon Spurgeon

PSALM 148 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Der Psalm ist ein unteilbares Ganzes.1 Es scheint uns fast unmöglich, ihn stückweise im Einzelnen zu behandeln; ein lebendiges Gedicht kann man nicht Wort für Wort und Zeile für Zeile zergliedern. Das Lied singt von dem Ruhm des HERRN im Reich der Natur und in dem Reich der Gnade. Wie wenn ein Blitz durch den weiten Raum hin flammt und Himmel und Erde in ein Gewand von Licht hüllt, so erleuchtet die Anbetung Gottes in diesem Psalm das ganze Weltall und lässt es in einem Strahlenkranz von Lobpreis erglühen. Das Lied beginnt vom Himmel aus, fährt hinab zu den Seeungeheuern und allen Tiefen und steigt wieder empor, bis zuletzt das Volk, das Jehovah nahe ist, den Gesang annimmt. Um es würdig auszulegen, ist das erste Erfordernis ein Herz, das brennt von ehrfurchtsvoller Liebe zu dem Schöpfer und Erlöser, der da ist der Herr über alles, gelobt in Ewigkeit.


Auslegung

1. Hallelujah!
Lobet im Himmel den Herrn;
lobet ihn in der Höhe!
2. Lobet ihn, alle seine Engel;
lobet ihn, all sein Heer!
3. Lobet ihn, Sonne und Mond;
lobet ihn, alle leuchtenden Sterne!
4. Lobet ihn, ihr Himmel allenthalben,
und die Wasser, die oben am Himmel sind!
5. Die sollen loben den Namen des HERRN;
denn er gebot, da wurden sie geschaffen.
6. Er hält sie immer und ewiglich;
er ordnet sie, dass sie nicht anders gehen dürfen.
7. Lobet den HERRN auf Erden,
ihr Walfische und alle Tiefen;
8. Feuer, Hagel, Schnee und Dampf,
Sturmwinde, die sein Wort ausrichten;
9. Berge und alle Hügel,
fruchtbare Bäume und alle Zedern;
10. Tiere und alles Vieh,
Gewürm und Vögel;
11. ihr Könige auf Erden und alle Völker,
Fürsten und alle Richter auf Erden;
12. Jünglinge und Jungfrauen,.
Alte mit den Jungen!
13. Die sollen loben den Namen des HERRN;
denn sein Name allein ist hoch,
sein Lob geht, so weit Himmel und Erde ist.
14. Und er erhöht das Horn seines Volks.
Alle seine Heiligen sollen loben,
die Kinder Israel, das Volk, das ihm dient.
Hallelujah.


1. Hallelujah, d. i. Lobet den HERRN! Wer immer ihr sein möget, die ihr dies hört, es ergeht an euch die Einladung, die dringende Bitte, ja die ernste Mahnung, der ihr euch nicht entziehen dürft, Jehovah zu preisen. Eins ist jedenfalls gewiss: er hat euch geschaffen, und selbst wenn nicht tausend andere Gründe dazukämen, so verpflichtet doch schon dieser eine Grund euch unbedingt, Gott, euren Schöpfer, zu ehren. Diese Aufforderung, den HERRN zu loben, kann nie unangemessen und nie unzeitig sein, wo immer und wann immer wir sie aussprechen mögen. Lobet im Himmel, Grundtext: vom Himmel her, den HERRN. Ihr, die ihr dem Hohen und Erhabenen am nächsten seid, seid auch die ersten im Anstimmen des Lobgesangs! Ihr heiligen Engel, ihr Cherubim und Seraphim, und alle andern, die ihr am Hofe dieses Königs aller Könige wohnt, rühmt den HERRN! Tut dies als von dem Mittelpunkt und Ausgangspunkte aus, von wo sich das Lob Jehovahs überallhin verbreiten und fortpflanzen soll. Behaltet eure Lieder der Anbetung nicht für euch, sondern lasst eure Lobgesänge gleich einem köstlichen Regen vom Himmel auf die Menschenwelt niederträufeln. Lobet ihn in der Höhe. (Grundtext Mehrzahl: in den Höhen, wie ja auch das Wort Himmel im Hebräischen stets in der Mehrzahl steht.) Das ist keine müßige Wiederholung, sondern nach der anziehenden Weise der Dichtkunst, zumal der morgenländischen, wird der Wahrheit durch nochmalige Wiedergabe in anderen Worten besonderer Nachdruck verliehen. Überdies soll Gott nicht nur von den Himmelshöhen aus, sondern auch in den Himmelshöhen gepriesen werden: die Anbetung soll Gott in vollendeter Weise im Himmel dargebracht werden, von wo sie ihren Anfang und Ausgang nehmen soll. Kein Ort ist zu hoch für das Lob des Höchsten. Auf den Gipfeln der Schöpfung soll der Ruhm des HERRN erglänzen, gerade wie die höchsten Spitzen der Alpen von den Strahlen derselben Sonne vergoldet werden, welche die Täler freundlich erhellt. Die Himmel und alle Höhen werden umso höher und himmlischer, wenn sie von Lobgesängen auf Jehovah widerhallen. Siehe, wie der Psalmist den Ruf "Lobet" in alle Welt hinausposaunt. Nicht weniger als neunmal erschallt er in den ersten fünf Versen dieses Liedes. Gleich Ehrensalven erdröhnt einmal ums andere mit Macht der Jubelruf: Lobet den HERRN! Lobet ihn! Lobet ihn! Der Generalmarsch des höchsten Königs tönt durchs Weltall mit dem einen Signalton: Lobet! Lobet! Lobet! "Und sie sprachen abermals: Hallelujah!" (Off. 19,3) All dieser Lobpreis aber gilt ausdrücklich und ausschließlich Jehovah. Rühmet nicht seine Diener und rühmet nicht seine Werke an sich, sondern rühmet ihn! Ist er nicht alles Lobes würdig, das nur irgend dargebracht werden kann? Gießet es aus vor ihm in vollen Strömen, und vor ihm allein!

2. Lobet ihn, alle seine Engel. Ihr höchsten Geister, vollkommen an Heiligkeit und Seligkeit, lasst eure himmlischen Harmonien eurem Gebieter zu Ehren ertönen, jeder Einzelne von euch und ihr alle miteinander. Nicht eines dieser lichtstrahlenden himmlischen Wesen ist von diesem seligen Dienst ausgenommen. So viele euer sein mögen, ihr seid alle seine Engel; darum habt ihr alle, alle die heilige Pflicht, mit allen euren Kräften eurem HERRN Ehre und Anbetung darzubringen. Euer jeder hat genug von ihm geschaut, um ihn rühmen zu können, und ihr habt alle überschwänglich viele Gründe, dies zu tun. Heißt ihr Gabriel oder Michael, oder welchen Namen immer ihr tragen möget, lobet den HERRN! Ob ihr anbetend vor ihm geneigt steht oder ob ihr mit Windeseile seine Botschaften ausrichtet, ob ihr sinnend dasteht, voll heiligen Begehrens, hineinzuschauen in die Wunder der Erlösung, oder ob ihr in seliger, ehrfürchtiger Wonne den Sohn des Höchsten anschaut, das gemeinsame Haupt euer selbst und der bluterkauften Gemeinde - höret nimmer auf, ihr Diener und Boten des einen Preiswürdigen, sein Lob erschallen zu lassen. Lobet ihn, all sein Heer, oder nach anderer Lesart: alle seine Heere. Dieser Ausdruck fasst zunächst die Heerscharen der Engel in sich, gliedert aber an vielen Stellen der Schrift und so vielleicht auch hier die Heere der Gestirne mit jenen zu einem großen, mannigfaltigen Ganzen zusammen, das der Gott der Heerscharen befehligt. Wiewohl die Planeten und Fixsterne nicht lebendige Wesen sind, haben sie doch ihre Weise, wie sie den HERRN loben können. Möge jede der unzähligen Legionen Jehovah Zebaoths den Ruhm des Ewigen verkündigen; denn diese unzählbaren, gewaltigen Heere sind alle sein, sein, weil er sie geschaffen und weil er sie erhält, und alle die tausend Wohltaten, die sie täglich von ihm empfangen, verpflichten sie zu beständigem Dank und jubelndem Preis. Beide Sätze unseres Verses fordern einmütigen Lobpreis von all den Wesen der oberen Schöpfungsgebiet, bei denen der Lobgesang anheben soll: "alle seine Engel, alle seine Heere." Die gleiche innige Einmütigkeit soll das ganze große, mannigfaltige Orchester der Lobpreisenden durchdringen, daher wir hernach lesen von allen leuchtenden Sternen, allen Tiefen, allen Hügeln, allen Zedern, allen Völkern, und so weiter. Welch trefflicher Anfang dieses unvergleichlichen Konzertes, da alle Engel und alle Himmelsheere als die ersten die frohlockenden Töne erschallen lassen! Wahrlich, an diesem Konzert möchte unsre Seele alsbald tätigen Anteil nehmen.

3. Lobet ihn, Sonne und Mond; lobet ihn, alle leuchtenden Sterne. Nehmen wir an, dass die Himmelskörper schon in den zuvor genannten Heeren inbegriffen waren, so geht der Psalmist nun daran, diesen Teil der himmlischen Heerscharen im Einzelnen zum Lobe Jehovahs aufzurufen. Wie alle miteinander, so muss auch jedes einzelne Glied in dem Chor der Geschöpfe den Gott preisen, der ebenso jedes einzelnen wie des Weltalls Gott ist. Die Sonne und der Mond, die zusammen Tag und Nacht regieren, werden auch im Lob einander beigeordnet; der eine Lichtspender ist die Ergänzung des andern, so sollen sie auch in der Anbetung des Höchsten einander Gehilfen sein. Die Sonne hat ihre besondere Weise, den Vater des Lichts zu verherrlichen, und der Mond hat wiederum seine eigentümliche Art und Gabe, den Lichtglanz der unerschaffenen Sonne widerzuspiegeln. Es gibt eine ewige Anbetung des HERRN in den himmlischen Höhen; sie hat ihre Verschiedenheit bei Tag und bei Nacht, aber sie geht ununterbrochen fort, solange die Sonne und der Mond währen (vergl. Ps. 72,5.17). Es brennt stets eine Lampe vor dem Hochaltar des HERRN. Auch ist es den großen Lichtern nicht erlaubt, mit ihrer Flut von Lichtglanz die Strahlen der minder hell leuchtenden auszulöschen, denn auch die Sterne zumal werden zu dem Fest des Lobes Jehovahs geladen. Der Sterne sind viele, so viele, dass niemand außer dem Schöpfer das Heer zu zählen vermag, das mit den Worten "alle ihr Sterne" zusammengefasst ist; doch weigert sich auch nicht ein einziger von ihnen, seinen Schöpfer zu preisen. Von ihrem herrlichen Glänzen werden sie treffend Lichtsterne oder leuchtende, lichtfunkelnde Sterne genannt, und dies Licht ist Lob in sichtbarer Form, ist funkelnde Musik. Licht ist Gesang, der ins Auge hineinstrahlt, statt im Ohr zu ertönen. Sterne ohne Licht würden kein Lob ausstrahlen, und Christen ohne Licht entehren den HERRN. So klein unser Licht auch sein mag, wir dürfen es nicht verbergen; können wir keine Sonne und kein Mond sein, so sei es doch unser Bestreben, ein leuchtendes Sternlein zu sein, und jeder Lichtstrahl unserer Augen sei zur Ehre des HERRN.

4. Lobet ihn, ihr Himmel allenthalben, wörtlich: ihr Himmel der Himmel. Damit sind wohl jene Sphären gemeint, die der Himmel sind für jene Wesen, die in den Gebieten wohnen, welche wir Himmel nennen, oder die herrlichsten himmlischen Stätten, wo die auserkorensten Geister ihre Heimat haben. Wie die Höchsten unter den Höchsten, so sollen die Besten unter den Besten den HERRN preisen. Wenn wir so hoch über den Himmel emporzuklimmen vermöchten, wie der Himmel über der Erde ist, so könnten wir noch immer an alles ringsumher den Ruf ergehen lassen: Lobet den HERRN! Niemand kann so groß und hoch sein, dass er darüber erhaben wäre, Jehovah zu preisen. Und die Wasser, die oben am Himmel, wörtlich Luther 1524: oben über den Himmeln sind. Ihr Wolken, wirbelt Wolkenmassen von Lobpreis auf! Das Meer droben und seine Fülle brause vor Jehovah, dem Gott Israels. Es ist etwas Geheimnisvolles um diese hier vom Dichter als vorhanden vorausgesetzten himmlischen Wasserbehälter2; aber mögen sie was immer und wie immer beschaffen sein, sie sollen den HERRN, unseren Gott, rühmen. Auch die uns unbekanntesten und unerklärbarsten Erscheinungen müssen ihr Teil beitragen zu dem Preis des Höchsten, das aus dem ganzen Weltall erschallt.

5. Die sollen loben den Namen des HERRN; denn er gebot, da wurden sie geschaffen. Das ist eine treffende Begründung: dem Schöpfer soll von seinen Werken Ehre gezollt werden, sie sollen durch ihr Lob sein geoffenbartes Wesen verkündigen, also seinen Namen preisen. Der Name Jehovahs ist seinen Werken lesbar für alle aufgeprägt, die geöffnete Augen haben, so dass die Macht, die Weisheit, die Güte und andere Eigenschaften des HERRN sich denkenden Menschen darin enthüllen, und dadurch wird Gottes Name gepriesen. Der höchste Lobpreis Jehovahs ist es, einfach zu bezeugen, was er ist. Wir können nichts erfinden, was den HERRN größer machen würde, als er schon ist; wir können ihn nicht besser rühmen, als indem wir das, was er in seinem Namen von sich geoffenbart hat, wiederholen oder seine Gesinnungs- und Handlungsweise schildern. Der HERR ist zu preisen als der, welcher alles geschaffen hat, was da ist, und dies durch das einfache Mittel seines Wortes getan hat. Er schuf durch einen Befehl; was für eine Macht ist das! Er darf mit Recht von denen, welche ihr Dasein ihm verdanken, erwarten, dass sie ihn loben. Bei der Annahme einer natürlichen Entwicklung der Welt mögen wir bei der Gottesleugnung ankommen; die Schriftlehre jedoch, dass die Welt eine Schöpfung ist, fordert mit zwingenden Vernunftgründen Anbetung und erweist sich, weil man den Baum an seiner Frucht erkennt, eben dadurch als wahr. Die Wesen, welche durch ein Gebot geschaffen worden sind, stehen auch unter dem Gebot, ihren Schöpfer anzubeten: dieselbe Stimme, die einst sprach: "Sie sollen sein", spricht nun: "Sie sollen loben".

6. Er hält sie, wörtl.: stellte sie hin, d. i. gab ihnen Bestand für immer und ewig. Das fortdauernde Dasein der Himmelswelten ist in der erhaltenden Macht Jehovahs, und in ihr allein, begründet. Sie lassen uns nicht im Stich, weil der HERR sie nicht im Stich lässt. Ohne seinen Willen können diese Dinge sich nicht wandeln; er hat in sie hinein Gesetze erschaffen, die nur er selber umändern kann. Seine Verordnungen sind eine sie immerdar bindende Kraft. Deshalb soll der HERR gepriesen werden, weil er ebenso Erhalter wie Schöpfer, ebenso Gebieter wie Erzeuger ist. Er ordnet sie, dass sie nicht anders gehen dürfen, Grundtext: Er gab (ihnen) ein Gesetz, das sie nicht überschreiten. (Vergl. hierzu Erläuterungen und Kernworte, S. 535 f.) Die Himmelskörper werden durch Jehovahs Willen regiert; die Schranken, die ihnen sein Ratschluss gesetzt hat, können sie nicht überschreiten, sein Gebot dürfen sie nicht übertreten. Die erhabensten und wunderbarsten Geschöpfe sind den Ordnungen des höchsten Königs vollkommen gehorsam. Diese Unterordnung unter das Gesetz des Ewigen ist Lobpreis in seiner Art. Gehorsam ist Huldigung; Ordnung ist Harmonie. In dieser Hinsicht ist das Lob, das Jehovah von den Himmelskörpern dargebracht wird, schlechterdings vollkommen. Seine allmächtige Kraft erhält alle Dinge in den ihnen zugewiesenen Bahnen und Gebieten; er waltet als Herrscher über dem Lauf der Gestirne und über dem Fluge der Seraphe, und darum wird die Musik der Sphären nie durch einen Misston getrübt und wandeln Sonne, Mond und Sterne ihre Bahnen ohne Störung. Dieser ewige Lobgesang ertönt allezeit; selbst die feierliche Stille des Weltenraumes ist ein ununterbrochener Psalm.

7. Lobet den HERRN auf Erden, wörtl.: von der Erde her. Der Gesang steigt nun zu der Stätte unserer Wohnung nieder und kommt uns somit noch näher ans Herz. Wir, die wir "irdische Körper" sind (1. Kor. 15,40), sollen ebenfalls unser Teil des Lobes ausströmen lassen von unserem so hoch bevorzugten Planeten aus. Der Psalmist sagt nicht, dass der HERR auf Erden (Luther), sondern dass er von der Erde aus gepriesen werden solle, als wollte er damit andeuten, dass die Anbetung von diesem unserem Weltkörper aus in die große Anhäufung von Lob übergehe, die aus dem ganzen Weltall bei Gottes Thron zusammenströme. In dem ersten Vers ging der Gesang vom Himmel aus, hier von der Erde: die Lieder, die vom Himmel her erschallen und auch auf unsre Erde niedertönen, sollen sich vereinigen mit den Liedern, die von der Erde aus emporsteigen. Mit der Erde ist hier unsere ganze Erdkugel, Land und Wasser, gemeint; überall soll von ihr aus Lob ertönen. Ihr Walfische, oder ihr Seeungetüme, und alle Tiefen. Luther hatte ganz Recht, wenn er in seiner volkstümlichen Übersetzung das bekannteste gewaltige Seetier nannte; im Übrigen wäre es unnütz, genau erforschen zu wollen, welches besondere Seeungeheuer der Dichter hier im Sinn gehabt habe. Wir halten dafür, dass sie alle miteinander gemeint sind und dass "alle Tiefen" die Stätten bezeichnen, wo sie wohnen. Alle die großen Geschöpfe des Wassers, ob sie die Wogen der tropischen Meere durchfurchen oder sich durch die Eisschollen der Polargewässer winden, sie alle werden von unserm Dichter aufgefordert, ihrem Schöpfer zu huldigen. Dem Menschen stellen sie sich nicht zu Dienst; mögen sie desto williger ihre Abhängigkeit von dem HERRN und ihre Unterwerfung unter sein Zepter bekennen. Die Seeungetüme und die brausenden Tiefen haben etwas Schauriges, Schreckenerregendes an sich; aber eben deshalb eignen sie sich sehr wohl zur tiefen Bassstimme in dem Psalm des Universums.

8. Feuer und Hagel. Zwei Gewittererscheinungen, Blitz und Hagel, die oft zusammengehen. Bei den ägyptischen Plagen wirkten sie auch miteinander, um Jehovah in der ganzen Schrecklichkeit seiner Macht kundzutun. Feuer und Eisstücke sind Gegensätze in der Natur, aber im Preis des HERRN kommen sie zusammen. Schnee und Dampf oder Rauch. Ob Kinder der Kälte oder Erzeugnisse der Hitze, seid gleicherweise seinem Lob geweiht. Zu Kristallen geronnene und verdichtete oder weit sich ausdehnende Dämpfe, niederfallende Flocken oder aufsteigende Wolkennebel, sie alle sollen den Ruhm des HERRN offenbaren. Sturmwinde, die sein Wort ausrichten. Wiewohl er mit unberechenbarer Wut tobt, steht der Sturmwind dennoch unter einem festen Gesetz und bewegt sich in strenger Ordnung, um Gottes Absichten auszuführen. Wahrlich, das ist ein gewaltiges Orchester, das solche Blasinstrumente hat! Und das ist ein mächtiger Dirigent, der alle diese Musiker zu einem großen Konzert vereinen und sie in Takt und melodischer Harmonie halten kann!

9. Berge und alle Hügel. Hoch in die Wolken ragende Felsenzacken und schwellende Hügel machen gleichermaßen ihren Schöpfer kund. "Alle Hügel" sollen Gottes Lob geweiht sein; dann haben wir nicht mehr einen Ebal und einen Garizim, einen Berg des Fluches und einen Berg des Segens, sondern alle unsere Berge Ebal sind in Garizimberge umgewandelt. Tabor und Hermon, Libanon und Karmel frohlocken im Namen des Herrn. Die großen und die kleinen Höhen sind eins in der Anbetung. Nicht nur die Alpen und der Jura oder der Himalaja donnern das Lob des Ewigen, sondern auch deine heimatlichen Hügelketten lassen Gesänge zu seiner Ehre erschallen. Fruchtbare Bäume und alle Zedern. Fruchtbäume und Waldbäume, solche, die ihr Laub im Winter abwerfen, und immergrüne, sie haben alle einen wohltätigen Zweck und dienen alle einem Ratschluss der Liebe; darum werde für sie alle und von ihnen allen der erhabene Schöpfer gepriesen, der in ihnen seine Gedanken und Absichten verwirklicht hat. Es sind der Fruchtbäume vielerlei, und ebenso gibt es viele Arten von Zedern oder Nadelhölzern, aber sie alle enthüllen die Weisheit dessen, der sie gemacht hat. Wenn Könige Zedern fällen ließen, um daraus ihre Paläste zu zimmern, so bekannten sie sich damit Dankes schuldig gegen diese Könige unter den Bäumen sowie gegen den König aller Könige, dessen Eigentum alle jene Bäume sind. Wie viel anmutige Abwechslung wird in dem Landschaftsbilde erzeugt durch die Erhebungen und Senkungen des Bodens sowie durch die mannigfaltigen Arten von Bäumen, die das Land schmücken. Wenn die Bäume im starken Winde mit den Händen klatschen (Jes. 55,12) oder ihr Laub beim sanften Zephirhauche lispelt, dann singen sie nach ihren besten Kräften das Lob des HERRN.

10. (Wilde) Tiere und alles Vieh. Das Wild des Waldes und die zahmen Haustiere, sie alle mögen das Lob Jehovahs auf ihre Weise verkünden. Schlechter als die Tiere sind diejenigen, die mit Willen gegen ihren Schöpfer stumm sind. Gewürm und Vögel: das Gewimmel, das Erde und Luft erfüllt, Insekten aller Art und Vögel von allerlei Gefieder, sie alle werden aufgefordert, sich an der Anbetung des Weltalls zu beteiligen. Niemand kann mit dem Leben der Insekten und der Vögel näher bekannt werden, ohne zu fühlen, dass beide Arten von Tieren ein wunderbares Kapitel in der Geschichte der göttlichen Weisheit darstellen. Das winzigste Insekt verkündigt in erstaunlicher Weise die Meisterkunst des HERRN; zumal wenn wir es unter dem Mikroskop beschauen, erzählt es uns Wunderdinge. Und ebenso enthüllt der Vogel, der sich hoch in den Äther schwingt, in seiner dem Leben in der Luft so wunderbar angepassten Natur eine Meisterschaft der Kunst und Geschicklichkeit, welcher nachzueifern den Scharfsinn des Menschen so lange schon aufs äußerste reizt. Wem die Liebe zu Gott das Ohr dafür öffnet, der hört das Lob des Schöpfers nicht nur in dem süßen Gesang der befiederten Sänger, sondern auch in dem Summen der Bienen, dem Zirpen der Grillen und dem Quaken der Frösche. Menschen ohne Lieder sollten sich durch die kleinen Künstler, die überall in Wald und Feld und Teichen musizieren, beschämen lassen.

11. Ihr Könige auf Erden und alle Völker, Fürsten und alle Richter auf Erden. Nun ist der Dichter bei unserem Geschlecht angelangt, und mit vollem Recht wünscht er, dass Herrscher und Untertanen, alle Obrigkeiten und Amtleute eines Sinnes seien, dem unumschränkten Beherrscher aller Anbetung darzubringen. Die Kronenträger dürfen es nicht für unter ihrer Würde halten zu singen, und die Völker sollen sich nicht zurückhalten, mit ihnen einzustimmen. Weder die Feldherrn, die die Schlachten leiten, noch die Richter, die die Rechtssachen entscheiden, dürfen sich durch ihren Beruf abhalten lassen, ehrfürchtig den obersten Herrn und Richter ihrer aller anzubeten. Alle Völker und alle Richter müssen den Allherrn preisen. Welch ein glücklicher Tag wird das sein, wenn es allgemein anerkannt sein wird, dass durch die in Christo Jesu fleischgewordene Weisheit Gottes die Könige regieren und die Ratsherren das Recht setzen (Spr. 8,15). Ach, jetzt sind wir noch nicht so weit! Gar manche Könige sind Schutzherren des Lasters gewesen und manche Prinzen Anführer in Torheit und Gottlosigkeit. Lasst uns darum beten, dass der Wunsch des Psalmisten bald zur Tatsache werde.

12. Jünglinge und Jungfrauen, Alte mit den Jungen. Die Menschen beider Geschlechter und jedes Alters ruft der Psalmist zusammen zu dem köstlichen großen Gesanggottesdienste. Diejenigen, die sich miteinander zu belustigen pflegen, sollen sich auch in fröhlich ernster Anbetung vereinigen, und jene, die die obersten und untersten Glieder der Familie bilden, die Greise und die Knaben, die alten und die jungen Herzen, sollen sich zusammenschließen in die Lobe ihres Gottes. Die alten Leute sollen mit ihrer Lebenserfahrung die Jungen anleiten, den HERRN zu preisen, und die Kinder sollten durch ihre heitere Fröhlichkeit die Alten zum Singen anreizen. In diesem Chor der Sänger ist Raum für jede Stimme: fruchtbare Bäume und Jungfrauen, Zedern und Jünglinge, Engel und Kinder, Greise und Richter - alle dürfen bei diesem Oratorium mitwirken. Ja, und nicht einer ist dabei entbehrlich; damit dieser erhabene Psalmgesang vollkommen werde, muss das ganze Weltall zur Mitwirkung erweckt werden und müssen alle Geschöpfe ihre Stimme mit einsetzen.

13. Die sollen loben den Namen des HERRN. Alles, was in dem Namen Jehovah enthalten ist, alles, was der Ewige von sich geoffenbart hat, ist des Lobes würdig, und alle die zahllosen Wesen, die sich seiner Schöpfergüte und Fürsorge erfreuen, sind miteinander noch zu wenig, um den Ruhm des HERRN völlig zu besingen. Denn sein Name allein ist hoch. Er allein verdient es, lobend erhoben zu werden, denn er allein ist erhaben an Würde. Es ist niemand wie der HERR, keiner, der auch nur für einen Augenblick ihm verglichen werden könnte. Sein einzigartiger Name soll auch das Alleinrecht des Lobes haben. Sein Lob geht, so weit Himmel und Erde ist, oder wörtlicher: Sein Ruhm (seine ruhmreiche Selbstbezeugung) erstreckt sich über Erde und Himmel. Andere übersetzen: Seine Majestät bedeckt oder überragt Erde und Himmel. Der Ruhm seiner Herrlichkeit ist einzig, weil seine Herrlichkeit alle andere Herrlichkeit überragt. Sein königlicher Hoheitsglanz, seine Majestät übertrifft alles, was Erde und Himmel davon zum Ausdruck bringen können. Es ist in ihm, in seinem Wesen, mehr Herrlichkeit als in allen seinen Werken miteinander. Es ist darum auch für uns schlechterdings unmöglich, im Lob des HERRN überschwänglich zu werden; seine ihm eigene Herrlichkeit und Majestät ist unendlich viel größer als aller Ruhm, den wir ihm darzubringen vermögen.

14. Und er erhöht das Horn seines Volks, Grundtext: Und er hat seinem Volke ein Horn erhöht, d. h. er hat ihm ein hocherhobenes Horn verliehen, es stark, berühmt und siegreich gemacht. Seine Güte gegen alle seine Geschöpfe hindert ihn nicht, seinem auserwählten Volke besondere Gunst zuzuwenden; er ist gütig gegen alle, aber seinem Volke gibt er sich besonders zu Eigen. Er richtet auf alle, die zu Boden getreten werden, aber in besonderer Weise richtet er sein Volk empor. Wenn es zu elendem Zustand heruntergebracht ist, dann erhöht er ihnen ein Horn, indem er ihnen einen Erretter sendet, und wenn sie im Kampfe stehen, gibt er ihnen Mut und Kraft, so dass sie im Gewühl des Streites ihr Horn machtvoll erheben und über ihre Feinde triumphieren. So war es jetzt mit Israel geschehen. Der HERR hat sein erniedrigtes Volk wieder zu Ehren gebracht, ihm eine Stellung gegeben, in der es sich behaupten und einen Einfluss auf die Welt ausüben kann, nicht in fleischlicher Macht, sondern in der Kraft des HERRN. Alle seine Heiligen sollen loben. Nach dem Grundtext steht der Schluss des Verses in engerer Verbindung des Sinnes mit dem Anfang desselben. Die Worte lauten: Er hat seinem Volke ein Horn erhöht (zum) Lob für alle seine Frommen. Das kann heißen: zu ihrem Ruhm. Höchst wahrscheinlich bedeutet "Lob" aber hier wie öfters "Gegenstand des Lobes", so dass von dem Lobpreis des HERRN die Rede ist, daher wir zur Klarstellung des Sinnes (mit Kautzsch) übersetzen: (Darob erschalle) Lobpreis bei allen seinen Frommen. Was der HERR an seinem Volke getan hat, das ist Anlass zum Lobpreis für alle, die ihm in Liebe ergeben sind. Er hat ihnen ein Horn erhöht, und sie erhöhen ihn. Der Heilige wird gepriesen von den Heiligen. Er ist ihr Gott, und sie sind seine Heiligen, die in seiner Liebe leben; er macht sie zu Gesegneten, und sie segnen ihn wieder. Die Kinder Israel. Der HERR kennt die Seinen. Er kennt den mit Namen, mit dem er einen Bund gemacht, und er weiß, wie er zu dem Namen gekommen und wer seine Kinder sind und wo sie sich befinden. Im elften Vers wurden alle Völker aufgefordert, den HERRN zu loben; hier hingegen ergeht der Ruf an sein auserwähltes Volk, das ihn vor allen andern kennt. Leute, die so hoch bevorzugt sind, sollen auch im Lobe hervorragen. Das Volk, das ihm dient, Grundtext: das ihm nahe ist - nahe durch Geistesgemeinschaft und durch Fürsorge, nahe dadurch, dass er sich ihm offenbart, und nahe durch die Liebe, die es ihm erwidert. Das ist eine in hohem Grad ehrenvolle Beschreibung des von Gott geliebten Volkes, und sie gilt in noch tieferem Sinne von dem geistlichen Israel, dem Volke der Gläubigen. Dass wir zu Gott in einem so nahen Verhältniss stehen, sollte uns zu beständiger Anbetung antreiben. Die Erwählten des HERRN sind seine geliebten Kinder, die Hofleute seines Palastes, die Priester seines Tempels; deshalb ziemt es ihnen vor allen andern, von heiliger Ehrfurcht vor ihm und heiliger Freude an ihm erfüllt zu sein. Hallelujah. Das soll das A und das O des Lebens eines Gottseligen sein. Lasst uns Gott loben bis zum Schluss unseres irdischen Daseins, bis zum Ende der Welt und bis in alle Ewigkeit. Das weite Gebiet des Lobpreises, das in diesem Psalme vor uns liegt, ist am Anfang und am Ende durch Marksteine in Form von je einem Hallelujah begrenzt, und alles, was dazwischen liegt, handelt Wort für Wort von dem Ruhme des HERRN.


Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Für die Gesamtauslegung des Psalms ist von besonderer Wichtigkeit, ob man den letzten Vers inhaltlich mit dem Vorhergehenden lose oder eng verknüpft und welche Bedeutung man dem Vers im Ganzen des Psalms beilegt. Ist V. 14 gewissermaßen nur ein partikularistisches Anhängsel zu dem universalistischen Hauptganzen, so dass, nachdem V. 1-7 der Himmel, V. 8-13 die Erde mit allem, was darinnen ist, aufgerufen worden sind, Jehovah als Schöpfer und Regenten zu loben, dann auch noch V. 14 ein besonderer Grund für Israel, den HERRN zu loben, nämlich die Erhöhung Israels, angefügt wird? Luthers Übersetzung, welche V. 14bc als selbständigen Satz abtrennt ("Alle Heiligen sollen loben usw."), führt leicht zu dieser Auffassung, welcher auch Spurgeon gefolgt ist. Es gibt aber eine andere, schon von etlichen alten und von vielen neueren Exegeten (z. B. Delitzsch, Schulz, Keßler, Bäthgen) vertretene Auffassung, wonach V. 14 in engster Verbindung mit dem Vorhergehenden steht und dieser Schlussvers der eigentliche Gipfel des ganzen Psalms ist, auf den alles zielt. Bei dieser Auffassung enthalten V. 5 f. und V. 13 nur die vorläufigen Gründe für den Lobpreis von Himmel und Erde; der eigentliche und letzte Grund, warum das ganze Universum Jehovah loben soll, ist die Erhöhung der Gemeinde aus ihrer Niedrigkeit,
  Nicht von prinzipieller Bedeutung ist hierfür, ob man mit LXX und Hieronymus den Anfang von V. 14 futurisch übersetzt: "Und er wird erhöhen usw.", wonach der Psalm aus der Hoffnung auf Israels Vollendung geboren wäre, oder ob man, was sprachlich ja jedenfalls viel näher liegt, das Imperf. consec. perfektisch übersetzt: "Und er hat erhöht usw.", wonach das Loblied auf die Wiederherstellung Israels aus dem Exil blickt. Diese ist ja doch nur eine Abschattung der künftigen Vollendung, vergl. Jes. 40-66.
  Wie aber ist die Aufforderung an die ganze Schöpfung, auch die unvernünftige und die leblose Kreatur, den HERRN zu preisen, zu begreifen? Ist das einfach dichterische Redeweise ohne irgendwelchen tieferen Gehalt? Diese Erklärung, sagt Delitzsch mit Recht, erklärt nichts. Oder ist es (nur) so gemeint, dass die Kreaturen zu Gottes Lob gereichen und der Mensch dadurch angereizt wird, ihretwegen mit den andern vernunftbegabten Wesen (den Engeln) Gott zu loben? Oder ist auch hier die höchste Poesie, wie wir es in der Tat von ihr erwarten, tiefste Wahrheit, und ruft die Gemeinde deshalb das Weltall zum Lobe Jehovahs auf, weil "sie weiß, dass ihre Erlebnisse eine zentrale und universale Bedeutung haben für das Gesamtleben der Schöpfung, dass die Gnade, die ihr widerfahren, wert ist, alle himmlischen und irdischen Wesen in freudige Erregung zu versetzen" (Del.), kurz, sind hier im Psalm sowie in den verwandten Stellen von Jes. 40-66, die ebenfalls Himmel und Erde zum Jauchzen auffordern ob dem dem Volke Gottes widerfahrenden Heile, die Knospenansätze zu dem, was uns Paulus Röm. 8 in weiterer Entfaltung vorführt? Der Leser findet in den Auszügen durch den ganzen Psalm hindurch mancherlei Äußerungen zu diesen Fragen. - James Millard
  Wird dieser allgemeine Lobpreis der irdischen Schöpfung nie zur Verwirklichung kommen? Ist, was der Psalm ausspricht, nur das sehnsüchtige, inbrünstige Verlangen des Herzens des Dichters, sodass jener Lobgesang nie auf Erden gehört werden, sondern nur im Himmel erschallen wird? Wird es nie ein Jubeljahr geben, in welchem die Berge und die Hügel frohlocken werden mit Ruhm und alle Bäume auf dem Felde mit den Händen klatschen (Jes. 55,12)? Ist kein solcher Tag zukünftig, dann ist das Wort Gottes kraftlos; wird nie solch ein allgemeiner Hochgesang von den Chören des Himmels erschallen und von allem, was auf Erden ist, in gewaltigem Antwortgesang zurückhallen, dann ist Gottes Verheißung nichtig. Allerdings stellt sich der Inhalt des Psalms zunächst als ein ermahnender oder bittender, einladender Aufruf dar an alles Geschaffene, ob es Odem hat oder nicht, den HERRN zu preisen; in Wirklichkeit haben wir den Psalm jedoch als eine Vorhersagung anzusehen, dass alle die darin genannten Geschöpfe den HERRN preisen werden.3 Dieser Psalm ist nicht mehr und nicht weniger als eine herrliche Weissagung auf den kommenden Tag, da nicht nur die Erkenntnis der Herrlichkeit Jehovahs über die Erde ausgebreitet sein wird, wie Wasser das Meer bedeckt (Hab. 2,14), sondern wo auch alle geschaffenen Wesen im Himmel und auf Erden, belebte und leblose, von dem höchsten Erzengel durch alle Stufen und Formen des Seins bis zu dem winzigsten Atom, alles, auch alle Menschen, Jünglinge und Jungfrauen, Alte mit den Jungen, und alle Könige und Fürsten und Richter und Völker der Erde sich in diesem Lobgesang des Tausendjährigen Reiches zu des Erlösers Lobe vereinigen werden. Barton Bouchier † 1865.
  Der "Gesang der drei Männer im Feuerofen", eine alexandrinische Einschaltung in Daniel 3, ist eine Nachbildung von Ps. 148. Lic. H. Keßler 1899.
  John Milton hat in seinem "Verlorenen Paradies" (1665) im fünften Gesang diesen Psalm vortrefflich in freier Weise nachgebildet und ihn Adam und Eva als Morgenlied in den Mund gelegt. Den Anfang der betretenden Stelle haben wir bereits im III. Bande, Seite 71 f. zu Ps. 92,6 angeführt und geben hier die Fortsetzung:

  Ihr Engel, sprecht, ihr seid die besten Zeugen,
  Des Lichtes Söhne, denn ihr sehet Ihn
  Und wallt mit Chören voller Harmonie
  In Tagen ohne Nacht um seinen Thron.
  Auf Erden einen alle Wesen sich,
  Um ihn zu preisen, der als Anfang, Schluss,
  Als Mitte sondern Ende sich erweist.
  Du schönster Stern, der im Gefolg der Nacht
  Der letzte, wenn du nicht der Dämmrung
  Mehr angehörst, des Tages Unterpfand,
  Der du den Morgen krönst mit deinem Kranz
  Voll Strahlen, preise du in deiner Sphäre
  Ihn da der Tag beginnt, in süßer Stunde!
  Du Sonne, dieser Welten Aug’ und Seele,
  Erkenne jetzt ihn als Gebieter an,
  Lass du sein Lob im ewigen Lauf erschallen,
  Wenn du emporsteigst, wenn zur Mittagshöhe
  Du dich erhebst, und wenn du niedergehst!
  O Mond, der du der Sonne bei dem Aufgang
  Begegnest und mit jenen Sternen fliehst,
  Die festgeheftet in ganz engem Kreise,
  Und ihr fünf andern Wandelfeuer dort,
  Die in melodischem Tanze sich bewegen,
  Verkündiget sein Lob, der aus der Nacht
  Das Licht erschuf! - Luft und ihr Elemente,
  Ihr erstgebornen Kinder der Natur,
  Die vierfach ihr im ewigen Kreise wandelt,
  Vielförmig, alle Dinge mischt und nährt,
  Lasst euren Wechsel immerdar erneu’n,
  Des großen Schöpfers neues Lob zu künden.
  Ihr Dünst’ und Nebel, die ihr jetzt vom Hügel,
  Vom Dampf der See euch düstergrau erhebt,
  Bis euren woll’gen Saum mit Gold die Sonne
  Bemalt, steigt auf zu eures Schöpfers Ehre!
  Mit Wolken schmückt die farblos leere Luft,
  Mit Regen tränkt der Erde heißen Durst,
  Im Steigen wie im Fallen preiset Ihn!
  Ihr Winde, die ihr von vier Enden her
  Der Erde weht, haucht sanft und laut sein Lob!
  Neigt eure Wipfel, all ihr Fichtenbäume
  Samt allen Pflanzen, zollt Anbetung Ihm!
  Ihr Quellen, die ihr fließend lieblich murmelt,
  Verkündet rauschend eures Schöpfers Preis!
  Eint euch mit ihnen, all ihr Lebenden,
  Ihr Vögel, die ihr euch gen Himmel schwingt,
  Tragt auf den Schwingen in den klarsten Tönen
  Sein Lob empor! Die ihr im Wasser gleitet,
  Und die ihr auf der Erde stattlich wandelt
  Und niedrig kriechet, o bezeuget all,
  Ob morgens oder abends je ich schweige,
  Vor Hügeln oder Tal, vor Quell und Schatten,
  Die ich durch meiner Stimme Laut belebe,
  So dass sie Echo sind von seinem Lob.
  Heil dir, o Herr der Welt, sei gütig stets,
  Uns Gutes nur zu geben; wenn die Nacht
  Uns Böses spendet oder auch verbirgt,
  Vertreib’ es, wie das Licht die Dunkelheit!


V. 1. Lobet usw. Alle Dinge loben, und doch sagt er: Lobet! Warum sagt er das denn noch? Weil er an ihrem Lobpreisen Wohlgefallen hat und es ihm darum eine Lust ist, auch seinerseits eine Ermunterung hinzuzufügen. Er macht es gerade wie du, wenn du zu Leuten kommst, die in ihrem Weinberg oder auf dem Erntefeld gute Arbeit mit Lust verrichten, und du freust dich über das, womit sie beschäftigt sind, und sagst zu ihnen: "Arbeitet nur frisch drauf los! Nur vorwärts!" Du meinst damit nicht, dass sie faul seien und erst recht zu arbeiten beginnen sollen, sondern weil es dich freut, sie an der Arbeit zu finden, rufst du ihnen ein Wort des Beifalls und der Ermunterung zu. Indem du das tust, arbeitest du sozusagen dem Wunsche nach mit ihnen. In diesem Sinne redet hier auch der Psalmist. Aurelius Augustinus † 430.
  Das dreimal in diesem ersten Vers wiederholte "Lobet, lobet, lobet" ist nicht nur gebietend oder ermahnend, sondern ist ein frohlockendes Hallelujah. Prof. Martin Geier † 1681.
  Vom Himmel her usw. (Grundtext) Wie Gott bei dem schöpferischen Bilden der Welt oben begonnen und von dort abwärts gewirkt hat, so geht auch der Psalmist bei dieser Ermahnung an alle Kreaturen, den HERRN zu preisen, vor. John Trapp † 1669.
  Lobet ihn in den Höhen. Der Grundsatz, der in diesem Vers angewandt wird, ist der, dass diejenigen, welche zu den höchsten Ehren der ganzen Schöpfung erhöht sind, sich auch im entsprechenden Verhältnis auszeichnen sollen im Rühmen der Ehre dessen, der sie also erhöht hat. Prof. Herm. Venema † 1787.
  Bernhard von Clairvaux († 1153) berichtet in seiner auf den Tod seines Bruders Gerhard gehaltenen Predigt, dass sein Bruder mitten in der letzten Nacht seines Erdenlebens zum Erstaunen aller Anwesenden mit frohlockender Stimme und verklärtem Antlitz in die Worte des Psalmisten ausgebrochen sei: Lobet den HERRN vom Himmel, lobet ihn in den Höhen! C. H. Spurgeon 1885.


V. 2. Lobet ihn, alle seine Engel. Die Engel waren Gottes erste Geschöpfe; manche halten dafür, dass sie sogar schon vor dem unbeseelten Weltall vorhanden gewesen seien. Sie lobten ihren Schöpfer schon vor dem Licht des ersten Tages, und sie haben seither nie mit ihrem heiligen Gesang aufgehört. Die Engel loben Gott am besten in ihrem heiligen Dienst. Sie lobten Christum als Gott, als sie bei der Fleischwerdung Gottes ihr Gloria in excelsis sangen, und sie lobpreisen ihn als Menschen, als sie ihm dienten nach der Versuchung und vor der Kreuzigung. Ebenso preisen die Engel jetzt den HERRN durch den muntern Frohsinn, mit dem sie seinen Heiligen dienen. Joh. Lorinus † 1634.
  Die Engel werden zuerst aufgerufen, weil sie Gott mit voller Demut, Ehrfurcht und Reinheit loben können. Die Höchsten sind die Demütigsten, die Anführer all der Heere der Geschöpfe auch die ersten in der Bereitschaft, selber dem HERRN zu huldigen und zu gehorchen. Th. Le Blanc † 1669.
  Lobet ihn, all sein Heer, nämlich das geschaffen ist, dass es ihm dienen solle zu Krieges- und Friedenszeiten. Martin Luther † 1546.
  Lobet ihn, alle seine Heere (Grundtext), d. i. alle seine Geschöpfe (vor allem die eben vorher genannten, die gleichsam seine Reiterei sind), seine Heere genannt erstens wegen ihrer Zahl, zweitens wegen ihrer Ordnung, drittens wegen ihres Gehorsams. John Trapp † 1669.


V. 3.4. Möge die Sonne, die Quelle des Lichtes und der Wärme und Freude, das große Licht, das den Tag regieret, das sichtbare Sinnbild der unerschaffenen Weisheit und des Lichtes, das alle Menschen erleuchtet, des Mittelpunktes, um den sich alle unsere Hoffnungen und Befürchtungen, unsere Erkenntnis unseres Mangels und unsere Gebete, unser Glaube und unsere Liebe beständig bewegen - möge der Mond, das kleinere Licht, das die Nacht regieret, das Abbild der Gemeine, die der Welt das Licht gibt, das sie von der Sonne der Gerechtigkeit empfängt - mögen die Sterne, so gewaltig an Zahl, so lieblich in ihrer Anordnung und ihrem blinkenden Lichte, sie, die Gott an den Himmel gesetzt, dass sie leuchten, wie er seine Erwählten dazu bestimmt hat, zu leuchten wie die Sterne immer und ewiglich - mögen aller Himmel Himmel mit allen ihren Wundern und allen ihren Welten, mit ihren unermesslichen Weiten des Raumes, und die Wasser droben, die über dem Firmament sind, die Abbilder von Gottes heiligen Schriften und den herrlichen Schätzen und Geheimnissen, die darinnen enthalten sind - mögen diese alle immerdar ihn preisen, der sie am Anfang gemacht und sie gesegnet hat. J. W. Burgon 1859.


V. 4. Lobet ihn, ihr Himmel der Himmel. (Wörtl.) Von den Bewohnern des Himmels geht der Dichter über zu den Himmeln selber. Es gibt Ordnungen von Himmeln, höchste Höhen von vornehmstem Range, und Stufen und Stationen von geringerer Höhe. Der Vers durchschreitet feierlich die unermesslichen Fernen, welche die Heimat der allerhöchsten Würdenträger sind, die unmittelbar vor Gott dienen, und steigt dann nieder zu dem Firmament, wo die Meteore aufblitzen und wo die Himmel sich neigen, um die Wolken emporzuziehen, die von der Erde aufsteigen. Und der leitende Gedanke ist, dass alle diese gewaltig großen Herrschaftsgebiete des Ewigen, die höheren und die niederen, ein großer Tempel nimmer aufhörenden Lobpreises sind. Prof. Herm. Venema † 1787.
  Die Wasser über den Himmeln. (Wörtl.) Die Alten dachten sich, es gebe einen ätherischen, hoch erhabenen Ozean, worin die Welten schwömmen wie Schiffe in einem Meer. Thomas Le Blanc † 1669.
  Die Wasser über dem Himmel sind nicht die Wolken, sondern die nach der Vorstellung des Altertums über dem Firmament vorhandenen Wasservorräte. Lic. Hans Keßler 1899.
  Die Wasser, welche oberhalb der Himmel, sind die Speicher des Regens. Die Schrift bekennt aber auch vom ersten Blatte bis zum letzten das Dasein himmlischer Wasser, zu welchen sich die Regenwasser als aufwärts weisender Fingerzeig verhalten (siehe 1. Mose 1,7). Prof. Franz Delitzsch † 1890.


V. 5. Die Aufforderung an die Wasser, Jahve zu preisen, erklärt Bar Hebräus († 1286): Sie loben ihn schweigend, wie Sonne, Mond, Sterne, Berge usw. Der Dichter würde also sagen, dass schon die bloße Existenz dieser gewaltigen Schöpfungswerke ein Lobpreis Gottes ist. Aber nach V. 14 liegt ein besonderer, auf Israel bezüglicher Anlass zu diesem Lobpreis vor; es kann also nicht der täglich sich wiederholende stumme sein. Man wird daher in jener Aufforderung nur eine kühne poetische Wendung erblicken dürfen; der Dichter fordert alles, was im Himmel ist, auf, an dem Lobpreis Jahves teilzunehmen Prof. Friedrich Baethgen 1904.


V. 6. Hier werden uns zwei Dinge vorgeführt, die Dauer und die kosmische Ordnung der Schöpfung. Jedes geschaffene Ding ist nicht nur dazu gebildet, um fortzubestehen, wenn nicht als Einzelwesen an sich, so doch in der Gattung oder in einer höheren Entwicklungsstufe des Daseins, sondern es hat auch seinen durch Gottes Ratschluss fest bestimmten Platz im Weltganzen, damit es den ihm zugewiesenen Teil der Aufgabe der Schöpfung erfülle, den göttlichen Willen auszuwirken. - Man hat die Frage aufgeworfen, wie die Worte: "Er hat sie hingestellt für immer und ewig" mit der Weissagung Jes. 65,17 zu vereinigen seien, wo es heißt: "Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken wird", einer Weissagung, die durch den Herrn Jesum selber bestätigt wird, da er sagt: "Himmel und Erde werden vergehen" (Lk. 21,33), und die der Seher in der Offenbarung erfüllt schaut (Off. 21,1). Die Alten antworten: Gerade wie ein Mensch stirbt und zur Unvergänglichkeit wieder aufersteht und dabei die gleiche Persönlichkeit ist in einem verklärten Leibe, ähnlich wird es mit Himmel und Erde sein. Ihre Eigenschaften werden in der Wiedergeburt aller Dinge verändert werden, nicht aber wird ihre Identität dadurch aufhören. James Millard Neale † 1866.
  Die Deutung der letzten Worte des Verses rOb(Aya)low: macht Schwierigkeit durch die Frage,
was als Subjekt zu denken sei. Da in den vorhergehenden Teilen des Verses Gott Subjekt ist, liegt es sprachlich nahe, mit Hitzig auch diese Schlussworte auf Gott zu beziehen: Er hat ein Gesetz gegeben, und nicht übertritt (überschreitet) er es. Allein die Sprache der Bibel hat eine geziemendere Weise, den Gedanken auszudrücken, dass Gott die Naturordnung unverbrüchlich einhalte, wofür Delitzsch auf Jer. 31,36; 33,20 verweist. Die LXX nehmen Gesetz als Subjekt und fassen das Zeitwort in der Bedeutung vergehen: Er hat ein Gesetz gegeben, und es wird nicht vergehen. Hiergegen ist einzuwenden, dass das betreffende Zeitwort in Verbindung mit dem Begriff Gesetz stets überschreiten, übertreten heißt. Delitzsch fasst daher den Singular des Verbs als individualisierenden: und keines (der vorher genannten himmlischen Wesen) überschreitet es, nämlich das ihm vom Schöpfer gegebene Gesetz. Die einfachste Lösung ist jedoch wohl die, anzunehmen, es liege ein alter Schreibfehler vor für Wrbo(Aya: und sie überschreiten es nicht. Die unregelmäßige scriptio plena rwb(y legt diese Annahme besonders nahe. Wir haben denn auch in der Auslegung danach übersetzt. - James Millard


V. 7-10. Manches in diesen Versen ist leicht zu verstehen, wie wenn der Psalmist Könige und Fürsten, Greise und Kinder auffordert, den HERRN zu preisen. Dunkel und schwer zu begreifen aber ist, dass der Psalmist stumme und unvernünftige Geschöpfe, die nicht hören, mindestens nicht verstehen können, was er sagt, Gott zu loben ermahnt. Befiehlt uns nicht der Heilige Geist im Evangelium, unnütze Worte und müßige Wiederholungen zu meiden, und sollen wir da denken, dass er sie selber gebrauche? Gewiss nicht. Ja, nicht nur jene Geschöpfe, sondern sogar die leblose Kreatur, die Tiefen des Meeres, Blitz und Hagel, Berge und Bäume usw. ruft er zum Lobe Gottes auf. Wie ist das zu begreifen? Ein Grund mag der sein: Der Psalmist tut seine Pflicht wie ein treuer Prediger; ob sie hören oder nicht, er waltet seines Amts. Auch sind seine Worte ein beredter Beweis seines glühenden Verlangens, dass Gott von allen seinen Kreaturen Preis haben möge. Ferner tut er es mit Hinterlist, um andere dadurch anzureizen. Wenn schon solche Geschöpfe Gott loben sollten, wie viel mehr müssen sich die Menschen, die hoch über jenen stehen, schämen, wenn sie im Lobe Gottes nachlässig sind. Dann will er aber auch ohne Zweifel uns auf die herrliche harmonische Musik, die in der Schöpfung zu Gottes Preis erschallt, aufmerksam machen, da alle geschaffenen Wesen jedes auf seine Weise zum Lob des Schöpfers beitragen. John Everard 1653.


V. 8. Sturmwind und Wetter sind Diener Gottes, die seine Gerichte ausführen (vergl. Hes. 13,13) uns aber auch viele Wohltaten bringen. Solche Schriftworte haben besonderen Zweck und Nutzen; denn die Menschen sind ungemein geneigt, das Ungestüm der Stürme und Unwetter dem blinden Zufall zuzuschreiben. Prof. Martin Geier † 1681.
  Der Halbgebildete ist geneigt, über den einfältigen Glauben des Landmanns oder des Wilden zu lächeln, die sagen, der Regen komme von Gott. Er hat ja doch, wie er meint, herausgefunden, dass der Regen das Ergebnis gewisser Gesetze von Luft, Wasser und Elektrizität sei. In Wahrheit ist jedoch der einfältige Bauer der Erleuchtetere, denn er hat die Grundursache und den eigentlich Handelnden herausgefunden, während der andere nur die Mittelursache und das, was dem Handelnden als Werkzeug dient, ins Auge fasst. Es kommt uns das gerade vor, wie wenn ein Freund uns ein Geschenk von sinnreich ausgedachter, schöner Arbeit sendete und jemand, der gerade dabei wäre, in dem Augenblick, da die Dankbarkeit gegen den Geber in uns aufstiege, diese zu dämpfen versuchen würde, indem er die Bemerkung hinwürfe, das Geschenk sei das Erzeugnis einer gewissen Maschine, die er gesehen. James Mac Cosh 1811.


V. 9. Den Fruchtbäumen, vom Menschen gepflanzt und gepflegt, stehen die Zedern, vom HERRN selber gepflanzt (Ps. 104,16), als Vertreter der Bäume des Waldes gegenüber, gerade wie V. 10 das Wild dem Vieh, den zahmen Haustieren. A. S. Aglen 1884.
  Alle Zedern. Schön ist in der Tat der Nadelwald zu allen Jahreszeiten: schön in der Frische des Frühlings, wenn der sanfte Wind und die wärmende Sonne durch die buschigen Zweige dringen und sie erweichen und diese Zweige, von neuem Leben durchflutet, in Fransen und Quasten vom frischesten Grün und Zäpfchen vom zartesten Purpur ausbrechen; schön in der heißen Sommerzeit, wenn in seinem kühlen dunkeln Schatten die Stunden den ganzen Tag im Zauberlicht der Dämmerung Vesperlieder singen, während die offene Landschaft in der sengenden Hitze zuckt; schön in der schwermütigen Herbstzeit, wenn sein unverwelkliches Grün sich wie erhabene Arbeit, von Künstlerhand gemeißelt, darstellt und zu all den wechselnden Bildern umher, die mit nichts Irdischem außer Wehmut und Sterbensgedanken in innerer Übereinstimmung sind, in so auffallendem Gegensatze steht und unsere Gedanken auf die Unvergänglichkeit des himmlischen Paradieses lenkt; schön, außerordentlich schön im tiefen Winter, wenn die regelmäßigen Reihen der Zweige mit blendend weißen, von keinem Flecken verunzierten Lasten von Schnee bedeckt sind, die der Wind in ornamentale Linien von unübertrefflicher Anmut formt. Schön ist der Nadelwald beim stillen Wetter, wenn die Baumwipfel kaum miteinander flüstern und nur das muntere Gezwitscher des Zaunkönigs das allgemeine erwartungsvolle Schweigen der Natur durchbricht; schöner noch, mehr als schön im Sturm, wenn der Wind mit wilder Leidenschaft die schwermütigste Musik auf der mächtigen Harfe der Tannen spielt und die vollen Akkorde des Waldes an Erhabenheit wetteifern mit dem Brausen des Meeres an felsenumgürteter Küste. Ich wundere mich gar nicht darüber, dass die Einbildungskraft der nordischen Völker in den Zeiten des Heidentums den Fichtenwald mit Scheu und Schrecken umhüllt hat als den Lieblingsaufenthalt von Thor und Odin; oder dass in späteren Zeiten seine langen, in der matterhellten Ferne verschwindenden Reihen von Stämmen den Grundgedanken für die Säulengänge der christlichen Kirchen dargereicht haben, oder dass die untergehende Sonne, indem sie ihre Lichtglut durch das Maßwerk des Gezweiges warf und es in allerlei Farben erstrahlen machte, dem Kunstsinn die prunkvollen buntgemalten Fenster der Dome eingab. Der hehre Tannenwald erweckt ganz den Eindruck einer zum Gottesdienst bereiteten Stätte; alle Gefühle und Gedankenverbindungen, die er in dem empfänglichen Gemüt hervorruft, sind von geweihter, feierlicher Art. Es ist, wie Longfellow sagt: "Die Natur scheint da mit gefalteten Händen im Gebet zu knien". Der Wald führt auf mannigfaltige Weise unsere Gedanken auf die Macht, Weisheit und Güte dessen, der durch den Mund seines Propheten gesagt hat: Ich will in der Wüste geben Zedern, Akazien, Myrten und Kiefern und Tannen, auf dass man sehe und erkenne und merke und verstehe, dass des HERRN Hand habe solches getan und der Heilige in Israel habe solches geschaffen (Jes. 41,19 f.). Hugh Macmillan 1867.


V. 10. Gewürm. An dem Lobpreis der Geschöpfe soll sich alles beteiligen ohne Ausnahme. Die kleinen Instrumente oder die kurzen Orgelpfeifen dienen ebenso zur Vervollständigung der Harmonie wie die großen. Ebenso sei es in dem Gottesdienst der Gemeinde. Th. Goodwin † 1679.


V. 11. Da Könige und Fürsten durch ihre hohe Stellung verblendet werden, so dass sie meinen, die Welt wäre um ihretwillen gemacht, und in dem Stolz ihres Herzens Gott gering achten, ruft der Psalmist sie ganz besonders zu der Pflicht, den HERRN zu loben, auf; und damit dass er sie zuerst nennt, tadelt er ihre Undankbarkeit, dass sie ihren Tribut des Lobes vorenthalten, während sie doch unter größerer Verpflichtung stehen als andere. Da ursprünglich alle Menschen, was den Stand betrifft, einander gleich waren, sind die zu Würden Gekommenen, je höher sie gestiegen sind und je näher sie durch ihr Amt Gott gekommen sind, auch desto heiliger verpflichtet, Gottes Güte zu verkündigen. Desto unerträglicher aber ist die Gottlosigkeit solcher Könige und Fürsten, welche für sich Freiheit von der allgemeinen Verordnung beanspruchen, wo sie diese doch vielmehr andern einschärfen und in der Befolgung derselben den andern vorangehen sollten. Der Psalmist hätte seine Ermahnung sofort kurz zusammengefasst an alle Menschen richten können, wie er denn in der Tat gleich darauf die Völker im Allgemeinen erwähnt; indem er aber Könige, Fürsten und Richter besonders nennt, gibt er zu verstehen, dass diese in der Erfüllung jener Pflicht träge sind und dazu angetrieben werden müssen. Jean Calvin † 1564.
  Ihr Erdenkönige und all ihr Erdenrichter. Das sind keine stolzen, sondern sehr demütigende Titel; denn Könige und Richter der Erde werden nicht lange Könige und Richter sein. C. H. Spurgeon 1885.


V. 12. Ihr Jungen, ihr Jünglinge und Jungfrauen, wie wäre es, wenn die Sonne auf die Anforderung, den HERRN zu loben (V. 3), antworten wollte: "Ich will es nicht am Morgen und am Mittag tun, sondern erst am Abend, wenn ich im Begriff bin, unterzugehen?" Oder wenn die Bäume (V. 9) sprächen: "Ich will es nicht im Frühling und nicht im Sommer tun, sondern wenn mein Laub abfällt?" Lieber junger Mann, schiebe es nicht auf ein späteres Lebensalter auf, den HERRN zu preisen! Er, der sich nennt: "Ich bin" (Jehovah), gibt nichts um ein "Ich will es später tun", so wenig wie um das "Ich hab’ es früher getan", sondern er fordert dich heute auf, auf seine Stimme zu hören und ihm die Ehre zu geben. Thomas Cheshire 1641.
  Alte. Ihr, die ihr dem Lebensende nahe seid, denket nicht, dass eure Zungen ohne Versündigung vom Lobe des HERRN schweigen können, weil ihr zu den Jahren gekommen seid, von denen ihr saget: Sie gefallen mir nicht. Habt ihr etwa weniger oder nicht vielmehr größere Ursache, den HERRN jetzt zu loben, als in euren früheren Lebenstagen, da ihr Knaben und Jünglinge wart?
  Die Alten sollten doch besser als junge Leute befähigt sein, den Ruhm des HERRN zu verkündigen, weil sie mehr Zeit und reichere Gelegenheiten gehabt haben, den HERRN, sein Wesen und sein Walten kennen zu lernen. "Lass das Alter reden, und die Menge der Jahre lass Weisheit beweisen" (Hiob 32,7).
  Die Himmel erzählen Tag für Tag die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk. Ein Tag sagt’s dem andern, und eine Nacht tut’s kund der andern. (Ps. 19,1.2) Habt ihr denn nun bei 55 oder 60 Jahren an die zwanzigtausend Tage und zwanzigtausend Nächte gelebt oder mehr, welch tiefe Eindrücke sollten dann in eurem Gemüte sein von den Wundern, die euch in Auge und Ohr gepredigt worden sind die ganze Zeit über, seit ihr eure Sinne als Diener eurer Verstandeskräfte habt gebrauchen können! Alles um euch her in Himmel, Erde, Feld und Wald, alle Werke Gottes loben ihn, indem sie ins Licht stellen, wie wunderbar an Macht, Güte und Weisheit der Schöpfer ist. Ja, die Glieder eures eigenen Leibes und jede Fähigkeit eurer Seele verkündigen euch den Ruhm Gottes. Aber in unserem hochbevorzugten Lande haben die Alten noch vortrefflichere Unterweisungen erhalten, als die Werke Gottes um uns und an uns sie darreichen. Viele Jahre länger als die Jünglinge oder Jungfrauen habt ihr die christliche Wahrheit gehört, seid ihr in der Schule Christi gewesen - oder wenn das nicht der Fall wäre, dann wäret ihr aufs höchste zu tadeln. Früh seid ihr gelehrt worden, das Wort Gottes zu lesen. Im Laufe eurer fünfzig oder sechzig Jahre habt ihr wahrscheinlich an sechstausend Predigten von Christi Dienern gehört, all der andern euch zu Gebote stehenden trefflichen Mittel, in der Erkenntnis des HERRN zu wachsen, nicht zu gedenken. Auch euch kann der Apostel sagen. "Der Zeit nach solltet ihr sogar Lehrer sein" (Hebr. 5,12). Darf man da nicht erwarten, dass euer Herz und Mund von dem Lobe Gottes voll sei, von seinem Lobe nicht nur als eures Schöpfers, sondern auch als eures Erlösers?
  Ist ferner nicht jeder Tag, jede Stunde, jeder Augenblick eures langen Lebens eine unverdiente Gnade? Ihr hättet von der Mutterbrust weg dahingerafft werden können, denn ihr seid in Sünden empfangen und geboren. Wie viele der zu eurer Zeit Geborenen sind schon in jungen Jahren gestorben, noch ehe sie, was rechts und links und was gut und bös ist, unterscheiden konnten. Seit ihr sittlich verantwortlich seid, ist kein Tag vergangen, an dem ihr euch nicht gar mancher Sünden schuldig gemacht habt. Welche Fülle von Langmut hat sich kundgetan in einem Leben von sechzig oder siebenzig Jahren! Habt ihr diese ganze Zeit bisher in der Sünde gelebt? Habt ihr dann nicht allen Grund, darüber erstaunt zu sein, dass ihr noch nicht in einem Zustand seid, der es euch für ewig unmöglich machen würde, Gottes Lob zu singen? O darum sagt doch Gott Dank und Preis, der euch bis hierher das Leben erhalten hat!
  Bedenket ferner, mit wie vielen Wohltaten eure Tage angefüllt worden sind. Gottes Gnade ist jeden Morgen über euch neu gewesen, obwohl ihr euch jeden Tag gegen ihn versündiget habt.
  Gehört ihr aber zu denen, welche von der Obrigkeit der Finsternis errettet und in das Reich des Sohnes der Liebe Gottes versetzt worden sind - wer hat das gemacht, dass ihr von andern unterschieden seid? O sagt ihm Dank! Seid ihr imstande gewesen, irgendwelche guten Werke in eurem Leben zu vollbringen? Für jedes derselben gebt Gott die Ehre, der in euch gewirkt hat beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen (Phil. 2,13). Sind eure Bemühungen zur Rettung von Seelen und zur Förderung ihrer geistlichen Wohlfahrt erfolgreich gewesen? Wie könnet ihr Gott je genugsam dafür Dank erstatten, dass er euch zu Werkzeugen seiner Gnade gemacht hat?
  Aber es sind der Alten so viele, die keinen Grund haben zu denken, dass sie vom Tode zum Leben hindurchgedrungen sind. Die sind freilich dazu sehr untauglich, Gott zu loben, es sei denn dass jene Umwandlung mit ihnen vorgehe, ohne welche niemand je in das Reich Gottes kommen wird. Dennoch haben sie besondere Ursache zum Lobe Gottes. Ja, ihr habt größere Ursache als die Gläubigen, dafür Gott zu danken, dass ihr noch im Lande der Lebendigen seid, weil euch, wenn euer gegenwärtiges Leben euch genommen wurde, nichts bliebe als die Schrecken des ewigen Todes. Lobet Gott, die ihr fünfzig oder sechzig Jahre ohne Gott dahingelebt habt und doch noch heute durch das Evangelium zu dem Heile berufen werdet, das ihr so lange verachtet habt! George Lawson † 1820.


V. 12.13. Alte, eigentlich Greise ... die sollen loben den Namen des HERRN. Es ist mir ein Lieblingsgedanke, dass wir, wenn uns das Leben bis zu sechzig Jahren erhalten worden ist, dann in das siebente Jahrzehnt eintreten und dass dieses womöglich zum Sabbat unserer irdischen Pilgerschaf gemacht und sabbatlich zugebracht werden sollte, als von solchen, die am Ufer der ewigen Welt oder gleichsam im Vorhof des Tempels droben, des himmlischen Heiligtums stehen. Thomas Chalmers † 1847.

V. 12. Alte mit den Jungen. Es ist stets anziehend, Freundschaft zwischen Alten und Jungen zu sehen. Es ist eine angenehme Überraschung, wenn wir einen Greis sich so viel Frische und Einfalt bewahren sehen, dass er die Gefühle des Knaben- und Jünglingsalters nicht von sich stößt. Und ebenso angenehm überrascht es, wenn wir einen Knaben oder Jüngling so gereift und nachdenksam sehen, dass ihm die Gesellschaft eines Menschen nicht langweilig wird, für den die Erregbarkeit und Leidenschaftlichkeit der Jugend etwas Überlebtes ist. Fred. W. Robertson † 1853.


V. 13.14. Genau wie am Schlusse des ersten Teils des Psalms (V. 5) und mit den gleichen einleitenden Worten folgt die Begründung der Ermahnung zum Lobe Gottes in dem folgenden Satz. Aber der angegebene Grund selbst ist verschieden. Er lautet nicht mehr: weil Gott den Geschöpfen eine Gesetzesordnung gegeben, sie als passive, des Selbstbewusstseins und des Willens ermangelnde Kreaturen durch ein Gesetz gebunden hat, das sie nicht übertreten können. (Es ist das schaurige Mysterium des vernunftbegabten Willens, dass er das göttliche Gesetz übertreten kann.) Die jetzt angeführten Gründe sind, dass Jehovahs Name erhaben ist, so dass die Augen der Menschen ihn sehen und Herz und Zunge der Menschen ihn bekennen können, und dass er sich in Gnaden geoffenbart und seine mächtige Hilfe erwiesen hat dem Volke, das der Gegenstand seiner besondern erwählenden Liebe ist und ihm nahe steht. Wenn man sagt, dass somit das Lied, das bis dahin seinem Grundriss nach augenscheinlich zu einer großartigen, das ganze Weltall umfassenden Hymne bestimmt war, an seinem Schluss verengt wird, so ist daran zu erinnern, dass, obwohl in so weit umfassender Weise die Herrlichkeit Gottes der sichtbaren Schöpfung auch aufgezeichnet ist, doch einzig dem Volke Israel eine unmittelbare Offenbarung des Wesens Gottes gegeben worden war. J. J. St. Perowne 1868.

V. 13.14. Alle die von V. 1 an genannten Wesen sollen den Namen Jahves loben, denn sein Name, er (der Gott dieses Namens) alleine ist so hoch, dass kein Name an ihn auch nur von ferne hinanreicht; sein Ruhm (seine ruhmreiche Selbstbezeugung) erstreckt sich über Erde und Himmel (vergl. Ps. 8,2). Das "Denn" führt, ohne dass man scheiden kann und soll, sowohl Stoff als Grund des Lobpreises ein, und dass das Verlangen des Dichters in "sie sollen loben" alle genannten Wesen zusammenfasst, sieht man daraus, dass er, von den näher genannten auf die ferner genannten zurückblickend, "Erde und Himmel" sagt. In V. 14 setzt sich die Angabe des Gegenstandes und Grundes des Lobpreises fort. Der Beweggrund, aus welchem der Aufruf aller Kreaturen zu Hallelujah hervorgeht, nämlich die neue Gnade, die Gott seinem Volke erwiesen (dass er ein Horn seinem Volke erhöht hat - Lob [wir sagen: zu Lob] allen seinen Frommen, den Kindern Israel, dem ihm nahe stehenden Volke), ist zugleich des Hallelujah, welches erschallen soll, letzter Grund; denn die Gemeinde Gottes auf Erden ist der Mittelpunkt des Weltalls, der Zielpunkt der Weltgeschichte, und die Verherrlichung dieser Gemeinde ist der Wendepunkt der Weltverklärung. Auch die Aufforderungen Jes. 44,23; 49,13, vergl. Jes. 52,9, und die Schilderungen Jes. 35,1 f.; Jes. 41,19; 55,12 f. gehen von der Anschauung aus, welche Paulus Röm. 8,18 ff. auf neutestamentlich klaren Ausdruck bringt. In dem Bewusstsein ihrer Hoheit, die in dem Namen liegt: "das Volk, das ihm nahe steht", tritt das Volk des heilsgeschichtlichen Gottes in diesem Psalm als Chorführer aller Kreaturen auf und stimmt ein von Himmel und Erde nachzusingendes Hallelujah an. - Nach Prof. Franz Delitzsch † 1890.


V. 14. Und er hat ein Horn seinem Volke erhöht usw., d. h. er hat seinem Volke wieder zu Macht und Ansehen verholfen; vergl. Ps. 75,6; 89,18.25; 92,11. Der Gedanke ist derselbe wie z. B. Ps. 117,1.2 und öfters: Alle Welt soll Jahve preisen, nicht bloß weil er im Weltall und durch dasselbe sich glorreich verherrlicht hat (V. 13 b, c), sondern mehr noch, weil er sein Volk Israel, von dem aller Welt Gedeihen abhängt, erhöht und groß gemacht hat. Die alttestamentliche Gottesgemeinde stellt hier sich selbst und das ihr durch ihren Gott geschenkte Heil in den Mittelpunkt des geschichtlichen Werdens und des kosmischen Seins. Wer in dem auch an die leblose Natur gerichteten Aufruf zum Lobe Jahves nur eine aus überschwänglicher Empfindung stammende poetische Hyperbel (Übertreibung) sehen will, entleert den Psalm. Lic. H. Keßler 1899.
  Luther hat 1517 nach LXX und Hieronymus übersetzt: Das Volk, das zu ihm nahet, später: das ihm dienet. Diese Übersetzung beruht darauf, dass der Ausdruck "dem HERRN nahe sein" oder "ihm nahen" manchmal von dem priesterlichen Nahen zu Gott gebraucht wird. Vergl. z. B. 3. Mose 10,3; Hes. 44,13.15. Der Ausdruck bezeichnet jedoch hier wohl allgemein die Vertrautheit mit Gott; Israel ist das Volk, das in der Nähe Jehovahs weilt, weil Jehovah sich ihm nahe gemacht hat, 5. Mose 4,7. Der ungewöhnliche Ausdruck Obroq: für Ol bOrqf (buchstäblich: das Volk seines Nahen, d. i. das Volk, das sein Naher ist) lässt sich leicht (mit Riehm) nach 3. Mose 10,3 in wbfroq: (das Volk derer, die ihm nahe sind) umändern; doch ist dies nicht unbedingt nötig. - James Millard
  Das Volk, das ihm nahe ist - das ihm nahe war vor alters und das ihm einst wiederum nahe sein soll, ja am nächsten von allen Völkern der Erde, wenn er sie aus ihrer Zerstreuung zurückrufen und wiederum seinen Namen und seinen Thron unter ihnen aufrichten wird. Hallelujah! William De Burgh 1860.
  Jesus nahm unsere Natur an und ward eins mit unserem Geschlecht, so ist er uns nahe. Er gibt uns seinen Heiligen Geist, bringt uns in innige Vereinigung mit sich selber, so sind wir ihm nahe. Das ist unsere höchste Ehre, eine nie versiegende Quelle des Glückes und des Friedens. Wir sind Gott nahe durch Verwandtschaft, da wir Gottes Kinder sind; wir sind ihm nahe durch Zuneigung, da wir mit ewiger Liebe geliebt sind; wir sind ihm nahe durch Vereinigung, da wir Glieder des Leibes Christi, von seinem Fleisch und von seinem Gebeine sind (Eph. 5,30); wir sind dem HERRN nahe in Gemeinschaft, denn wir wandeln mit ihm, wie ein Freund mit seinem Freunde wandelt; wir sind ihm nahe in Betreff der auf uns gerichteten Aufmerksamkeit, da wir die Gegenstände seiner täglichen, stündlichen zarten Fürsorge sind; und wir werden ihm bald auch örtlich nahe sein, da unsere Wohnung im Vaterhause schon bereitet ist und wir abscheiden werden, um bei Christo zu sein. Wir sind dem HERRN nahe, wenn wir arm und elend und schwer geprüft sind; und wenn wir ihm überhaupt je zu einer Zeit näher sind als zu einer andern, so werden wir ihm beim Heimgang am nächsten sein. Sind wir ihm nahe, so wird er mit uns fühlen in allen unseren Kümmernissen, uns beistehen in allen unseren Prüfungen, uns schirmen in allen Gefahren, mit uns Zwiegespräch halten in allen unseren einsamen Stunden, für uns sorgen in allen Zeiten der Bedürftigkeit und uns mit Ehren einführen in die Herrlichkeit. Lasst uns diese Tatsache täglich uns vergegenwärtigen, dass wir unserm Gott nahe sind. James Smith † 1862.


Homiletische Winke

Zum ganzen Psalm.

I. Was liegt in der Aufforderung an die natürliche Schöpfung, Gott zu loben?
1) Dass Gott ihrethalben Lob gebührt.
2) Dass zu diesem Lobe diejenigen verpflichtet sind, zu deren Bestem jene Schöpfung geschaffen ward.
3) Dass die Aufforderung an die Kreaturen, Gott zu loben, einen Vorwurf enthält für diejenigen, welche Gott nicht loben, wiewohl sie tatsächlich dazu fähig sind. "Wo diese werden schweigen, so werden die Steine schreien" (Lk. 19,40).

II. Was liegt in der Aufforderung an unschuldige Wesen (V. 1.2), Gott zu loben?
1) Dass sie es Gott zu verdanken haben, dass sie in Unschuld geschaffen sind.
2) Dass sie ihre Bewahrung in der Unschuld Gott zu verdanken haben. 3) Dass sie den Lohn ihrer Unschuld Gott verdanken.

III. Was liegt in der Aufforderung an gefallene Wesen (V. 11-13), Gott zu loben?
1) Dass Gott barmherzig ist und bereit zu vergeben und nicht will, dass jemand verloren werde. Sie würden nicht aufgefordert werden, Gott zu loben, wenn sie unwiederbringlich verloren wären. Als der Herr Jesus auf Erden weilte, wollte er von den bösen Geistern kein Lob annehmen.
2) Dass Mittel zur Wiederherstellung vom Fallen von Gott für die Menschen bereitet sind. Wäre das nicht so, dann hätten sie keine Hoffnung und könnten kein Lob darbringen.

IV. Was liegt in der Aufforderung an die Erlösten (V. 14), Gott zu loben?
1) Dass Gott ihr Gott ist.
2) Dass er mit allen seinen Vollkommenheiten für ihre gegenwärtige und ihre ewige Wohlfahrt tätig ist. George Rogers 1885.

V. 1. Hallelujah, d. i. Lobet den HERRN. 1) Die zum Lobe Gottes aufrufende Stimme. Die Stimme der Schrift, der Natur, der Gnade, der Pflicht. 2) Wessen Ohr sie treffen soll: das Ohr von Gottes Kindern und von Sündern, von Königen und Völkern, von Alten und Jungen usw. Sie dringt auch an uns. 3) Die Zeit, wann sie erschallt. Jetzt, allezeit, aber auch zu besonderen Zeiten. 4) Welche Antwort wollen wir geben? Lasst uns jetzt den HERRN loben im Herzen, mit unserm Leben und mit den Lippen.
  1) Welcher Art sind die Lobgesänge im Himmel? 2) Inwiefern beeinflussen sie uns hienieden? 3) Unsere Hoffnung, einst an ihnen teilnehmen zu dürfen.
V. 2. 1) Die Engel als Diener Gottes, die seines Lobes voll sind. 2) Die andern Heerscharen Gottes, und wie sie ihn preisen. 3) Die Regel ohne Ausnahme: "alle, alle". Suche dir ein himmlisches Wesen ohne Gottes Lob lebend vorzustellen - es ist nicht möglich.
V. 3. 1) Gottes Lob geht beständig fort, Tag und Nacht. 2) Das Licht ist die Hauptquelle dieses Lobes. 3) Das Leben, das die ganze Schöpfung durchflutet, ruft ebenfalls zum Lobe Gottes.
V. 5.6. Die Erschaffung und die Erhaltung zwei Hauptgründe für das Lob Gottes.
V. 7. Gottes Lob aus dunklen, tiefen und geheimnisvollen Dingen.
V. 8b. Sturmwinde, die sein Wort ausrichten. Wie Gott zerstörende Mächte zu seinen erhabenen Zwecken gebraucht. I. In der Natur sehen wir Wind und Sturm Gottes Wort ausrichten. 1) Die Bibel lüftet gelegentlich den Schleier und zeigt uns, wie zerstörende Naturkräfte je und je Gottes Diener gewesen sind. 2) Die Geschichte unserer Tage gibt davon ebenfalls bewegende Beispiele. II. In der sittlichen und geistlichen Welt der Menschen finden wir neue reiche Anwendungen der Worte unseres Textes. 1) Im Staatsleben sehen wir die Stürme der Völkerwanderung und die Stürme von Revolutionen Gottes Wort ausrichten. 2) In der Kirche sehen wir die Stürme der Verfolgung und die Stürme der Lehrstreitigkeiten Gottes Wort ausrichten. 3) In der Erfahrung des persönlichen Lebens sehen wir äußere Stürme der Trübsal und innere Stürme der Anfechtung Gottes Wort ausrichten. Domherr Liddon 1883.
V. 9. Bäume. Wie die Herrlichkeit Gottes sich an den Bäumen abschattet.
V. 10. Wesen aller Art, die wildesten und die ruhigsten, die niedrigsten und die hochstrebendsten, alle sollen ihren besonderen Lobgesang anheben.
V. 11-13. 1) Der König über alles. Einzig an Vortrefflichkeit, hoch erhaben an Herrlichkeit und Ruhm. 2) Der Aufruf an alle. Von allen Völkern, Ständen, Geschlechtern und Altersstufen soll ihm gehuldigt werden. Eine Vorandeutung des Weltgerichts. 3) Die Pflicht aller: Lob des HERRN, beständiges, begeistertes, immer anschwellendes Lob. W. B. Haynes 1885.
V. 12. Gott sollen Kraft und Schönheit, Erfahrung und jugendliche Hoffnungsfreudigkeit zu Dienst gestellt werden.
  Mit den Jungen. Eine Ansprache an die Jugend. I. In welchem Zusammenhang finden wir hier die Jungen genannt? Wir finden sie in königlicher und auserwählter Gesellschaft (V. 11.12); doch verlieren sie sich darin nicht, werden nicht übersehen. II. Wozu werden sie aufgefordert? Den HERRN zu loben. Auch sie haben dazu reichlich Grund. III. Was lernen wir daraus? 1) Die Kinder sollten am Tag des Herrn mit ihren Eltern zum Gottesdienst kommen. 2) Die Kinder sollen mit Herz und Mund in Gottes Lob einstimmen. 3) Die Kinder sollen danach trachten, zu diesem Lobe tauglich zu werden, indem sie Christum als ihren Heiland im Glauben ergreifen. William Bickle Haynes 1885.
V. 14. Ein bevorzugtes Volk und sein Gott. 1) Was tut er für sie? 2) Was macht er aus ihnen? Heilige, oder solche, die in seiner Liebe leben. 3) Wer sind sie? Kinder Israels. 4) Wo ist ihr Platz? Sie sind ihm nahe. 5) Was tun sie für Gott? Sie loben ihn.

 

 


Fußnoten

1. Bei der Auslegung, welche Spurgeon dem Psalm im Ganzen gibt, hätte er sehr wohl nach V. 6 und auch nach V. 13 einen Einschnitt machen können. Man vergl. aber über die von der Deutung des 14. Verses abhängige Gesamtauslegung die Erläuterungen und Kernworte, S. 531.

2. Man vergl. dazu die Erläuterungen und Kernworte, S. 535.

3. Bouchier will V. 5.13 auch so übersetzen. Dies ist jedoch nach den vorausgehenden Imperativen nicht angängig. Dass das Lob der Schöpfung auch wirklich erschallen wird, ist nicht aus dem Wortlaut des Psalms, sondern aus dem weiteren Schriftzeugnis, z. B. aus Röm. 11,36 ("Zu ihm sind alle Dinge"), Röm. 8 usw. zu begründen. - James Millard