Bibel-Kommentar: Das Evangelium des Johannes

Die evangelische Geschichte von den Taten, Reden und Leiden Jesu Christi, die von dem Apostel Johannes beschrieben worden ist, ist uns ein rechtes Evangelium; das heißt: eine fröhliche Botschaft. Denn daraus hören wir, dass der ewige Sohn Gottes, der mit dem Vater ein Wesen hat, um unsertwillen menschliche Natur an sich genommen hat, das Gesetz für uns erfüllte, mit seinem Leiden für unsere Sünden genug getan und Vergebung aller unserer Sünden und die ewige Seligkeit uns erworben hat, auf dass alle, die an Jesus Christus glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. {Joh 3}. Johannes aber, der diese Geschichte geschrieben hat, ist ein Israelit gewesen, der Sohn des Zebedäus, mit dem er auch zu Anfang das Fischerhandwerk betrieben hat, in dem er auch von Christus zum Apostelamt berufen wurde {Mt 4}. Und dieser Apostel ist dem Herrn Christus vor den anderen besonders lieb gewesen {Joh 19}. Ihm hat auch Christus, als er am Kreuz sterben wollte, seine liebe Mutter, die allerheiligste Jungfrau Maria anbefohlen {Joh 19}. Er hat die Verklärung Christi auf dem Berge gesehen {Mt 17}. So hat er auch die Todesangst Christi im Garten gesehen, da dieser Blut geschwitzt hat {Lk 22}. Und er hat mit seinem Bruder Jakobus den Zunamen übernommen, dass er ein Donnerkind genannt wurde, weil die Lehre des Evangeliums, die er predigen würde, wie ein Donnerstrahl sein würde gegen die menschlichen und falschen Meinungen von Gott. Derselbe hat, nachdem er am Pfingsttage mit wunderbaren Gaben des Heiligen Geistes beschenkt worden war, mit großer Freudigkeit das Evangelium Christi in Jerusalem neben Petrus gepredigt und mit Wunderwerken bestätigt. Deshalb ist er von der Obrigkeit und den Hohepriestern dort ins Gefängnis geworfen und danach mit Ruten gezüchtigt worden. Diese Plage hat er um Christi willen mit freudigem und fröhlichem Gemüt erduldet {Apg 4 5}. Obwohl man nun nicht liest, dass er durch die Marter sein Leben beendet hat, so ist doch aus glaubwürdigen Geschichten bekannt, dass er sehr lange gelebt hat. Weil aber noch zu den Lebzeiten der Apostel die Kirche Christi nicht nur von den Tyrannen geplagt, sondern auch von den Ketzern sehr irre gemacht und jämmerlich getrennt wurde {Apg 15 1Kor 15}, wie auch seine erste Geschichte klar bezeugt, ist er natürlich unter die Märtyrer zu zählen. Denn er hätte viel leichter einmal den Tod erlitten, als dass er täglich so viele und große Übel hat sehen und hören müssen. Es ist aber seine evangelische Geschichte, besonders wegen zweierlei Ursachen, die allervortrefflichste. Erstens, dass sie Christus, des Sohnes Gottes, ewige Gottheit auf das Allerhellste lehrt und oft beweist. Diese Lehre ist uns zur heutigen Zeit besonders vonnöten gegen den neuen Irrtum der Arianer. Danach, dass er das Amt des Mittlers Christi (wie er durch den Glauben alle, die an ihn glauben, selig macht) in den Predigten Christi deutlich herausstreicht. Außerdem, dass er nicht allein viele Geschichten von Christus, sondern auch viele seiner Predigten in Schriften verfasst und aufgezeichnet hat, welche die anderen Evangelisten um der Kürze willen beiseitegelassen haben. Darum ist dieses, sein Buch, für einen sehr köstlichen Schatz in der Kirche Gottes zu halten. Denn obwohl (wie Johannes selber auch sagt) nicht alle Wunderwerke, die Christus getan hat, in diesem Buch beschrieben sind, so sind doch von Johannes so viele geschrieben, dass dadurch, wer sie im Glauben annimmt, der das ewige Leben erlangt {Joh 20}.


Das 1. Kapitel

  • Johannes gibt der Gottheit Christi Zeugnis ab. Und er erzählt Johannes des Täufers Meinung und Zeugnis von Christus und zeigt an, wie er Christus kennengelernt hat. Schließlich beschreibt er die Berufe von Andreas, Petrus, Philippus und Natanaels.

1. Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort {1Mos 1 Spr 8v22 1Joh}

Im: Der Evangelist und Apostel Johannes fängt sein Evangelium an von der Beschreibung der ewigen Gottheit Christi: Während noch zu seinen Lebzeiten die Ketzer Cerinthus und Ebion entstanden sind, die beide die wahre und ewige Gottheit Christi geleugnet haben.

Anfang war: Als nämlich die Welt erschaffen wurde, ist das Wort, welches der Sohn Gottes ist und danach menschliche Natur an sich genommen hat, nicht erschaffen worden, sondern er war bereits von Ewigkeit her da, und Gott der Vater hat durch dasselbe alles erschaffen {1Mos 1}. Deshalb hat der Sohn Gottes keinen Anfang, wie auch kein Ende. Wie er aber vom Vater aus der Ewigkeit heraus geboren wurde, das kann keine menschliche Vernunft oder kein Verstand begreifen. Das ist gewiss, dass dieses Wort der eingeborene Sohn Gottes ist, wie danach der Evangelist deutlich erklären wird.

Bei Gott: Dem Vater und Heiligen Geist. Es wird aber gesagt, dass dieses Wort bei Gott gewesen sei, damit wir daraus entnehmen, wie der Sohn Gottes eine unterschiedliche Person vom Vater ist, als der Geborene von dem Gebärer.

Gott war: Dies setzt der Apostel hinzu, damit wir nicht meinen, der Sohn wäre nicht Gott, weil er vom Vater unterschieden wird. Deswegen ist Jesus Christus der Sohn und das Wort Gottes, der wahre, ewige Gott. Und er wird nicht nur mit dem Namen Gott genannt, sondern er hat eine göttliche, ewige Natur. Denn es wird dem Herrn Christus im Alten Testament der Name Jehova sehr oft gegeben, der zweifellos keinem Lebewesen, sondern Gott allein gebührt. Deshalb sind die alten und neuen Arianer nicht ganz bei Sinnen, welche die ewige und mit dem Vater wesensgleiche Gottheit Christi verleugnen.

2. Dasselbe war im Anfang bei Gott.

Bei Gott: Damit niemand aus der Gottheit Christi Bestätigung der Personen im göttlichen Wesen, Eigenschaften und Unterscheidungen miteinander vermischt, so wiederholt der Apostel, was er kurz zuvor auch gesagt hat. Es ist aber das Wort oder der Sohn Gottes vor Erschaffung der Welt in höchster Majestät bei Gott dem Vater und Heiligen Geiste gewesen. Denn Gott hat die Welt nicht erschaffen, weil er sie zu seiner Glückseligkeit gebraucht hätte. Sondern er hat die Welt darum erschaffen, damit Lebewesen da wären, die seine Güte genießen würden.

3. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist {Eph 3v9 Hebr 1v2}.

Ding: Sie seien gleich sichtbar oder unsichtbar, Himmel, Erde, Meer und alles, was drinnen ist, das menschliche Geschlecht, auch die Engel. Denn damit niemand das Wort oder den Sohn Gottes unter die Lebewesen zählt, so fährt der Apostel fort, ihn in seinen Werken weiter zu erklären.

Gemacht: Nämlich durch das Wort, welches der Sohn Gottes ist. Sie sind aber durch ihn gemacht, nicht wie durch einen Knecht, sondern wie durch einen Schöpfer und Gott. Und es wird angezeigt, dass der Vater alles erschaffen hat durch den Sohn, der die andere Person in der Gottheit ist; von dieser Schöpfung ist der Heilige Geist auch nicht auszuschließen. Denn die Werke der Heiligen Dreifaltigkeit, wenn sie außerhalb ihres Wesens wirkten, sind allen drei Personen gemeinsam. Der Evangelist aber berichtet nur vom Sohn oder vom Wort, weil er sich vorgenommen hat, die andere Person der Gottheit, Christus, in seinem Evangelium besonders zu beschreiben.

Nichts gemacht: Auch das Geringste nicht. Weil demnach der Sohn Gottes der Schöpfer aller Kreaturen ist, so kann er natürlich selbst kein Geschöpf oder keine Kreatur sein. Und es ist nichts Selbstständiges zwischen Gott und der Kreatur. Wir werden auch an dieser Stelle gelehrt, dass die Welt nicht ewig ist, sondern in der Zeit durch den Sohn Gottes erschaffen. Er hat aber die Welt nicht nur erschaffen, sondern erhält sie auch bis an den Jüngsten Tag: Und in der Schaffung und Erhaltung der Kreaturen leuchtet seine Weisheit, Güte und Allmacht hervor. Die Sünde aber ist nicht von dem Sohn Gottes, wie auch nicht von dem Vater oder dem Heiligen Geist erschaffen. Sie ist auch keine Kreatur, die für sich selbst besteht, sondern es ist eine solche große Zerrüttung und Verderbung der erschaffenen Kreatur, dass sie kein Mensch aussprechen kann.

4. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen {Joh 14v6 Kol 3v4 1Joh 5v11}.

Das Leben: Nachdem der Sohn Gottes die Welt und das menschliche Geschlecht erschaffen hatte, dieses aber durch seine eigene Schuld in Sünde und Tod gefallen war, so hätte der Sohn Gottes es im Tod und Verderben stecken lassen können. Aber er hat sich über das menschliche Geschlecht erbarmt und ihm das Leben wiedergeben wollen. Darum spricht der Evangelist: Das Wort des Vaters, welches in ihm selber das Leben ist, hat den Menschen das Leben gebracht. Man muss aber an dieser Stelle auch darauf achten, dass Johannes in seinem ganzen Evangelium oftmals nach der hebräischen Art redete, obwohl er griechisch geschrieben hat; das macht, dass seine Rede bisweilen etwas dunkel erscheint, darum wollen wir uns bemühen, den Sinn auf das Deutlichste zu erklären. Es wird aber gesagt, dass in Christus das Leben sei, weil er uns von dem Tod der Verzweiflung, womit uns das Gesetz getötet hatte, lebendig macht, indem er uns im Evangelium Vergebung der Sünden verkündigt; wenn wir dem glauben, so werden wir gerecht. Er gibt uns auch den Heiligen Geist, der uns lebendig macht, damit wir anfangen, gute Werke zu tun, wo wir zuvor bereits in Sünde gestorben gewesen waren und aus unseren Kräften uns nicht bewegen konnten, dass wir es gutgetan hätten. Und Christus wird auch unsere Leiber aufwecken zum himmlischen Leben und den zeitlichen Tod, der für die Gottlosen gleichsam ein Vorhof zur Hölle ist, vertreiben, und uns das rechte Leben, nämlich, die ewige Seligkeit geben. Darum wird nicht allein zu Recht gesagt, das Leben sei in Christus, sondern auch, dass Christus selbst unser Leben ist {Kol 3}.

5. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat‘s nicht begriffen.

Licht scheint: Der Sohn Gottes gibt uns das Leben, indem er uns erleuchtet. Denn die Menschen sind von Natur aus Finsternis, wie Paulus sagt: Ihr wart damals Finsternis {Eph 5}. Das heißt: Sie sind so verfinstert, dass sie Gott weder richtig erkennen, noch den rechten Weg, die ewige Seligkeit zu erlangen, finden können und auch nicht sehen, wie sie Gott recht ehren sollen. Daher folgt, dass sie in diesem Leben keinen wahren Trost haben können (was auch ein Licht ist) in Nöten und Ängsten und in Unrichtigkeit des Gewissens. Darum sitzen sie dann wahrhaftig in Finsternis und im Schatten des Todes; und wo ihnen durch Christus nicht Rat geschaffen wird, so werden sie schließlich auch in die äußerste, ewige Finsternis geworfen, wo ständiges Heulen und Zähneklappern sein wird. Dieses Übel nimmt sich Christus vor, indem er uns als die Sonne der Gerechtigkeit erleuchtet und uns den gnädigen Willen seines himmlischen Vaters zu erkennen gibt, die die rechtschaffene Erkenntnis des ewigen Lebens ist {Joh 17}. Er zeigt uns auch Möglichkeiten und Wege, wie wir der ewigen Verdammnis entgehen können, nämlich, wenn er uns lehrt, an ihn als den Mittler und Erlöser des menschlichen Geschlechts zu glauben, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Endlich lehrt er uns, dass der rechte Gottesdienst nicht aus Menschensatzungen besteht, sondern dass man die Gebote Gottes hält {Mt 15}. Weil er auch unser Heiland ist, so ist er wahrhaftig unser Licht, das heißt, eine Ursache der wahren und ewigen Glückseligkeit.

Nicht begriffen: Das heißt: Christus, unser Licht, ist zwar bereit gewesen, mit der Predigt des Evangeliums, wie wir bereits gehört haben, die Menschen, die selbst Finsternis waren oder im Finsteren waren, zu erleuchten, aber die Menschen haben dieses Licht nicht angenommen, sondern der größere Teil hat dies von sich gestoßen. Denn die Bosheit der Welt ist so groß, dass sie viel lieber in ihrer Finsternis verderben will, als zu dulden, dass ihre Irrtümer und ihr schändliches Leben vom Licht der Wahrheit gestraft und verdammt werden.

6. Es war ein Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes {Mt 3v1 Mk 1v4 Lk 1v18 3v1}.

Mensch: Denn weil Gott nichts weniger begehrte, als dass dem menschlichen Geschlecht geholfen wird, so wollte er einen vortrefflichen Mann erwecken, der insbesondere den Juden dieses wahrhaftige und selig machende Licht, den Mittler Christus zeigte, damit sie ihn erkennen und selig würden.

Gesandt: Zu verkündigen die Zukunft des Messias und Sohnes Gottes, ja, dass er ihn gegenwärtig mit Fingern zeigte.

Johannes: Welcher von der Gnade Gottes den Namen hatte, damit die Juden auch bei seinem Namen abzunehmen und sich zu erinnern hätten, er wäre ein Gesandter und Ausrufer der Gnade und Güte Gottes, die uns durch den Messias angeboten und aufgetragen wird. Derselbe Johannes ist der Sohn des Zacharias gewesen, der die Taufe der Buße angefangen hat, weshalb man ihn auch Johannes den Täufer nennt.

7. Derselbe kam zum Zeugnis, dass er von dem Licht zeugte, auf dass sie alle durch ihn glaubten.

Zeugte: Es ist ihm von Gott befohlen worden, dass er von Christus predigen und von ihm Zeugnis geben sollte, dass dieser das wahrhaftige Licht sei, also, der Heiland des menschlichen Geschlechts. Aus diesen Gründen ist Johannes der Täufer gesandt worden.

Glaubten: Dass sie durch das Predigtamt des Johannes zu Christus bekehrt würden. Deshalb irrt sich Schwenkfeld, wenn er sagt, dass die Menschen durch das äußerliche Predigtamt des Wortes nicht zu Christus bekehrt werden. Wenn das wahr wäre, so wäre Johannes der Täufer vergebens gesandt worden.

8. Er war nicht das Licht, sondern dass er zeugte von dem Licht.

War nicht: Johannes der Täufer war nicht Christus, der Heiland der Welt.

Er zeugte: Er war allein um der Ursache willen gesandt. Daher wollte er auch die Ehre des Messias, die ihm die Priester, Leviten und Pharisäer aus freien Stücken angetragen hatten, nicht annehmen. Denn man soll keinen Menschen, wie heilig er auch immer sein mag, für einen Seligmacher halten, das heißt: Man soll niemandem solche Dinge zumessen, die allein Christus gebühren, nämlich dass er die Sünde büßen kann und das menschliche Geschlecht versöhnen. Solch ein Licht machen die Katholiken aus der Jungfrau Maria und etlichen anderen Heiligen.

9. Das war das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.

Das war: Nämlich, Christus, von dem Johannes predigte.

Alle Menschen: (Nach Luther) Das heißt: Christus ist das Licht der Welt, er erleuchtet durch das Evangelium alle Menschen. Denn es wird allen Lebewesen gepredigt und allen vorgetragen, die Menschen sind und werden.

Welt kommen: Alle Menschen, die in dieser Welt erleuchtet und selig werden, müssen durch die Erkenntnis Christi erleuchtet und selig gemacht werden. Denn diejenigen, die von Christus nichts wissen und ohne Glauben aus diesem Leben scheiden, die können nicht unter die Seligen gerechnet werden. Darum irren diejenigen sehr, die etliche Heiden wegen ihres äußerlichen, ehrbaren Lebenswandels in den Himmel setzen. Nicht weniger irren auch die und haben unrecht, die meinen, dass ein jeder in seiner Religion selig werden könne, wenn er nur ein unsträfliches Leben auf Erden führen würde.

10. Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht, und die Welt kannte es nicht.

Es nicht: Das heißt: Der Sohn Gottes war auch vor seinem angenommenen Fleisch und wirkte in der Welt, weil er die Welt bereits vorher zusammen mit dem Vater und dem Heiligen Geist erschaffen hatte. Und auch die Allerweisesten in der Welt haben ihn doch auch nicht erkannt und nicht geehrt, obwohl sie doch aus dem Werk und Geschöpf der Welt den Werkmeister und Schöpfer derselben leicht hätten erkennen und ehren können. Ja, es haben ihn auch unter den Juden nur wenige recht erkannt und gottselig geehrt, obwohl er auf vielen Wegen und durch mancherlei gute Taten besonders aber durch die Ausführung aus Ägypten und in der Wüste sich ihnen offenbart hatte. So groß ist die Blindheit des menschlichen Herzens in den Sachen, die zu unserer ewigen Seligkeit gehören.

11. Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf.

Eigentum: Denn da der Sohn Gottes Mensch geworden war, ist er unter dem jüdischen Volk umhergegangen; dieses Volk war sein Eigentum, das ihn besonders erwählt hatte, dem auch dieser Heiland besonders verheißen war, so hatte er nach seiner Menschheit, seine Ankunft von den Juden und sollte ihnen wegen der nahen Verwandtschaft lieb und angenehm gewesen sein.

Nicht auf: Denn die Mehrzahl der Juden hat ihn nicht als den Messias aufnehmen und erkennen wollen, sondern etliche verachteten ihn, ein Teil verfolgte ihn auch aufs Äußerste. Oh, welch teuflischer Undank, dass ihm kein Ort gegeben worden war, wo er sein Haupt hätte hinlegen können, durch welchen die Juden in der Welt waren, durch welchen die Welt, die sie genossen, erschaffen war, durch welchen sie ins gute und fruchtbare Kanaan gebracht worden waren und durch welchen die Priester und Leviten von den Opfern, die Christus vor Augen stellten, ihre gute Nahrung und ihren Unterhalt hatten. Eine solche Undankbarkeit gegen Christus wird auch noch heutzutage bei vielen gefunden, dass sie den nicht ehren, um dessen willen sie viele leibliche Guttaten genießen, sondern ihn entweder verachten oder auch verfolgen.

12. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, die an seinen Namen glauben.

Aufnahmen: Für ihren Messias und Heiland, beide unter den Juden und Heiden. Denn es sind auch unter den Juden noch etliche zu Christus bekehrt worden, die ihn für den Heiland der Welt erkannt und angenommen haben.

Glauben: Deswegen macht Christus alle die, die an ihn glauben, zu Kindern Gottes, dass sie Erben Gottes und Miterben Christi seien {Röm 8}.

13. Welche nicht von dem Geblüt, noch von dem Willen des Fleisches, noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.

Geboren sind: Mit diesen Worten zeigt der Evangelist an, welche rechte Kinder Gottes sind. Denn es sind nicht die Kinder Gottes, die nach dem Fleisch durch natürliche Fortpflanzung des Geblütes von den H. Patriarchen herkommen. Also haben auch die Kinder, die von christlichen Eltern geboren worden sind, das Recht der Kinder Gottes um solcher Geburt willen nicht, sondern durch die Wiedergeburt der Taufe. Auch nicht die, die mit dem Verdienst ihrer Werke durch die fleischliche Gerechtigkeit begehren, Gottes Kinder zu werden. In welchem Wahn hatten die Philosophen gesteckt, die in die Wirkung der Tugend das höchste Gut gesetzt hatten. Und es irren die Katholiken, die durch ihre Werke sich unterstehen, das Recht der Kinder Gottes zu erlangen. Auch werden die Mächtigen dieser Welt nicht unter die Götterzahl gerechnet werden. Denn wie kann ein sterblicher Mensch aus einem anderen sterblichen Menschen einen unsterblichen Gott machen? Sondern diejenigen werden für Kinder Gottes geschätzt, die aus dem Heiligen Geist wiedergeboren sind. Die Wiedergeburt aber geschieht, wenn das Herz und das Gemüt des Menschen durch das Wasser der Taufe und die Wirkung des Heiligen Geistes erneuert werden, sodass die Augen des Verstandes mit der wahren Erkenntnis Gottes erleuchtet und sein Wille zum Gehorsam der Gebote Gottes gebeugt wird. Dieses geschieht in der Taufe, die ein Bad der Wiedergeburt ist {Joh 3 Tit 3}. Mit was für Zeremonien aber die Römer ihre verstorbenen Kaiser unter die Zahl der Götter zu setzen pflegten, davon kann man im vierten Buch Herodians lesen, in dem er das Begräbnis des Kaisers Severus beschreibt. Und es besteht kein Zweifel: Die römischen Päpste haben viele zu Heiligen gemacht, deren Seelen in der Hölle gepeinigt werden. Aber lasst uns wieder auf den Evangelisten Johannes kommen, da er gesagt hat, dass der Sohn Gottes denen, die an ihn glauben, Macht gegeben hat, Gottes Kinder zu werden. Weil aber der Sohn Gottes oder das ewige Wort des Vaters durch seine Menschwerdung uns erreicht hat, sodass wir Kinder Gottes werden, so lasst uns weiter hören, was uns der Evangelist von der Menschwerdung des Wortes lehrt.

14. Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit {Mt 1v18 Lk 1v31 2v7}.

Ward Fleisch: Nämlich das ewige Wort des Vaters, der Sohn Gottes, ein wahrer ewiger Gott und Schöpfer der Welt, ist Mensch geworden. Denn das Fleisch heißt an dieser Stelle so viel wie Mensch, wie es auch in Jesaja 66 in diesem Sinne gebraucht wird: Alles Fleisch wird kommen, mich anzubeten, spricht der Herr. Dies ist aber nicht so zu verstehen, dass entweder die Gottheit in die Menschheit, oder die Menschheit in die Gottheit verwandelt worden ist. Sondern es ist eine Vereinigung beider Naturen in einer Person geschehen. Also, dass die göttliche und menschliche Natur einen Christus und nicht zwei gemacht hat. Dieses Geheimnis haben die Alten mit dem Gleichnis eines feurigen Eisens erklärt. Wie auch Basilius, als er die Geburt des Herrn behandelte. Denn gleich, wie das Feuer seine Eigenschaft dem Eisen mitteilt, dass es brennt und leuchtet, so wird doch das Feuer nicht in Eisen verändert, auch nicht das Eisen in Feuer verwandelt. Also teilt die Gottheit ihre Eigenschaften der menschlichen Natur mit und verwandelt sie doch nicht in die Gottheit, sondern macht sie allmächtig und voller göttlicher Majestät und bleibt dennoch ein wahres Fleisch, uns gleich, die Sünde ausgenommen. Athanasius erklärt die persönliche Vereinigung in Christus mit dem Gleichnis des Leibes und der Seelen. Denn so wie Leib und Seele ein Mensch sind, so ist Gott und Mensch ein Christus. Und wie die Seele ihre Eigenschaften dem Leib mitteilt, dass der Leib, der von der Seele das Leben hat, sieht, hört, redet, versteht und dergleichen, so teilt die Gottheit der Menschheit ihre Eigenschaften mit, und doch wird die Menschheit nicht die Gottheit, wie auch der Leib nicht in die Seele verwandelt wird. Darum ist Christus nach seiner Menschheit auch allmächtig, allwissend und überall gegenwärtig, dass er alles überall regiert, im Himmel und auf Erden. Weil aber Christus Gott und Mensch in einer Person ist, so ist er auch ganz anzubeten. Und wer an ihn glaubt, der glaubt an den wahren, ewigen Gott und wird nicht ewig zuschanden werden. Um dieser Würdigkeit willen ist sein Leiden und Tod so hoch geachtet und angesehen worden, dass es der himmlische Vater aufgenommen hat für die Versöhnung der Sünden der ganzen Welt. Und darum ist der Sohn Gottes des Menschen Sohn geworden, damit wir Gottes Kinder werden. Weil wir demnach seine Glieder sind (denn er hat unser Fleisch an sich genommen), so werden wir auch nach unserem Maß der ewigen Herrlichkeit und Seligkeit mit ihm teilhaftig werden. Und weil unser Bruder Christus zur Rechten Gottes gesetzt ist und überall regiert mit unendlicher Macht, so sollen wir mit unserem Gebet zu ihm fliehen und sicher sein, dass wir Trost und Hilfe erlangen werden. Es hat sich aber der Satan getraut, diesen Artikel der christlichen Religion auf mancherlei Weise umzustoßen, damit er uns die wahre Erkenntnis Christi und den darauf folgenden Trost aus dem Herzen reißt. Marcion, der Ketzer, hat gesagt: Der Sohn Gottes habe keine wahre menschliche Natur an sich genommen, sondern sei ein Gespenst. Andere haben gelehrt: Christus habe seine menschliche Natur aus dem Himmel mitgebracht. So dürfen Eutyches und Schwenkfeld vorgegeben, nach der Auferstehung sei die Menschheit Christi von der Gottheit Christi verschlungen worden. Etliche haben gesagt, der Sohn Gottes habe nicht den ganzen Menschen an sich genommen, sondern nur einen Leib, und die Gottheit sei anstelle der Seele gewesen. Wenn dies wahr wäre, so wäre Christus nicht unser Bruder, weil er eine andere Art des Fleisches hätte, als wir. Andere, wie die Ebioniter haben gelehrt, Christus sei natürlicherweise von Josef und Maria geboren und nicht vom Heiligen Geist empfangen worden. Wenn das wahr wäre, wie hätte er den dann fremde Sünden büßen können, wenn er selber in Sünden empfangen und geboren wäre? Wiederum haben andere, wie die Nestorianer, die Naturen in Christus so weit voneinander unterschieden, dass sie die Person getrennt und die Wirkung auch geteilt haben, da sie etliche der Gottheit, andere aber der Menschheit allein zugemessen haben. Damit vergleichen sie auch die ganzen und halben Zwinglianer, die auch die Wirkungen der Naturen teilen und bestreiten, dass die Eigenschaften der Gottheit seiner Menschheit nur dem Namen nach nicht in der Wahrheit mitgeteilt werden: Also, dass Christus zwar allmächtig genannt wird, aber nach der Menschheit in Wirklichkeit nicht allmächtig, nicht allwissend oder überall gegenwärtig sei, der im Himmel und auf Erden herrscht. Wenn das wahr wäre, so müsste man nicht den ganzen Christus anbeten. Er hätte auch nicht den Tod, den Teufel und die Hölle überwinden können. Wir könnten auch daher keinen Trost haben, dass unser Bruder zur Rechten Gottes sitzen würde, weil er nicht alles sehen würde, uns auch nicht in allen Widrigkeiten Hilfe leisten könnte, nach der Natur, nach der er unser Bruder hat sein wollen und genannt werden. Darum sollen wir die rechte Erkenntnis der Person Christi festhalten und verteidigen gegen alle Schwärmereien und Rottengeister.

Unter uns: Das heißt: Der Sohn Gottes hat in seiner angenommenen Menschheit gleichsam seine Hütte oder Behausung unter uns gehabt und hat wie ein Bürger unter den Leuten gelebt, ist auch aller menschlichen Gefahr und Trübsal unterworfen gewesen, wie sie einem Menschen auch ansonsten hätten begegnen können. Darum wurde er als Kind geboren und hat die Beschwernisse ausgestanden, die Kinder empfinden. Er ist in die Krippe gelegt worden, weil in der Herberge kein Platz war, danach ist er in Ägypten ins Elend geflohen und als er wieder gekommen war, ist er in Nazareth aufgezogen worden und hat zweifellos mit seinen Händen gearbeitet und ist seinen Eltern gehorsam gewesen bis zu seinem 30. Lebensjahr und hat im Schweiße seines Angesichts sein Brot gegessen. Denn er ist nicht müßiggegangen. Danach hat er angefangen zu lehren, als ihn die Hohepriester, Pharisäer und Schriftgelehrten angefeindet haben, viele aus dem gemeinen Volk ihn verachtet haben und ihn seine eigenen Landsleute in Nazareth beinahe von einem Felsen gestürzt hätten {Lk 4}. Er appellierte und predigte unterdessen hin und wieder treulich, obwohl er daneben nichts hatte, wo er sein Haupt hinlegen konnte. Es hat ihn gehungert, gedürstet, gefroren, er hatte Schmerzen, hat sich gefürchtet und hat geweint. Endlich aber ist er von seinem treulosen Jünger, der ein Dieb gewesen war, verraten worden und als er dem Tod ins Auge sah und den Zorn Gottes um der Sünden des menschlichen Geschlechts willen, die er auf sich genommen hatte, dermaßen empfunden, dass er darüber Blut geschwitzt hat. Er ist gefangen, angespuckt, verspottet, mit Fäusten ins Gesicht geschlagen, gegeißelt, vor geistlichem und weltlichem Gericht verurteilt, verbannt und geächtet und zum Tod am Kreuz verdammt worden. Als man ihn aber hinausgeführt und ans Kreuz gehängt hat, ist er auch dort noch verspottet worden, und man hat ihm nicht einen Schluck Wasser gegeben, damit er sein verschmachtetes und geschundenes Herz hätte erquicken können, bis er zuletzt eines schmählichen und schmerzlichen Todes am Kreuz gestorben ist. Es hat aber Christus alle solche Trübsal, Jammer und Not erfahren wollen, damit er mit uns, wenn wir ebensolches erleiden, Mitleid haben und uns zu Hilfe kommen könnte. Denn er musste allerdings seinen Brüdern gleich werden, damit er barmherzig würde und ein treuer Hohepriester vor Gott, um die Sünde des Volkes zu sühnen. Denn worin er gelitten hat und versucht wurde, da kann er denen helfen, die versucht werden {Hebr 2}. Nun ist er, unser Bruder Christus, im Stand seiner Majestät und Herrlichkeit und regiert alles immer und überall, auch nach seiner Menschheit, im Himmel und auf Erden. Namentlich hat ihn der Vater zu seiner Rechten im Himmel gesetzt über alle Fürstentümer, alle Gewalt, Macht, Herrschaft und über alles, was genannt werden mag, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen, und hat alle Dinge unter seine Füße getan {Eph 1 Ps 8}. Wenn wir deswegen Anfechtungen und Trübsal haben, so sollen wir der Hilfe von Christus gewärtig sein.

Herrlichkeit: Denn wenn jemand sagen möchte: Wie hat man aber Christus unter so viel Trübsal und großer Schwachheit erkennen können? Darauf antwortet der Evangelist eben hier und sagt: Es hat bisweilen die göttliche Majestät und Gewalt in ihm hervorgeleuchtet auch schon damals, als er im Stand seiner Erniedrigung und in der Knechtsgestalt war, soviel die Sache erforderte. Und haben wir an ihm gespürt dass die Majestät und Herrlichkeit, in der er am jüngsten Tage erscheinen wird mit vielen tausend Engeln und mit den Posaunen Gottes. Auch nicht eine solche Majestät, die einem weltlichen König über Fürsten gebührt. Denn er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheiten und so sehr verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg {Jes 53}. Sondern wir haben eine göttliche Majestät und Gewalt an ihm gesehen, womit er bezeugte, dass er der Sohn Gottes wäre und nicht nur an Kindes statt aufgenommen, sondern der eingeborene Sohn Gottes, aus dem Wesen Gottes, des Vaters von Ewigkeit geboren und deshalb eines Wesens mit dem Vater. Denn er hat unzählige herrliche Wunderwerke getan. Und bei seiner Taufe ist die Stimme des Vaters gehört worden, die da bezeugt, dass dieser der liebe Sohn Gottes sei. Dazu hat man den Heiligen Geist in Gestalt einer Taube über ihn kommen sehen. Auch ist er auf dem Berg verklärt worden, wo er den Jüngern etwas von seiner himmlischen Herrlichkeit gezeigt und sich die Stimme des Vaters abermals hat hören lassen, dass er Gottes lieber Sohn sei, den jedermann hören und ehren solle. Dass auch in seinem Leiden die Sonne gegen allen natürlichen Lauf verfinstert wurde, die Felsen zerrissen und die Erde erbebte, war ein Zeugnis, was dies für ein großer Herr sein müsste. Daher sprach der Hauptmann, der daneben stand: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen {Mt 27}. Derselbe Christus ist von den Toten wieder erstanden und sichtbar in den Himmel gefahren im Beisein vieler Jünger. Danach hat er den Heiligen Geist gesandt und seinen Aposteln wunderbare und herrliche Gaben mitgeteilt. Endlich hat er sein Evangelium durch die ganze Welt erscheinen lassen und solches nicht allein weit und breit fortgepflanzt, sondern auch die christliche Religion wunderbar erhalten, gegen alles Wüten der Tyrannen und gegen die Lästerung der Ketzer. Diese Wahrzeichen der göttlichen Majestät und Herrlichkeit bezeugen, dass dieser Jesus von Nazareth der eingeborene Sohn Gottes sei, der Heiland der Welt, der durch die Propheten verheißen worden war, weil in ihm die Weissagung der Propheten sich erfüllten, obwohl die Juden und gottlosen Heiden durch sein Kreuz geärgert werden.

Und Wahrheit: Mit diesen Worten zeigt der Evangelist an, wie Christus, der eingeborene Sohn Gottes, der mit göttlicher Majestät und Herrlichkeit erleuchtet ist, gegen das menschliche Geschlecht gesinnt ist. Als wollte er sagen: Wir haben gespürt und erkannt, dass der Sohn Gottes bei dem himmlischen Vater in großer Gnade ist und dass der selbige Sohn Gottes auch voller Güte, Liebe und Treue ist gegen das menschliche Geschlecht; denn das bedeuten die beiden kleinen Wörter Gnade und Wahrheit. Es irren sich deswegen die Katholiken, die Christus den Menschen als einen strengen Richter darstellen, zu dem man nicht kommen dürfe, wenn nicht die Heiligen vorher als Mittler uns sicheres Geleit erlangt und erreicht hätten. Denn Christus ist sozusagen nichts als lauter Gnade, Barmherzigkeit und Güte gegen den bußfertigen Sünder und gegen die verlorenen Schafe, die sich suchen und sich wieder zu dem Schafstall führen lassen {Lk 15 Hes 34}. Wir sollen von ihm seine Güte und Treue auch erlernen und dem Nächsten erweisen.

15. Johannes zeugte von ihm, rief und sprach: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher denn ich.

Zeugt: Der Evangelist führt ein Zeugnis Johannes des Täufers von Christus ein zur Bestätigung dessen, was er bisher gesagt hat. Denn Johannes der Täufer ist in so großem Ansehen bei den Juden gewesen, dass sie ihm auch zu Anfang die Ehre des Messias angeboten haben, wie wir dann hören werden.

Ruft: Mit heller Stimme und predigt öffentlich von Christus und seiner göttlichen Majestät.

War es: Nämlich, der Jesus von Nazareth ist eben derselbe Christus und Heiland der Welt, von dem ich gesagt habe, dass er kommen und mit dem Heiligen Geist taufen wird.

War ehe: Das heißt: Dieser Jesus fängt zwar sein Lehr - und Predigtamt in der Kirche Gottes an nach mir, aber er ist längst vor mir gewesen, ja, auch vor Erschaffung der Welt. Dieser Spruch des Täufers bestätigt alles, was der Apostel Johannes bis daher gelehrt hat von der Gottheit Christi. Denn es ist gewiss, dass Christus nach seiner Menschheit jünger gewesen ist, als Johannes der Täufer {Lk 1}. Darum hat er nicht anders vor Johannes sein können, als nach seiner ewigen Gottheit, welche mit diesem Zeugnis des Täufers bestätigt wird.

16. Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.

Um Gnade: Mit diesen Worten erklärt der Evangelist, was er droben von Christus gesagt hat, dass er voller Gnade und Wahrheit ist, das heißt, wie lieb und treu er ist, und zeigt an, was wir für einen Nutzen davon haben. Als wollte er sagen: Er ist nicht nur dem menschlichen Geschlecht mit besonderer Gnade gewogen, sondern der himmlische Vater liebt auch diesen Sohn so, dass er um seinetwillen uns liebt und um der unendlichen Gnade Willen gegen seinen Sohn auch uns seiner Gnade würdig erachtet. Also, dass aus der Gnade, womit der Sohn bei dem Vater in Gnaden und lieb ist, auch wir in Gnaden sind. Wie Paulus sagt: Er hat uns angenehm gemacht in dem Geliebten {Eph 1}. Denn gleich, wie Adam durch die Sünde über uns von der Fülle des Zorns Gottes und der Verdammnis allerlei Unglück ausgeschüttet hat, so hat der andere Adam (Christus) über uns von der Fülle seiner väterlichen Gnade alle rechtschaffene Glückseligkeit ausgeschüttet. Aber kein Heiliger (viel weniger die Mönche, die ihre Verdienste den Sterbenden mitgeteilt haben) hat eine solche Fülle der Gnade, dass er anderen davon etwas mitteilen könnte. Sondern ein jeder Heiliger hat so viele Gnade von Christus empfangen, wie er braucht; und doch ist Christus damit nichts abgegangen, wie auch dem nicht, der ein Licht von seinem Licht anzünden lässt. Diese Gnade Gottes aber empfangen wir nicht durch Ablassbriefe vom römischen Papst für Geld, auch nicht durch Verdienst der Werke, sondern allein durch den Glauben. Wir müssen uns aber fleißig davor hüten, dass wir die Gnade, die wir durch die Guttat Christi mit dem Glauben erlangt haben, durch Unglauben oder Sünde gegen das Gewissen nicht wiederum verschütten.

Nach Luther: Unsere Gnade ist uns gegeben um Christi Gnade, die ihm gegeben ist, dass wir durch ihn das Gesetz erfüllen und den Vater erkennen, damit Heuchelei aufhöre und wir wahre rechtschaffene Menschen werden.

17. Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.

Durch Moses: Weil der Evangelist wusste, dass die Juden von Moses und vom Gesetz, das durch Moses gegeben worden war, sehr viel hielten, so zeigt er jetzt an, eine wie viel größere Guttat uns durch Christus, als durch Moses widerfährt.

Und Wahrheit: Das heißt: Die väterliche Liebe und Treue hat uns Christus zuwege gebracht. Das will so viel sagen: Moses ist zwar ein herrlicher Prophet gewesen und das Gesetz Gottes, das er uns gegeben hat, ist heilig und gut, aber weil das niemand hält, so geschieht es, dass das Amt des Moses nichts anderes ist, als eine Ankündigung des Todes und der Verdammnis. Christus aber bringt uns die Gnade und Güte seines himmlischen Vaters und errichtet sie in uns. Moses offenbart den Zorn, Christus entdeckt uns die Gnade und Barmherzigkeit Gottes. Darum sollen wir auf Christus schauen und aus seinem Evangelium völlig erkennen, wie der himmlische Vater gegen uns gesinnt ist.

18. Niemand hat Gott je gesehen. Der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es uns verkündigt.

Gesehen: Denn obwohl er den Propheten und insbesondere Moses etliche Male in sichtbarer, menschlicher Gestalt erschienen ist, so kann doch sein Wesen und seine völlige Majestät niemand in diesem Leben sehen und am Leben bleiben. Wie auch keiner von seinem Willen (dass er nämlich den bußfertigen Sündern um Christi willen verzeihen wolle) aus menschlicher Vernunft etwas erkennen kann. Daher herrscht von dieser Sache in den Büchern der weltweiten Philosophie ein großes Stillschweigen.

Schoß ist: Der von Ewigkeit aus dem Wesen des Vaters geboren ist und um all seine Geheimnisse weiß, dem auch der Vater, als seinen holdseligsten Sohn mit höchster Liebe gewogen ist.

Verkündigt: Wie der Vater gegen das menschliche Geschlecht gesinnt ist, dass er nämlich die Welt so geliebt hat, dass er seinen eingeborenen Sohn gegeben hat, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben {Joh 3}. Wenn wir deswegen von unserer Seligkeit etwas Sicheres wissen wollen, so lasst uns Jesus Christus hören, der uns jetzt öffentlich im Evangelium von der Güte des himmlischen Vaters gegen uns lehrt, was zwar derselbe Sohn Gottes etwas dunkler im Alten Testament durch seinen Geist im Predigtamt der Propheten die Väter gelehrt hat, so viel wie damals zu ihrer Seligkeit gehörte.

19. Und dies ist das Zeugnis Johannes, da die Juden sandten von Jerusalem Priester und Leviten, dass sie ihn fragten: Wer bist du?

Zeugnis Johannes: Des Täufers, welches er Christus gegeben hat. Denn weil Johannes der Täufer dazu geboren und berufen war, dass er von Christus zeugen sollte, so erzählt der Evangelist sein Bekenntnis, das er vor einer ansehnlichen Botschaft der Juden getan hat.

Priester: Welche die Opfer zu verrichten hatten.

Leviten: Die den Priestern in der Ausübung der Opfer helfen sollten und ansonsten beim Gottesdienst abwarten sollten, wo man sie brauchte.

Wer bist du: Gibst du dich für den Messias aus oder nicht? Denn da die Hohepriester, Obersten des Rates, Priester und Schriftgelehrten vernommen hatten, dass Johannes in der Wüste ein hartes und strenges Leben führte und er einen großen Zulauf des jüdischen Volkes hatte, das viel auf ihn hielt. Dass auch Johannes die Taufe öffentlich und mit einem besonderen Ansehen angefangen hatte zur Abwaschung der Sünden und Vergebung derselben zu erlangen. Sie aber waren des römischen Jochs bereits länger überdrüssig geworden und haben dem Johannes durch diese Botschaft die Ehre des Messias deutlich genug angeboten. Und wenn er gesagt hätte, dass er der Messias sei, so hätten sie ihn für ihren König gehalten. Wie aus den Worten Christi zu entnehmen ist, der von Johannes dem Täufer sagt: Er war ein brennendes und scheinendes Licht. Ihr aber wolltet eine kleine Weile fröhlich sein von seinem Lichte {Joh 5}. Es haben aber die Juden sich in dieser Botschaft, dass sie Johannes die Ehre des Messias angeboten haben, vielfältig geirrt. Denn erstens war Johannes nicht vom Stamm Juda, von Christus aber waren Weissagungen vorhanden, dass er aus dem Stamm Juda geboren werden sollte. Johannes war nicht in Bethlehem geboren, in welcher Stadt Christus geboren werden sollte nach der Weissagung des Propheten Micha. Sie hielten aber viel von Johannes wegen seines strengen Lebens und schlossen zu unrecht daraus, dass er der Messias wäre, da doch zu der Person des Messias viel größere Dinge gehörten als ein strenges Leben. Also, sie suchten bei dem, den sie für den Messias erkennen wollten, keine geistlichen oder ewigen, sondern nur zeitliche Güter, wie leibliche Freiheit von der Herrschaft der Römer, Reichtum, Macht, Ehre, Wollust und dergleichen. Ebenso irren sich auch die Widersacher, die nicht einen solchen Christus erkennen, wie ihn die Schrift uns vormalt und die die Heiligen wegen ihres strengen Lebens dergestalt für Christus halten, dass sie durch ihre Verdienste, Vergebung der Sünden und das ewige Leben suchen. Es ehren auch Christus etliche mit Lobgesängen (doch nur mit dem Mund) und vielen Zeremonien, nicht um der geistlichen und ewigen Güter willen, die sie wenig achten, sondern um weltliche Würde, stattliches Einkommen, geistliche Freiheiten und dergleichen dadurch zu erhalten. Deswegen sind die Lehrer der Katholiken, Priester und Hohepriester oder Päpste in diesem Stück den Juden sehr ähnlich.

20. Und er bekannte und leugnete nicht; und er bekannte: Ich bin nicht Christus.

Nicht Christus: Ich nehme die mir von euch angebotene Ehre nicht an, die mir nicht gebührt. Dieser Standhaftigkeit des Johannes des Täufers sollen wir folgen, der die Wahrheit und seinen Beruf mehr geachtet hat, als die höchste Würde, den größten Reichtum und herrlichste Wollüste, die er eine Zeit lang hätte haben können, wenn er gegen die Wahrheit geredet und bekannt hätte, dass er Christus wäre. Also sollen auch wir die Erkenntnis und das Bekenntnis der Wahrheit und unseren Beruf den Ehrenständen, Wolllüsten und Gütern vorziehen, die wir vielleicht erlangen könnten, wenn wir die Wahrheit und unseren Beruf fahren lassen würden. Und wir sollen uns bei der Wahrheit finden lassen und in unserem Beruf bleiben, auch wenn es den Anschein hat, dass wir darum in Gefahr kommen könnten und unserer Ehre, dem Glück und unseren Gütern Nachteil entstehen würde. Denn was durch ungebührliche Mittel zuwege gebracht wird, das hat keinen Bestand. Was man aber um der Bekenntnisse willen der himmlischen Wahrheit in dieser Welt verliert, das wird Gott einmal reichlich zurückerstatten.

21. Und sie fragten ihn: Was denn? Bist du Elia? Er sprach: Ich bin‘s nicht. Bist du ein Prophet? Und er antwortete: Nein.

Was denn: Die Gesandten der Juden haben sich aber ohne Zweifel über die Antwort des Johannes sehr verwundert, dass er geleugnet hat, er sei nicht der Messias.

Elias: Der Tisbit, der zu den Zeiten des israelitischen Königs Ahab gelebt hat und im feurigen Wagen in den Himmel genommen wurde. Und bist du vielleicht vom Himmel wiedergekommen, weil du leugnest, dass du der Messias bist?

Bin es nicht: Nämlich, dieser Elias. Denn obwohl der Prophet Maleachi im 4. Kapitel geweissagt hatte, Elias würde vor der Ankunft Christi kommen und mit denselben Worten Johannes den Täufer gemeint hatte, wie Christus diese Weissagung ausgelegt, Matthäus im 11. Kapitel, so war doch die Meinung des Propheten nicht, dass derselbe Elias, welcher lebendig in den Himmel aufgenommen worden war, wiederkommen sollte, sondern, dass Johannes der Täufer an Gaben des Heiligen Geistes und an göttlichem Eifer dem Elias gleich sein würde, wie der Engel, als er seine Geburt verkündigte zum Zacharias gesagt hat, Lukas im 1. Kap. Darum leugnet Johannes zu Recht, dass er derselbe Elias, der Tisbit persönlich, nicht sei. Denn wir sollen den falschen Wahn der Leute mit unserer Zustimmung nicht stärken.

Prophet: Nämlich, dass vielleicht einer der alten Propheten, Jesaja oder Jeremias vielleicht, von den Toten wiederauferstanden ist. Denn dass die Juden damals dem Wahn unterlegen waren, als ob die alten Propheten zu diesem zeitlichen Leben wiederauferstehen und predigen würden, ist daraus offenbar, weil etliche gemeint haben, Christus sei der Prophet Jeremias {Mt 16}.

Nein: Nein, ich bin nicht einer der Propheten, die unter den Königen Juda und Israel gelebt haben. Das hat Johannes auch richtig geleugnet. Denn obwohl (wie Christus bezeugt in Matthäus 11.) er mehr gewesen ist, als einer der alten Propheten, so hat er doch den falschen Wahn der Juden von der Auferstehung der alten Propheten zum zeitlichen Leben nicht bestätigen sollen.

22. Da sprachen sie zu ihm: Was bist du denn? Dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst?

23. Er sprach: Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Richtet den Weg des Herrn!, wie der Prophet Jesaja gesagt hat.

Predigers: Das heißt: Ich bin derselbe Prediger, der in der Wüste schreit und predigt und die Leute ermahnt, dass sie Christus, der bald kommen wird, durch wahre Buße den Weg bereiten sollen, damit sie ihren Heiland im Glauben zur ewigen Seligkeit gebührend empfangen. Das ist mein Amt, wie es der Prophet Jesaja von mir geweissagt und zuvor verkündet hat, dass ein solcher Prediger kurz vor der Ankunft des Messias in der Wüste gehört werden würde{Jes 40}. Denn damit Christus, der Heiland, mit Glauben recht angenommen wird, ist es nötig, dass die Erkenntnis der Sünden und wahre Buße bei den erwachsenen Personen vorhergeht.

24. Und die gesandt waren, die waren von den Pharisäern

Pharisäern: Die damals ein großes Ansehen hatten und solche Leute waren, die sich rühmten, dass sie nicht nur das Gesetz Gottes vollkommen erfüllen würden, sondern auch viele Erfahrungen ihrer Voreltern dazu stellten. Und diese Gesandten waren auch Priester und Leviten. Gleich, wie unter den Christen etliche sich nicht daran ausreichend erfreuten, dass sie in der Taufe mit Christus verlobt und zum Gehorsam der Gebote Gottes verbunden wurden, sondern noch darüber hinaus in einen Orden der Mönche oder Nonnen eintreten. Unter diesen Heuchlern sind heutzutage die Vornehmsten die, die sich Jesuiten nennen, als ob es ihnen nicht reichen würde, Christen zu heißen.

25. und fragten ihn und sprachen zu ihm: Warum taufst du denn, so du nicht Christus bist noch Elias noch ein Prophet?

Taufst du denn: Öffentlich zur Vergebung der Sünden und beginnst also ein neues Sakrament in der Kirche zu gebrauchen, das allen anderen Reinigungen des Gesetzes ungleich ist und das dir ohne Befehl der Hohepriester nicht zusteht. Und es ist wahr, dass es keinem Menschen aus eigener Willkür zusteht, in der Kirche neue Sakramente einzurichten. Aber dies war auf Johannes den Täufer falsch bezogen, weil er unmittelbar von Gott berufen war, dass er Christi Vorläufer wäre und mit seiner Predigt und Taufe der Buße die Leute vorbereite, dass sie Christus aufnehmen.

26. Johannes antwortete ihnen und sprach: Ich taufe mit Wasser; aber er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt.

Mit Wasser: Zur Vergebung der Sünden. Und ich bin nicht der Messias, sondern sein Diener. Aber die Taufe des Feuers, das heißt, die wunderbare Gabe des Heiligen Geistes, die der Messias zu seiner Zeit austeilen wird, kann ich nicht geben. Darum erkenne ich mich für seinen geringsten Diener, der ich nicht wert bin, dass ich ihm die Schuhe abwischen kann. Denn obwohl er sein Lehr - und Predigtamt des Evangeliums nach mir anfängt, so ist er doch nach seiner ewigen Gottheit lange vor mir, ja vor Erschaffung der Welt gewesen. Dieser ewige Sohn Gottes ist Mensch geworden und lebt jetzt im jüdischen Land unter euch, aber ihr habt noch nicht gelernt, ihn zu erkennen, doch es wird nicht lange dauern, da wird er erkannt werden, nicht allein durch seine gewaltigen Predigten, sondern auch durch seine herrlichen Wunderwerke, die er zur Bestätigung seiner Lehre tun wird. An dem Beispiel Johannes des Täufers sollen wir lernen, uns vor Christus zu demütigen, dass wir uns selber nicht für Meister, sondern für geringe Diener halten, auch wenn wir mit den vortrefflichen Gaben des Heiligen Geistes geschmückt sind. Und es ist den Heiligen im Himmel nicht lieb, wenn man ihnen solche Dinge zuschreibt, die allein dem Mittler Christus zugehören. Wie, dass er durch sein Verdienst und seine Fürbitte den Vater versöhnt. Nichts hat Johannes gelitten, dass es zu unserer Erlösung helfen könnte. Obwohl er der Allerheiligste gewesen ist unter allen, die von einer Frau geboren wurden. Und weil von Christus gesagt wird, dass er bereits vor Johannes dem Täufer gewesen ist, der doch vor Christus in die Welt geboren worden ist, so ist daraus offenbar, dass in Christus nicht nur die menschliche, sondern auch eine göttliche Natur ist, die von Ewigkeit gewesen ist, wovon kurz zuvor auch gemeldet wurde? Was aber die Taufe Johannes betrifft, hat er nicht vielleicht die Worte gebraucht: Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Jedoch, weil er von Christus gepredigt und getauft hat zur Vergebung der Sünden, wie Markus im 1. Kapitel gesagt hat, so muss man erkennen, dass es keine andere Taufe gewesen ist, als die Christi und der Apostel. Denn dass er sagt, er würde mit Wasser taufen, macht er darum keinen Unterschied zwischen seiner und Christi Taufe, die auch mit Wasser geschah, sondern er unterscheidet sie von der besonderen Taufe Christi, als die Gläubigen in der ersten Kirche überschüttet wurden mit den wunderbaren Gaben des Heiligen Geistes, sodass sie mancherlei Sprachen redeten und Krankheiten nur durch Berühren heilten. Da aber in der Apostelgeschichte von etlichen gesagt wird, (Kapitel 19) sie seien wiedergetauft worden, so muss man sagen, die hat man nicht mit Wasser wiedergetauft, sondern ihnen durch Auflegen der Hände die wunderbare Gabe des Heiligen Geistes mitgeteilt, die sie durch die Taufe von Johannes noch nicht empfangen hatten.

27. Der, der nach mir kommen wird, welcher vor mir gewesen ist, des ich nicht wert bin, dass ich seine Schuhriemen auflöse.

28. Dies geschah zu Bethabara, jenseits des Jordans, da Johannes taufte.

Bethabara: So nennt man ein Durchgangshaus, das ist ein Ort, wo man über den Jordan kommen kann, entweder durch eine Furt oder mit Schiffen. Dort hat Johannes zu taufen gepflegt. Und der Ort wird deshalb namhaft gemacht, damit die Geschichte umso mehr bekräftigt und bestätigt wird. Wie es nun nützlich sein mag, wenn einer, ohne seinen Beruf zu vernachlässigen die Möglichkeit hat, sich an einen solchen Ort zu begeben und ihn anzuschauen, wo die denkwürdigen Ereignisse des Alten oder Neuen Testaments sich abgespielt haben; es sündigt aber der schwer gegen Gott und begibt sich in mancherlei unnötige Gefahr, wer seinen Beruf vernachlässigt und aus Aberglauben, als ob er mit dem Werk Vergebung der Sünden verdienen würde, zu solchen Orten wallt.

29. Des andern Tages sah Johannes Jesus zu sich kommen und sprach: Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt!

Gottes Lamm: Nämlich, dieser Jesus ist das wahre, sanftmütige, geduldige Lamm Gottes (Gott und Mensch in einer Person), von seinem himmlischen Vater dazu bestimmt, dass durch sein Blut die Sünden vertilgt werden. Dieses ist durch die Lämmer dargestellt worden, die täglich, eines am Morgen, das andere am Abend, geopfert wurden, im 2.Buch Mose im 29. Kapitel.

Trägt: Weil der himmlische Vater alle unsere Sünden auf ihn gelegt hat, dass er sie tragen und versöhnen soll. Denn das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, reinigt uns von allen unseren Sünden. Unter dem Wort Sünden wird begriffen, alles was dem Gesetz Gottes zuwider ist. Deswegen hat Christus für alle, sowohl Erbsünden als auch wirkliche Sünden gebüßt und hat nicht nur ein oder mehrere, sondern die Sünden der ganzen Welt weggenommen, 1. Johannes im 2. Kapitel. Er hat sie also weggenommen, nicht, dass keine Erbsünde bliebe, sondern dass denen, die an Christus glauben, keine Sünde zugerechnet wird. Wenn denn Christus, das Lamm Gottes, die Sünden der Welt trägt und wegnimmt, so wird freilich weder unser, noch der Heiligen Verdienst etwas zur Sache tun können, außer, wir wollten Christus für einen unvollkommenen Erlöser halten.

30. Dieser ist‘s, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, welcher vor mir gewesen ist; denn er war eher denn ich.

Ist es: Nämlich der verheißene Messias und Heiland der Welt.

Nach mir: Der Messias (will er sagen) wird sein Lehr - und Predigtamt, wie auch Wunder zu tun, anfangen, wenn ich bereits eine Zeit lang in meinem Predigtamt zur Buße und zur Taufe gewesen bin. Denn also hat es Gott gefallen, dass ich Christi Vorläufer wäre.

Vor mir: Nicht nur ehe ich geboren wurde, sondern auch vor allen Geschöpfen. Es ist aber vor den Geschöpfen nichts gewesen, als der ewige Gott. Darum, obwohl Christus nach seiner Menschheit sechs Monate nach Johannes empfangen und geboren wurde, Lukas im ersten Kapitel, und deshalb jünger war als er, so ist er doch nach seiner göttlichen Natur, nach der er mit Gott dem Vater eines Wesens ist, von Ewigkeit her gewesen und alle Dinge sind durch ihn erschaffen.

31. Und ich kannte ihn nicht, sondern auf dass er offenbar würde in Israel, darum bin ich kommen, zu taufen mit Wasser.

Ihn nicht: Denn obwohl wir doch beide im Mutterleib lagen, habe ich ihn aus besonderer Anregung des Heiligen Geistes erkannt, dass ich zum Gruß seiner Mutter Maria vor Freude im Leib meiner Mutter Elisabeth aufhüpfte {Lk 1}. So ist er doch danach bis in das 30. Jahr seines Alters in höchster Demut herumgegangen und hat das Handwerk eines Zimmermanns betrieben. Darum hätte ich ihn an seinem äußeren Lebenswandel nicht erkannt, wenn ich nicht von Gott seiner Person wegen verständigt worden wäre; von dieser göttlichen Offenbarung wird bald etwas folgen.

Offenbar würde: Weil an seiner wahren Erkenntnis all unser Heil und unsere Seligkeit gelegen sind.

Israel: Dem Volk Gottes, für welches er gesandt worden ist.

Kommen: Und von Gott dazu gesandt, dass ich ihn durch mein Predigtamt den Leuten und besonders den Israeliten zu erkennen geben sollte.

Mit Wasser: Denn weiter kann ich aus meinen Kräften nichts geben. Er aber wird durch seine Apostel nicht nur mit Wasser übergießen, sondern gibt auch das Gedeihen zu unserer Arbeit und wird über die Menschen den Heiligen Geist ausgießen. Denn es steht den Kirchendienern zu, dass sie predigen und die Sakramente reichen. Aber Christus gibt das Gedeihen und gießt den Heiligen Geist über die aus, die das Predigtamt des Wortes und die Sakramente gebrauchen, und es sind doch die beiden ständig zusammen, weil Gott durch das Predigtamt wirkt in den Herzen der Auserwählten.

32. Und Johannes zeugte und sprach: Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm.

Zeugte: Nämlich, von Christus, frei, öffentlich, treu und oft.

Fuhr: Als Christus im Jordan getauft war. Matthäus im 3, Markus im 1. und Lukas im 3. Kapitel.

Auf ihm: Es war nicht so, dass Christus die Gestalt solcher Tauben stets mit sich herumgetragen hätte, sondern dass all sein Tun und seine Handlung danach bezeugten, wie er nach seiner Menschheit den Heiligen Geist völlig empfangen hatte, dessen Kraft ihn nicht mehr verlassen hat, sowohl in seinen Predigten, als auch seinen Wunderwerken und anderem, seinem Tun. Die sichtbare Gestalt der Taube bedeutet aber Gegenwart des Heiligen Geistes, dass er ohne Falsch ist und macht, dass die Leute aufrichtig und einfältig sind, wie die Tauben. Man hat aber auch, als Christus getauft wurde, die Stimme des Vaters gehört, der gesagt hat: Dies ist mein lieber Sohn, an dem mich ein Wohlgefallen habe. Das heißt: Dieser, mein einziger gleich ewiger Sohn ist mir so lieb, dass ich um seinetwillen auch allen, die an ihn glauben mit väterliche Liebe gewogen sein will. Dieses Zeugnis der Heiligen Dreifaltigkeit sollen wir uns wohl merken und einprägen gegen den Irrtum der Antitrinitarier. Es hat aber Christus die Taufe von Johannes empfangen, nicht dass er sie gebraucht hätte, sondern dass er unsere Taufe mit seinem Beispiel einweihte und bestätigte.

33. und ich kannte ihn nicht; aber der mich sandte, zu taufen mit Wasser, derselbe sprach zu mir: Über welchen, du sehen wirst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, derselbe ist‘s, der mit dem Heiligen Geist tauft.

Ihn nicht: Ich hätte es ihm an seinem äußeren niedrigen Wandel nicht ansehen können, dass er der Messias war.

Geist tauft: Und es werden einst die Gaben des Heiligen Geistes reichlich ausgewiesen. Ja, er gibt den Heiligen Geist überall dazu, so viel davon zur Seligkeit nötig ist, wenn das Predigtamt des göttlichen Wortes und der Sakramente recht geführt wird. Gleich, wie aber dem Samuel, als er den David zum König salben sollte, es von Gott offenbart worden ist, welcher unter allen Söhnen Isai von Gott zum König bestimmt war {1Sam 16}, so ist es auch Johannes dem Täufer von Gott offenbart worden (da Christus zum Jordan kam und sich taufen ließ), dass er der Messias wäre, über den danach der Heilige Geist in sichtbarer Gestalt niederfahren würde, zum Zeugnis, dass Christus nach seiner Menschheit den Heiligen Geist nicht nach dem Maß empfangen, wie andere Menschen, sondern auf das Allervollkommenste über alle seine Gesellen {Ps 45}.

34. Und ich sah es und zeugte, dass dieser ist Gottes Sohn.

Sah es: Wie nämlich der Heilige Geist in Gestalt einer Taube herabfuhr.

Gottes Sohn: Ich bezeuge öffentlich und standhaft, dass dieser Jesus der ewige Sohn Gottes und Gott selbst ist, der vom Vater darum in diese Welt gesandt worden ist, dass er die bußfertigen Sünder selig macht. Dieses Zeugnis Johannes von der Gottheit des Sohnes Gottes hat man wohl zu beachten gegen die Arianer. Denn indem er Christus Gottes Sohn nennt, versteht er nichts Schlechtes an einem solchen Sohn, wie wir alle Kinder Gottes heißen. Denn was gäbe es Vortreffliches an Christus, was Johannes von ihm bezeugen müsste? Sondern, er versteht den eingeborenen Sohn Gottes, der vom Vater von Ewigkeit her geboren ist. Darum haben auch die Juden wohl verstanden, dass Christus sich selber eine rechte Gottheit zumisst, so oft er sich einen Sohn Gottes nannte. Dieser natürliche Sohn Gottes aber hat für uns erreicht, dass wir angenommene Kinder Gottes werden, und zwar Erben Gottes, aber Miterben Christi, in Römer im 8. Kapitel.

35. Des andern Tags stand abermals Johannes und zwei seiner Jünger.

Jünger: Die bisher Johannes den Täufer predigen gehört hatten. Einer von ihnen ist Andreas gewesen, wie bald danach gesagt wird, von einen anderen meint man, es sei der Evangelist Johannes selber gewesen, weil er alle Umstände so fleißig beschreibt.

36. Und als er sah Jesus wandeln, sprach, er: Siehe, das ist Gottes Lamm!

Gottes Lamm: Welches von Gott dazu in diese Welt gesandt worden ist, dass es die Sündenlast der ganzen Welt auf sich nehme, dafür ein Opfer werde und so die Sünden der Welt büßen würde. Weil demnach Christus allein das Lamm Gottes ist, welches die Sünde der Welt trägt, folgt daraus, dass weder die Messen des Papstes, noch Ablass, noch Klosterorden, noch das gute Werk irgendeines Menschen, noch das Verdienst einiger Heiliger unsere Sünden abbüßen oder versöhnen können, weil diese alle nicht Christus und auch nicht das Lamm Gottes sind.

37. Und zwei seiner Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach?

Reden: Dass er von Jesus also predigte, wie dieser das Lamm Gottes wäre.

Jesus nach: Dass sie die himmlische Lehre von ihm hörten, wie man zur rechten und ewigen Seligkeit kommen müsste. Und dass sie Christus erkannten, dazu sind sie durch die Predigt Johannes des Täufers bewilligt worden. Denn das gepredigte Wort ist das Mittel und Werkzeug, wodurch wir Christus erkennen und das ewige Leben erlangen.

38. Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi (das ist verdolmetscht, Meister), wo bist du zur Herberge?

Sucht ihr: Was ist euer Begehr, meine Liebsten? Was kann ich euch zu gefallen und Gutes tun?

Herberge: Denn wir wollen bei dir sein, wollen dich predigen hören und mit dir ziehen.

39. Er sprach zu ihnen: Kommt und seht es! Sie kamen und sahen ‚s und blieben denselben Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde.

Seht es: Nehmt mit meiner Herberge vorlieb und bleibt bei mir.

Bei ihm: Wie auch die Nacht über. Denn die Hebräer fangen den Tag mit dem Abend an bis wieder zum anderen Abend.

Zehnte Stunde: Als diese Jünger zu Christus kamen, entsprach dies einer Zeit, die bei uns 4:00 Uhr am Nachmittag ist. Dass Christus diese Leute, die doch arme Fischer gewesen sind, so freundlich zu sich lässt und aufnimmt, ist ein Zeugnis seiner Leutseligkeit und Freundlichkeit, dass er niemanden ausstoßen wollte, der zu ihm kommt {Joh 6}. Darum sollen wir zu ihm fliehen, so oft wir Trost und Hilfe brauchen. Denn er ist der Allerholdseligste und nicht störrisch {Jes 42}. Wir sollen aber auch solche Freundlichkeit von ihm lernen.

40. Einer aus den zwei, die von Johannes hörten und Jesus nachfolgten, war Andreas, der Bruder des Simon Petrus.

41. Derselbe fand am Ersten seinen Bruder Simon und sprach zu ihm: Wir haben den Messias gefunden (welches ist verdolmetscht: der Gesalbte). Und führten ihn zu Jesus.

Gesalbte: Der der Heiland der Welt ist, von dem Daniel und die anderen Propheten geschrieben haben. Derselbe ist der Jesus von Nazareth, den mir Johannes der Täufer gezeigt hat. Und ich bin ihm mit meinen Gesellen gefolgt und wir sind auch den Tag über bei ihm geblieben, da wir solche Sachen von ihm gehört haben, die ohne Zweifel bezeugen, dass er wahrhaftig der Messias und Heiland der Welt ist. Darum lass uns zu ihm gehen, damit auch du ihn kennst und von ihm hörst, was dir zu deiner ewigen Wohlfahrt dient.

Zu Jesus: Andreas hätte seinem Bruder Simon keine größere Liebe zeigen können, als dass er ihn zu der heilsamen Erkenntnis Christi gebracht hat. Der rechtschaffene Glaube tut sich deswegen durch die Bekenntnisse der Wahrheit und die Liebe des Nächsten hervor, in Römern im 10. und an die Galater im 15. Kapitel. Und es ist die vornehmste Guttat unter allen, wenn wir unseren Nächsten zu der Erkenntnis Christi bringen können.

42. Da ihn Jesus sah, sprach er: Du bist Simon, Jonas Sohn; du sollst Kephas heißen (das wird verdolmetscht: ein Fels).

Fels: Es wird aber Petrus nicht darum ein Fels genannt, als ob die Kirche auf seiner Person erbaut wäre, wie die Katholiken fälschlich meinen, sondern, dass Petrus durch die Erkenntnis des Evangeliums auf dem rechten Felsen erbaut worden ist, welcher Jesus Christus ist {1Kor 10}. Darum ist auch jeder, der wahrhaftig an Christus glaubt ein solcher Fels, gegen den alle Pforten der Hölle nichts vermögen {Mt 16}.

43. Des andern Tags wollte Jesus wieder nach Galiläa ziehen und fand Philippus und sprach zu ihm: Folge mir nach!

Mir nach: Sei ab sofort mein Jünger und höre meiner Lehre zu. Ich will dir ein ehrliches Amt übergeben.

44. Philippus aber war von Bethsaida, aus der Stadt des Andreas und Petrus.

Stadt Andreas: Die Stadt, die die Heimat der beiden Apostel war. Darum, weil Philippus gesehen hatte, dass seine Landsleute und Mitbürger Christus, als ihren Meister, überallhin folgten, ist er umso mehr auch dahin bewegt worden, dass er ihm auch gefolgt ist, und so nach und nach, je länger, je mehr, zur Erkenntnis Christi gekommen ist. Denn es kommen die Leute nicht zu Christus aus einer heimlichen Bewegung des Heiligen Geistes ohne die äußere Predigt, wie es die Enthusiasten und Schwenkfelder sich träumen lassen, sondern das ist der ordentliche Weg Gottes, dass wir durch das Zutun der Menschen und das Predigtamt Christi dazu geführt werden. So hat es Gott dem Herrn gefallen, dieses Dekret soll niemand ändern.

45. Philippus fand Nathanael und sprach zu ihm: Wir haben den gefunden, von welchem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben, Jesus, Josephs Sohn, von Nazareth.

Nathanael: Einer seiner guten Bekannten. Denn als Philippus Jesus erkannte, dass er wahrhaftig der Messias und versprochene Heiland der Welt wäre, hat er solche himmlische Freude des Herzens bei sich nicht verbergen oder allein behalten können, sondern sie auch anderen mitgeteilt und sich bemüht, sie zur selig machenden Erkenntnis Christi zu bringen.

Josephs Sohn: Dafür wurde er gehalten und ist im Allgemeinen von den Leuten so genannt worden. Denn obwohl der rechte Glaube noch unvollkommen und schwach war, so möchte er dennoch die Wohlfahrt des Nächsten fördern und der selig machenden Erkenntnis Christi teilhaftig machen.

46. Und Nathanael sprach zu ihm: Was kann von Nazareth Gutes kommen? Philippus sprach zu ihm: Komm und siehe es!

Gutes kommen: Als wollte er sagen: freilich nichts. Denn der rechte Messias soll zu Bethlehem geboren werden, wie der Prophet Micha bezeugt im Kapitel fünf, und nicht in Nazareth. Es irrte sich aber der gute Mann darin, dass, da er gehört hatte, Christus sei von Nazareth, er sich noch nicht ausreichend erkundigt hatte, ob Christus dort geboren, oder aber nur erzogen worden war.

Sieh es: Urteile nicht von einem solchen Mann, ehe du ihn gesehen und gehört hast. Denn ich weiß, wenn du ihn recht erkannt haben wirst, wirst du mir Beifall geben müssen. Denn wir sollen nicht frevelhaft von einer Sache urteilen, bis wir sie erkundet haben, insbesondere, wenn es die Religion betrifft.

47. Jesus sah Nathanael zu sich kommen und sprach von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in welchem kein falsch ist.

Kommen: Denn Nathanael war dem treuen Rat des Philippus gefolgt, und war mit ihm zu Christus gegangen.

Rechter Israelit: Der der natürliche Sohn des heiligen Patriarchen Jakobs ist, weil er ihm in der Frömmigkeit und der aufrichtigen Einfalt nacheifert.

Kein falsch: Er ist kein Heuchler, sondern er ist begierig darauf, die Ehre Gottes und seine Seligkeit zu fördern.

48. Nathanael sprach zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Ehe denn dich Philippus rief, da du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich.

Kennst du: Wo oder wann oder wie lang bist du mit mir herumgegangen, dass du nicht allein von meinem Wandel, sondern auch von meinem Herzen und Gemüt urteilen darfst?

Sah ich dich: Obwohl ich mit der leiblichen Gegenwart weit vor dir gewesen bin, habe ich nicht allein deine Person, sondern auch dein Sinnen und dein Gemüt wohl erkannt. Weil demnach Christus alles sieht, auch die Gedanken der Herzen, so sollen wir nicht zweifeln, er sehe auch unserer Feinde böse List und Praktiken, dass er dieselben von uns wegtreibe, wie er auch unser Elend sieht, dass er es lindert, und unsere Sünden, dass er dieselben straft. Darum sollen wir ihm vertrauen und ihn fürchten, dass wir vor seinem Angesicht, weil er alles sieht, nicht sündigen.

49. Nathanael antwortete und sprach zu ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel.

Der König: Der durch die Propheten dem Volk Israel versprochen worden war. Darum glaube ich, dass du von Gott zu uns gesandt bist, und vertraue auf dich, erkenne dich auch als einen Meister und Heiland. Denn weil Nathanael gespürt hat, dass in Christus eine göttliche Macht, Weisheit und Majestät ist, so hat er nicht mehr gezweifelt, dass dieser Jesus der rechte Messias und versprochene Heiland der Welt sei. Das ist zwar ein kurzes aber sehr herrliches Bekenntnis von Christus. Denn indem er ihn Gottes Sohn nennt, den er als einen Menschen vor sich sah, lehrte er, dass Christus Gott und Mensch in einer Person sei. Dass er ihn einen Meister nennt, gibt er damit zu verstehen, Christus sei uns dazu gegeben, dass er uns den rechten Weg zum ewigen Leben zeigt. Dass er ihn einen König von Israel nennt, deutet darauf hin, der Messias sei darum von Gott gesandt, dass er uns aus der Gewalt des Teufels errettet und zu Erben des Himmelreichs macht. Denn man muss nicht nur an die Person, sondern auch an das Amt Christi recht glauben.

50. Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, dass ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum; du wirst noch Größeres denn das sehen.

Du glaubst: Dass ich der Messias bin und du bist recht dran.

Gesehen: Obwohl ich in leiblicherweise damals nicht bei dir gewesen bin.

Noch Größeres: Denn wenn du mein Jünger geworden sein wirst, so wirst du solche Dinge von mir hören und so herrliche Wunderwerke sehen, dass du viel sicherer und fester als jetzt glauben wirst, dass ich wahrhaftig der Messias und Heiland der Welt bin, der durch die Propheten verheißen worden ist.

51. Und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, von nun an werdet ihr den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf - und herabfahren auf des Menschen Sohn.

Offen sehen: Will so viel heißen: Ihr werdet je länger je mehr befinden und verstehen, dass ich eben derselbe bin, der im Gesicht abgebildet war, worin Gott dem Patriarchen Jakob erschien, als er durch Mesopotamien zog {1Mos 28}. Denn es sah Jakob im Traum eine Leiter, die auf der Erde stand und mit der Spitze an den Himmel rührte. Daran flogen die Engel Gottes auf und nieder und Gott der Herr stand obendrauf. dieselbe Leiter und der Weg zum Himmel (will Christus sagen) bin ich, auf der die Menschen, wenn sie einmal den Engeln gleich sein werden, einen Zugang zu Gott, dem himmlischen Vater haben. Denn nach meiner Menschheit rühre ich die Erde an, ja ich bin von der Erde und euch allerdings gleich, die Sünde jedoch ausgenommen. Aber nach meiner Gottheit reiche ich bis zu meinem himmlischen Vater, mit dem ich auch eines Wesens bin. Darum bin ich ein Mittler Gottes und der Menschen, den die Menschen nicht fürchten oder vor ihm fliehen sollen, weil ich auch ein Mensch bin, den auch Gott der Vater nicht verstoßen kann, als der ich Gott und der eingeborene Sohn Gottes bin. Darum, wenn ihr mich mit Glauben ergreift, so werdet ihr in den Himmel aufsteigen. Die Arianer zeigen uns eine Leiter, die nicht bis an den Himmel reicht, weil sie lehren, Christus sei nur ein Mensch. Die Eutychianer und Schwenkfelder aber weisen uns eine solche Leiter, die die Erde nicht anrührt, indem sie die wahre Menschheit Christi verleugnen. Die päpstlichen Lehren, da sie vorgeben, dass wir nicht allein durch den Glauben, sondern durch die Werke mit Christus zusammengeführt werden, wollen uns die Hand des Glaubens abhauen, damit wir diese Leiter nicht ergreifen und in den Himmel kommen. Die sicheren und rohen Leute wenden sich allerdings von dieser Leiter und damit auch vom Himmel weg.


Das 2. Kapitel

  • Christus ziert die Hochzeit zu Kanaan in Galiläa mit seiner Gegenwart und Freigiebigkeit.
  • Er zieht mit seiner Mutter, seinen Brüdern und Jüngern nach Kapernaum.
  • Als er sein Amt anfangen will, reinigt er den Tempel in Jerusalem, der zum rechten Gottesdienst bestimmt war, von dem Missbrauch durch die Geldwechsler.
  • Es werden viele durch die Wunderwerke Christi dazu bewegt, dass sie an ihn glauben.

1. Und am dritten Tage ward eine Hochzeit zu Kana in Galiläa; und die Mutter Jesu war da.

Und: Weil Christus dem Nathanael verheißen hatte, dass er ein großes Wunderwerk sehen würde, wodurch die, die an ihn glauben in ihren Glauben gestärkt werden sollen, so wird jetzt ein herrliches Wunderwerk Christi erzählt, und zwar das erste unter allen, die er nach seiner Taufe und nachdem er das Amt, sein Evangelium zu lehren und zu predigen, angefangen hatte, getan hat.

Dritten Tage: Nachdem Christus in Galiläa angekommen war.

Kanaan: Dieser Stadt wird Meldung getan {Jos 19}.

Mutter Jesu: Die allerheiligste Jungfrau Maria.

2. Jesus aber und seine Jünger wurden auch auf die Hochzeit geladen.

Geladen: Die auch erschienen sind, wie das folgende Wunderwerk bezeugt. Der Ehestand ist ein solcher Stand, den Gott nicht allein im Paradies eingesetzt hat, sondern der ihm auch heutzutage gefällt, obwohl die Natur des Menschen durch die Sünde verdorben und mit allerlei bösen Begierden ganz und gar vergiftet ist. Und er will, dass sie, wenn sie die besondere Gabe der Keuschheit außerhalb der Ehe nicht haben, sich verheiraten sollen {1Kor 7}. Denn Gott will, dass auf rechtmäßige und ordentliche Weise irdische Bürger gezeugt werden, die danach aus Wasser und Geist in der Taufe wiedergeboren und zu himmlischen Bürgern gemacht werden. Und er will, dass die Menschen den Ehestand als eine Arznei gebrauchen und sich damit vor allerlei Unzucht und Unreinheit schützen. Er will auch, dass der Ehestand täglich uns daran erinnert an die allergenaueste und heiligste Zusammenfügung Christi und seiner Kirche, die Christus inbrünstig liebt und unterhält, die er auch seinen himmlischen Gütern und Reichtümern teilhaftig macht und welche wiederum sich bemüht, Christus von Herzen zu gehorchen. Gott lässt sich auch die hochzeitliche Pracht gefallen, wenn man es nicht damit übertreibt, damit dabei nicht allein die anderen merken und spüren können, wie die neuen Eheleute in ordentlicherweise beieinander wohnen, sondern auch, dass die Eheleute, selbst wenn ihnen etwas Widerwärtiges begegnet, daraus einen Trost schöpfen, wenn sie sich erinnern, wie sie in ordentlicherweise nach dem Willen Gottes zusammengekommen sind. Darum wird ihnen Gott mit seiner Hilfe beistehen.

3. Und da es an Wein gebrach, sprach die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben nicht Wein.

Gebrach: Darüber sind die neuen Eheleute nicht wenig erschrocken und haben gedacht: Was ist das für ein Ding? Christus ist bei uns vorhanden, ein Herr des Himmels und der Erde. Dennoch geht uns der Wein aus, ehe die Hochzeit zu Ende gefeiert ist? Es ist aber durch dieses Beispiel zu verstehen gegeben worden, wie im Ehestand mancherlei Trübsal auftaucht {1Kor 7}. Denn der Wein ist ein Anreiz zur Freude, weshalb der Mangel Traurigkeit und Trübsal bedeutet. Und dies geschah aus den Umständen, dass die Eheleute arm gewesen sind und nicht so viel Wein zur Hochzeit aufbringen konnten, wie sie gebraucht hätten.

Nicht Wein: Darum stehe ich ihnen bei, mit Rat und Hilfe. Denn die Heilige Jungfrau Maria hatte alles in ihrem Herzen behalten, was der Engel von der Person Christi ihr zuvor verkündigt hatte, Lukas im 2. Kapitel. Darum glaubte sie, Christus, als der Heiland der Welt, würde einen Weg zu finden wissen, wie den neuen Eheleuten zu raten sei. Und hat mit diesem Beispiel nicht lehren wollen, dass man die sogenannten Heiligen heutzutage anrufen soll, sondern, dass einer sich des anderen annehmen solle, wenn es ihm übel geht und dass die Lebendigen für andere Lebendige bei Gott eine Fürbitte tun sollen.

4. Jesus sprach zu ihr: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht kommen.

Nach Luther: Was geht es mich und dich an?

Nicht kommen: Ich weiß wohl, was ich tun soll, auch wenn du mich nicht daran erinnerst und weiß, wann es Zeit ist, meine Allmacht und Majestät zu offenbaren. Mit dieser etwas harten Antwort hat Christus die Kinder nicht lehren wollen, dass sie ihre Eltern verachten sollen, sondern, wie er auch einmal, als er am Kreuz sterben sollte, seine Mutter nicht außer acht gelassen, sondern sie dem Johannes anbefohlen hatte. Vielmehr wollte er anzeigen, wie Gott sich üblicherweise eine Zeit lang so stellt, als ob er unser Gebet nicht achte, weil er uns probieren will, ob wir ihm wahrhaftig vertrauen und im Gebet tapfer fortfahren wollen.

5. Seine Mutter sprach zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut.

Sagt: Was euch mein Sohn Jesus befiehlt, das befolgt, auch wenn es euch ungereimt erscheint. Denn die allerheiligste Jungfrau Maria entnahm aus der Antwort Christi, obwohl sie etwas rau war, so viel, dass Christus seine Hilfe den neuen Eheleuten nicht entziehen würde, sobald die rechte Zeit dafür gekommen wäre. Darum sollen wir nicht aufhören zu hoffen, auch wenn wir nicht gleich erhört werden.

6. Es waren aber allda sechs steinerne Wasserkrüge gesetzt nach der Weise der jüdischen Reinigung, und gingen in je einen zwei oder drei Maß.

Wasserkrüge: Oder Geschirr, in die man Wasser schüttete, damit sich die Juden damit waschen konnten, wenn sie etwas Unreines berührt hatten. Es handelt sich hier aber nicht um die im Gesetz Moses gebotenen Abwaschungen, sondern darüber hinaus hielten die Juden noch viele andere. Denn die Pharisäer und alle Juden zur damaligen Zeit aßen nicht, wenn sie sich nicht zuvor die Hände oft gewaschen hatten, hielten also die Anweisungen ihrer Vorfahren, die nicht im Gesetz festgelegt waren. Und wenn sie vom Markt kamen, aßen sie nicht, wenn sie sich nicht zuvor gewaschen hatten {Mk 7}. Dazu nun waren die Wasserkrüge vorhanden.

Maß: Eine Maß bei den Juden war etwa gleich viel wie 20 Württembergische Maß oder 30 Meißener Kannen. Deswegen machen drei jüdische Maß 60 württembergische Maß und wenn jede Maß eine solche Weite gehabt hat, so machen sie alle miteinander 360 Maß, das sind zwei Eimer und 40 Maß nach württembergischer Rechnung, etwa ein Drittel Fuder. Denn 6 Eimer machen ein Fuder, woran fünf oder sechs starke Pferde genug zu ziehen haben. Dies ist deshalb so deutlich gemacht, dass wir verstehen, wie reich und mild der Herr Christus die neuen Eheleute beschenkt und gegeben hat.

(Anmerkung des Bearbeiters im Jahr 2017: Die hier angegebene Menge von 2 Eimer und 40 Maß nach württembergischer Rechnung entspricht in den heutigen Maßeinheiten etwa 720 Liter.)

7. Jesus sprach zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser. Und sie füllten sie bis obenan.

8. Und er sprach zu ihnen: Schöpft nun und bringt‘s dem Speisemeister. Und sie brachten es.

Er sprach: Nämlich Christus, nachdem er mit seiner göttlichen Gewalt das Wasser zu Wein gemacht hatte.

Speisemeister: Der den Vorsitz bei dieser Hochzeit hat, damit er den Wein kostet.

9. Als aber der Speisemeister kostete den Wein, der Wasser gewesen war, und wusste nicht, von wannen er kam (die Diener aber wussten es, die das Wasser geschöpft hatten), rief der Speisemeister den Bräutigam

Wusste nicht: Weil er damals mit anderen Geschäften beschäftigt war, als man das Wasser schöpfte.

10. und sprach zu ihm: Jedermann gibt zum ersten guten Wein, und wenn sie trunken worden sind, alsdann den geringeren; du hast den guten Wein bisher behalten.

Geringeren: Weil die Gäste zu späterer Stunde nicht mehr so gut unterscheiden können, welcher Wein besser oder schlechter ist.

Behalten: Und setzt das Beste an den Schluss, da doch eigentlich das Gegenteil hätte geschehen sollen. Deswegen hat Christus nicht nur Ehre und Wohlstand der neuen Eheleute gerettet, damit die Gäste aus Mangel an Wein vor dem Ende der Hochzeit nicht gezwungen wären, wegzugehen, sondern sie auch mit köstlichsten Wein beehrt, dazu in der Menge. Er wollte aber damit keinen Anlass zur Üppigkeit oder Trunkenheit geben, beide Laster sind Gott dem Herrn höchst zuwider, sondern er wollte zu verstehen geben, wie er für fromme Eheleute sorgt, ihren Mangel und ihre Trübsal lindert und ihre Traurigkeit in Freude verändert. Denn so wird auch noch heutzutage den frommen Eheleuten das Wasser der Traurigkeit in den Wein der Fröhlichkeit verändert. Und zweifellos ist nach Ende der Hochzeit noch ein guter Teil des köstlichen Weines übrig geblieben, der den armen, neuen Eheleuten wohl nützlich war, dass sie sich ihren neuen Haushalt leichter einrichten konnten. Denn Gott fügt fromme Eheleute nicht nur zusammen, sondern er ernährt sie auch.

11. Das war das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen zu Kana in Galiläa und offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.

Erste Zeichen: Unter allen, die Christus nach seiner öffentlichen Taufe getan hat, nachdem er sein Predigtamt angetreten war. Dieser Zeitpunkt wäre auch für eine Eheschließung der richtige gewesen.

Galiläa: In dieser Landschaft hat er später noch viele Wunderwerke getan.

Herrlichkeit: Oder göttliche Majestät und Macht, mit der wunderbaren Veränderung des Wassers in Wein. Denn Christus hat mit dieser Tat zu erkennen geben wollen, dass er nicht nur als Gott, sondern auch als Mensch, ein Herr des Himmels und der Erde ist und er alle Kreaturen in seiner Gewalt hat, dass er mit ihnen tun und aus ihnen machen kann, was er will.

Glaubten: Durch diese Wunderwerke hat ihr Glaube sehr zugenommen und ist gestärkt worden, und sie haben fester geglaubt, als zuvor, dieser Jesus sei der Messias und Christus, der Heiland der Welt, der in den Schriften der Propheten versprochen worden war. Denn dies soll der Nutzen der Wunderzeichen bei uns sein, dass wir glauben, Jesus sei Christus und dass wir durch den Glauben an ihn das ewige Leben erlangen {Joh 20}. Wenn wir auch mit göttlichen Guttaten versehen werden, so sollen wir umso fester auf Christus vertrauen.

12. Danach zog er hinab gen Kapernaum, er, seine Mutter, seine Brüder und seine Jünger, und blieben nicht lange dort.

Kapernaum: War eine kleine Stadt in Galiläa gewesen, am See Genezareth gelegen.

Bruder: das sind seine Blutsverwandten. Denn die werden nach hebräischer Sprache Brüder genannt.

Nicht lange: Christus hat sich aber sonst oft in Kapernaum aufgehalten und dort gepredigt und viele große Wunderwerke getan. Denn dass dies geschehen würde und diese Landschaft mit dem Evangelium Christi erleuchtet werden würde, das hatte Jesaja in Kapitel neun zuvor geweissagt. Der Evangelist Matthäus zeigt solche Weissagungen in Kapitel vier mehrfach an, wenn er von den Predigten und Wunderwerken Christi spricht, die er in Galiläa getan hat. Es überschüttet aber Gott, was für diese Welt verachtet ist, wie die Landschaft Galiläa auch gewesen ist, mit geistlichen Gaben und wenn solche Leute die himmlischen Guttaten mit dankbaren Herzen nicht erkennen, so werden sie danach desto härter von Gott gestraft {Mt 11}.

13. Und der Juden Ostern war nahe. Und Jesus zog hinauf gen Jerusalem

Zog hinauf: Denn es mussten alle Männer, die das vom Alter her noch konnten, auf die drei vornehmsten Feste in Jerusalem gehen zur Verrichtung der gewöhnlichen Opfer und anderer Gottesdienste. Christus wollte aber das ganze Gesetz erfüllen, nicht dass er dem Gesetz etwas schuldig wäre, zumal er ein Herr der Gesetze ist, sondern, damit er das Gesetz für uns erfüllte und wir durch seinen Gehorsam, der uns aus Glauben zugerechnet wird, gerecht würden {Röm 5}.

14. und fand im Tempel sitzen, die da Ochsen, Schafe und Tauben feil hatten, und die Wechsler.

Im Tempel: Nämlich, in den Vorhöfen, die vor dem Tempel waren. Denn das ganze Gebäude wurde der Tempel genannt.

Wechsler: Was alles dem Anschein nach dahin gerichtet war, dass es zur besseren Förderung des Gottesdienstes dienlich sei und die Fremden, die zum Opfer kämen, aber kein Opfer (besonders bei einem weiten Weg) mit sich nehmen konnten, fanden hier für Geld Ochsen, Schafe, Tauben und dergleichen Sachen zu kaufen, die sie für ihre Sünden, oder aus Dankbarkeit den Priestern zum Opfer übergeben konnten. Die Wechsler aber nahmen fremde Münzen an und wechselten in solche Münzen, die in Jerusalem gebräuchlich waren, besonders mit Sekeln, die den Priestern in etlichen besonderen Fällen gegeben werden mussten. Aber solch eine Krämerei hatte in der Wahrheit keinen anderen Ursprung als den Geiz der Priester und des Volkes. Ein guter Anteil von den meisten Opfern fiel den Priestern, die solche Opfer verrichteten, zu, und das Volk konnte auf die Art seine Waren verkaufen und wohlhabend werden. Je mehr Opfer man auch täte, umso größeren Nutzen hatten sowohl die Priester als auch das Volk in Jerusalem davon. Im Papsttum wird ein noch viel größerer Jahrmarkt mit und beim Gottesdienst gehalten. Da verkauft man Messen, Gebete, Fasten und zusammengefasst, alle guten Werke der Mönche, obwohl sie jedoch selbst zum großen Teil keine haben. Ja, man verkaufte auch Vergebung der Sünden und Ablassbriefe. Es wird auch das Dispensieren oder Nachlassen und Freiheit verkauft im Speisen, bei Gelübden und Ehesachen. Ja, es ist der Himmel und Gott selber bei ihnen im Angebot, wie ihr eigener Dichter Mantuanus davon geschrieben hat. Aber Gott ist solcher Krämerei feind und hat ein Gräuel daran.

15. Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus samt den Schafen und Ochsen und verschüttete den Wechslern das Geld und stieß die Tische um.

Tische: Auf denen die Wechsler das Geld zählten, das die Ausgaben und von den Leuten einwechselten.

16. Und sprach zu denen, die die Tauben feil hatten: Tragt das heraus und macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhaus!

Kaufhaus: Denn mein himmlischer Vater hat den Tempel nicht dazu aufbauen lassen, dass man drinnen einen Jahrmarkt anrichten sollte, sondern dass sein Wort drinnen gelehrt wird, dass er angerufen und gepriesen wird und der Glaube mit den Opfern bestätigt wird. Zwar gefallen ihm die Opfer nicht für sich selbst, oder darum, dass sie geopfert werden, sondern weil sie das Leiden des Messias abbilden und von denen geschehen, die wahrhaftige Buße tun und an den Messias glauben. Sonst sind die Opfer meinem himmlischen Vater ein Gräuel {Jes 1 66}. Es besteht aber kein Zweifel, dass diese Tat Christus viel geärgert hat. Denn man kann nicht alle Ärgernisse verhüten, die man sich selber macht.

17. Seine Jünger aber dachten daran, dass geschrieben steht: Der Eifer um dein Haus hat mich gefressen {Ps 69v10}.

Gefressen: Das heißt: Weil ich, himmlischer Vater, sehe, dass dein Haus, der Tempel, so schrecklich enteignet wird und alles nur auf den Gewinn und zum Anschein der Gottseligkeit oder auf die Heuchelei gerichtet ist und nicht zu deiner Ehre, noch zu dem Menschen Seligkeit angesehen werden kann, so tut mir das so weh, dass es mir das Herz abdrücken will. Was aber die Tat Christi betrifft, sollen wir wissen, dass es eine besondere Heldentat gewesen ist, die ihm keiner frevelhaft nachzumachen sich unterstehen soll. Denn man liest in den Apostelgeschichten nichts davon, dass die Apostel Christi an den Orten, an denen sie das Evangelium gepredigt haben, eine solche Reformierung der Religion angerichtet hätten. Wenn deswegen Schwärmer und aufrührerische Lehrer unter dem Anschein der evangelischen Reformation die Bilder unsinnigerweise verstümmeln und zerschlagen, die Altäre abbrechen, die Orgeln ausmustern, oder gar die Kirchen niederreißen, ja, auch die Personen, die nicht von ihrer Religion sind, anfallen, die sind keine rechten Nachfolge Christi, sondern seine Affen. Aber sonst soll ein jeder fromme Mensch je nach seinem Berufsstand die Ehre Gottes mit rechtschaffenem Eifer befördern und die Verfälschung der Religion meiden und sich darum bemühen, dies auf ordentliche Weise abzuwehren.

18. Da antworteten nun die Juden und sprachen zu ihm: Was zeigst du uns für ein Zeichen, dass du solches tun mögest?

Tun mögest: Es wäre kein Wunder gewesen, wenn die Juden gleich an dieser Stätte Christus angefallen und erwürgt hätten. Denn zweifellos haben etliche von ihnen gedacht, es gereichte dem Gottesdienst zur Schmach, was Christus zu verhindern begehrt. Andere haben geurteilt, diese Tat sei der weltlichen Obrigkeit zur Verkleinerung anzusehen, weil auf einen solchen aufrührerischen Anfang Meuterei und Mord folgen könnten. So hätten auch die, die er mit der Geißel geschlagen hat, sich selber rächen können, aber dergleichen geschieht nichts, sondern die Juden fahren ihn nur mit Worten an und fragen ihn, mit welchen Wunderzeichen er beweisen wolle, dass er zu einem Propheten und zu einem Reformierer der Kirche Gottes von Gott gesandt sei? Als wollten sie sagen: Wenn es so wäre, dass etlicher Missbrauch bei dem Kaufhandel vorgefallen wäre, so hätte er doch warten sollen, bis der Hohepriester mit seinem geistlichen Rat oder Konzil etwas geändert oder verbessert hätte. Wie sollen hierbei darauf achten, dass wir uns vor keiner Gefahr fürchten sollen, wenn wir unsere Aufgabe fleißig abwarten, denn Gott wird uns entweder beschützen, dass uns nichts Böses begegnet, oder, wenn er uns auch etwas Widerwärtiges tun lässt, so muss uns das doch alles zum Besten dienen. Denn denen, die Gott lieben, gereicht alles, was ihnen begegnet, zum Besten, in Römer, 8. Kapitel. Danach sehen wir, dass schon immer etliche da gewesen sind, die zwar gemerkt haben, dass viel in der Religion zu ändern und zu verbessern ist, es aber dennoch nicht leiden konnten, dass dies von denen geschehen soll, die von Gott besonders dazu erweckt wurden, sondern meinen, man müsse die Beschlüsse der obersten Priester und Bischöfe und deren Konzilien und Dekrete abwarten. Aber diese irren sich sehr. Denn obwohl es das Amt der römischen Bischöfe oder Päpste wäre, die Kirchen, die ihnen untergeben sind, gottselig zu reformieren, so darf man doch keine Reformierung von ihnen erhoffen, weil sie selbst als allererstes reformiert werden müssten.

19. Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel, und am dritten Tage will ich ihn aufrichten {Mt 26v61 27v40 Mk 14v58 15v29}.

Brecht: Das heißt: Weil ihr meine Wunderwerke nicht achtet, von denen ich bereits etliche getan habe, die euch unverborgen sind, sondern immer andere und neue wünscht, die euch doch auch nicht genügen würden, dass ihr glaubt, ich sei der Messias. Siehe so wird euch noch ein Wunderwerk bevorstehen und übrig bleiben, das euch in eurem Gewissen gegen euren Willen überzeugen wird, dass ich von Gott gesandt bin. Denn wenn ihr mich am Kreuz töten werdet, dass sich die Seele von meinem Leib trennen wird und somit der allerheiligste Tempel der Dreifaltigkeit eine Weile zerbrochen sein wird, so will ich doch am dritten Tag von den Toten wiederauferstehen, den Tempel meines Leibes wieder auferwecken, aus dem Grab bringen und wieder aufrichten. Dann werdet ihr gewiss finden, dass ich der von Gott versprochene Messias bin, obwohl einige von euch dennoch so boshaft und gottlos sein werden, dass sie auch dann der Wahrheit kein Zeugnis geben wollen. Deswegen ist die allerheiligste Menschheit Christi der Tempel der allerheiligsten Dreifaltigkeit. Denn, nachdem der Sohn Gottes menschliche Natur in Einheit der Person an sich genommen hat, hat vom ersten Augenblick der Empfängnis Christi an die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig in Christus gewohnt {Kol 2}, obwohl sie im Stand der Erniedrigung ihre Macht und Kraft nicht sehen ließ, Philipper im 2. Kapitel. Jedoch, nachdem jetzt Christus zur Rechten Gottes gesetzt worden ist, so ist ihm alle Gewalt im Himmel und auf der Erde gegeben, Matthäus im 28. Kapitel. So, dass er jetzt allmächtig und gegenwärtig regiert in der ganzen Welt, doch auf eine himmlische und der menschlichen Natur unbegreifliche Weise, in Epheser im 4. Kapitel und Kolosser im 1. Kapitel.

20. Da sprachen die Juden: Dieser Tempel ist in sechsundvierzig Jahren erbaut, und du willst ihn in dreien Tagen aufrichten?

Aufrichten: Ist das nicht ein ungereimtes Ding, was du da vorbringst? Man hat den Bau dieses Tempels kaum in 46 Jahren vollenden können, weil viele Hindernisse dazwischengekommen sind und du versprichst, ihn in drei Tagen aufzubauen. Was aber die Zeit der gemeldeten Jahre betrifft, ist es damit so beschaffen: Der Perserkönig Chores oder Cyrus, wie er sonst genannt wird, hat im ersten Jahr seiner Regentschaft den Juden befohlen, wieder in ihr Land zu ziehen und den Tempel zu bauen. Weil aber die benachbarten Völker den Juden solches Glück nicht gönnten und Cyrus außerhalb des Landes mit Kriegen zu tun hatte, ist der Bau des Tempels eine Zeit lang gesperrt worden. Und Cyrus hat (wenn man die Jahre seines Sohnes Cambysis mitrechnet, weil sie beide miteinander die Regentschaft führten) 20 Jahre regiert. Danach ist unter dem König Artaxerxes Ahasveros (der auch 20 Jahre im Regiment gewesen ist) der Bau des Tempels von Neuem behindert worden, weil die Juden beschuldigt wurden, sie würden einen Aufruhr planen, wovon man lesen kann in Esra 4. Endlich ist unter der Regierung des Königs Darius mit langer Hand im sechsten Jahr seiner Regentschaft der Tempel aufgebaut worden. Unter der Regierung dieses Königs fuhren die Juden im Bau des Tempels fort. Und obwohl ihre missgünstigen König Darius gegen sie aufzuhetzen versuchten, hat der König in den Jahrbüchern nachsuchen lassen und gefunden, dass Cyrus vor etlichen Jahren erlaubt hat, den Tempel zu bauen. Somit hat er die Juden geheißen, fortzufahren, und hat auch von seinem Einkommen den Gottesdienst gefördert, wie zu sehen ist in Esra 6. Darum sind vom ersten Jahr des Cyrus an, als den Juden der Bau des Tempels befohlen worden war, bis ins sechste Jahr des Königs Darius mit der langen Hand, indem der Tempel fertig geworden ist, 46 Jahre vergangen. Davon reden die Juden hier, weil sie die Worte des Herrn Christus nicht recht verstanden, und meinten, er hätte den steinernen Bau des Tempels gemeint, wohingegen er auf das Wunderwerk seiner künftigen Auferstehung hingedeutet hat, die bezeugt, dass Christus der Messias und Sohn Gottes ist {Ps 16 Röm 1}.

21. Er aber redete von dem Tempel seines Leibes.

22. Da er nun auferstanden war von den Toten, gedachten seine Jünger daran, dass er dies gesagt hatte, und glaubten der Schrift und der Rede, die Jesus gesagt hatte.

Gesagt: Deswegen haben auch die Jünger diese Rede des Herrn Christus nicht sogleich verstanden, was er damit gemeint hat, sondern erst nach seiner Auferstehung gemerkt, dass er auf seinen Leib gedeutet hat, den er am dritten Tage wieder aufgerichtet hatte. Denn der Glaube und die Erkenntnis Christi nehmen nach und nach zu.

23. Als er aber zu Jerusalem war in den Ostern auf dem Fest, glaubten viele an seinen Namen, da sie die Zeichen sahen, die er tat.

Dem Fest: Hiermit erinnern sich die Juden der Erlösung aus Ägypten und dieses Fest war eine Figur der damals künftigen Erlösung, die durch Christus geschehen sollte.

Nahmen: Dass sie es dafür hielten, er wäre der Messias und der versprochene König Israels.

Zeichen: Seine herrlichen Wunderwerke. Denn Christus hat viele Wunderwerke getan, die nicht aufgeschrieben sind. Diejenigen aber, die beschrieben worden sind, die sind darum aufgezeichnet, damit wir wissen, Jesus ist Christus der Welt Heiland, Johannes im 20. Kapitel.

24. Aber Jesus vertraute sich ihnen nicht; denn er kannte sie alle

Ihnen nicht: Er war nicht so sicher und unachtsam, dass er sich nicht auch gleichzeitig vorgesehen hätte, sich in keine unnötige Gefahr zu begeben. Denn man soll Gott nicht versuchen, was geschieht, wenn wir uns durch unsere Tollkühnheit und Unvorsichtigkeit in unnötige Gefahr bringen.

25. und bedurfte nicht, dass jemand Zeugnis gäbe von einem Menschen; denn er wusste wohl, was im Menschen war.

Menschen war: Christus wusste, wie sie alle und jeder insbesondere gegen ihn gesinnt waren, und es war nicht nötig, dass ihm jemand berichtete, was dieser oder jener von ihm hielt. Denn er hat am allerbesten erkannt, was sie für ein Herz zu ihm hätten, welche wahrhaftig an ihn glaubten und mit rechtschaffenem Vertrauen bei ihm ausharren würden. Auch, welche nur eine Zeit lang glauben, ihn aber danach verlassen und seine Feinde sein würden. So wusste er auch, wie sehr die menschliche Natur verderbt ist und was für eine große Bosheit in den Herzen der Menschen steckt, woraus allerlei Sünden gegen Gott und den Nächsten herausfließen würden. Darum, obwohl man nach der Art der christlichen Liebe von allen Menschen das Beste hoffen soll, so soll man doch auch so bedächtig und vorsichtig sein, dass man in wichtigen Sachen, wo eine Gefahr besteht, nicht jedermann ohne Unterschied zu viel traue und sich in Gefahr begibt, die man hätte umgehen können. Denn in einem nicht wiedergeborenen Menschen steckt ein Abgrund voller Bosheit, es wohnen Untreue, List, Betrug, Falschheit und unzählige weitere Laster in ihm. Doch es sollen auch die wiedergeborenen Menschen ihre verderbte Natur an sich erkennen und bitten, dass sie in der wahren Demut und Gottseligkeit von Gott erhalten und täglich gebessert werden mögen.


Das 3. Kapitel

  • Christus handelt mit Nikodemus von der ersten Staffel zum Himmelreich, nämlich, von der Wiedergeburt.
  • Und tauft mithilfe der Jünger im jüdischen Land.
  • Als eine Frage unter den Juden und den Jüngern des Johannes des Täufers entsteht, über die Reinigung der Taufe, wird diese von Johannes erörtert und entschieden.
  • Der rühmt darauf Christus wegen seines hohen Geschlechts und der gewissen Lehre.

1. Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus, ein Oberster unter den Juden.

Oberster: Ein besonders Vornehmer unter den Ratsherren in Jerusalem. Denn diejenigen, die im Rat der Juden saßen und ein großes Ansehen hatten, die wurden zur selben Zeit Oberste genannt, obwohl sonst die Römer die erste Gewalt und die hohen Obrigkeiten in der Verwaltung des Regiments von Jerusalem hatten. Jener Nikodemus aber, der nach seinem Stand ein Pharisäer war und wegen seines äußeren ehrbaren Wandels ein gutes Ansehen hatte, ist auch ein Schriftgelehrter gewesen, wie er bald danach genannt wird.

2. Der kam zu Jesus bei der Nacht und sprach zu ihm: Meister, wir wissen, dass du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn mit ihm.

Nacht: Denn er sorgte sich, wenn er am hellen Tag zu Christus käme und seine Kollegen das erfahren würden, dass er aus dem Rat ausgestoßen würde. Eigentlich hätte Nikodemus die Ehre Gottes und seiner Seele Seligkeit als wichtiger ansehen müssen, als sein Ansehen und seinen Stand. Jedoch, weil er zum Herren Christus einen guten Willen trug, so hat in Christus nicht verworfen, sondern im Glauben unterrichten und stärken wollen. An diesem Beispiel unseres Heilands sollen wir lernen, dass wir die Schwachen im Glauben nicht verachten, sondern aufnehmen und unterweisen sollen. Denn es kann wohl geschehen, dass die Letzten die Ersten werden. Besonders hat sich dies bei Nikodemus gezeigt, der neben dem Joseph von Arimathia den Herrn Christus, als er am Kreuz gestorben war, geholfen hat, ehrlich zu begraben, während zur selben Zeit die anderen Jünger nichts machen durften.

Wir wissen: Ich und andere mehr erkennen, dass du von Gott zu uns gesandt bist, damit du uns in der Religion unterrichtest und den rechten Weg zur ewigen Seligkeit zeigst.

Gott mit ihm: Der solche Werke durch ihn verrichtet und ihn mit seinem Geist regiert. Darum erkenne ich dich für meinen Lehrmeister und begehre von dir, als einem Propheten, den Gott zu uns gesandt hat, zu hören, auf welche Weise und auf welchen Wegen man in den Himmel kommen könnte. Denn dass dies sein Anliegen gewesen ist, ist aus des Herrn Christi Antwort gut zu sehen. Und Nikodemus ist recht dran, dass er es dafür hält, dass die herrlichen Wunderwerke Zeugnis davon sind, dass der, der solches tut, von Gott gesandt ist. Denn die rechten Wunderwerke sind göttliche Zeugnisse, wodurch die Lehre des Evangeliums bestätigt wird {Joh 20}. Man muss aber die rechten Wunderwerke von den erdichteten und erlogenen Wunderwerken des Antichristen gewissenhaft zu unterscheiden lernen {2Thes 2}.

3. Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von Neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen.

Nicht sehen: Noch dasselbe Erlangen. Denn die menschliche Natur ist durch die Sünde dermaßen verderbt, dass alle, wenn sie nicht wiedergeboren werden, wegen ihrer ersten Geburt verloren sein müssen. Denn es werden Adams - und nicht Gottes Kinder geboren. Darum sind sie Kinder des Zorns und nicht der Gnade {Eph 1}.

4. Nikodemus sprach zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er auch wiederum in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden?

Wie kann: Denn er war solcher himmlischen Geheimnisse allerdings unerfahren. Als wollte er sagen: Ich kann es mir eben nicht vorstellen, noch in meinen Kopf bekommen, wie ein Mensch, der bereits geboren wurde, wiedergeborenen werden kann, besonders, wenn er erwachsen ist und sein gestandenes Alter erreicht hat? Es war aber Nikodemus ansonsten keine ungebildete Person, dazu in verschiedenen Dingen erfahren und ein Mitglied des Rats, dennoch verstand er von den himmlischen Geheimnissen nichts. Denn große Kunst und viel Erfahrung machen keinen Christen, sondern das Wort Gottes, wenn es mit Glauben ergriffen wird.

Nach Luther: Vernunft, Natur, freier Wille weiß nichts von Gottes Gnaden und Werken, ja sie scheut es, schweigt, dass sie es begehren soll, wie dieser Text klar beweist.

5. Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.

Antwortete: Dass er ihm deutlicher zu verstehen gab, was er zuvor mit kurzen Worten angeregt hatte.

Wasser: Der Taufe und nicht aus dem Mutterleib, von dieser Geburt rede ich jetzt nicht.

Geist: Nämlich aus dem Heiligen Geist, der die Wiedergeburt und Erneuerung des Menschen erwirkt und verrichtet. Die Wiedergeburt ist aber eine solche Erneuerung, wodurch der Verstand des Menschen, der sonst in geistlichen Sachen blind ist, erneuert wird und sein Wille, der sonst dem Göttlichen widerstrebt, zum Gehorsam der Gebote Gottes gezogen wird. Diese Erneuerung, obwohl sie in diesem Leben nicht vollkommen ist, brauchen dennoch alle Menschen, wenn sie selig werden wollen, was in der Taufe geschieht. Daher sagt Paulus: Nach seiner Barmherzigkeit macht er uns selig, durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes, zum Titus im 3. Kapitel. Weil auch die Tötung des alten Adam in uns und unsere Erneuerung in diesem Leben nicht vollkommen ist, so werden wir in der Taufe dergestalt von Sünden gereinigt, dass die uns anklebenden oder von uns begangenen Sünden uns nicht mehr zugerechnet werden. Daher sagt Paulus: Christus hat die Gemeinde geliebt und sich selbst für sie gegeben, um sie zu heiligen, und er hat sie gereinigt durch das Wasserbad im Wort, damit er sich selbst eine Gemeinde darstellt, die herzlich ist, die keinen Flecken oder Runzeln hat, oder etwas Ähnliches, sondern dass sie heilig ist und unsträflich {Eph 5}. Wenn deswegen die Wiedergeburt, welche durch Wasser und Geist geschieht, so nötig ist, dass ohne diese (wo man sie anders haben mag) niemand ins Reich Gottes kommen kann, so sind die Schwenkfelder freilich nicht recht bei Sinnen, dass sie lehren, die Taufe sei unnötig. Und weil die Kinder ein großer Teil der Kirche sind, Christus aber die Kirche durch das Wasserbad von Sünden reinigen will, so schwärmen die Wiedertäufer, die behaupten, dass die Taufe für die Kinder weder nützlich noch nötig sei. Denn wer ein Kind von der Taufe abhält, der hält es auch vom Himmelreich ab. Wir reden jetzt aber nicht von den Kindern, welche ihre Eltern gerne taufen ließen, aber der Tod ihnen zuvorkommt und sie zur Unzeit hinnimmt, denn da haben wir das volle Vertrauen, dass ihnen und Ihrer Seligkeit nichts abgeht, auch wenn sie die Wassertaufe nicht empfangen haben. Denn wie zweifellos viele Knaben im Alten Testament vor dem achten Tag der Beschneidung gestorben sind und dennoch nicht verloren waren, weil es weder an ihnen, noch an ihren Eltern lag, dass sie nicht beschnitten wurden. Also, wenn die Eltern ihre Kinder Christus mit einem gottseligen Gebet vortragen und diese vor empfangener Taufe sterben, so werden sie die ewige Seligkeit deswegen nicht verlieren. Nichtsdestoweniger soll man die Taufe nicht versäumen, wenn man sie haben kann, weil sie, wie Christus bezeugt, sehr vonnöten ist.

6. Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch, und was vom Geist geboren wird, das ist Geist.

Was: Jetzt fügt Christus den Grund dazu, warum es nötig ist, dass ein Mensch durch die Taufe wiedergeboren wird. Als wollte er sagen: Ein Mensch, sofern er von seinen Eltern natürlich gezeugt wurde und in diese Welt geboren wird, ist allerdings fleischlich und fleischlich gesinnt. Solche fleischliche Neigung aber ist eine Feindschaft gegen Gott, weil der fleischliche Mensch dem Gesetz Gottes keinen Gehorsam leisten kann, sondern nur Gott widerstrebt {Röm 8}. Wenn er aber wiedergeboren wird, so wird er ein geistlicher Mensch nach seiner Wiedergeburt und ist geistlich gesinnt, lässt sich auch gefallen, was Gott gefällt, hasst die Sünde und Ungerechtigkeiten und folgt dem Heiligen Geist, wie der ihn leitet und dirigiert. Solche wiedergeborenen und geistlichen Menschen sind tauglich zum Reich Gottes, dass sie in dasselbe eingehen.

7. Lass dich‘s nicht wundern, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von Neuem geboren werden.

Geborenen werden: Wie wollt ihr anders ins Reich Gottes kommen?

8. Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist {Pred 11v5},

Bläst: (Nach Luther) Die zwei Stücke gehören zusammen, Wort und Geist, gleichwie im Wind die zwei Stücke miteinander sind, sausen und wehen.

Geboren ist: Denn man sieht, hört und empfindet, was der Wind für eine große Kraft hat, aber den Wind an sich kann man mit Augen nicht sehen, also, wenn ein Mensch aus Wasser und Geist in der Taufe wahrhaftig wiedergeboren wird, so wird danach zu seiner Zeit die Kraft der Wiedergeburt empfunden und gespürt, nämlich in guten Werken. Das Werk der Wiedergeburt an ihm selbst sieht man jedoch mit leiblichen Augen nicht, wie es, mit solch einem Menschen in seinem Herzen beschaffen ist, denn er ist so verändert worden, dass er anderen, nicht wiedergeborenen Menschen, ungleich ist. Welche aber, als sie zu Ihrem Verstand gekommen sind, keine guten Früchte der Wiedergeburt bringen, sondern nur den Sünden und Lastern nachhängen, die geben damit zu verstehen, dass sie wiederum geistlich gestorben sind und die göttliche Guttat der Wiedergeburt verloren haben. Gleich, wie auch die Wiedergeburt mit leiblichen Augen nicht gesehen wird, kann man auch die anderen geistlichen Geheimnisse mit leiblichen Augen nicht sehen, wie zum Beispiel die Ausspendung des Leibes und Blutes Christi im Heiligen Abendmahl, die, weil sie die Zwinglianer mit ihren Augen sehen wollen, dass sie damit zu verstehen geben, dass sie von der Beschaffenheit der geistlichen Sachen nichts wissen, obwohl sie ständig den Geist im Munde führen, ihn aber nicht im Herzen haben.

9. Nikodemus antwortete und sprach zu ihm: Wie mag solches zugehen?

Zugehen: Als wollte er sagen: Diese Sachen sind mir allerdings unbekannt und ich muss bekennen, dass ich nichts davon verstehe.

10. Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bist du ein Meister in Israel und weißt das nicht?

Meister: Der du dich bisher für einen Lehrer ausgegeben und begonnen hast, andere im Wort Gottes zu unterrichten.

Das nicht: Was nicht allein jeder, der im Lehramt ist, wissen sollte, sondern, was auch allen frommen Menschen gut bekannt sein sollte. Solche Lehre habe ich auch im Papsttum gefunden, wie die Sorbonisten und Schultheologen, die mehr Zeit in den Büchern des Aristoteles, als in der Heiligen Schrift zu lesen, zugebracht haben. Und auch heutzutage pflegen noch viele Kirchenlehrer, die doch dafür angesehen sein wollen, als wären sie der reinen Religion zugetan, sich viel öfter mit den Schriften des Platon, Pindares, Euripides, Sophokles und Aristoteles zu beschäftigen, als mit den Zeugnissen der Heiligen Schrift, die sie entweder mit Stillschweigen übergehen, oder zur Unzeit und in einem falschen Sinn vorbringen. Es ist deswegen nötig, dass wir uns vorsehen, dass wir nicht wieder in die vorige Finsternis der Religion geraten.

11. Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, wir reden, was wir wissen, und zeugen, was wir gesehen haben, und ihr nehmt unser Zeugnis nicht an.

Nicht an: Dennoch, ob ihr es glaubt oder nicht, so rede ich und die Propheten nichtsdestoweniger von gewissen Sachen, die wir sicher wissen, dass sie wahr sind, obwohl der größere Teil unter euch unsere wahrhafte Lehre nicht mit Ernst annimmt, weil sich bei euch ein grober Unverstand findet. Also darf auch ein Kirchendiener bisweilen seine Zuhörer schon etwas ernst ansprechen, damit ihnen die Schlafsucht vertrieben und sie munter gemacht werden.

12. Glaubt ihr nicht, wenn ich euch von irdischen Dingen sage, wie würdet ihr glauben, wenn ich euch von himmlischen Dingen sagen würde?

Sagen würde: Denn weil ihr solche Sachen nicht versteht und glaubt, die man mit den fünf Sinnen einigermaßen begreifen kann, was wollt ihr denn von himmlischen Sachen wissen? Ebenso könnte man einem Zwinglianer vorwerfen: Weil du nicht verstehst, wie es zugeht, dass tausend oder noch mehr Menschen gleichzeitig auf einmal einen Prediger und sein Wort allesamt mit den Ohren fassen, also, dass jeder gleich viel hat, wie wolltest du denn mit deiner Vernunft begreifen können, wie die vielen Tausende den Leib Christi zugleich empfangen? Denn wir können das nicht ergründen, was den fünf Sinnen unterworfen ist, und es sind uns viele natürlichen Sachen verborgen, wie sollten wir denn die himmlischen Geheimnisse Gottes mit unserer Vernunft begreifen können?

13. Und niemand fährt gen Himmel, denn der vom Himmel herniederkommen ist, nämlich des Menschen Sohn, der im Himmel ist.

Und: Jetzt wendet sich Christus von dem Verweis, den er dem Nikodemus gegeben hat, wieder zu der Lehre von unserer Seligkeit, wie wir sie erlangen können, und erklärt es ausführlich.

Niemand fährt: Denn es hat kein Mensch um der Sünde willen recht oder Anspruch zum Himmelreich, sondern sie hätten es alle verdient, dass sie ewig vom Himmel ausgeschlossen bleiben, weil sie alle Sünder und Ungerechte sind. Aber allein der Sohn Gottes, der vom Himmel herabgekommen ist und indem er die menschliche Natur an sich genommen hat, auch des Menschen Sohn geworden ist, hat Recht und Anspruch zum Himmelreich. Dieser ist, wenn er auf Erden ist, dennoch zugleich auch im Himmel, so oft und wann er will. Dieser ist der ewigen Seligkeit würdig. Denn nach seiner ewigen Gottheit ist er ein Erbe des Himmelreichs, als der eingeborene Sohn Gottes, nach seiner Menschheit, aber er hat sich freiwillig dem Gesetz unterworfen und dem den allervollkommensten Gehorsam geleistet, dem er jedoch dem Gesetz nach nichts schuldig gewesen wäre, weil er des Gesetzes Herr war. Das andere Recht zum Himmelreich schenkt er allen, die an ihn glauben, dass sie um seinetwillen Erben des ewigen Lebens werden können. Und weil alle Menschen mit der Sünde behaftet sind, so wird er, der Sohn Gottes, die Sünde am Kreuz tilgen und mit seinem Verdienst des Gehorsams und Leidens ihnen den Zugang zum Himmel öffnen, denen sonst alle Wege zu der himmlischen Freude versperrt waren.

14. Und wie Mose in der Wüste eine Schlange erhöht hat, also muss des Menschen Sohn erhöht werden,

Wie Moses: Diese Geschichte, die sich mit der ehernen Schlange zugetragen hat, findet man in Römer 21, 8.9. Und sie ist ein Vorbild des Herrn Christus gewesen, wie er am Kreuz gehangen hat. Denn als die Israeliten in der Wüste aus Ungeduld gegen Gott murrten, schickte Gott feurige Schlangen unter sie, die mit ihrem Gift den Leib der Menschen ansteckten und entzündeten, sodass jeder, der von einer solchen Schlange gebissen worden war, mit einem sehr hitzigen und pestartigen Fieber angegriffen wurde und unter großen Schmerzen starb. So sind alle Menschen von der alten Schlange, dem Teufel, mit der Sünde vergiftet worden; dieses Gift, wenn man es im Gewissen recht empfindet, erregt es gräuliche Schmerzen, sodass es dem Menschen nicht anders erscheint, als werde er im höllischen Feuer gequält. Und wenn ihm Gott der Herr nicht zu Hilfe kommt, so beendet er sein Leben in Verzweiflung und stirbt des ewigen Todes. Da sich aber Gott des Volkes, das in der Wüste jämmerlich umkam, wieder erbarmte, befahl er, eine eherne Schlange an einem Holz aufzurichten, mit dem Trost, dass, wer von einer Schlange geschädigt worden ist und die eiserne Schlange anschaut, die am Holz hängt, der sollte nicht sterben, sondern sein Leben retten. Diese Schlange deutet auf Christus. Denn gleichwie die eherne Schlange zwar die Gestalt einer Schlange hatte, aber ohne Gift war und niemanden beschädigte, sondern nach dem Willen und der Anordnung Gottes die Leute beim Leben erhielt, so hatte auch Christus die Gestalt eines sündigen Menschen, wie Paulus sagt. Gott sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündigen Fleisches {Röm 8}. Und die Pharisäer beschuldigten Christus, wenn auch fälschlich, dass er ein Säufer und ein Freund der Zöllner und Sünder wäre. Ja, er wäre ein Verführer des Volkes, Aufrührer Helfer des Teufels und Gotteslästerer, obwohl doch in Wirklichkeit überhaupt kein Gift der Sünde an ihm war, weil er nicht in Sünden, sondern vom Heiligen Geist empfangen war, nie eine Sünde begangen hatte, auch kein Betrug jemals in seinem Mund gefunden worden war. Dennoch ist dieser Allerunschuldigste Gottes – und des Menschen Sohn um unseretwillen an das Holz des Kreuzes gehenkt worden und hat dort den Fluch, denn unsere Sünden verschuldet hatten, für uns ausgestanden (Denn verflucht ist vor Gott, der am Holz hängt {5Mos 21}.), damit wir den ewigen Segen erlangen {Gal 3}. So, wie nun also die, die die eherne Schlange, welche am Holz aufgehängt worden war, anschauten, nicht starben, sondern am Leben erhalten wurden, so wird auch der, der mit den Augen des Glaubens den gekreuzigten Christus ansieht nicht des ewigen Todes sterben, noch verdammt werden, sondern das ewige Leben erlangen. Mit den Augen des Glaubens Christus anschauen heißt, an Christus, den selig machenden Glauben, das heißt, Vertrauen auf ihn setzen, dass er dein Erlöser ist, der für dich und an deiner Stelle dem Gesetz Gottes vollkommenen Gehorsam geleistet hat und für deine Sünde am Kreuz gelitten hat, die er alle zusammen vollkommen gebüßt und versöhnt hat. Wer nun also an Christus glaubt, egal ob er viel oder wenig gesündigt hat, geringe oder grobe Sünden begangen und eine grobe Sünde einmal oder oft getan hat, der wird nach dieser wahrhaften Verheißung Christi hier nicht verdammt werden, sondern ein Erbe des Himmelreichs sein.

15. auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

16. Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

Also: Jetzt erklärt Christus sehr deutlich, was er zuvor mit der Figur der Schlange in der Wüste gemeint und verstanden haben wollte.

Leben haben: Die Meinung ist diese: Obwohl Gott der Vater unseres Herrn Jesus Christus in seinem Wesen der Allergerechteste ist und die Sünde hasst, die auch ein Gräuel für ihn ist, hat er dennoch die Welt, also, die sündigen Menschen in der Welt, so sehr geliebt, dass er darauf bedacht gewesen ist, wie er sie erhalten kann. Er hat sie aber nicht darum geliebt, weil sie Sünder waren, sondern weil sie seine Geschöpfe waren. Denn der sündige Mensch behält Leib und Seele, die beide Gott erschaffen hat, obwohl beides, die Seele und der Leib, mit dem Gift der Sünde, mit nichts anderem, als mit einem tödlichen Aussatz angesteckt und vergiftet war. Die Sünde der Menschen ist nicht des Menschen Wesen in sich selbst (denn sonst hätte Gott die Sünde geliebt), sondern sie ist ein unwillkürlich anklebendes Ding in der Natur des Menschen und so hart anklebend, dass der Mensch um ihretwillen, wo er nicht davon befreit wurde, ewig verloren und verdammt sein wird. Aber Gott der himmlische Vater ist dem armen, menschlichen Geschlecht zu Hilfe gekommen, nicht um eines unserer Verdienste willen, dass sie ihn geliebt hätten, sondern aus lauter Gnade und großer Liebe, wodurch er zum Mitleid gegen uns bewilligt worden ist, wie Johannes in seiner ersten Geschichte, Kapitel vier, bezeugt. Gott der Herr hat aber die Welt so inbrünstig geliebt, dass er kein Gold, Silber, oder Edelsteine, sondern seinen ewigen, dazu eingeborenen Sohn, der aus seinem, des Vaters Wesen geboren worden war, zur Erlösung des menschlichen Geschlechts dahingegeben hat. Da es denn keine größere Liebe gibt als diese, wie die Eltern ihre Kinder inbrünstig lieben, besonders die Einzelkinder, also, dass sie einen einzigen Sohn oder eine einzige Tochter nicht um der ganzen Welt Besitz hergeben würden. Wenn nun Gott uns so hoch geliebt hat, bevor wir noch mit ihm versöhnt waren, ja noch bevor wir geboren wurden, wie viel mehr werden wir jetzt vor dem Zorn bewahrt werden, nachdem wir durch das Blut Christi gerecht geworden sind {Röm 5}. Darum sollen wir Gott wiederum lieben, weil er uns zuerst geliebt hat. Und weil uns Gott so geliebt hat, so sollen wir auch uns untereinander lieben {1Joh 4}. Die Liebe Gottes gegen das menschliche Geschlecht ist aber so groß gewesen, dass er seinen eingeborenen Sohn gegeben, oder vielmehr hingegeben hat, in die Trübsal und ins Jammertal dieses Lebens, dass er gehungert, gedürstet, gefroren, im Elend herumgezogen und alle menschlichen Zustände und natürlichen Gebrechlichkeit dieses Lebens empfunden hat, die Sünde ausgenommen, in Hebräern im 2. Kap. Ja, er hat sich dem Gesetz unterworfen, damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, Galater im 4. Kap. Endlich hat er ihn auch um unseretwillen in den Tod, dazu in den allerschmählichsten Tod des Kreuzes übergeben {Phil 2}. Gott hat uns seinen Sohn aber darum gegeben und übergeben, damit jeder Mensch, ob er wenig oder viel gesündigt hat, wenn er nur an ihn glaubt, das heißt, dass er auf denselben, seinen Mittler und Erlöser sein Vertrauen setzt, nicht verloren wird, nicht in Verdammnis gerät und zugleich mit den Teufeln in alle Ewigkeit nicht gepeinigt wird, da ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht verlöscht {Mk 9}, sondern vielmehr durch Christi Guttat das ewige Leben habe, also, dass er hier ein ruhiges Gewissen bekommt und nach diesem Leben die himmlische, ewige Freude erlangt, die kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz gekommen ist {1Kor 2 Jes 64}. So haben wir also den Inhalt der evangelischen Lehre und einen Ausbund allen Trostes. Und wenn dieser einzige Spruch mit Glauben ergriffen wird, so kann er durch die Gnade des Heiligen Geistes einen Menschen in Todesnöten gegen alle feurigen Pfeile erhalten, dass er die Anfechtungen mit Glauben überwindet und das ewige Leben erlangt.

17. Denn Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn selig werde.

Denn: Christus fährt noch weiter fort, uns von der Gnade und Güte des himmlischen Vaters ausführlich zu berichten.

Richte: Oder verdamme. Denn was hätten wir Christi bedurft, wenn er uns verdammen würde, wenn doch nach dem Gesetz des Moses den Sündern vorher schon die Verdammnis droht?

Selig werde: Die rechte und eigentliche Ursache, weswegen Gott seinen Sohn in diese Welt kommen ließ. Welche deswegen Christus als einen ernsten und strengen Richter den armen Sündern vormalen, dass sie nicht zu ihm kommen dürfen, Fürbitten vor sich her schicken, die ihnen einen solchen Richter gnädig und gewogen machen sollen, die kennen Gott nicht. Denn Christus wird Jesus geheißen, das heißt, ein Seligmacher, weil er sein Volk von ihren Sünden selig machen wird {Mt 1}. Und Christus selbst ruft alle zu sich, die mühselig und beladen sind (die Sünde aber ist die beschwerlichste Last) und verspricht ihnen Erquickung {Mt 2}. Er wird zwar am Jüngsten Tag kommen, zu richten die Lebendigen und die Toten, aber weil wir in dieser Welt leben, so ist er ein Heiland all derer, die an ihn glauben. Denn Jesus Christus ist in diese Welt gekommen, die Sünder selig zu machen {1Tim 1}.

18. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet; denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.

Schon gerichtet: Und zur ewigen Verdammnis bestimmt, sofern er in seinem Unglauben bis an das Ende seines Lebens ausharren wird. Denn das Urteil der Verdammnis ist im Himmel bereits über ihn gefällt, der Ursache wegen, weil er dem eingeborenen Sohn Gottes nicht geglaubt oder vertraut hat, der darum in die Welt gesandt worden ist, dass er das menschliche Geschlecht selig macht. Deswegen macht allein der Glaube an Christus gerecht und allein der Unglauben verdammt. Denn obwohl alle Sünde des ewigen Todes wert ist, so werden doch nicht alle Sünder verdammt, nicht dass sie keine Sünden haben, sondern, dass den bekehrten Sündern durch den Glauben die Sünden vergeben werden. Und es verhält sich mit dieser Sache so, als wenn zwei Menschen ein tödliches Gift getrunken hätten, während der eine köstliche und heilsame Arznei zu sich nimmt, wodurch er am Leben erhalten und wiederum gesund wird, der andere aber alle Arzneien verachtet und stirbt. Weil demnach Christus an diesem Ort alle, die nicht an ihn glauben, von der ewigen Seligkeit ausschließt, so legt Zwinglis gottloses Vorgeben genug an den Tag, weil er diese, wie den Nulam Pompilium, Theseus, Herkules, Sokrates, Aristides und andere ungläubige Heiden, denen Christus allerdings unbekannt gewesen ist, im Himmel unter die heiligen Engel und seligen Menschen gezählt hat. Und man kann daraus entnehmen, was solche Kirchenlehrer von der christlichen Religion halten, weil sie meinen, dass auch ohne diese, die blinden und abgöttischen Heiden selig werden können. Auf die gleiche Weise werden sie auch die Türken, von denen viele ehrlich auf der Welt leben, in den Himmel setzen und es wird ihrem Vorgeben nach nicht besonders viel daran gelegen sein, ob man es mit der heidnischen oder der türkischen Religion hält, wenn man nur unter den Menschen ein ehrliches Leben führt. Wer aus diesen Zeichen den Geist Zwinglis nicht erkennen will, der achtet wenig auf seine Seligkeit. Denn diese ungereimte Rede hat er in einem Vortrag an den König in England geschrieben.

19. Das ist aber das Gericht, das das Licht in die Welt kommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr denn das Licht; denn ihre Werke waren böse {Joh 1v4 v5 v9}.

Gericht: Dies ist die Ursache des Gerichts oder der Verdammnis derjenigen, die verloren werden. Denn weil durch das Evangelium Christi allen Menschen die Seligkeit umsonst angeboten wird und trotzdem viele von ihnen ewig verloren und verdammt werden, so lehrt Christus uns hier, was die Ursache dessen ist.

Das Licht: Denn Gott will durch seinen Sohn die Welt erleuchten, wenn er durch ihn lehrt, welches der richtige Weg zur Seligkeit ist und wie man gottselig leben sollte, dass wir ein solches Leben führen, wie es den Kindern Gottes gebührt. Aber der größere Teil will viel lieber in der Finsternis ihrer Religion bleiben und die Werke der Finsternis tun, das heißt, Sünde begehen, als seinen Glauben und Wandel nach der Richtschnur der Lehre Christi anstellen und verbessern.

Böse: Darum scheuen sie das Licht der Wahrheit, weil dadurch ihr gottloses Wesen an den Tag gebracht und gestraft wird. Mit dem kleinen Wort „Werk“ aber begreift Christus alle Vorhaben, allen Fleiß und alles Tun der Menschen, also redet er nicht nur von den Werken im Wandel, sondern auch von der Religion und den dazugehörigen Übungen. Gleich, wie nun die Hohepriester, Pharisäer und Schriftgelehrten das Licht der Lehre Christi nicht leiden konnten, weil sie einer Religion anhingen, die mit verkehrtem Wahn verfälscht war und kein rechtes, gottseliges Leben führten, sondern leuchtenden Pomp betrieben. Also toben die päpstlichen Romanisten gegen das Licht des Evangeliums mit Schmachworten, Verleumdungen, Lästerung, Vertreibung ins Elend und gräulichen Morden, weil die Lehre des Evangeliums ihre abgöttischen und falschen Gottesdienste ans Licht bringt und die erdichtete, heuchlerische Gottseligkeit hervorzieht.

20. Wer Arges tut, der hasst das Licht und kommt nicht an das Licht, auf dass seine Werke nicht gestraft werden.

Kommt nicht: Sondern scheut und meidet es, solange er immer kann.

Gestraft werden: Denn er muss sich sorgen, dass er in seiner Bosheit erwischt und öffentlich zuschanden wird. Dies ist ein Sprichwort und wird von Christus zu seinem Vorhaben hinzugezogen, hat aber auch in weltlichen Sachen seinen Platz. Denn es ist sicher, dass diejenigen, die nichts Gutes im Sinn haben, das Licht fliehen, damit sie nicht mit Schande da stehen, wo sie doch vielmehr ihre Sünden erkennen, diese Gott dem Herrn bekennen und ihr Leben bessern sollten, damit sie die Seligkeit erlangen. Aber viele von ihnen wollen lieber in alle Ewigkeit vor Gott, den heiligen Engeln und allen Auserwählten zuschanden werden, als vor wenigen Leuten in dieser Welt für einen kleinen Augenblick schamrot dazustehen.

21. Wer aber die Wahrheit tut, der kommt an das Licht, dass seine Werke offenbar werden; denn sie sind in Gott getan.

Wahrheit tut: Dass er gottselig und aufrichtig handelt, dessen Herz einen guten und rechtschaffenen Vorplatz hat, gottselig zu leben und Gott recht zu ehren.

Offenbar werden: Er schaut nicht hinter sich, um zu versuchen, seine Taten zu verbergen, und schämt sich seiner Werke nicht.

In Gott: Nach dem Willen Gottes, der sie sich gefallen lässt und recht heißt. Es ist aber ein gutes und ruhiges Gewissen, das das Licht nicht scheut, ein herrliches Kleinod. Darum sollen wir uns der wahren Gottseligkeit immer und überall von Herzen befleißigen. Wenn wir aber in Sünde gefallen sind, so sollen wir Buße tun und uns durch den Glauben wiederum mit Gott versöhnen, auch in einem Vorsatz und mit Fleiß Gutes tun und mit größerem Eifer ausharren, so werden wir auch ans Licht kommen dürfen. Aus dieser Predigt Christi zu Nikodemus sollen wir besonders diese Stücke lernen und behalten: Erstens, dass der Mensch, seiner Natur und seinem Wesen nach, zu verderbt oder verkehrt ist, dass er nicht ins Himmelreich kommen kann, es sei denn, er werde wiedergeboren. Danach, dass die Wiedergeburt geschieht aus dem Wasser und Geist der heiligen Taufe. Drittens, dass Gott der Herr aus lauter Gnade uns das Recht zum Himmelreich wiederum zugesteht, um der Verdienste und Leiden seines eingeborenen Sohnes willen, der für uns gekreuzigt worden ist. Zum Vierten, dass sie der Guttaten Christi durch den Glauben teilhaftig werden und es gibt kein anderes Mittel, wodurch wir diese erlangen können. Zum Fünften, dass die Ursache der Verdammnis der Unglaube ist und dass die Menschen dem heilsamen Licht der evangelischen Lehre entfliehen und die Finsternis der Religion und eines gottlosen Wesens mehr lieben als das Licht.

22. Danach kam Jesus und seine Jünger in das jüdische Land und hatte dort sein Wesen mit ihnen und taufte {Joh 4v1}.

Taufte: Nämlich durch seine Jünger. Denn Christus selber hat nicht getauft, sondern seine Jünger, wie im folgenden vierten Kapitel ausdrücklich berichtet wird. Und Christus hat eben damit lehren wollen, wie notwendig und nützlich die Taufe ist, weil dadurch die Menschen wiedergeboren werden müssen, damit sie ins Himmelreich kommen, wie oben berichtet.

23. Johannes aber taufte auch noch zu Enon, nahe bei Salim; denn es war viel Wassers dort. Und sie kamen dahin und ließen sich taufen.

Viel Wasser: Dieser Ort war zu solchem Tun gut gelegen. Denn früher taufte man die Leute so, dass man sie ins Wasser tauchte, so wie man noch heutzutage die Juden zu taufen pflegt, wenn sie zum Christentum übertreten. Doch es spielt keine Rolle, ob die Taufe durch eintauchen oder aufgießen verrichtet wird, wenn nur Wasser dazu verwendet wird und Christi Einsetzung gehalten wird.

Sich taufen: Viele von des Herrn Christi Jüngern, andere aber von Johannes dem Täufer.

24. Denn Johannes war noch nicht ins Gefängnis gelegt.

Noch nicht: Er übte sein Amt fleißig aus, weil er die Möglichkeit hatte. Denn jeder soll seinem Beruf fleißig nachgehen, wenn er Zeit hat, damit er die Gelegenheit nicht versäumt und er sein Amt nicht mangelhaft begleite. Es besteht aber kein Unterschied zwischen der Taufe, die Christus vor und nach seinem Leiden durch seine Jünger gegeben hat, und zwischen der Taufe des Johannes. Denn sie sind beide eingesetzt worden, um die Vergebung der Sünden zu erlangen, wie es von der Taufe des Johannes ausdrücklich geschrieben steht {Mk 1}. Und von der Taufe der Jünger Christi {Apg 2}. Denn von Christus wird gesagt, er werde mit Feuer taufen. Darunter ist die Sendung des Heiligen Geistes am Pfingsttag zu verstehen. Diese Mitteilung der wunderbaren Gaben wird die Taufe Christi genannt, wie es die Geschichte der Apostel bezeugt im Kapitel 1. Im selben Buch ist auch im Kapitel 19 zu lesen, wie etliche mit der Taufe Christi wiedergetauft worden sind, und solches ist nicht als die Wassertaufe zu verstehen, sondern von der Auflegung der Hände, wodurch zur gleichen Zeit den Gläubigen die wunderbaren Gaben des Heiligen Geistes mitgeteilt wurden, die eine Zeit lang in der ersten Kirche gewährt worden war, soviel es zur Bestätigung und Fortpflanzung des Evangeliums nötig war.

25. Da erhob sich eine Frage unter den Jüngern des Johannes samt den Juden über die Reinigung.

Reinigung: Das heißt: Die Juden wollten von den Jüngern des Johannes wissen und haben auch viel mit ihnen darüber gestritten, was es bedeutet, dass, da Johannes neulich angefangen hat zu taufen zur Reinigung und Abwaschen der Sünden, jetzt der Jesus von Nazareth mit seinen Jüngern eben dasselbe zu tun begonnen hat, obwohl doch Christus kein Jünger des Johannes gewesen war. Darum sei man in Sorge, es würde bald dazukommen, dass so viele Religionen und neue Sakramente aufkommen würden, wie neue Lehrer auftauchen würden, um das Volk zu unterweisen. Denn diejenigen, die fremd sind in der rechten Religion, die nehmen allenthalben jede Ursache, zu lästern und erdichten Uneinigkeit unter den reinen Lehrern, wo keine ist. Oder auch, da geringe Missverständnisse zwischen ihnen entstehen, nutzen sie dies stark aus und verunglimpfen es.

26. Und kamen zu Johannes und sprachen zu ihm: Meister, der bei dir war jenseits des Jordans, von dem du zeugtest, siehe, der tauft, und jedermann kommt zu ihm.

Kamen: Nämlich die Juden mit den Jüngern Johannes, denen die Sache, dass Christus durch seine Jünger tauft, auch nicht zusagen wollte und meinten, dies diene zur Verkleinerung ihres Lehrmeisters Johannes.

Tauft: Zwar nicht er selber, sondern durch seine Jünger und eignet ihm, ja auch seinen Jüngern zu, was sein ist.

Zu ihm: Die Menschen laufen in Massen zu ihm, und er hat mittlerweile mehr Zuhörer bekommen, als du hast. Also wird es geschehen, dass dein Ansehen abnehmen oder auch ganz untergehen wird, er hingegen aber an Würde und Ehre aufsteigt. Denn man findet überall, sowohl in der Kirche als auch in der weltlichen Regierung, ja auch in der Haushaltung unruhige Köpfe und Streithähne, die versuchen, Uneinigkeit, Spaltung und Streit anzufangen, sodass sie die Kirchendiener oder Obrigkeiten, auch einfache Leute, gegeneinander aufhetzen. Aber das ist eine gräuliche Sünde. Denn, so wie die friedfertigen Kinder Gottes heißen {Mt 5}, so werden die Anstifter der Uneinigkeit und Zwietracht zurecht Kinder des Teufels genannt.

27. Johannes antwortete und sprach: Ein Mensch kann nichts nehmen, es werde ihm denn gegeben vom Himmel.

Vom Himmel: Dass ihm Gott ein Glück oder eine Ehre beschert und durch ordentliche Mittel widerfahren lässt, sonst wird er davon keines erlangen, oder doch nicht lange behalten, auch keinen Nutzen oder Genuss davon haben. Denn wer nach hohen Dingen trachtet, obwohl er nicht von Gott dazu berufen ist, der wendet alle seine Mühe und Arbeit vergebens auf und wird endlich zuschanden, wie die Beispiele Absaloms, Theudas, Judas aus Galiläa und ihresgleichen mehr bezeugen, die nach großer Herrlichkeit gestrebt haben und darüber schändlich zugrunde gegangen sind. Darum, wenn ich mir selber die Ehre des Messias nehmen und zumessen würde (will Johannes sagen), wie ihr mir ausreichend zu verstehen gebt, dass ich sie annehmen soll, obwohl sie doch nicht mir, sondern dem Jesus von Nazareth gebührt, so würde ich sicherlich eine unmögliche, gottlose, dazu mir selbst noch nachteilige und schädliche Sache tun. Darum sollt ihr es ihm nicht missgönnen, dass er einen großen Zulauf von Volk hat, tauft und von jedermann hochgehalten wird.

28. Ihr selbst seid meine Zeugen, dass ich gesagt habe, ich sei nicht Christus, sondern vor ihm her gesandt.

Ihr selbst: Sowohl meine Jünger als auch die anderen Juden haben deshalb ihre Gesandten bei mir gehabt, wie im Kapitel eins gemeldet ist.

Christus: Der versprochene Messias und Heiland der Welt.

Gesandt: Dass ich ihm den Weg bereite, die Menschen auffordere, Buße zu tun und an den Messias, der da gekommen ist, zu glauben, nämlich, an Jesus von Nazareth, den Sohn Gottes, der das Lamm Gottes ist und die Sünde der Welt trägt. Dieses mein Zeugnis will ich nie mehr widerrufen. Denn wir sollen in dem Bekenntnis der Wahrheit beständig sein, auch wenn der Satan mit noch so vielen Werkzeugen dagegen anrennt und es bestreitet.

29. Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam; der Freund aber des Bräutigams steht und hört ihm zu und freut sich hoch über des Bräutigams Stimme. Dieselben meine Freude ist nun erfüllt.

Braut hat: Dem die Kirche durch den Glauben in geistlicherweise vertraut ist, nämlich, Jesus Christus.

Bräutigam: Der Kirche. Ich aber bin es nicht. Denn, dass die Kirche dem Sohn Gottes vertraut ist, bezeugt Hosea, 2. Kapitel und David im 45. Psalm. Dieser alleredelste und reichste Bräutigam Gottes und der Sohn der Jungfrau Maria (aus einem alten königlichen Geschlecht) vertraut ihm die arme, verlassene, hässliche und mit Sünden gräulich besudelte Kirche an. Er reinigt sie aber mit dem Bad der Wassertaufe {Eph 5} und bekleidet sie mit seiner Gerechtigkeit, seinem Gehorsam und seinem ganzen Verdienst, dass sie vor den Augen des himmlischen Vaters schön erscheint {1Kor Röm 5} und schmückt sie mit mancherlei Gaben des Heiligen Geistes wie mit den köstlichsten Schmuckstücken verteidigt und beschützt sie auch {Joh 10} und macht sie schließlich zur Miterbin aller himmlischen Güter {Röm 8}. Für solche großen Guttaten ist die Kirche ihm wiederum alle Ehrerbietung und Gehorsam schuldig {Ps 45 Eph 5}. Wenn sie sich aber mit gottlosen Wesen befleckt, so trennt sich der Herr Jesus Christus von ihr {Jer 3}. Kehrt sie aber wieder um, dass sie Buße tut und sich bessert, so verzeiht ihr Christus und nimmt sie wieder in Gnaden auf {Jer 2}.

Freund: Solche Freunde des Bräutigams Christi sind alle frommen treuen Kirchendiener, die zwar ihrer Wiedergeburt nach auch ein Stück der Kirche sind, aber wegen ihres tragenden Amtes sind sie gleichsam Freunde und Brautführer des Bräutigams, die durch ihr Predigtamt dem Herrn Christus die Braut zuführen und sie mit ihm durch das Wort und durch die Sakramente zusammengeben. Denn der Apostel Paulus sagt: Ich habe euch einem Manne anvertraut, dass ich eine reine Jungfrau Christus zubringe {2Kor 11}. Und wenn sie sehen, dass diese geistliche Ehe gut gerät, so freuen sie sich sehr darüber, weil sie spüren, dass die Braut von Christus geliebt wird und sie ihn wiederum liebt, ehrt und anruft. Sie haben auch große Freude darüber, dass Christus und seine Kirche sich gleichsam freundlich unterhalten und ein holdseliges Gespräch miteinander führen.

Erfüllt: Denn ich sehe und erfahre es mit herzlicher Freude, wenn das Volk zu Christus kommt, ihn hört, sich über seine Lehre wundert, ihm anhängt und von seinen Jüngern getauft wird, auch an ihn glaubt und selig wird, geschweige denn, dass ich es ihm missgönnen würde und es mich übel verdrießen würde, wenn sein Ansehen zunimmt und größer wird.

30. Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.

Abnehmen: Sein Ansehen und seine Herrlichkeit sollen gefördert und täglich gemehrt werden, dass er, je länger, je mehr er bekannt ist, mehr Jünger bekommt und endlich angebetet wird. Aber mein Ansehen muss abnehmen. Denn Gott hat mir ein Ansehen gegeben, nicht um meiner Person willen, dass dieselbe so hoch erhoben wird, sondern dass mein Zeugnis von Jesus Christus einen umso größeren Nachdruck hat. Weil es nun geschieht, dass die Menschen Christus selber hören und erkennen, so schadet es nicht, wenn mein Ansehen zukünftig geschmälert wird. Denn gleichwie der Glanz des Morgensterns, der vor der Sonne hergeht und je länger, je mehr abnimmt, wie die Sonne sich ihrem Aufgang nähert, kommt und anfängt hervorzuleuchten, so weicht meine Klarheit selbstverständlich dem hellen Glanz der Sonne der Gerechtigkeit, die da ist, Jesus Christus {Mal 4}. Denn die Kirchendiener sollen die Kirche nicht ihnen selbst, sondern Christus, als dem rechten Bräutigam seine Braut zuführen. Das heißt: Sie sollen nicht um ihres Ansehens oder anderer Nutzen willen Ketzerei betreiben und Jünger an sich ziehen, sondern vielmehr all ihren Fleiß dahin wenden, dass die Majestät Christi erkannt und der Kirche Wohlfahrt befördert wird.

31. Der von oben her kommt, ist über alle. Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde; der vom Himmel kommt, der ist über alle

Der: Jetzt rühmt Johannes Christus wegen seiner hohen Herkunft und wegen der Gewissheit seiner Lehre, die er vorbringt, damit ihn niemand für einen schlechten, gemeinen Menschen ansieht.

Über alle: Denn der Sohn Gottes ist vom Himmel herabgekommen und Mensch geworden. Danach übertrifft er auch nach seiner menschlichen Natur alle anderen Menschen, weil er ohne Sünde vom Heiligen Geist empfangen und von einer Jungfrau geboren wurde. Darum soll jeder sich diesem Herren demütig unterwerfen.

Erde: Das heißt: Die irdischen Menschen, wenn sie sich selbst überlassen sind, können nichts anderes, als irdische Dinge und der menschlichen Vernunft gemäß sein, sie lehren solche Sachen, wie sie selbst sind, nämlich irdische.

32. und zeugt, was er gesehen und gehört hat; und sein Zeugnis nimmt niemand an.

Zeugt: Oder lehrt. Denn zeugen heißt an vielen Stellen in der Schrift ebenso viel wie lehren und eine gewisse Sache mit Ernst bekräftigen. Als wollte Johannes sagen: Christus lehrt nicht menschliche Träume oder liederliche Sachen, wie die Pharisäer, Schriftgelehrten und Schultheologen im Papsttum unnötiges Geschwätz, sondern bringt uns die himmlische Lehre, die heilsam und sicher ist. Denn was er lehrt, das hat er im Himmel gesehen und gehört. Weil aber die Propheten und Apostel nichts anderes gelehrt und geschrieben haben, als was sie vom Sohn Gottes gelernt haben, dass er des himmlischen Vaters Zuhörer und Rat gewesen ist, so soll man auch ihrer Lehre fest vertrauen.

Niemand an: Es finden sich nur wenige, die die Lehre Christi annehmen. Denn obwohl zur selben Zeit in Wahrheit wenige Juden an Christus glaubten, so ist doch auch nach Ausbreitung des Evangeliums in der ganzen Welt der größere Teil in seinem gottlosen Wesen verharrt und verharrt auch noch darinnen. Darum sollen wir uns nicht ärgern, wenn wir sehen, dass es nur ein kleiner Haufen ist, die die reine Lehre des Evangeliums annimmt und behält.

33. Wer es aber annimmt, der versiegelt es, dass Gott wahrhaftig sei {Röm 3v4}.

Versiegelt es: Das heißt: Wer der Lehre Christi glaubt, der bestätigt die himmlische Lehre mit seinem Beifall, gleichsam wie mit einem Siegel oder einer Bittschaft und gibt Zeugnis, dass Gott, von dem diese Lehre herkommt, ein wahrhaftiger Gott ist, der niemandem falsche oder schädliche Dinge lehrt. Und dies ist ein großer Gottesdienst, wenn man ihm das Lob der Wahrheit gibt. Wiederum aber, wer Gott nicht glaubt, der macht ihn zum Lügner, wie Johannes sagt, das heißt, er straft Gott Lügen, als ob er irrige und falsche Dinge sagt. In der gleichen Weise strafen die Katholiken Gott Lügen, indem sie nicht bestehen wollen, dass wir aus Glauben, ohne Verdienst, gerecht werden. Und die Wiedertäufer, die leugnen, dass den Kindern die Taufe vonnöten ist. Auch die Zwinglianer, die nicht zugeben, dass im Abendmahl des Herrn der Leib und das Blut Christi wahrhaftig gegenwärtig ist, desgleichen die Schwenkfelder, die verneinen, dass der Glaube und der Heilige Geist durch die Predigt des Evangeliums gegeben werden. Diese alle widersprechen Christus und seinen Aposteln und tun so, wie wenn einer sich nicht nur weigert, sein Siegel an einen glaubwürdigen Brief zu hängen, sondern er sich auch unterstehen würde, die Siegel, die von anderen daran gehängt worden sind, davon abzureißen. Dies ist eine gräuliche Bosheit und der ewigen Verdammnis wert.

Nach Luther: Das heißt: Er empfindet es als ein Siegel in sein Herz gedrückt, nämlich, den Glauben, wie Gott wahrhaftig ist und bekennt und bezeugt es auch äußerlich, wenn er sagt, Kap. 7.17. Wer des Vaters Willen tut, der erkennt, ob diese Lehre aus Gott ist.

34. Denn welchen Gott gesandt hat, der redet Gottes Wort; denn Gott gibt den Geist nicht nach dem Maß.

Gottes Wort: Darum soll man seiner Lehre Glauben schenken, weil er uns von dem himmlischen Vater nicht nur als ein Erlöser, sondern auch als Lehrmeister gesandt worden ist, der uns das unfehlbare Wort Gottes vorträgt. Wie er wollte ihm nicht hören, weil auch vom Himmel von ihm gesagt wird, den hört {Mt 17 5Mos 18}.

Maß: Man soll ihm auch aus dem Grund gerne hören, weil er an der Erkenntnis und an Gaben des Heiligen Geistes, nach seiner menschlichen Natur, alle Menschen übertrifft. Denn die anderen Menschen haben nur etliche Gaben des Heiligen Geistes, zumal jedem Gnade des Heiligen Geistes gegeben ist, nach dem Maß der Gabe Christi {Eph 4}. Das heißt: So viel Christus jedem von den Gaben des Heiligen Geistes mitgeteilt hat. Und solche Gaben des Heiligen Geistes sind mancherlei, doch hat sie niemand alle zugleich {1Kor 12}. Aber Christus hat nach seiner Menschheit alle Gaben des Heiligen Geistes empfangen, ohne jedes Maß. Darum konnte er auch im Stande seiner Erniedrigung in der Gestalt eines Knechtes alles wissen, was er wollte. Jetzt aber ist er immerdar, allwissend, allmächtig und überall gegenwärtig.

Nach Luther: Obwohl die Gaben und das Werk des Geistes nach dem Maß ausgeteilt werden {Röm 12v3 1Kor 12v4}. Doch der Geist selbst in allen Christen reichlich und ohne Maß ausgegossen, dass er alle Sünde und den Tod verschlingt über die Maßen {Tit 3v6}.

35. Der Vater hat den Sohn lieb und hat ihm alles in seine Hand gegeben.

Sohn: Nämlich, seinen eingeborenen Sohn Jesus Christus, Gott und Mensch in einer Person.

Gegeben: Er hat ihm alle Gewalt gegeben im Himmel und auf der Erde, dass es alles nach seinem Willen und Wohlgefallen geht. Darum, den er in Gnaden aufnimmt, der ist auch bei seinem himmlischen Vater in Gnaden.

36. Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben; wer dem Sohn nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.

Glaubt: Dass er all sein Vertrauen auf Jesus Christus, Gott und Menschen, den Mittler und Erlöser des menschlichen Geschlechts setzt.

Ewiges Leben: Es sind ihm alle seine Sünden verziehen und vergeben und der ist zum Erben des Himmelreichs im Buch des Lebens ernannt und eingeschrieben worden.

Nicht glaubt: Und auf diesen Mittler nicht vertraut.

Nicht sehen: Er kann keine Hoffnung haben, das ewige Leben zu erlangen, solange er in seinem Unglauben verharrt.

Über ihm: Ein solcher Mensch wird mit Gott nicht versöhnt, sondern bleibt ein Kind des Zorns Gottes und bekommt die ewige Verdammnis als seinen Erbteil. Hier sieht man wieder einmal, dass unsere Seligkeit nicht auf dem Verdienst unserer Werke besteht, sondern allein auf dem Glauben an Christus. Und wir hören auch, dass allen, die an den Sohn Gottes nicht glauben, die Seligkeit abgeschlagen und versagt wird, auch wenn sie auf der Welt noch so tadellos gelebt haben. Es wird jedoch nicht darum gesagt, dass man jeder Büberei Tür und Tor aufsperren soll, sondern, dass Gott seine Ehre gelassen wird, der uns aus Gnade Christi willen durch den Glauben gerecht macht {Röm 3}.


Das 4. Kapitel

  • Christus begibt sich von Judäa nach Galiläa.
  • Und auf seiner Reise durch Samaria begehrt er in der Stadt Sichar von einer samaritischen Frau einen Trunk Wasser.
  • Die Samariter glaubten ihm und wollten ihn bei sich behalten.
  • Von dort kommt er in Galiläa an und macht den Sohn eines Königs gesund.

1. Da nun der Herr inneward, dass vor die Pharisäer gekommen war, wie Jesus mehr Jünger machte und taufte denn Johannes

Da: Weil Johannes ein Gespräch Christi beschreiben will, dass er mit einer Samariterin gehabt hat, so berichtet er, aus welchem Grund Christus nach Samaria gekommen ist, nämlich, um der Gefahr zu entgehen ist er aus Judäa nach Galiläa gezogen.

Kommen war: Und es verdross sie übel, dass nicht allein Johannes der Täufer etliche Jünger an sich gezogen hatte und viele Leute zur Vergebung der Sünden getauft hatte, sondern dass auch Jesus von Nazareth Jünger an sich hängte und sie taufte, dazu noch einen größeren Zulauf hatte als Johannes. So kannte Christus das neidische und blutgierige Herz der Pharisäer und wusste, dass ihm eine Gefahr daraus entstehen würde, weil die Pharisäer sich sorgten, es würde ihre Religion, Beschneidung, Opfer und anderer Gottesdienste durch die neue Lehre des Johannes und Christus und durch Errichtung eines neuen Sakraments der Taufe zugrunde gehen. Gleichwohl war aber die Lehre Christi und Johannes keine neue Lehre, sondern in den Schriften der Propheten hatte sie ihren Grund und wurde dennoch von den Pharisäern für neu und unleidlich angesehen. Genauso erscheint heutzutage die Lehre des Evangeliums vor den Augen der römischen Päpste als neu und ist ihnen ein Dorn im Auge, obwohl es doch keine andere ist, als zu Vorzeiten von den Propheten, Christus und den Aposteln gelehrt worden ist. Und genauso wie die Pharisäer Christus mit Lust nachstellten, so verfolgen noch heutzutage die päpstlichen Heuchler (so viel ihnen Gott zulässt) die reine Lehre des Evangeliums und möchten sie ausrotten. Denn der Teufel, der ein Anstifter der Lügen und des Irrtums ist, reizt sie auch zu Mord und Totschlag {Joh 8}.

2. (wiewohl Jesus selber nicht taufte, sondern seine Jünger),

Jünger: In seinem Namen und auf seinen Befehl. Christus hat sich aber deshalb nicht der Taufe enthalten, weil er die Taufe verachtete, weil er sie von Johannes im Jordan selber empfangen hatte, sondern dass er zu verstehen gab, wie die Kraft der Sakramente nicht um der Person willen, die sie austeilt, größer ist, darum ist die Taufe, die vom untersten Kirchendiener gegeben wird ebenso heilsam als die, die man von dem obersten empfängt.

3. verließ er das Land Judäa und zog wieder nach Galiläa.

Verließ: Weil Christus bemerkte, dass die Pharisäer wegen des Zulaufs des Volkes ihm heimlich nachtrachteten und doch seine Stunde noch nicht gekommen war, da er für uns leiden sollte, so hatte er es für gut angesehen, dass er ihnen eine Zeit lang aus dem Weg ging.

Galiläa: Dort konnte er etwas sicherer bleiben und hat auch dort nicht unterlassen, zu lehren und zu taufen. Darum stand es denen, die nach der Seligkeit ihrer Seelen gedürstet haben, frei, dass sie seine Lehre in Galiläa hören konnten. Christus hat aber die Todesangst erfahren wollen, um damit anzuzeigen, welch ein wahrer Mensch er sei und dass diejenigen, die in ihrer eigenen Lebensgefahr zaghaft sind, wissen, dass sie einen getreuen, mitleidigen Hohepriester haben, der auf mancherlei Weise versucht worden ist und denen zu helfen weiß, die versucht werden {Hebr 2}. Er hat uns aber auch mit seiner Flucht gelehrt, dass wir uns selbst nicht in unnötige Gefahr begeben sollen, sondern derselben aus dem Weg gehen, soweit wir das mit gutem Gewissen können.

4. Er musste aber durch Samaria reisen.

Reisen: Wenn er nach Galiläa ziehen wollte. Bei dieser Gelegenheit ist vielen Samaritern an der Seele geholfen worden, wie danach noch folgen wird. Denn wenn der Satan an einem Ort eine Verfolgung erregt, so nimmt Gott nach seiner unendlichen Weisheit und Güte daher die Gelegenheit wahr, dass er sein Evangelium weiter ausbreitet.

5. Da kam er in eine Stadt Samarias, die hieß Sichar, nahe bei dem Dörflein, das Jakob seinem Sohne Joseph gab.

Josef gab: Die beiden Söhne des Patriarchen Jakob, Simon und Levin, hatten in Sichem Bürger erwürgt, weil ihre Schwester dort geschändet worden war {1Mos 33}. Und sie hatten die Stadt Sichem mit Gewalt unter sich gebracht, da ihr Vater Jakob diese Stadt den beiden Söhnen nicht gelassen, sondern sie ihnen genommen hatte, als diese sie mit Gewalt und auf unbillige Weise an sich gezogen hatten, und hat sie seinem Sohn Josef und dessen Nachkommen geschenkt {1Mos 48} und es ist wohl zu glauben, dass zu der Zeit, als der Sohn Gottes Mensch geworden ist, die Stadt Sichem ohne Mauern gewesen ist, dass sie einem Dorf ähnlicher war, als einer Stadt. Darum meine ich, dass in der Nähe eine andere Stadt gebaut wurde, die Sichar hieß. Was aber die Samariter betrifft, soll man wissen, dass sie eine vermischte Religion gehabt hatten, aus der mosaischen und abgöttischen zusammengeflickt. Denn da das Volk Israel in Assyrien weggeführt worden ist und die assyrischen Völker in Samaria wohnten und heidnische Gottesdienste verrichteten, ist Gott über sie dermaßen erzürnt worden, dass er Löwen unter sie geschickt hat, welche viele von ihnen zerrissen. Darum hat der König in Assyrien etliche gefangene Priester aus dem israelitischen Volk nach Samaria geschickt, damit sie die Leute dort die richtige Weise lehren sollten, Gott zu dienen. Da sie aber nicht alle die reine Lehre annahmen, sondern etliche in ihren gottlosen Wesen verharrten, ist eine gemischte Religion daraus geworden, in der sie zum Teil Gott, zum Teil den Abgöttern dienten und also keine Religion recht und gebührlich abwarteten {2Kön 17}. Und obwohl kurz vor der Zeit des Herrn Christus dieselbe Religion allem Anschein nach in vielen Bereichen verbessert worden ist, so war sie doch nicht rein. Darum waren die Juden den Samaritern, als denen, die die rechte Religion verkehrten und verfälschten, heftig gram, dass sie auch Christus, wenn sie ihn schmähen wollten, einen Samariter nannten. Durch diese Landschaft zog Christus, als er nach Galiläa reiste.

6. Es war aber dort Jakobs Brunnen. Da nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich also auf den Brunnen; und es war um die sechste Stunde.

Jakobs Brunnen: Den vor langer Zeit der Patriarch Jakob mit seinen Knechten gegraben hatte und die ganze Zeit über, die er dort verharrte, gebraucht hatte. Und dieser Brunnen hat den Namen von ihm viele hundert Jahre danach behalten. Weil auch im Lande Kanaan kein Überfluss an gutem Wasser vorhanden war, so haben die Einwohner diesen Brunnen desto lieber gehabt um des Andenkens an den Patriarchen Jakob willen. Denn wenn es den Juden gut ging, so wollten die Samariter für Verwandte und Glaubensgenossen der Juden gehalten werden, begegnete ihnen aber etwas Widerwärtiges, so sonderten sie sich von ihnen ab. Es hat aber Gott auch unter gottlosen Völkern seine Auserwählten.

Setzte: Und wartete, dass jemand käme, der ein Geschirr hätte, dass er Wasser schöpfte, das ihn wegen seiner Müdigkeit, die ihn sehr matt und kraftlos gemacht hatte, wiederum erquicken würde. Es hat aber Christus im Stand seiner Erniedrigung wahrhaftig gedürstet, ist müde geworden und hat andere menschliche Schwachheiten empfunden, die Strafen der Sünde sind, nicht, dass er Sünde an sich gehabt hätte, sondern dass er unsere Sünden büßte und dass wir gewiss wären, wie er mit unseren Schwachheiten Mitleid hätte, weil er selber auch mit denselben versucht worden ist {Hebr 2}.

Sechste Stunde: Nämlich um die Mittagszeit. Denn die sechste Stunde bei den Juden ist bei uns 12:00 Uhr mittags, wenn die Sonne mitten am Himmel aufgestiegen ist.

7. Da kam ein Weib von Samaria, Wasser zu schöpfen. Jesus sprach zu ihr: Gib mir zu trinken!

Samaria: Aus der kleinen Stadt Sichar, die in der Landschaft Samaria gelegen war.

Schöpfen: Aus dem Brunnen Jakobs. Diese Frau ist aber eine unzüchtige Prostituierte gewesen, wie sich herausstellte, und ist zu Christus bekehrt worden, wie wir aus dem Folgenden auch vernehmen werden.

Trinken: Es dürstet aber den Herrn Christus nicht so sehr nach dem Wasser, obwohl er sehr müde war, als nach der ewigen Seligkeit dieser Frau, welche bald danach Christus erkannt und die Seligkeit erlangt hat, ohne eigene Verdienste, aus lauter Gnade und Güte Gottes. Wie auch unser aller Seligkeit nicht auf unseren Verdienst, sondern auf Gottes unaussprechlicher Barmherzigkeit beruht.

8. Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, dass sie Speise kauften.

Kauften: Da sie selbst samt Christus notdürftig waren. Und dies war die Ursache, dass Christus seine Jünger nicht geheißen hat, ihm Wasser zu schöpfen und zu überreichen, weil sie nicht da waren. Es waren aber auch die Jünger des Herrn Christus nicht solche Heuchler wie die Franziskaner oder Barfüßler, die kein Geld anfassen wollen, sondern viel lieber mit Betteln anderen Leuten lästig sind, statt mit ihrer Arbeit etwas zuwege zu bringen, damit sie sich ehrlich ernähren und den bedürftigen Nächsten helfen könnten.

9. Sprach nun das samaritische Weib zu ihm: Wie bittest du von mir zu trinken, so du ein Jude bist und ich ein samaritisches Weib (Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern.) ?

Sprach: Es folgt, mit welch spöttischen Sticheleien die Frau Christus begegnete und ihm seinen Wunsch abschlagen wollte.

Weib: Als wollte sie sagen: Es ist dir doch nicht unbekannt, dass ihr Juden alle unsere Gemeinschaft zu meiden versucht und Ekel vor uns habt, dass ihr uns nicht würdig erachtet, mit uns gemeinsam Handlungen zu begehen, jetzt aber, da du meine Hilfe brauchst, möchtest du von mir etwas zu trinken. Warum forderst du nicht vielmehr zu trinken von deinen Juden? Obwohl nun die Juden nach dem Befehl Esra, Kap. 4 sich äußerten, soviel ihnen möglich war, so sollen wir diejenigen doch nicht verspotten, die unsere Hilfe brauchen, obwohl sie nicht von unserer Religion sind. Und es steht dem weiblichen Geschlecht besonders gut an, dass es sanftmütig und züchtig ist.

10. Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes, und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken, du bätest ihn, und er gäbe dir lebendiges Wasser.

Antwortet: Nicht so, wie sie es ihrer Frechheit nach wohl verdient hätte, sondern, was zu des armen Weibleins Seligkeit dienlich war.

Gabe Gottes: Was dir Gott in diesem Augenblick für eine Guttat anbietet, indem er dich mit dieser Gelegenheit zur Buße ziehen will.

Der ist: Der wahre, ewige Gott und Erlöser des menschlichen Geschlechts.

Bittest ihn: Um einen himmlischen und geistlichen Trank der Seelen, der sehr gesund ist, geschweige denn, dass du ihm einen Trunk Wasser abschlagen solltest.

Lebendiges Wasser: Einen Trank der Seelen, der die rechte Gesundheit erwirkt und das ewige Leben mit sich bringt. Dieses lebendige Wasser ist Christus, der uns mit seinen Guttaten im Evangelium angeboten und vorgetragen wird.

11. Sprach zu ihm das Weib: Herr, hast du doch nichts, damit du schöpfst, und der Brunnen ist tief; woher hast du denn lebendig Wasser?

Tief: Auch wenn du einen Eimer hättest, du das Wasser dennoch nicht erreichen könntest.

Lebendiges Wasser: Dessen du dich meines Erachtens vergeblich rühmst, in dem du anderen lebendiges Wasser versprichst, du aber inzwischen beinahe an Durst stirbst.

12. Bist du mehr denn unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat, und er hat daraus getrunken und seine Kinder und sein Vieh?

Mehr: Wenn du an irgend einem anderen Ort einen Brunnen mit lebendigen Wasser wüsstest.

Gegeben: Weil er denselben gegraben und gefunden hat, da er früher in diesem Land gewohnt hat, also, dass wir es ihm zu danken haben, dass wir dieses Wasser genießen.

Getrunken: Und ist mit diesem gesunden und lebendigen Wasser wohl vergnügt gewesen. Weil du aber versprichst, besseres Wasser zu geben, so hört man aus deiner Äußerung ausreichend, wie du dich höher und mehr achtest, als unser heiliger Erzvater Jakob. In gleicher Weise bedrängen uns auch die Katholiken, wenn sie mit ihrem Aberglauben und ihren Menschensatzungen auf den lebendigen Brunnen der Heiligen Schrift hinweisen, und werfen uns vor, dass wir uns den Heiligen Vätern Augustinus, Hieronymus, Ambrosius, Gregorius vorziehen, wo doch eben diese Heiligen Väter alle ihre Bücher der Heiligen Schrift unterworfen haben. Und wie die Samariter sich fälschlich rühmten, dass sie die Nachkommen Jakobs wären, die jedoch Assyrer waren und die reine Religion des Patriarchen Jakob nicht hatten, so leugnet der Papst mit seinem Anhang, dass sie die Nachkommen der Apostel sind, dass sie unterdessen ihre Lehre mit Schwert und Feuer verfolgen.

13. Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten;

Wieder dürsten: Denn es kann dieses Wasser niemandem den Durst so wegnehmen, dass er von demselben künftig nicht wieder angefochten und gequält wird. Ich aber kann einem ein solches Wasser geben, dass, wer davon trinkt, er danach keinen Durst mehr empfindet, sondern einen Brunnen bei sich hat, wodurch er immer erquickt wird, bis ins andere Leben, nicht anders, als wenn aus seinem Herzen ein lebendiger Brunnen immerzu hervorquillt, der den ganzen Menschen erfrischt und erquickt. Denn alle Erquickungen und Ergötzlichkeiten, oder auch Wollüste dieses Lebens sind so beschaffen, dass sie das Herz eines Menschen nicht ausreichend und völlig sättigen, weshalb die Menschen einer Sache auch bald überdrüssig werden und etwas Neues suchen, wodurch sie den Durst ihrer Herzen löschen. Da sie jedoch in irdischen Sachen dergleichen nichts finden, wie auch Salomon in seiner Predigt bezeugt, als er erzählt, wie er mancherlei Dinge gesucht hat, um sein Herz zu belustigen, und er doch nichts gefunden hat, das ihm immerdar genug war und gefallen hat. Darum sagt er, es sei alles eitel. Aber Christus, da er sich uns zum Heiland in seinem Evangelium und Sakrament anbietet, erquickt und erfüllt uns, wenn wir ihn mit Glauben angenommen haben mit dem himmlischen Trost, sodass wir im Herzen immer einen Brunnen haben, der den Durst der Seelen (das heißt, die Angst) löscht. Die Guttaten dieses Brunnens genießen wir in diesem Leben, überwinden damit die Todesangst und empfinden seinen Nutzen auch im anderen Leben, da die vollkommene Erquickung in ewiger und unermesslicher Freude sein wird.

14. wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird ewig nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm ein Brunn des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt {Ps 36v10 44v3 Sach 14v8 Joh 7v38}.

15. Sprach das Weib zu ihm: Herr, gib mir dasselbe Wasser, auf dass mich nicht dürste, dass ich nicht herkommen müsse zu schöpfen.

Zu ihm: Dass sie den Herrn Christus und seine Worte noch weiter verspottete, als die in fleischliche Sicherheit und Geilheit ertrunken und ersoffen war.

Zu schöpfen: Denn du wirst mich so einer großen Mühe entheben. Also spotten die sicheren und rohen Sünder der evangelischen Verheißung, bis ihnen in ihren Herzen die Sünden und deren Strafe geoffenbart werden.

16. Jesus sprach zu ihr: Gehe hin, rufe deinen Mann und komm her!

Deinen Mann: Denn ich sehe, dass mit dir nichts auszurichten ist. Christus wusste aber wohl, dass sie keinen richtigen Ehemann hatte, sondern sich bald an diesen, bald an einen anderen hängte und Hurerei trieb. Darum, weil Christus sah, dass es Zeit war, dass er dem Weib die Sicherheit vertrieb, die sich ihre Sünden sogar nichts anfechten ließ, fängt er an, ihr ihre Sünden aufzudecken.

17. Das Weib antwortete und sprach zu ihm: Ich habe keinen Mann. Jesus sprach zu ihr: Du hast recht gesagt: Ich habe keinen Mann.

18. Fünf Männer hast du gehabt, und den du nun hast, der ist nicht dein Mann. Da hast du recht gesagt.

Männer: Von denen keiner ein rechter Ehemann gewesen ist.

Recht gesagt: Dass du keinen Mann hast. Deswegen sieht man, wie vor den Augen Gottes keine Sünde verborgen ist {Ps 139} und auch die allerleichtesten von ihnen können leicht an den Tag und ans Licht gebracht werden {Mt 10}. Darum sollen wir uns vor Lastern hüten. Wenn wir aber einmal gefallen sind, so sollen wir uns bei Gott wieder aussöhnen, damit wir nicht in dieser und jener Welt vor Gott und seinen heiligen Engeln zuschanden werden. Gleichwie aber Christus dem samaritischen Weib die Sünde offenbarte, so bringt er uns durch Gesetze zur Erkenntnis unserer Sünden {Röm 3}, und wenn unsere Herzen so hart sind, dass sie das Schelten und Strafen des Gesetzes nicht empfinden, so tut Gott seine Geißel der Trübsal hinzu, bis wir endlich anfangen unseren Schaden zu empfinden und Buße tun.

19. Das Weib sprach zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist.

Weib: Die für sich selbst vor Gott und seinem eingeborenen Sohn zuschanden und schamrot gemacht worden ist, obwohl sie den Herren Christus noch für einen schlichten Menschen ansah.

Prophet bist: Und ein heiliger Mann, der mit dem Geist Gottes erleuchtet ist, der du heimliche Sachen vorher weißt, ehe sie dir jemand sagt, darum will ich die Gelegenheit nicht versäumen, von dir zu lernen, was zu meiner Seelen Seligkeit vonnöten ist. Hier ist zu beachten, dass dieses Weib es geduldig hinnimmt, dass sie zuhört, dass man ihre Untugenden an den Tag bringt, was eine andere an ihrer Stelle vielleicht nicht getan hätte, sondern sich zu Zorn hätte bewegen lassen und mit gräulichen Schmachworten um sich geworfen hätte. Wenn wir deswegen zu Recht gescholten werden, sollen wir nicht über die zornig werden, die uns schelten, sondern über uns selber, dass wir unrecht getan haben.

20. Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, zu Jerusalem sei die Stätte, da man anbeten solle.

Angebetet: Und Gott in Samaria mit Opfern geehrt, auch nicht anders gemeint, denn sie ehren ihn recht und in gebührlicherweise.

Anbeten solle: Mit Opfern und anderen Zeremonien und stellt fest, dass Gott dem Herrn sonst kein Gottesdienst gefällt außer in dem Tempel zu Jerusalem. Darum verdammt ihr unsere Religion und zieht eure der unseren weit vor. So möchte ich nun von dir, du Prophet Gottes, hören, ob der Gott unserer Religion dem Herrn in Wahrheit missfällt? Denn wenn das so wäre, so wollte ich freilich diese verlassen und eure annehmen, zumal das Heil und die Seligkeit meiner Seele mir jetzt ernsthaft am Herzen liegt. Zu loben ist es, dass dieses Weib einen Unterschied sucht zwischen der rechten und falschen Religion, was viele sonst nur wenig beachten, sondern um Besitz, Ehre und des Bauches willen von einer Religion so viel halten, wie von der anderen. Auch ist es zu loben, dass sie ausreichend zu verstehen gibt, wie sie ihm folgen will, der sie eines Besseren unterrichten wird. Denn wir sollen nicht begehren, halsstarrig im Irrtum zu verharren. Was aber den Gottesdienst der Samariter betrifft, wovon diese Frau hier spricht, war es damit so beschaffen: Saneballat, ein persischer Landvogt in Samaria um die Zeit, als der große Alexander anfing zu regieren, war vom Geschlecht kein Israeliter, sondern von Chut, aus welchem Land größtenteils Samariter ihre Herkunft hatten. Dieser hatte seine Tochter dem Manasse, der der Bruder Jaddis, des Hohepriesters von Jerusalem, war, zur Ehe gegeben, wie Josephus bezeugt in seinem elften Buch von der alten Geschichte der Juden im Kapitel sieben. Aber diese Heirat war den Juden sehr zuwider und erachteten Manasse, den Schwiegermuttersohn des Saneballat zum Priestertum nicht würdig, weil er ein ausländisches Weib geheiratet hatte. Saneballats Schwager hat das zum Anlass genommen, da der große Alexander den Perserkönig Darius bereits überwunden und die Stadt Rom erobert hatte, dass er zum Alexander gegangen ist, und hat von ihm erreicht, dass er einen Tempel in Samaria auf dem Berg Grisim bauen durfte. In diesem Tempel hat danach Manasse seinen Schwiegermuttersohn zum Hohepriester gemacht, damit er also mit solcher Würde seine Tochter und seinen Schwiegermuttersohn in ihrem Ansehen und ihrer Ehre erhielt, wie Josephus davon schreibt im vorgemerkten Buch, Kapitel 8. Obwohl nun die Samariter Gottesdienste den äußerlichen Zeremonien nach vielleicht nicht viel anders gewesen sind, als die in Jerusalem, so waren sie doch deshalb verwerflich und zu verdammen, weil sie an einem anderen Ort und in einem anderen Tempel geschahen, als den Gott wollte, wo ihm geopfert würde. Darum ist der Gottesdienst der Samariter von den Juden zu der Zeit nicht zu Unrecht verworfen und verdammt worden. Weil demnach die Juden darauf beharrten, dass nur allein in Jerusalem der rechte Gottesdienst verrichtet würde, die Samariter aber ihre Religion nicht geringer schätzten, als die in Jerusalem, so fragte hier das samaritische Weib den Herrn Christus, welche Religion der anderen vorzuziehen sei?

21. Jesus sprach zu ihr: Weib, glaube mir, es kommt die Zeit, da ihr weder auf diesem Berge noch zu Jerusalem werdet den Vater anbeten.

Anbeten: Denn ihr Samariter werdet diesen, euren Gottesdienst verlassen, den ihr jetzt auf dem Berge Grissim verrichtet, so wird auch der levitische Gottesdienst, den man im Tempel zu Jerusalem verrichtet, abgetan werden. Dies wird geschehen, wenn ich mein Evangelium in der ganzen Welt ausbreiten werde, dass es sowohl Juden als auch Heiden annehmen werden. Denn die levitischen Gottesdienste waren nicht dahin angesehen, dass sie immer zu währen sollten, sondern dass sie das Leiden Christi abbildeten, darum mussten sie endlich abgetan werden.

22. Ihr wisst nicht, was ihr anbetet; wir wissen aber was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden.

Wisst nicht: Als wollte Christus sagen: Wenn ich je sagen sollte, welche von den beiden Religionen die beste ist, so ist freilich die jüdische der samaritischen weit vorzuziehen. Denn ihr habt solche Gottesdienste, die nicht in Gottes Wort gegründet sind, darum könnt ihr nicht wissen, ob sie Gott gefallen, oder nicht und steckt in großer Finsternis der Religion, dass ihr nicht wisst, was ihr tut, weil alle eure religiösen Verrichtungen ungewiss und zweifelhaft sind. Gleich, wie auch die Gottesdienste der Katholiken (die in Gottes Wort keinen Grund haben) zweifelhaft sind. Da sie nicht wissen, was sie tun, können sie auch nicht sicher sagen, dass sie Gott gefallen, weil Gott solche Gottesdienste nicht eingesetzt hat. Wir Juden aber (spricht Christus weiter) wissen, was in Religionssachen Gott gefällt, desgleichen auch, wie er geehrt werden will. Denn wir haben Gottes ausdrückliches Wort davon. Wenn wir diesem folgen, so können wir gewiss sein, dass Gott unser Gottesdienst gefällt. Denn den Juden sind die göttlichen Geheimnisse vertraut, nämlich die prophetischen Schriften, in welchen Gott seinen Willen geoffenbart hat. Wer Gott recht ehren will (spricht Christus weiter), der muss von den Juden lernen, wie er es angreifen soll. Darum kommt das Heil von den Juden, welche aus den prophetischen Schriften andere in der wahren und heilsamen Erkenntnis Gottes unterrichten können. So kommt auch der Heiland der Welt, nämlich ich, Jesus Christus, Gottes und Marias Sohn, von den Juden her, der ich nach meiner Menschheit aus dem jüdischen Geschlecht meine Herkunft habe. Außerhalb der Kirche aber darf man keine Seligkeit erhoffen. Nachdem aber Christus gelitten und gestorben und das Reich Gottes von den Juden auf die Heiden gebracht worden ist, so bedarf man in Religionssachen der Juden nicht mehr. Denn sie sind mit schrecklicher Blindheit und mit Wahnsinn geschlagen und wissen heutzutage beinahe nichts mehr anderes, als Wucher und Übermaß zu treiben. Da auch etliche unter ihnen sich für Ärzte ausgeben, so tun sie es als große Gefahr für die Christen. Denn es ist wohl nicht zu glauben, dass es der treu und aufrichtig mit den Christen meint, der Christus selbst im Herzen verflucht und unter seinesgleichen lästert. Jedoch soll man die Juden darum nicht ganz und gar ausrotten, denn es sind noch etliche Auserwählte unter ihnen, die sich zu Christus bekehren und selig werden.

23. Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, dass die wahrhaftigen Anbeter werden den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit; denn der Vater will auch haben, die ihn also anbeten.

Schon jetzt: Die Zeit ist also bald gekommen, da die rechten Diener Gottes (denn das Wort Anbeter wird hier für den ganzen Gottesdienst genommen) den himmlischen Vater ehren werden, nicht nur mit äußerlichen und fleischlichen, sondern mit geistlichen Gottesdiensten und Opfern, nämlich mit wahrem Glauben an den Messias, herzlicher Anrufung Gottes, mit Lob und Preis seines Namens, Tötung des alten Adams und Erzeigung der christlichen Liebe gegeneinander. Solche Diener will Gott, der himmlische Vater haben. Denn weil Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist in seinem göttlichen Wesen nichts Leibliches oder Fleischliches ist, sondern ein unsichtbarer Geist einer unendlichen Weisheit, Macht und Majestät, so bedarf er keiner äußeren Opfer und wird mit der Fettigkeit des Fleisches nicht erfreut. So sind auch die äußeren Übungen der mosaischen Religion nicht so gemeint, noch von Gott darum geboten, als ob der vornehmste Gottesdienst darin bestünde, sondern sie sind nur ein Vorbild der rechten, geistlichen, oben genannten Gottesdienste. Und es sind die levitischen Gottesdienste den Juden darum vorgestellt, dass sie gleichsam eine Vorbereitung und Zuchtlehre sind bis die geistlichen Gottesdienste des Neuen Testaments angerichtet werden und weit verbreitet sind. Welche deswegen über die äußerlichen Gottesdienste der Katholiken, so den levitischen Gottesdiensten zur Nachfolge in der Kirche eingeführt worden, sich so hoch wundern, die verstehen nicht, was für ein Unterschied ist zwischen dem Alten und Neuen Testament und bedenken nicht, dass Gott ein Geist ist, der solche äußerlichen Gottesdienste nicht begehrt.

24. Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. 2.

25. Sprach das Weib zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, der da Christus heißt. Wenn derselbe kommen wird, so wird er‘s uns alles verkündigen.

Ich weiß: Weil das samaritische Weib das Wort des Herrn Christus von dem rechten Gottesdienst nicht ausreichend versteht, so ist sie der Meinung, dass man diese strittige Sache von der wahren und falschen Religion auf eine andere Zeit verschieben solle. Als wollte sie sagen: Ich weiß nun, dass der Heiland der Welt, der in den prophetischen Schriften versprochen worden war, kommen wird und bin auch davon überzeugt, dass die Zeit seiner Ankunft nicht mehr weit ist (denn es war das Gerücht von den Messias weit und breit erschollen, auf den die Juden warteten in der Hoffnung, dass er sie aus aller Trübsal erlösen würde). Wenn dieser kommen wird, so wird er nicht nur das Amt eines Königs, sondern auch das eines Propheten verrichten, wie Moses den Juden versprochen hatte, als er sagte: Einen Propheten aus deinem Volk und aus deinen Brüdern, wie mich, wird dir der Herr, dein Gott erwecken, den sollst du hören {5Mos 18}. Dieser Prophet nun (spricht das samaritische Weib) wird alle strittigen Sachen in der Religion entscheiden und uns vollkommen zeigen, wie man Gott recht ehren soll. Darum mag bis zu seiner Ankunft ein jeder Gott auf die Weise dienen, wie es ihm in seinem Gewissen am besten zu sein, erscheint. Obwohl nun dieses Weib zurecht davon überzeugt war, dass der Messias zeigen und lehren würde, wie man Gott recht dienen müsse, so tat sie dennoch unrecht daran, dass sie die Entscheidung über die Religion aufschieben wollte. So, wie sich auch heutzutage etliche finden, die die Entscheidungen der strittigen Religionsartikel auf ein allgemeines Konzil oder eine Versammlung der Geistlichen und Kirchenlehrer verschieben, wo alle Spaltungen in der Religion beigelegt werden mögen. Unterdessen aber wissen sie nicht, was sie glauben und sterben übel dahin mit einem zweifelhaften Gewissen.

26. Jesus sprach zu ihr: Ich bin‘s, der mit dir redet.

Ich bin es: Der Messias, an den du zu allererst gedacht hast, und du darfst auf keinen anderen warten. Denn du hast kurz zuvor selbst bekannt, dass ich ein Prophet bin. Siehe, so bin ich nun eben der Prophet, der in die Welt kommen soll, wovon Moses berichtet {5Mos 18}. Darum, wenn du meiner Lehre folgen und an mich glauben wirst, so wirst du das ewige Leben erlangen. Denn weil Christus sich über das samaritische Weiblein erbarmte, die auf den Messias wartete und ihn doch nicht erkannte, so wollte er sie nicht länger im Zweifel lassen und offenbarte sich ihr. Wir dürfen auch auf keinen anderen Messias warten, sondern sollen Jesus von Nazareth dafür erkennen, weil kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben ist, indem wir selig werden sollen {Apg 4}.

27. Und über dem kamen seine Jünger, und es nahm sie wunder, dass er mit dem Weibe redete? Doch sprach niemand: Was fragst du? Oder: Was redest du mit ihr?

Jünger: Die kurz zuvor in die Stadt gegangen waren, um Speise zu kaufen.

Weib: Als einer Samariterin. Denn die Samariter und Juden hatten nicht viel Gemeinschaft miteinander, wie oben gehört.

Redest du: Mit diesem Gottlosen Weib. Denn die Jünger hielten Christus in solchen Ehren, dass sie davon überzeugt waren, er tue nichts ohne große und erhebliche Ursache. Also gebührt auch uns, dass wir gegen unseren Herrn Christus Ehrerbietung zeigen und sein Wort sowohl in allen anderen Glaubensartikeln, als auch in dem Handel vom Heiligen Abendmahl in keinen Zweifel ziehen, noch viel weniger, in vorwitziger und spitzfindiger, oder auch abergläubischerweise fragen und nachforschen, warum er dies, oder etwas anderes geredet oder eingesetzt hat. Weiteres sind wir auch den Oberen, die in der Regierung über uns gesetzt sind, die Ehrerbietung schuldig, dass wir in den Mitteldingen, die Gott nicht geboten oder verboten hat, nicht ängstlich erkunden, was sie reden oder tun, sondern wir sollen vielmehr denken, dass sie für ihr Tun und Lassen gewisse, ausreichende Ursachen haben.

Mit ihr: (Nach Luther) Mit einer Samariterin und Heidin.

28. Da ließ das Weib seinen Krug stehen und ging hin in die Stadt und sprach zu den Leuten:

Stehen: Neben den Brunnen, voller großer Freude, dass sie den wahren Messias, den Heiland der Welt, gefunden und erkannt hatte. Denn die rechte Erkenntnis Christi macht einen Menschen voll himmlischer Freude.

Stadt: Dass sie ihre Mitbürger auch der Seligkeit teilhaftig machte.

29. Kommt, seht einen Menschen, der mir gesagt hat alles, was ich getan habe, ob er nicht Christus sei.

Kommt: Mit mir aus der Stadt zum Brunnen Jakobs.

Menschen: Einen vortrefflichen Mann und Propheten Gottes.

Getan habe: Er hat mir erzählen können, wie ich mich in meinem ganzen Leben verhalten habe, obwohl er doch von keinem etwas davon gehört hat. Darum besinnt euch darauf, was er für ein Mann sein mag. Ich selbst glaube vollkommen, dass er eben der Messias ist, auf den wir bisher gehofft haben, dass er in die Welt kommen soll. Denn dies ist die rechte Art des Glaubens, dass er durch die Liebe tätig ist {Gal 5}. Wir können aber dem Nächsten keine größere Liebe erweisen, als wenn wir ihn mit uns zur rechten Erkenntnis Christi bringen, wodurch wir das ewige Leben erlangen {Joh 17}.

30. Da gingen sie aus der Stadt und kamen zu ihm.

Zu ihm: Zu Christus, damit sie sehen und hören konnten, was das für ein besonderer Prophet wäre, den die Frau so hoch gerühmt hatte. Und bei dieser Gelegenheit sind sie zur Erkenntnis Christi gekommen, wodurch sie die Seligkeit erlangten. Hier sieht man, wie das Reich Christi oft einen schlechten und verächtlichen Anfang hat. Darum sollen wir auch die geringste Gelegenheit zur Ausbreitung des Evangeliums nicht versäumen.

31. Indes aber ermahnten ihn die Jünger und sprachen: Rabbi, iss!

Iss: Nimm Speise zu dir und labe dich daran, denn du hast bis jetzt einen guten Teil des Tages nichts gegessen.

32. Er aber sprach zu ihnen: Ich habe eine Speise zu essen, davon wisst ihr nicht.

Sprach: Weil er in Gedanken versunken dasaß und im Geist bereits sah, was mit den Samaritern geschehen würde.

Eine Speise: (Nach Luther) Seine Speise ist, des Vaters Willen zu tun. Des Vaters Willen aber ist es, dass durch sein Leiden das Evangelium in alle Welt gepredigt wird. Das war nun vorhanden, gleichwie damals die Ernte nahe war.

Nicht von: Ich habe etwas Größeres vor, womit ich umgehe und habe ein größeres Verlangen als nach dem Essen, was euch im Augenblick noch unbekannt ist.

33. Da sprachen die Jünger untereinander: Hat ihm jemand zu essen gebracht?

Untereinander: Weil sie nicht verstanden, was Christus mit dieser Rede meinte.

34. Jesus sprach zu ihnen: Meine Speise ist die, dass ich tue den Willen des, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk.

Werk: Das er mir befohlen hat. Denn ich bin von meinem himmlischen Vater in diese Welt gesandt, nicht allein, dass ich durch mein Leiden und Sterben das menschliche Geschlecht erlöse, sondern auch, dass ich das Evangelium predige und den Leuten den Weg zum Himmelreich zeige. Darum gehe ich jetzt um und bin darauf bedacht, wie ich die Samariter lehren könnte, dass sie an mich glauben und selig werden. Diese Sache liegt mir mehr am Herzen, als Speise oder Trank. Obwohl man nun dem Leib auch seine nötige Nahrung und Unterhaltung geben soll, so sollen wir jedoch insbesondere darauf bedacht sein, dass wir die Werke unseres Berufs fleißig verrichten. Denn wir leben nicht darum, dass wir essen, sondern wir essen, damit wir leben und unseren Beruf ausführen können.

35. Sagt ihr nicht selber: Es sind noch vier Monde, so kommt die Ernte? Siehe, ich sage euch: Hebt eure Augen auf und seht in das Feld; denn es ist schon weiß zur Ernte {Mt 9v37 Lk 10v21};

Schon weiß: Als wollte er sagen: Ihr meint, dass die Ernte zuerst nach vier Monaten beginnen wird. Aber wenn ihr die Augen recht auf das, was gegenwärtig ist, wenden wollt, so ist die Ernte bereits vorhanden. Denn ist nicht das samaritische Volk, welches jetzt in Massen zu mir kommt wie das Getreide, dass bereits weiß und reif ist, dass sie durch das Wort des Evangeliums wie die Früchte in die Scheune des Himmelreichs versammelt werden? Und diese Samariter sind gleichsam die Erstlinge der großen Ernte, die nach meiner Auferstehung beginnen wird, da die Heiden durch das Wort des Evangeliums in meinem Himmelreich versammelt werden. Und wenn ihr in dieser Ernte mir fleißig und treu helfen werdet, dass ihr das Evangelium fleißig mit lehrt und mir viele Leute gewinnt, so werdet ihr einmal für eure Arbeit reiche Belohnung empfangen, werdet auch zugleich denen einen gewaltigen Rat geben, die ihr durch die Predigt des Evangeliums in meiner Kirche versammeln werdet, dass sie das ewige Leben erlangen. Über diese Sachen werden sich mit euch die Heiligen Patriarchen und Propheten freuen, die vor dieser Zeit die Verheißung von mir und meinem Reich vorgebracht haben und gesät haben. Diese werden mit euch fröhlich sein, wenn sie sehen, wie eine große Menge des Volkes täglich in meinem Himmelreich gesammelt wird. Denn es werden viele tausend Menschen durch die Predigt des Evangeliums, wenn sie dieselbe mit Glauben gefasst und angenommen haben, ins ewige Leben eingehen. Und hier trifft das alte Sprichwort zu, wo man zu sagen pflegt, dass einer sät, der andere erntet. Denn die Patriarchen und Propheten haben gesät, als sie von mir geweissagt haben, ihr aber, wenn ihr mein Evangelium predigt und es mit den Zeugnissen der Propheten bestätigt wird, werdet eine große und reiche Ernte machen. Denn es werden unzählige meinem Evangelium, das durch euch und eure frommen, ordentlichen Nachkommen gepredigt werden wird, glauben; und so werdet ihr also die Frucht der Arbeit genießen, die die Propheten in Erzählungen und Bildern der evangelischen Verheißung angewendet haben. Darum werdet ihr die Früchte der prophetischen Lehre schneiden oder ernten, die zu erhalten und fortzupflanzen sich die heiligen Patriarchen und Propheten bemüht haben. Diese prophetische Arbeit wird eurer Arbeit gewaltig weiterhelfen, indem es gleichsam für euch den Anschein haben wird, als wärt ihr in die Arbeit eines anderen eingetreten oder eingestanden. Sie haben euch vorgearbeitet, dass ihr nun einen guten und großen Vorteil habt, das Evangelium fruchtbar zu predigen. Denn die Verheißungen von Christus waren den Juden bekannt, ja sogar zum Teil unter den Heiden aufgekommen. So haben die, die von dem zukünftigen Christus bereits zuvor etwas gehört haben, das Evangelium von Christus umso leichter und mit größerem Nutzen gelernt. So oft sich uns also Gelegenheit bietet, das Evangelium auszubreiten, so sollen wir wissen, dass wir eine himmlische Ernte säen. Darum sollen wir Gott bitten, dass er viele treue Arbeiter in seine Ernte ausschickt. Und die Diener und Prediger des Evangeliums sollen fleißig und unverdrossen ihr Amt tun und sich erinnern, was sie denen für eine große Guttat erzeigen, die sie ins Reich Gottes sammeln, sie sollen auch wissen, dass sie für ihre Arbeit ewige Belohnung empfangen werden. Sie sollen aber ihre Predigten und Schriften bekräftigen und bestätigen nicht mit Beweisen und Gründen aus der menschlichen Vernunft mit Spitzfindigkeiten, sondern mit hellen unfehlbaren und recht beschaffenen Zeugnissen aus den prophetischen und apostolischen Schriften. Auf diese Weise wird ihre Arbeit durch den Segen Gottes viel Frucht bringen.

36. und wer da schneidet, der empfängt Lohn und sammelt Frucht zum ewigen Leben, auf dass sich miteinander freuen, der da sät und der da schneidet.

37. Denn hier ist der Spruch wahr: Dieser säet, der andere schneidet.

38. Ich habe euch gesandt zu schneiden, dass ihr nicht habt gearbeitet; andere haben gearbeitet, und ihr seid in ihre Arbeit gekommen.

Andere: (Nach Luther) Die Propheten haben gesät {1Petr 1v12}. Sie haben es nicht für sich selbst, sondern für uns getan.

39. Es glaubten aber an ihn viel der Samariter aus derselben Stadt um des Weibes Rede willen, welches da zeugte: Er hat mir gesagt alles, was ich getan habe.

Zeugte: Und sagte, dass Christus ein Prophet wäre, der ihr gezeigt hätte, was sie für einen Lebenswandel geführt hat. Dadurch ist bei ihr viel bewegt worden, sodass sie Christus nicht verachtet, sondern ihn für einen vortrefflichen Mann gehalten hat, der von Gott dazu gesandt war, dass er die rechte Religion lehren sollte. Denn der Glaube an Christus hat seinen Anfang und nimmt danach je länger je mehr zu.

40. Als nun die Samariter zu ihm kamen, baten sie ihn, dass er bei ihnen bliebe. Und er blieb zwei Tage da.

Bliebe: In der samaritischen Stadt wenigstens für einige Tage. Denn sie wollten ihm weiter zuhören, was er Gutes predigen würde.

Zwei Tage: Über diese Zeit hat er ohne Zweifel viele herrliche Predigten vom Reich Gottes getan. Daher haben sie ihn nun nicht mehr nur für einen Propheten, sondern auch für Christus selbst, wie es auch richtig ist, erkannt.

41. Und viel mehr glaubten um seines Worts willen

42. und sprachen zum Weibe: Wir glauben nun künftig nicht um deiner Rede willen; wir haben selber gehört und erkannt, dass dieser ist wahrlich Christus, der Welt Heiland.

Gehört: Seine allerheiligsten Predigten und das Wort der Wahrheit aus seinem Mund. Sie erkannten also durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes, der mit dem Wort in ihnen wirkte, dass er wahrhaftig der versprochene Messias wäre.

Erkennt: Wir glauben zwar deinen Worten, wenn du sagst, er hätte dir alles erzählt, was du getan hast, und darum muss man ihn für einen Mann halten, der nicht zu verachten ist. Jetzt aber, nachdem wir die himmlische Lehre von ihm selber gehört haben und unser Gewissen uns dessen Zeugnis gibt, erkennen wir, dass dieser der versprochene Messias und Heiland der ganzen Welt ist, von dem die Weissagungen der Propheten sprechen. Demnach sehen wir, dass die Samariter, die zuvor gottlos gewesen sind, durch die Predigt des Evangeliums zu Christus bekehrt worden sind. Darum fantasiert Schwenkfeld, wenn er leugnet, dass die äußere Predigt des Evangeliums ein Mittel oder Werkzeug ist, durch welches die Menschen erleuchtet, bekehrt und selig werden. Und weil Christus der Heiland der Welt ist, so sollen wir unsere Zuflucht bei ihm suchen, auf dass wir durch den Glauben die ewige Seligkeit erlangen.

43. Aber nach zwei Tagen zog er aus von dort und zog nach Galiläa.

Von dort: Auch an anderen Orten das Evangelium zu predigen.

In Galiläa: Zwar nicht in die Stadt Nazareth, wo er erzogen wurde, die für sein Vaterland gehalten wurde, sondern in andere Städte des galiläischen Landes, und er sein Vaterland, die Stadt Nazareth aus nachfolgendem Grund mied.

44. Denn er selber, Jesus, zeugte, dass ein Prophet daheim nichts gilt.

Nichts gilt: Und kein Ansehen hat bei denen, mit welchen er aufgezogen worden ist. Denn diejenigen, die mit vortrefflichen Leuten von Jugend auf erzogen wurden, die verachten gemeinhin dieselben und schätzen sie gering, weil sie die herrlichen Gaben Gottes nicht betrachten, womit sie von Gott geziert sind. Und die Leute pflegen nicht auf das zu achten, was gegenwärtig täglich um sie und vor ihren Augen ist, was aber fremd und seltsam ist, dass achten sie hoch. Die Menschen von Nazareth verhielten sich gegen ihren Mitbürger Christus sehr undankbar, denn als er eine Zeit lang in ihrer Schule predigte und einen Text aus dem 61. Kapitel des Propheten Jesaja vor sich hatte, haben sie sich zwar am Anfang über seine holdseligsten Predigten sehr gewundert, da er aber bald danach in genau dieser Predigt ihnen ihre Undankbarkeit vor Augen führte, wurden sie zornig gegen ihn, sodass sie ihn aus der Schule geworfen und aus der Stadt auf einen Hügel geführt haben, von dem sie ihn herabstürzen wollten. Er ist ihnen aber entkommen {Lk 4}.

45. Da er nun nach Galiläa kam, nahmen ihn die Galiläer auf, die gesehen hatten alles, was er zu Jerusalem auf dem Fest getan hatte. Denn sie waren auch zum Fest gekommen.

Auf: Mit großer Freude. Denn obwohl die Leute in Nazareth gegen ihren Landsmann Christus sich undankbar und ungebührlich verhielten und er sie wiederum auch nicht weiter beachtete, so hörten ihn doch die anderen Galiläer gern, wenn er ihnen sein Evangelium predigte.

Fest gekommen: Das vielleicht das Osterfest gewesen ist. Denn es mussten alle Männer jährlich dreimal in Jerusalem auf den vornehmsten Festen, als da waren, Ostern, Pfingsten und das Laubhüttenfest, erscheinen. Es sind aber die rechten Wunderzeichen Zeugnisse der himmlische Lehre. Obwohl viele von ihnen die reine Lehre verachten, so finden sich doch überall etliche, die das Evangelium Christi mit Dank annehmen.

46. Und Jesus kam abermals gen Kana in Galiläa, da er das Wasser hatte zu Wein gemacht.

Gemacht: Früher wurde dieselbe Geschichte wie oben im Kapitel 2. häufig beschrieben.

47. Und es war ein Königlicher, des Sohn lag krank zu Kapernaum. Dieser hörte, dass Jesus kam aus Judäa in Galiläa, und ging hin zu ihm und bat ihn, dass er hinab käme und hülfe seinem Sohn; denn er war todkrank.

Königlicher: Dieser ist meines Erachtens nach eine römische Obrigkeit gewesen, vom Kaiser dazu eingesetzt, dass er das jüdische Volk im Gehorsam behielt. Dergleichen römische Amtsleute hat es in Judäa und Galiläa viele gegeben. Die Juden aber nannten den Kaiser einen König, daher galt ihnen ein Königlicher oder ein Kaiserlicher gleichviel. Dadurch, dass dieser Königliche endlich an Christus glaubte, wird angezeigt, dass nicht allein die Heiden die christliche Religion annehmen würden, sondern auch, dass Gott aus allerlei Leuten und Ständen sich eine Kirche sammelt.

In Galiläa: Denn Christus war sowohl in Judäa als auch in Galiläa bekannt wegen seiner herrlichen Wunderwerke, die er getan hatte. Deshalb konnten seine Reisen nicht lange verborgen bleiben, besonders, weil er seine Jünger mit sich herumführte. Daher ist dieser Königliche durch solch einen berühmten Namen des Herrn Christus bewegt worden, indem er gehört hatte, dass er niemanden seine Hilfe abschlägt, der sie von ihm begehrt, und er sich so gute Hoffnung machte, er würde die Gesundheit seines Sohnes von sich heraus zuwege bringen.

Todkrank: Mit einem sehr hitzigen und tödlichen Fieber, sodass man wenig Hoffnung für sein Leben oder seine Gesundheit haben konnte. An diesem Königlichen ist das zu loben, dass er sich um die Gesundheit und die Wohlfahrt des Leibes seines Sohnes sehr bemüht und nichts unterlässt, was dazu dienlich zu sein scheint. Denn die störrischen Eltern, die nicht auf ihre Kinder achten, sind ärger als die unvernünftigen wilden Tiere. Dass er aber Christus nicht eher sucht, bis er spürt, dass es sehr besorgniserregend um das Leben seines Sohnes steht, ist nicht zu Unrecht an ihm zu tadeln. So tun es auch die, die zuvor alle Arzneien an einer Krankheit versuchen, ehe sie ihre Zuflucht bei Gott suchen, sie rufen auch Gott nicht an, bis ihnen die Seele schier auf der Zunge sitzt. Da erst begehren sie, sich mit Gott zu versöhnen und wollen das Abendmahl empfangen, obwohl sie zuvor viele Jahre lang ein solch nötiges und heilsames Sakrament für sich nicht beachtet haben.

48. Und Jesus sprach zu ihm: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht.

Zu ihm: Und zwar nicht nur zu ihm, sondern auch zu den umstehenden Juden, auf deren Unglauben er besonders hinweist.

Ihr nicht: Dass ich der Messias bin. Wenn ihr aber die Weissagung, in den Propheten von dem Messias mit meiner Person vergleicht, so solltet ihr mich eigentlich erkennen. Die Samariter haben ohne Wunderwerke geglaubt, aber ihr Juden vergafft euch gar zu sehr an den Wunderwerken. So ist es auch mit denen beschaffen, die die reine Lehre des Evangeliums gegen die prophetischen und apostolischen Schriften halten, weshalb sie die Gewissheit unserer gottseligen Lehre und die Wahrheit leicht erkennen könnten, aber sie wollen Wunderzeichen von uns haben. Gerade, als ob die himmlische Lehre, die wir bekennen, nicht bereits längst mit Wunderwerken der Propheten, Christi und der Apostel ausreichend bestätigt wäre?

49. Der Königliche sprach zu ihm: Herr, komm hinab, ehe denn mein Kind stirbt!

Sprach: Dass er mit Bitten und Flehen weiter bei ihm anhielt, obwohl Christus ihm samt den Juden einen starken Verweis gegeben hatte.

Stirbt: Denn der Königliche meinte, wenn Christus nicht selber hinabkäme, ehe der Sohn stirbt, so würde es um das Leben und die Gesundheit von ihm allerdings geschehen sein. Da nun der Königliche mit dem Gebet bei Christus anhält, daran tut er recht, und wir sollen von ihm daraus lernen, aber wir sollen ihm nicht darin folgen, dass er Christus Maß und Zeit, um zu helfen, vorschreibt, denn Gottes Macht, Güte und Weisheit sind unendlich.

50. Jesus sprach zu ihm: Gehe hin, dein Sohn lebt. Der Mensch glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm sagte, und ging hin.

Lebt: Denn ich habe deinem Sohn das Leben geschenkt, dass er jetzt nicht sterben wird, ja, er ist bereits wieder gesund geworden. Christus verstößt also diesen Königlichen nicht, obwohl er sehr schwach im Glauben gewesen ist, um anzuzeigen, dass er das beschädigte Rohr nicht ganz zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen möchte {Jes 42}.

Sagte: Von der Gesundheit seines Sohnes, dass er sie wiedererlangt hätte.

Ging hin: Zu sich nach Hause und zweifelte nicht, dass er seinen Sohn frisch und gesund finden würde, und seine Hoffnung hat ihn nicht betrogen. Also hat Christus uns auch sein Wort gegeben, dass er den Bußfertigen die Sünden verzeihen will {Lk 15}, dass er uns in unserem Beruf schützen will {Mt 10}, dass er uns Kleidung und Nahrung geben will {Mt 6}, dass er uns nicht über unsere Möglichkeiten hinaus versuchen will {1Kor 10}. Darum sollen wir dem Wort Gottes glauben, so werden wir einen glücklichen Ausgang spüren.

51. Und indem er hinabging, begegneten ihm seine Knechte, verkündigten ihm und sprachen: Dein Kind lebt.

Knecht: Mit fröhlichem Mut, dass sie ihrem Herrn die angenehme Nachricht von der Gesundung seines Sohnes verkündigten. Denn in einem gut geführten Haushalt freuen sich die Diener, wenn es ihren Herren gut geht und haben Mitleid mit ihnen, wenn sie ein Unglück überfällt. Solche Zuneigung der Knechte und Untertanen wird durch die Freundlichkeit und Sanftmut der Herren zuwege gebracht.

52. Da forschte er von ihnen die Stunde, in welcher es besser mit ihm worden war. Und sie sprachen zu ihm: Gestern um die siebente Stunde verließ ihn das Fieber.

Forschte er: Nicht, dass er an den Wunderwerken Christi zweifelte, sondern dass er seinen Glauben an Christus desto mehr stärkte.

Siebente: Das ist bei uns um 1:00 Uhr am Tag oder in der Nacht.

53. Da merkte der Vater, dass es um die Stunde wäre, in welcher Jesus zu ihm gesagt hatte: Dein Sohn lebt. Und er glaubte mit seinem ganzen Hause.

Merkte: Und glaubte bereits fester an Christus, den Erlöser des menschlichen Geschlechts.

Hause: Oder Personal. Dass sie alle miteinander zugleich zusammen mit ihrem Herren, Christus für den Messias erkannt und an ihn geglaubt haben. Denn der Königliche hat ihnen die Wunderwerke Christi vorgehalten und gerühmt mit angehängten Erinnerungen, dass sie an diesen Heiland der Welt glauben sollten. Denn ohne Zweifel haben auch die Heiden, die unter den Juden gewohnt haben, oft von dem zukünftigen Messias gehört, der von den Propheten verheißen worden war. Da sie nun seine Wunderwerke gehört und gesehen hatten, haben sie an ihn geglaubt und dieser Glaube hat je länger je mehr zugenommen und ist stärker geworden. Ein frommer Hausvater soll also darauf bedacht sein, sich zu bemühen, seine Hausgenossen, soweit es an ihm liegt, zur rechten heilsamen Erkenntnis Christi zu bringen, damit er einmal im Himmel die zu Mitgesellen der ewigen Seligkeit hat, die auf der Erde seine Hausgenossen gewesen sind.

54. Das ist nun das andere Zeichen, das Jesus tat, da er aus Judäa nach Galiläa kam.


Das 5. Kapitel

  • Christus macht beim Teich am Schafstall einen siechen Menschen, der 38 Jahre krank gewesen war durch ein Wunderwerk gesund.
  • Um dieser Tat willen, die doch lobenswert gewesen ist, zürnen die Juden, dass Christus den Sabbat nicht geachtet hätte.
  • Darauf antwortet Christus in ausführlicher Weise.

1. Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf gen Jerusalem.

Danach: Jetzt fängt der Evangelist an, ein herrliches Wunderwerk zu beschreiben, welches Christus an einem Menschen erwiesen hat, den er gesund gemacht hat, obwohl er 38 Jahre krank gelegen war. Diese wunderbare Tat Christi haben die Juden mit giftigen Herzen gelästert, aber Christus beweist, dass er recht getan hat, wie wir hören werden.

Fest: Es war zweifellos eines von den Vornehmsten gewesen, wie Ostern, Pfingsten, oder Laubhüttenfest.

Jerusalem: Damit er dort vor einer großen Menge des Volkes Wunderzeichen täte und viele Leute in der rechten Religion unterrichtete. Denn wir sollen die Gelegenheit wahrnehmen, wo wir Gottes Ehre und des Nächsten Seligkeit fördern können.

2. Es ist aber zu Jerusalem bei dem Schafhause ein Teich, der heißt auf Hebräisch Bethesda und hat fünf Hallen,

Schafhause: Wo die Schafe gehalten und aufbewahrt wurden, die zum Opfern bestimmt waren.

Nach Luther: Bei dem Ort, wo die Opferschafe gehalten wurden.

Bethesda: Das heißt auf Deutsch so viel wie ein Haus der Barmherzigkeit oder ein Krankenhaus. Der Teich darum wurde also so genannt, weil in den daneben errichteten Gebäuden kranke Menschen lagen, die Hilfe und Erbarmen von anderen Menschen benötigten.

Nach Luther: Das heißt auf Deutsch so viel wie ein Spital, in dem man den armen Menschen Barmherzigkeit zeigte und ihnen half.

Hallen: Darin hielten sich die Kranken auf, bis sie ihre Gesundheit wiedererlangt hatten. In richtig bestellten christlichen Regierungen ist es hoch angesehen, dass man Krankenhäuser gebaut und reichlich mit Mitteln versehen hat, in denen besonders die fleißig versorgt und gepflegt werden, die von langwierigen Krankheiten betroffen sind. Und es ist die Aufgabe der Obrigkeit, dass sie dies anordnet, damit den elenden Leuten gereicht wird, was ihnen bestimmt wurde, damit nicht die Verwalter der Almosen und Hospitäler mehr sich selbst, als die Armen und Kranken versorgen.

3. in welchen lagen viel Kranke, Blinde, Lahme, Dürre; die warteten, wenn sich das Wasser bewegte.

Dürre: Die geschrumpften Glieder hatten, die sie nicht brauchen konnten. Gott stellt uns aber solch ein erbärmliches Spektakel vor, dass wir vor Augen haben, was jeder von uns wohl wert wäre, wenn Gott uns strafen würde, wie wir es nach unseren Sünden wohl verdient hätten.

4. Denn ein Engel fuhr herab zu seiner Zeit in den Teich und bewegte das Wasser. Welcher nun der Erste, nachdem das Wasser bewegt war, hineinstieg, der ward gesund, mit welcherlei Seuche er behaftet war.

Steig: Dass er von jemandem dahin geführt oder getragen wurde.

Ward: Dieses Wunderwerk geschah etliche Male, damit die Auserwählten im Volk Gottes spürten, wie Gott seinem Volk noch mit Gnaden gewogen war. Diesen Trost brauchten die Israeliten damals dringend, weil sie keine Propheten mehr hatten. Denn Gott sorgt für seine Auserwählten zu allen Zeiten. Wir sollen heutzutage unseren Glauben stärken mit den Sakramenten, die von Christus eingesetzt sind. Was aber die leiblichen Guttaten Gottes betrifft, so sollen wir ihm von Herzen Lob und Dank sagen für die heilsamen warmen Bäder, womit er Deutschland und insbesondere das Herzogtum Württemberg beschenkt hat.

5. Es war aber ein Mensch dort, achtunddreißig Jahre krank gelegen.

Gelegen: Zweifellos hat ihm der Satan und das Fleisch über die lange Zeit hinweg viel traurige Gedanken gemacht, als ob er von Gott und der Welt verlassen und verstoßen wäre. Denn wenn der Leib lang geplagt wird, so wird auch das Gemüt irregemacht und es sorgt sich der Mensch, dass er einen ungnädigen Gott habe. Solchen Anfechtungen sollen wir den Trost des göttlichen Wortes und den Gebrauch des Heiligen Abendmahl entgegensetzen.

6. Da Jesus denselben sah liegen und vernahm, dass er so lange gelegen hatte, sprach er zu ihm: Willst du gesund werden?

Vernahm: Oder erkannte es für sich selbst. Denn dem Herrn Christus sind unsere Unfälle nicht verborgen.

Gesund werden: Es fragte aber Christus dies nicht deshalb, als ob er es nicht wüsste, oder daran zweifelte, sondern, dass andere Leute das eigene Zeugnis des Kranken von seiner langwierigen Krankheit und von seinem Verlangen nach der Gesundheit hörten, damit das folgende Wunderwerk desto scheinbarer und herrlicher wäre. Ansonsten werden in heutiger Zeit wohl boshafte Bettler gefunden, die nicht begehren, geheilt zu werden, sondern, die ihren Schaden und ihre Gebrechen erhalten, um sie zu zeigen und dadurch ihre Nahrung zu erlangen, also mit Müßiggang ihr Leben zubringen möchten.

7. Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, wenn das Wasser sich bewegt, der mich in den Teich lasse; und wenn ich komme, so steigt ein anderer vor mir hinein.

Hinein: In den Teich und wird gesund. Ich Elender aber komme unverrichteter Dinge wieder zurück auf mein Bett, hatte also jetzt lange vergebens gewartet. Denn ich möchte mir nichts lieber wünschen, als dass ich meine Gesundheit wiederhätte. Wenn wir aber meinen, es sei uns nicht mehr zu helfen, so ist Gott mit seiner Hilfe am allernächsten bei uns.

8. Jesus sprach zu ihm: Stehe auf, nimm dein Bett und gehe hin!

Steh auf: Denn ich mache dich jetzt also ganz frei von deiner Krankheit, dass du nicht nur gehen, sondern auch zum Zeugnis deiner völligen Gesundheit, du wiederum dein Bett tragen kannst, welches dich eine lange Zeit getragen hat.

9. Und alsbald ward der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin. Es war aber desselben Tages der Sabbat.

Ging hin: Dass er sein Bett mit sich davontrug. Denn es ist kein Anliegen so beschwerlich, dem Christus nicht Rat schaffen könnte; und obwohl er nicht immer auf die Weise hilft, wie wir es uns wünschen, so hilft er doch so, wie es unserer Seligkeit am zuträglichsten ist. Und wenn Gott uns betrübt, so erfreut er uns danach umso herrlicher, wenn er uns aus dem Unfall errettet.

Sabbat: Da Christus den Kranken gesund gemacht und ihn das Bett zu tragen geheißen hat. Daher waren die Juden, als abergläubische Heuchler, sehr unwillig, dass der Mensch am Sabbat sein Bett trug, weil sie meinten, er würde die Gesetze des Sabbats übertreten.

10. Da sprachen die Juden zu dem, der gesund war worden: Es ist heute Sabbat; es ziemt dir nicht, das Bett zu tragen.

Tragen: Denn Gott hat uns geheißen, am Sabbat zu ruhen. Obwohl nun Gott der Herr oft und ernsthaft gefordert hatte, dass man den Sabbat halten und feiern sollte, so hat er doch solche Werke nicht verboten, die die Heiligung des Sabbats und Gottes Ehre nicht behinderten. Aber die Juden verboten alle Werke ohne Unterschied in abergläubischerweise. Denn die Heuchler dringen auf ihre Dekrete und Satzungen sehr hart. Wir aber sollen wissen, dass allein die Werke Sünde sind, die Gott verboten hat. Und man soll zwar in den Mitteldingen, die an sich selbst frei sind, dass man sie tun oder lassen kann, sich so viel wie möglich hüten, dass man kein Ärgernis gibt. Wenn aber Gottes Ehre etwas anderes erfordert, so sollen wir es nicht beachten, wenn sich andere daran stoßen.

11. Er antwortete ihnen: Der mich gesund machte, der sprach zu mir: Nimm dein Bett und gehe hin.

Gesund machte: Über den ich nicht anders urteilen kann, als dass er ein vortrefflicher Mann und Prophet Gottes sein muss, weil er an mir, indem er mir geholfen hat, so ein herrliches Wunderwerk getan hat. Darum soll ich mich seinem Befehl, da er mich mein Bett zu tragen heißt, nicht widersetzen.

12. Da fragten sie ihn: Wer ist der Mensch, der zu dir gesagt hat: Nimm dein Bett und gehe hin?

13. Der aber gesund war worden, wusste nicht, wer er war; denn Jesus war gewichen, da so viel Volks an dem Ort war.

Er war: Wie er heißt, oder woher er kommt, obwohl er glaubte, dass Christus ein besonderer Prophet von Gott gesandt wäre. Denn die Erkenntnis Christi hat ihren Unterschied und wird nach und nach größer.

Gewichen: Damit der, der gesund geworden war, ihn den Juden nicht zeigen konnte, hatte sich Christus davongemacht, damit die Juden mehr Nachfrage hätten, wer solch ein Wunderwerk getan hat. Er hat uns auch zugleich mit seinem Beispiel an die Demut erinnert, dass wir nicht die Ersten sein sollen, die unsere Taten hinausschreien und rühmen.

14. Danach fand ihn Jesus im Tempel und sprach zu ihm: Siehe zu, du bist gesund worden; sündige künftig nicht mehr, dass dir nicht etwas Ärgeres widerfahre!

Im Tempel: Ohne Zweifel, dass er Gott Lob und Dank gesagt hatte, für seine Gesundheit, die er wiederlangt hatte. Denn wir sollen Gott für alle Guttaten danken.

Gesund worden: Durch Gottes sonderbare Gnade, da du 38 Jahre beschwerlich krank gelegen warst.

Ärgeres widerfahre: Wo du Gott von Neuem wiederum erzürnst. Denn obwohl die Krankheiten und andere Unfälle nicht immer Strafen grober Sünden sind, wie beim Hiob, Jeremias, Johannes dem Täufer und dergleichen frommer Leute zu sehen ist, so sind sie doch zum großen Teil Gottes Geißel, womit er die Menschen wegen begangener Übertretungen züchtigt. Mit diesem Spruch Christi werden wir gewarnt, dass, wenn wir aus einem Unglück erlöst sind, wir danach behutsamer wandeln, damit wir uns nicht noch größere Trübsal und schließlich das ewige Verderben selbst über den Hals ziehen.

15. Der Mensch ging hin und verkündigte es den Juden, es sei Jesus, der ihn gesund gemacht habe.

Verkündigte: Ohne Zweifel mit der guten Meinung, dass er hoffte, die Juden würden in Erwägung eines solchen herrlichen Wunderwerks Jesus vielmehr günstig und gewogen werden, anstatt ihn deswegen anzufeinden. Aber es ist ganz anders ausgegangen.

16. Darum verfolgten die Juden Jesus und suchten ihn zu töten, dass er solches getan hatte auf den Sabbat.

Sabbat: Und also, ihrer Meinung nach, den Sabbat entheiligt hätte, da doch Christus nicht gegen das Gebot Gottes, welches er vom Sabbat gegeben hatte, gesündigt hat, sondern auf ihre heuchlerischen Anwürfe nicht geachtet hat, wie kurz zuvor auch berichtet. Die Heuchler aber sind blutdürstig und grausam und wollen ihre Menschensatzungen unter dem Anschein der Religion aufs Härteste gehalten haben.

17. Jesus aber antwortete ihnen: Mein Vater wirkt bisher, und ich wirke auch.

Antwortet: Nicht, dass er an diesem Ort eine Diskussion führte, was man am Sabbat tun dürfte oder nicht, sondern er weist schlicht mit seiner Person und lehrt, dass man seine Werke, weil sie göttliche und Gottes Werke sind, keineswegs tadeln soll.

Wirkt: (Nach Luther)Das heißt, mein Vater hält den Sabbat nicht, darum halte ich ihn auch nicht, sondern wirke immerdar wie mein Vater.

Bisher: Immer ohne Ende, vom Anfang der Welt her, sowohl an Feiertagen als auch an Werktagen, und dennoch wird kein frommer Mensch meinen himmlischen Vater deshalb einiger Ungerechtigkeiten beschuldigen.

Wirke auch: Was und wo ich will, und zwar zugleich mit meinem Vater, als sein gleich ewiger Sohn, der mit ihm eines Wesens ist. Denn die Werke der Heiligen Dreifaltigkeit, wenn sie außerhalb ihrem Wesen geschehen (wie, die Gelehrten davon zu sprechen pflegen), sind allen drei Personen gemein. Darum können meine Werke ebenso wenig getadelt werden (will Christus sagen) wie die meines Vaters, und es kann mich auch niemand wegen meiner Werke lästern, ohne dass er zur gleichen Zeit auch gegen meinen himmlischen Vater Lästerworte ausstößt. Denn Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist wird ohne Unterlass alle Tage und jede Stunde, ja jeden Augenblick, indem er die Kreaturen erhält und fortpflanzt, die Erde, das Vieh und die Menschen fruchtbar macht, die Menschen wieder neu gebiert, regiert, treibt und leitet. So regiert er auch die Sterne und die ganze Welt, wehrt den Anläufen des Teufels gegen seine Kirche, schützt die Frommen und errettet sie. Denn was im ersten Buch Mose im Kapitel zwei von Gott gesagt wird, er habe am siebten Tag geruht, muss man richtig verstehen. Dass Gott geruht hat, nachdem er die Welt erschaffen hatte, in der Form, dass er danach keine Welt mehr erschaffen hat, daneben aber wirkt er in dieser Welt, die er erschaffen hat immer und ewig.

18. Darum trachteten ihm die Juden nun viel mehr nach, dass sie ihn töteten, dass er nicht allein den Sabbat brach, sondern sagte auch, Gott sei sein Vater, und machte sich selbst Gott gleich.

Juden: Nachdem sie diese Antwort Christi gehört hatten, waren sie noch viel heftiger auf ihn verdrossen.

Brach: Wie sie meinten, indem er den Kranken gesund gemacht hatte am Sabbat.

Sein Vater: Nicht nur, dass er zur Kindschaft von ihm aufgenommen worden wäre, wie andere Menschen, sondern seiner ewigen Geburt nach. Denn die Juden verstanden wohl, dass Christus sich nicht so einfach einen Sohn Gottes nannte, wie ansonsten alle frommen Gottes Kinder heißen, sondern, dass er auf den Punkt genau für den wesentlichen und zugleich ewigen Sohn Gottes gehalten werden wollte. Diesen Ruhm wollten sie dem Jesus von Nazareth nicht lassen, den sie nur für einen Menschen und keinen Gott ansahen. Darum achteten sie ihn als einen Gotteslästerer des Todes für schuldig. Obwohl nun die Juden selber Gotteslästerer waren, indem sie leugneten, dass Christus Gott wäre, so haben sie doch in diesem Stück einen besseren Verstand gehabt als die Arianer. Denn die Juden hatten die Reden des Herrn Christi recht verstanden, in denen er sich selbst die ewige, wahre Gottheit zugemessen hatte, die Arianer aber verdrehen und verkehren aus lauter Bosheit und Mutwillen mit falschen Deutungen und Auslegungen das Wort des Herrn Christi, der Propheten und Apostel, mit welchen die ewige Gottheit Christi recht bestätigt wird. Darum werden diese Juden am Jüngsten Tag auferstehen und die Arianer verdammen.

19. Da antwortete Jesus und sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, der Sohn kann nichts von ihm selber tun, denn was er sieht den Vater tun; denn was derselbe tut, das tut gleich auch der Sohn.

Vater tun: Denn wie die Kinder ihren Eltern in der Art, in Gebärden und im Handeln nachzufolgen pflegen, so folge ich, der Sohn Gottes, dem Handeln und der Art meines Vaters, dass ich eben dieselben Werke zu tun beginne, die mein Vater tut.

Gleich auch: Darum könnt ihr meine Werke, als die des Sohnes Gottes, nicht tadeln, es sei denn, ihr wollt auch meines himmlischen Vaters Werk verlästern.

20. Der Vater aber hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er tut, und wird ihm noch größere Werke zeigen, dass ihr euch verwundern werdet.

Größere: Was ihr jetzt an dem Kranken gesehen habt, der gesund geworden ist. Das will zusammengefasst so viel sagen: So wie die irdischen Väter ihr Können und was sie selbst wissen, vor ihren Kindern nicht verstecken, sondern es ihnen immer wieder zeigen, damit sie es auch können, so ist mir nichts verborgen, von dem, was mein himmlischer Vater tut, sondern ich kann eben dasselbe auch tun wegen meiner ewigen Gottheit, nach der ich vom Vater von Ewigkeit her geboren bin. Und ich werde noch größere Wunderwerke tun, als die, die ihr bis hierher von mir gesehen oder gehört habt, dass ihr euch, auch wenn ihr nicht an mich glaubt, dennoch darüber wundern müsst. Es spricht aber Christus an dieser Stelle von seiner ganzen Person, in welcher zwei Naturen sind, die göttliche und die menschliche. Nach seiner göttlichen Natur hat er alles gewusst und gekannt, aber nach seiner menschlichen Natur hat er im Stand seiner Erniedrigung und als er die Knechtsgestalt angenommen hatte {Phil 2}, so viel gewirkt, wie ihm sein Vater zu verrichten befohlen hat. Und Christus sagte, er werde noch größere Werke tun. Denn obwohl es ein großes Werk ist, einen Menschen zu heilen, der 38 Jahre krank gelegen war, so ist es doch noch ein viel größeres Werk, einen Menschen von den Toten zu erwecken. Ein großes Werk ist es, einen Blinden sehend zu machen, aber noch ein größeres ist es, die Teufel auszutreiben. Solche Werke (will Christus sagen) habe ich getan und will sie in Zukunft noch herrlicher tun, dass auch meine Feinde darüber entsetzt sein werden. Hieraus sollen wir lernen, dass Christus, Gottes und Marias Sohn, alles in seiner Hand hat und dass er zu Gottes Ehre und unsere Seligkeit alles das bewirken will und kann, was der Vater bewirkt. Auch sollen die Kinder dadurch erinnert werden, dass sie von ihren Eltern Aufrichtigkeit und Tugenden lernen. Besonders aber, wenn wir für Kinder Gottes, die er an Kindes statt angenommen hat, geachtet werden wollen, so sollen wir uns bemühen, unseres himmlischen Vaters Güte nachzufolgen. Matthäus im 5. Kapitel.

21. Denn wie der Vater die Toten auferweckt und macht sie lebendig, also auch der Sohn macht lebendig, welche er will.

Denn: Bisher hat Christus sein Werk verteidigt, dass er am Sabbat getan hatte, indem er einen Kranken gesund gemacht hat, und hat angezeigt, dass es kein menschliches, sondern ein göttliches Werk ist, weshalb man es nicht tadeln könnte, was von dem Sohn Gottes zur Nachfolge seines himmlischen Vaters geschehen ist. Jetzt lehrt er von seiner Person, was er für eine Gewalt und Majestät hat und dass die Seligkeit aller Menschen auf ihm steht. Danach beweist er es mit unwidersprüchlichen Zeugnissen, was von seiner Person gesagt wird, wie wir an anderer Stelle hören werden.

Lebendig: Das hat er durch die Propheten etliche Male getan.

Er will: Und erweckt sie von den Toten. Denn es steht in meiner Macht, die Toten zu erwecken, wie ich es mit der Tat bewiesen habe, als ich die kleine Tochter des Obersten der Schule nicht durch fremde, sondern durch eigene Kraft und Macht erweckt habe {Mt 9}. Aus eigener Kraft aber Tote auferwecken, ist kein menschliches, sondern ein göttliches Werk.

22. Denn der Vater richtet niemand, sondern alles Gericht hat er dem Sohn gegeben,

Gegeben: Das will so viel sagen: Ich habe nicht allein Macht, die Toten zu erwecken so oft es nötig ist und es mir gefällt, sondern mein Vater hat mir auch das Amt übertragen, den ganzen Erdkreis zu richten, und alle Menschen werden sich vor meinen Richterstuhl stellen müssen. Es ist aber Gottes Werk und Amt, die Welt zu richten und in solchen Sachen das Amt eines obersten Richters zu verwalten. Denn der Vater will, dass mir die gleiche Ehre gegeben wird, die ihm gebührt. Weil demnach Gott seine Ehre keinem anderen geben will, er aber fordert, dass man diesen Sohn nicht anders als ihn selbst ehrt, so muss dieser Sohn mit dem Vater gleichen Wesens sein, weil der Vater ihn eben mit der Ehre geehrt haben will, womit er selber geehrt wird.

23. auf dass sie alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, der ehrt den Vater nicht, der ihn gesandt hat.

Nicht ehrt: Mit solcher Ehre, die Gott selbst gebührt.

Gesandt hat: In diese Welt, dass er zur Erlösung des menschlichen Geschlechts menschliche Natur an sich nimmt. Darum, obwohl die Türken, Juden und Heiden viel von Gott, dem Schöpfer der Welt rühmen, so haben sie doch keinen Gott und ehren ihn auch nicht, weil sie seinen eingeborenen Sohn nicht für den wahren Gott erkennen und ehren wollen. Deshalb gehören sie dem Teufel und werden ewig verdammt. In dem gleichen, Gottlosen Wahn stecken auch die Arianer, die zwar mit Worten bekennen, dass Christus der Sohn Gottes ist, aber dennoch seine ewige Gottheit leugnen, was freilich nicht heißt, den Sohn Gottes zu ehren, sondern ihn vielmehr zu lästern. Hingegen aber, wer den Sohn recht erkennt, der erlangt die rechte, ewige Seligkeit.

24. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.

Gesandt hat: Wer meinem himmlischen Vater glaubt, dass er mich in die Welt gesandt hat, um das menschliche Geschlecht selig zu machen, zumal ich nichts anderes lehre, als der Vater, der wird nach diesem Leben die ewige, unaussprechliche Freude und Seligkeit genießen. Denn durch den Glauben, wenn wir dem Evangelium Christi Beifall zollen, erlangen wir die ewige, himmlische Seligkeit.

Kommt nicht: Er wird am Jüngsten Tag nicht verdammt werden, wenn er neben anderen vor meinen Richterstuhl gestellt werden wird.

Gedrungen: Er ist dem Tod und der Verdammnis entgangen und wird des rechten, ewigen Lebens teilhaftig werden. Denn obwohl die, die an Christus glauben, vor den Richterstuhl Gottes gestellt werden müssen, so werden sie doch nicht gerichtet oder verurteilt, wie andere, weil ihre Sünden zugedeckt und vergeben sind {Ps 32}. Ja, vielmehr werden die Auserwählten neben den Richterstuhl Christi gestellt werden, als Beisitzer und sie werden nicht nur nicht gerichtet werden, sondern sie werden die gottlose Welt und abgefallene Engel richten {Lk 22 1Kor 6}.

25. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Es kommt die Stunde und ist schon jetzt, dass die Toten werden die Stimme des Sohnes Gottes hören; und die sie hören werden, die werden leben.

Wahrlich: Droben hatte Christus gesagt, dass er die Toten auferwecken könnte, welche er wollte und hatte an dieser Stelle vom leiblichen Tod geredet. Jetzt zeigt er an, dass er auch vom geistlichen Tode erwecken und lebendig machen könnte, welche er wolle.

Schon jetzt: Die Zeit ist also bereits vorhanden.

Toten: Deren Sünden geistlich gestorben sind.

Stimme: Sein heiliges Evangelium.

Hören: Dass sie das Evangelium mit Glauben annehmen.

Leben: In einem geistlichen Leben und vom ewigen Tod befreit sein. Denn die Menschen, die entweder nicht wiedergeboren, oder wiederum geistlich gestorben sind, als da sind, die in öffentlichen, groben Sünden und Lastern leben, wodurch sie den Glauben an Christus verlieren, oder sonst von der reinen Religion abfallen, die sind vor Gott und den Heiligen gleichsam Aas, indem, wie als Larve der Satan einhergeht und sie zur Bosheit antreibt. So können sie aus eigenen Kräften nichts anderes vor Gott, als stinken und ein Scheusal sein, weshalb sie der ewigen Verdammnis unterworfen bleiben, aus der sie nicht wieder lebendig gemacht werden. Wenn aber solche das Wort des Evangeliums hören, so bewirkt Gott durch den Heiligen Geist den Glauben in ihnen, dass sie durch den Glauben gerechtfertigt werden. Da sie durch den Glauben gerecht geworden sind, so sind sie vom ewigen Tod befreit und werden vom Heiligen Geist regiert, dass sie jetzt solche Werke tun, die den Menschen, die geistlich leben, wohl anstehen, um Gott um Christi willen zu gefallen, obwohl sie, wegen des noch in ihnen wohnenden alten Adams, allerdings nicht vollkommen sind.

26. Denn wie der Vater das Leben hat in ihm selber, also hat er dem Sohn gegeben, das Leben zu haben in ihm selber.

Leben hat: Also, dass er nicht nur lebt, sondern auch seine Geschöpfe in leiblicher und geistlicherweise lebendig machen kann, so hat der Sohn eben dasselbe Leben und dieselbe Macht, lebendig zu machen. Zwar hat er sie nach seiner göttlichen Natur aus seiner ewigen Geburt vom Vater, aber nach seiner angenommenen, menschlichen Natur hat er solche Macht, zu leben und lebendig zu machen, aus der persönlichen Vereinigung und aus Gnade. Denn Christus, Gottes und des Menschen Sohn, kann das leibliche und geistliche Leben geben, weil die Menschheit Christi mit der göttlichen Natur des Sohnes Gottes persönlich vereinigt ist.

27. Und hat ihm Macht gegeben, auch das Gericht zu halten, darum dass er des Menschen Sohn ist.

Des Menschen Sohn: (Nach Luther) Das Gericht muss öffentlich vor allen Menschen gehalten werden, darum muss der Richter auch Mensch sein, den man sehen kann und doch auch Gott, weil er Gottes Richterstuhl besitzen soll.

Sohn ist: Das heißt: Mir, Jesus Christus, gebührt die Majestät, die ganze Welt zu richten, weil ich derselbe Sohn des Menschen bin, wovon früher der Prophet Daniel geweissagt hat, Kapitel 7. Und ich bin der Mensch, den der Prophet Hesekiel auf dem Thron der göttlichen Majestät sitzen gesehen hat, Kapitel 1. Wenn also Christus auch nach seiner Menschheit ein Richter der Lebendigen und der Toten sein wird, so wird er auch als ein Mensch alles wissen, sodass keine Gedanken der Menschen, noch viel weniger die Taten, vor ihm verborgen sind.

28. Verwundert euch des nicht; denn es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, werden seine Stimme hören

Des nicht: Dass ich gesagt habe, ich sei vom Vater zum Richter bestimmt, denn es wird dereinst die Sache und Tat an ihr selbst meine Worte wahr machen.

Stunde: Die zwar in diesem Augenblick keinem Menschen auf Erden bekannt ist, sie wird aber sicher nicht ausbleiben.

Gräbern sind: Sie sind gleich gestorben, auf welche Weise es auch immer geschehen sein mag.

Seine Stimme: Des Sohnes Gottes, wenn er zum Gericht kommen wird, mit großer Majestät und Herrlichkeit {Mt 25}, und mit der Stimme des Erzengels und den Posaunen Gottes {1Thes 4}.

Gehen: In die Mitte und vor meinen Richterstuhl gestellt werden.

29. und werden hervorgehen, die da Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Übels getan haben, zur Auferstehung des Gerichts.

Gutes getan: In diesem Leben, da sie an Christus geglaubt und aus Glauben gute Werke getan haben.

Des Lebens: Es wird ihnen die Auferstehung zum ewigen Leben förderlich sein.

Übles getan: Dass sie mein Evangelium nicht mit Glauben angenommen haben, sondern ihren Fleischeslüsten noch nachhingen.

Gerichts: Ihnen wird die Auferstehung zur Verdammnis gereichen, dass sie das gerechte Urteil des Richters über sie fällen hören werden und der ewigen Verdammnis übergeben werden. Denn es werden alle Menschen, egal, ob sie auf der Erde, in der Luft, im Wasser, oder im Feuer umkommen, durch die Allmacht Jesu Christi, als Gott und Mensch, wiederauferweckt werden. Denn wir werden alle vor seinen Richterstuhl gestellt werden {Röm 14}. Es wird aber das Urteil ausgesprochen werden nach den Werken {Mt 25}, weil die Werke Zeugnis des Glaubens sind. Denn ein guter Baum bringt gute Früchte {Mt 7}. Den Gottseligen aber werden die bösen Werke nicht zugerechnet werden, sondern um Christi willen verziehen und zugedeckt sein {Ps 32}. Darum werden sie nicht verdammt werden, obwohl sie auch bisweilen in diesem Leben schwer gesündigt haben. Den Gottlosen aber werden ihre Misshandlungen zugerechnet werden, weil sie nicht Buße getan, noch an Christus geglaubt haben und deswegen auch keine Vergebung der Sünden erlangt haben, darum werden sie das Urteil der Verdammnis über sich aussprechen hören.

30. Ich kann nichts von mir selber tun. Wie ich höre, so richte ich, und mein Gericht ist recht; denn ich suche nicht meinen Willen, sondern des Vaters Willen, der mich gesandt hat.

Selber tun: Nämlich, am jüngsten und letzten Gericht werde ich nichts anderes tun, als was meines ewigen Vaters Wille ist. Darum wird dieses, mein Gericht, nicht verkehrt, sondern gerecht und göttlich sein. Denn ich bin und werde allerdings darauf bedacht sein, dass ich meines himmlischen Vaters Willen erfülle. Denn obwohl Christus nach seiner Gottheit seinem himmlischen Vater gleich ist, so erkennt er sich doch, nach seiner Menschheit, in diesem Bereich, geringer als der Vater. Es sollen sich auch die weltlichen Richter bei diesem Spruch daran erinnern, dass sie ihren eigenen Zuneigungen oder Begierden nicht nachhängen, sondern nach der Richtigkeit urteilen und den Willen Gottes, dessen Stelle sie auf Erden verwalten, vollstrecken. Weil wir demnach alle vor dem Richterstuhl des Richters Christus erscheinen werden, so sollen wir uns in diesem Leben mit heiligem Wandel und Gottseligem Leben für jenen Tag rüsten und gefasst machen, sodass wir diesen Richter mit fröhlichen Augen und Herzen anschauen {1Petr 3}.

31. So ich von mir selbst zeuge, so ist mein Zeugnis nicht wahr.

So: Weil der Herr Christus herrliche und wunderbare Sachen von seiner Person vorgebracht hatte, die Juden aber seine Reden hätten verlästern wollen, als ob er viel von sich selbst rühmen würde, und ihm darum nicht recht zu glauben wäre. So kommt er ihnen zuvor und beweist mit drei gewaltigen Zeugnissen, dass er eben derselbe ist, für den er sich ausgegeben hat, nämlich Gottes Sohn, Gott und der versprochene Heiland der Welt.

Nicht wahr: Als wollte er sagen: Wenn ich neben meinem eigenen Vorgeben kein anderes Zeugnis für mich hätte, so würdet ihr, eurem Gebrauch nach, ohne Zweifel sagen, mein Zeugnis gilt nicht. Denn je demütiger und tugendhafter einer ist, je weniger rühmt er von sich selbst, es sei denn, die Notwendigkeit gebietet es. Aber Christus hat aus der Not um unsere Seligkeit willen von seiner Person zeugen müssen und wie dieses, sein Zeugnis, zu seiner Erkenntnis viel nutzt, so ist es auch gewiss und wahrhaftig, wie er selbst sagt {Joh 8}, wenn ich von mir selber zeugen würde, so ist mein Zeugnis wahr. Denn ich weiß, woher ich gekommen bin, wohin ich gehe. Weil ich denn weiß (spricht Christus), dass ihr mein Zeugnis, wenn es alleine wäre, nicht gelten lassen würdet, so könnt ihr doch das glaubwürdige Zeugnis anderer Leute nicht verwerfen. Dies habt ihr in Maßen von Johannes dem Täufer, den ihr für einen Zeugen gelten lassen müsst.

32. Ein anderer ist‘s, der von mir zeugt; und ich weiß, dass das Zeugnis wahr ist, das er von mir zeugt {Mt 3v17 1Joh 5v9}.

33. Ihr schicktet zu Johannes, und er zeugte von der Wahrheit {Joh 1v19}.

Schicktet: Und zweifelte sogar nicht daran, er wäre ein Prophet, von Gott gesandt, dass ihr ihm auch die Ehre des Messias angeboten habt, wenn er sie nur hätte annehmen wollen {Joh 1}. Aber er hat dies abgeschlagen, weil es ihm nicht gebührt.

Zeugte: Dass ich der Messias bin, Gottes Sohn und der Heiland der Welt, und wer an ihn glaubt, der erlangt die ewige Seligkeit. Denn er hat mit Fingern auf meine Person gedeutet und gesagt, ich sei das Lamm Gottes, der ich der ganzen Welt Sünde trage {Joh 1} und dass ich der Sohn Gottes bin, der ihm die Schuhriemen aufzulösen sich nicht als würdig genug erachtete, dass auch keiner das Leben sehen würde, der nicht an mich (den Sohn Gottes) glaubt {Joh 3}. Wenn ihr also auf Johannes den Täufer so viel gehalten habt, dass ihr ihm die Ehre des Messias angetragen und für einen Propheten angesehen habt, so könnt ihr nicht daran vorbei, ihr müsst sein Zeugnis von mir gelten lassen und annehmen.

34. Ich aber nehme nicht Zeugnis von Menschen, sondern solches sage ich, auf dass ihr selig werdet.

Selig werdet: Als wollte er sagen: Dass ich das Zeugnis von Johannes dem Täufer anführe, geschieht nicht darum, als ob ich zur Handhabung meiner Majestät das Zeugnis des Johannes oder irgend eines Menschen Lob brauchen würde. Denn es geht durch der Menschen Urteil oder Zeugnis meiner göttlichen Majestät und Glückseligkeit nichts ab. Ich verweise euch vielmehr darum auf die Betrachtung des Zeugnisses von Johannes, damit ihr dabei erinnert werdet, dass ihr den Messias, der zu euch gesandt worden ist, nicht außer Acht lasst, sondern an mich, von dem Johannes gezeugt hat, glaubt und das ewige Leben erlangt. Denn ihr werdet sein Zeugnis von mir unter keinem Anschein vernichten können. Also brauchen wir heutzutage das Zeugnis der Väter zur Widerlegung des Aberglaubens und der Irrtümer und zur Bestätigung der reinen Lehre. Nicht, dass die Heilige Schrift zum Beweis der rechten Lehre nicht ausreichend wäre, sondern, dass unsere Widersacher, bei denen die Väter in großem Ansehen sind, wieder auf die rechte Bahn gebracht werden und selig werden.

35. Er war ein brennend und scheinend Licht; ihr aber wolltet eine kleine Weile fröhlich sein von seinem Licht.

Licht: Also, dass er wegen seiner herrlichen Gaben, seinem Eifer und seinem heiligen Wandel sehr berühmt geworden ist und wie ein Licht in der Welt geleuchtet hat. Und ihr hättet sein Ansehen gerne missbraucht, wenn er nur darin hätte einwilligen wollen, damit ihr das römische Joch von euch werfen hättet können und eure alte Freiheit wiederum erlangen. Aber er hat die angebotene Ehre des Messias nicht annehmen, noch eurem Wunsch stattgeben wollen. Denn es ist eine viel größere Beständigkeit und Frömmigkeit in ihm gewesen, als dass er sich eine Ehre hätte aufdrängen lassen, die ihm nicht gebührt hätte. So findet man auch Leute, die bei dem Evangelium nichts anderes suchen, als Reichtum, Freiheiten und dergleichen. Aber solche werden normalerweise betrogen und werden endlich zuschanden. Die tun aber recht, die dergleichen Sachen, die ihnen zwar aufgetragen werden, aber nicht gebühren, abschlagen. Denn es ist viel besser, etwas nicht anzunehmen, als es schändlich wiederum zu verlieren.

36. Ich aber habe ein größer Zeugnis denn des Johannes Zeugnis; denn die Werke, die mir der Vater gegeben hat, dass ich sie vollende, dieselben Werke, die ich tue, zeugen von mir, dass mich der Vater gesandt habe.

Ich aber: Jetzt bringt Christus ein anderes Zeugnis, womit er beweist, dass er der ewige Sohn Gottes und wahrer Gott, der Messias und Heiland der Welt ist.

Werke: Nämlich, meine Wunderwerke, die ich auf Befehl meines Vaters verrichte.

Gesandt habe: Und dass ich der Sohn Gottes bin, dazu wahrhaftiger Gott, vom Vater in diese Welt gesandt, zur Erhaltung des menschlichen Geschlechts. Denn Christus hat seine Wunderwerke nicht aus fremder, sondern aus eigener Kraft und Macht getan, nicht wie die Propheten oder Apostel aus fremder Kraft ihre Wunderzeichen verrichtet haben. Denn aus eigener und nicht aus fremder Kraft die Augen der Blinden öffnen, den Stummen die Sprache und den Tauben das Gehör wiedergeben, die Aussätzigen reinigen, die Lahmen mit einem Wort gerade machen, den Teufel austreiben, mit wenig Broten und Fischen viele tausend Menschen sättigen und die Toten erwecken, sind keine menschlichen, sondern göttliche Werke, die keiner aus eigener Kraft tun kann, es sei denn, er sei wahrhaftig Gott. Dass aber auch alle Wunderwerke Christi nicht zum Verderben der Menschen, sondern zu ihrer Gesundheit gereichen, ist ein solch helles Zeugnis, dass er der versprochene Messias ist. Denn der Prophet Jesaja hat von ihm geweissagt, dass er solche Wunderwerke tun wird, Kap. 35 Und weil alle Wunderwerke Christi lauter Guttaten gewesen sind, ist daher abzunehmen, dass er der Heiland der Welt ist, der darum in die Welt gesandt worden ist, dass er den Menschen die wahre Seligkeit zuwege bringt, die in Vergebung der Sünden und Versöhnung mit Gott besteht. Da aber Christus sagt, die Werke seien ihm vom Vater gegeben oder befohlen, sagt er dies nach dem Stande seiner Erniedrigung, in der er gewesen ist vor seiner Auferstehung, darum sagt er, er tue alles auf Befehl seines Vaters, weil er eine Zeit lang Knechtsgestalt an sich genommen hatte {Phil 2}.

37. Und der Vater, der mich gesandt hat, derselbe hat von mir gezeugt. Ihr habt nie weder seine Stimme gehört noch seine Gestalt gesehen.

Und: Es folgt das dritte Zeugnis, womit Christus beweist, dass er Gottes Sohn und der Heiland der Welt ist.

Gezeugt: Mit heller Stimme vom Himmel, dass ich sein Sohn bin, auf dem die Seligkeit der Welt beruht. Denn da ich von Johannes im Jordan getauft wurde, hat mein himmlischer Vater von mir gezeugt und gesagt, dies ist mein lieber Sohn, an dem ich ein Wohlgefallen habe {Mt 3 Mk 1 Lk 3}. Dass ihn aber der himmlische Vater seinen geliebten Sohn nennt, damit sondert er ihn von allen anderen Menschen ab und zeigt an, dieser ist sein eingeborener Sohn, der mit ihm gleich, ewig und eines Wesens ist. Und wenn er sah, dass er ein Wohlgefallen an ihm habe, gibt er damit zu verstehen, dieser, sein ewiger Sohn, der um des menschlichen Geschlechts willen menschliche Natur an sich genommen hat, sei ihm so lieb, dass er um seinetwillen, alle, die an ihn glauben, in Gnaden aufnehmen und ihnen das ewige Leben schenken will {Joh 3 Eph 1}.

Gesehen: Ihr Juden (will Christus sagen) habt keine rechte Erkenntnis Gottes und kennt meinen Vater nicht, der mich gesandt hat und darum ist es kein Wunder, dass ihr mich, den Sohn Gottes, nicht für Gott und den Heiland der Welt erkennen wollt.

38. Und sein Wort habt ihr nicht in euch wohnend; denn ihr glaubt dem nicht, den er gesandt hat.

Wohnend: Denn obwohl ihr täglich mit der Heiligen Schrift umgeht und die Bücher der Propheten lest und hört, in denen das Wort Gottes steht, so lasst ihr doch dieses euch nicht mit Ernst angelegen sein. Darum bringt es auch in euren Herzen keine Frucht. Dies ist daher anzunehmen, weil er weder mir noch meinen Worten glaubt, der ich vom Vater gesandt worden bin und ihr euer Vertrauen nicht auf mich setzt. Das Gleiche kann man von den Türken, Juden und Heiden sagen, dass sie nämlich Gott gar nicht kennen, noch ihn für den Sohn Gottes und den Heiland der Welt annehmen. Eben das kann man auch von den Heuchlern im Papsttum sagen, die zwar viele Dinge von Christus, Gott und Menschen, von der Welt Heiland rühmen, aber dennoch all ihr Vertrauen nicht auf den einigen Verdienst Christi, sondern auf ihre Werke und Verdienste stellen. Von denen sagt Paulus: Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt und seid von der Gnade gefallen {Gal 5}.

39. Sucht in der Schrift; denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darinnen; und sie ist‘s, die von mir zeugt.

Sucht: Jetzt beweist Christus mit dem vierten Zeugnis, dass er der Sohn Gottes, wahrer Gott, Messias und der Welt Heiland ist, nämlich, mit der Heiligen Schrift des Alten Testaments. Danach schimpft er heftig auf den Unglauben der Juden.

Drinnen: Darum achtet ihr sie, wie es recht ist, groß und beschäftigt euch mit Lesen und Betrachten viel damit, weil ihr glaubt, es steht eure Seligkeit darinnen.

Zeugt: Denn wenn ihr fleißig darin nachsuchen werdet, so werdet ihr finden, dass ich in den Propheten so und mit solchen Umständen beschrieben werde, dass ihr es greifen könntet, wenn ihr nur wolltet, wie ich derselbe, versprochene Messias und Heiland der Welt sei, von dem Moses und die anderen Propheten geweissagt haben. Denn wenn ihr die Zeit und den Ort meiner Geburt, wie auch das Geschlecht meine Mutter Maria, besonders aber meine Wunderwerke richtig erwägen würdet, so würdet ihr erkennen, dass alle Zeugnisse der Propheten vom Messias auf keinen anderen, als auf mich, Jesus von Nazareth, allein gerichtet sind. Hier muss man zweierlei Mängel merken und vermeiden, dass man nach keiner Seite ausweicht. Erstens, da etliche die Erkenntnis Christi außerhalb der Schrift, durch innere Offenbarungen erlangen wollen, wie die Schwenkfelder und ihresgleichen Schwärmer, die in der Schrift nicht suchen wollen, damit sie Christus daraus erkennen können, sondern begehren stattdessen zu allererst mit den biblischen Büchern umzugehen, wenn sie Christus zuvor, ihrer Meinung nach erkannt haben. Danach, da etliche stets in der Schrift gelesen, aber Christus nicht darinnen suchen, als den einigen Heiland der Welt. Sie erfreuen sich daran, wenn sie aus der Schrift etliche Sprüche von guten Sitten gelernt haben, oder etwas daraus erfasst haben, womit sie ihre Scharfsinnigkeit an den Tag legen können. Solche Leute sind früher Schultheologen gewesen und heutzutage, im Papsttum, sind es die Mönche, Nonnen, Pfaffen, Domherren, Vikare, die täglich den Text aus der Heiligen Schrift lesen und singen und doch auf den Verstand nicht achten, sondern unserem Herrn Gott ihre Gebete vorzählen, die sie „Horas Canonicas“ nennen, die sie nicht verstehen und meinen, Gott lasse sich mit denselben Werken versöhnen.

40. Und ihr wollt nicht zu mir kommen, dass ihr das Leben haben möchtet.

Kommen: Ihr wollt mich nicht für den Messias erkennen, noch an mich glauben, damit ihr das ewige Leben erlangen könnt, obwohl meine Person in der Heiligen Schrift gar herrlich beschrieben ist und ich mich selber euch gegenwärtig zeige, mich auch als euren Heiland zu erkennen auf das Freundlichste locke. Dennoch hindert ihr euch selbst an eurer Seligkeit, die ihr in den Wind schlagt und von euch stoßt, indem ihr mich verwerft. Denn wer an Christus, den Sohn Gottes, nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm {Joh 3}. Darum sind die Türken, Juden, Heiden, Arianer des Teufels Leibeigene, obwohl sie von Gott so viel des Rühmens betreiben.

41. Ich nehme nicht Ehre von Menschen.

Ich: Jetzt zeigt Christus den Grund an, warum die Juden ihn nicht erkannt, noch an ihn geglaubt haben.

Von Menschen: Ich strebe nicht nach eitler Ehre, wie es die Ehrgeizigen tun. Denn meine Majestät oder mein Ansehen besteht nicht auf menschlichem Wahn, sondern ich suche eure ewige Seligkeit und meines himmlischen Vaters Ehre, dass sein Name gepriesen und seine Güte von vielen in alle Ewigkeit gerühmt wird. Es sollen aber alle Menschen und besonders die Prediger sich vor diesem Ehrgeiz hüten.

42. Aber ich kenne euch, dass ihr nicht Gottes Liebe in euch habt.

Habt: Denn wenn ihr Gott lieb hättet und Begehren würdet, zu ihm zu kommen, auch ewig bei ihm zu bleiben, so würdet ihr euren Ruhm und euer Ansehen der Ehre Gottes und der Wahrheit nicht vorziehen und es würde euch meine Lehre nicht so sehr zuwider sein, die zur Ausbreitung der Ehre Gottes dient und den Weg zum ewigen Leben zeigt. Die aber die Wahrheit nicht leben, die geraten aus gerechtem Urteil Gottes in schreckliche Finsternis der Religion {2Thes 2}.

43. Ich bin gekommen in meines Vaters Namen, und ihr nehmt mich nicht an. So ein anderer wird in seinem eigenen Namen kommen, den werdet ihr annehmen.

Namen: Dass ich nur seine Ehre suche, wie es einem getreuen Diener zusteht. Denn darum bin ich von meinem himmlischen Vater in diese Welt gesandt worden.

Nicht an: Ihr wollt mich nicht hören, damit ihr meine Lehre annehmt und mich recht erkennt.

Eigenen Namen: Dass er von Gott nicht gesandt ist und kein Zeugnis seines Amts oder Berufs gegeben hat, aber dennoch fälschlich sich für den Messias und den Heiland der Welt ausgibt.

Annehmen: Für den Messias. Aber ihr werdet schändlich mit ihm umgehen. Und diese Weissagung Christi ist bald nach seiner Auferstehung erfüllt worden, als etliche Leutebetrüger aufgetreten sind, von denen sich jeder für den Messias ausgegeben hat und einen Gutteil des jüdischen Volkes mit sich ins Verderben gezogen hat, dass sie entweder gefangen oder umgebracht worden sind. Ein solcher ist gewesen Judas aus Ägypten, von dem Joseph in seinem anderen Buch des jüdischen Krieges im Kapitel zwölf schreibt. Und einer, der sich Kochab genannt hat, dessen gedenkt Eusebius in seinem vierten Buch der Kirchengeschichte, Kap. 6. Denen können noch etliche Weitere zugezahlt werden, Moses in Kreta, der den Juden geraten und sie auch überredet hat, dass sie sich ins Meer stürzen sollten, mit dem Versprechen, sie würden durch das Meer ins Land Kanaan schwimmen, wie der eben genannte Eusebius im siebten Buch seiner Kirchengeschichte, im Kapitel 38 berichtet. Denn diejenigen, die die reinen Lehrer und Diener Gottes nicht hören wollen, die geraten danach unter Verführer und wundern sich über ihren Irrtum und verteidigen diesen halsstarrig.

44. Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt? Und die Ehre, die von Gott allein ist, sucht ihr nicht.

Ihr: Besonders ihr Priester, Pharisäer und Schriftgelehrten, denn mit euch rede ich.

Nehmt: Ihr trachteten nur danach, dass ihr eure Ehre und euer Ansehen untereinander behaltet und von dem Volk hoch geachtet werdet.

Ihr nicht: Da ihr doch eigentlich viel mehr damit umgehen solltet, wie ihr bei Gott, von dem die Wahrheit herkommt, um der Bekenntnis der reinen Lehre willen, wohl dran seid. Dieser Ruhm ist nicht vergänglich, sondern wahrhaftig und dabei findet sich die ewige Seligkeit der Seelen. Also können heutzutage viele vortreffliche und gelehrte Männer die Wahrheit des Evangeliums nicht annehmen, weil sie sich sorgen, sie könnten ihr Ansehen darüber verlieren. Denn sie möchten nicht zu den Leuten gehören, die sich geirrt haben. Ebenso verhält es sich mit den Zwinglianern. Aber man sollte viel lieber sein Ansehen, als die ewige Seligkeit verlieren und nicht gegen sein Gewissen gegen die Wahrheit streben.

45. Ihr sollt nicht meinen, dass ich euch vor dem Vater verklagen werde. Es ist einer, der euch verklagt, der Mose, auf welchen ihr hofft.

Verklagen werde: Denn ich weiß wohl, dass ihr meint, ich sei euch feind, obwohl es doch mit der Sache an sich ganz anders beschaffen ist, zumal ich nicht das Amt des Anklägers, sondern des Vermittlers trage. Und obwohl ich einmal die Welt richten werde, nachdem es die göttliche Gerechtigkeit und Billigkeit erfordern wird, so werde ich auch dann nicht die Stelle eines Anklägers einnehmen. Denn Christus ist kein Ankläger, sondern ein zwar strenger und gerechter Richter der Gottlosen, aber der Heiland und Seligmacher der Gläubigen.

Hofft: Und meint, ihr wollt aus seinen Schriften das ewige Leben erlangen und macht euch selber auch eine vergebliche Vorstellung, dass er am Jüngsten Tag euer Fürsprecher sein wird. Dann wird er aber euren Unglauben anklagen, dass ihr seinen Schriften nicht habt glauben wollen.

46. Wenn ihr Mose glaubtet, so glaubtet ihr auch mir; denn er hat von mir geschrieben.

Moses glaubt: Dass ihr seiner Lehre Beifall gebt, dann würdet ihr freilich mich, als den Messias, daraus erkennen und alle euer Vertrauen auf mich setzen.

Geschrieben: Da er nämlich die erste Verheißung setzt von des Weibes Samen, der der Schlange den Kopf zertreten soll {1Mos 3}; und da er die Verheißung erzählt, die dem Abraham von Christus geschehen ist {1Mos 22}; desgleichen, als er auf meine Zukunft deutete {1Mos 49}, wie auch, als er sagte, Gott der Herr würde aus euren Brüdern den vortrefflichsten Propheten erwecken {5Mos 18}. Zusammengefasst: Worin sind so viele Figuren in den Schriften des Moses gemeint gewesen, als da Isaak, der eingeborene Sohn des Abraham, hätte geopfert werden sollen, dass Josef verkauft worden ist, das Osterlamm und fast alle anderen Opfer, desgleichen die Schlange in der Wüste, die an ein Holz gehängt worden ist und viele andere Dinge mehr, als dass sie mich, den wahren Messias und Heiland der Welt abgebildet haben? Aber ihr erhebt zwar Moses und seine Schriften in den Himmel, hingegen verachtet ihr, was Moses von mir geschrieben hat und die Lehre, welche in Moses Schriften die vornehmste ist, verwerft ihr als irrig und gottlos. Eben das tun auch die Katholiken, die das Heiligtum der Apostel, wie sie es nennen, in abergläubischerweise verehren, die auch die Schriften der Propheten und Apostel oder deren Bücher in Samt binden lassen, sie noch dazu mit Gold und Edelsteinen schmücken, sogar küssen, hingegen der Lehre, die in denselben Büchern begriffen ist, sind sie jedoch spinnefeind und strafen die, die sich dazu bekennen mit Vertreibung ins Elend und in Gefängnisse, wenn sie sie nicht sogar erwürgen und jämmerlich hinrichten. Sie würden freilich auch mit den Propheten und Aposteln nicht besser umgehen, wenn sie wieder in diese Welt kämen und eben das lehrten, was sie zuvor gelehrt haben.

47. So ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?

Schriften: Worauf ihr jedoch dem äußerlichen Ansehen und eurem Vorgeben nach gar viel haltet.

Glauben: Weil ihr mich für keinen Propheten, sondern für einen Verführer, wenn auch fälschlicherweise, achtet. Damit wir deswegen Christus, den rechten Heiland der Welt erkennen und an ihn glauben, auch in diesem glauben gestärkt werden, so sollen wir die Schriften der Propheten und Apostel mit Fleiß gegeneinander halten. Dann werden wir finden, dass sie uns Jesus Christus, den ewigen Sohn Gottes und Heiland der Welt gleichsam mit ihren Fingern zeigen. Wer an diesen wahrhaftig glauben wird, der wird das ewige Leben gewiss erlangen. Dies sind also die vornehmsten Punkte des Gesprächs und des Streits gewesen, das Christus an diesem Ort mit den Juden geführt hat.


Das 6. Kapitel

  • Christus tut in der Wüste ein herrliches Wunderwerk.
  • Die Jünger fahren bei Nacht im Schiff und sind in großer Gefahr, werden aber von Christus errettet.
  • Christus handelt mit den Juden von dem unvergänglichen Brot des Lebens und dem lebendig machenden Fleisch.
  • Über so eine Predigt ärgern sich viele von ihnen und fallen von ihm ab.
  • Die Jünger aber geben Christus ein herrliches Zeugnis.

1. Danach fuhr Jesus weg über das Meer an der Stadt Tiberias in Galiläa.

Danach: Es folgt ein herrliches Wunderwerk des Herrn Christus, wie er mit fünf Broten und zwei Fischen viele tausend Menschen gespeist hat, welches ihm Johannes auch die anderen drei Evangelisten eifrig beschreiben {Mt 14 Mk 6 Lk 9}. Und man soll alle Umstände diese Geschichte wohl beachten.

Weg: Nachdem er mit seinen Jüngern ein Schiff betreten hatte.

Meer: Wie sonst auch der See Genezareth genannt wurde und nahe bei der Stadt Tiberias gelegen gewesen ist. Denn die Hebräer pflegen jedes große Wasser ein Meer zu nennen. Christus fuhr aber zu einer Wüste, um dort mit seinen Jüngern sich ein wenig zu erholen. Denn es waren die Jünger, die er zuvor ins jüdische Land gesandt hatte, um zu predigen und Wunderzeichen zu tun, wiedergekommen und hatten ihm angezeigt, alles was sie gelehrt und ausgerichtet hatten. Da sagte er zu ihnen: Kommt, lasst uns in eine Wüste gehen und ein wenig ruhen. Denn es waren sehr viele die dahin und zurück gingen, und sie hatten nicht genügend Zeit, um zu essen {Mk 6}. Christus spricht von ruhen, um anzuzeigen, wie man sich bisweilen von der Arbeit wieder erholen muss, damit man ihrer nicht erliegt. Denn um der Ruhe willen ist auch der Sabbat eingesetzt. Und was seine Ruhe nicht hat, das währt nicht lange.

2. Und es zog ihm viel Volks nach, darum dass sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat.

Viel Volks: Er wollte wohl vor dem starken Zulauf eine Zeit lang befreit sein. Denn da sie gesehen hatten, wie Christus mit seinen Jüngern weggefahren war und viele von ihnen wussten, wo er hinziehen würde, sind sie zu Fuß dorthin gelaufen aus allen Städten und sind ihm zuvorgekommen {Mk 6}. Die Leute waren zu Fuß also früher da, als Christus im Schiff. Daher hatten Christus und seine Jünger nur so viel Zeit zu ihrer Erholung, solange sie auf dem See gefahren waren. Denn diejenigen, die Gott für andere mit herrlichen Gaben schmückt, denen lässt man normalerweise nicht viel Platz zur Ruhe. Darum sollen sie die Arbeit willig aufnehmen. Und die, die gut gearbeitet haben, die werden für ihre Treue ewige Belohnung empfangen {Mt 25 Dan 12}.

Tat: Indem er die, die mit mancherlei Seuchen behaftet waren, auf wunderbare Weise, dazu plötzlich, wieder gesund machte. Und obwohl viele von ihnen aus Vorwitz gelaufen kamen, damit sie etwas Seltsames und Ungewöhnliches sehen könnten, so kamen doch auch etliche in der Meinung, dass sie ihn predigen hören wollten und den Weg der Seligkeit von ihm lernen. Dieser Fleiß, die himmlische Wahrheit zu erkennen, ist zu loben und ihm nachzufolgen.

3. Jesus aber ging hinauf auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern.

Berg: Und als er die große Menge gesehen hatte, haben sie ihm leidgetan, weil sie wie Schafe gewesen sind, die keinen Hirten haben, und er hat ihnen eine lange Predigt gehalten {Mk 6}. Denn die Lehre der Pharisäer und Schriftgelehrten war von keinem Nutzen, weil sie weder das Gesetz recht verstanden, noch etwas vom Evangelium Christi wussten. Christus aber predigte gewaltig mit großem Nutzen und nicht wie die Schriftgelehrten {Mt 7}.

4. Es war aber nahe Ostern, der Juden Fest {3Mos 23v5 5Mos 16v16}-

Fest: Zu dieser Zeit pflegten viele tausend Menschen aus anderen Ländern im jüdischen Land zusammenzukommen. Daher ist zu vermuten, dass in dieser Menge auch viele fremde Juden gewesen sind.

5. Da hob Jesus seine Augen auf und sah, dass viel Volks zu ihm kam, und sprach zu Philippus: Wo kaufen wir Brot, das diese essen?

Hob: Nämlich, um den Abend, als er seine Predigt beendigte.

Kommt: Die Jünger ermahnten ihn darum, dass er das Volk gehen lassen sollte, um in den nächsten, umliegenden Orten und Dörfern etwas zu essen zu kaufen {Mk 6}.

Diese essen: Denn du siehst, mein lieber Philipp, was für eine große Menge Volk vorhanden ist. Darum müssen wir darauf bedacht sein, woher wir Speise nehmen, womit dieses Volk unterhalten und gesättigt wird.

6. (Das sagte er aber, ihn zu versuchen; denn er wusste wohl, was er tun wollte.)

Versuchen: Damit der Unglaube des Philippus, der in seinem Fleisch verborgen steckte, an den Tag käme.

Tun wollte: Er hatte aber bereits bei sich selbst beschlossen, dass er dieses Volk, wie viele es auch sein mögen, nicht nur speisen, sondern auch ausreichend sättigen wollte. Also verschleiert und verbirgt Gott auch manchmal seine Hilfe für uns eine Zeit lang, als ob er uns nicht retten wollte oder könnte, auch wenn wir ihn oft angerufen haben, obwohl er doch bereits für sich selbst beschlossen hat, dass er uns helfen will. Darum sollen wir mit dem Gebet fleißig fortfahren {Lk 18}.

7. Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Pfennig Brot ist nicht genug unter sie, dass ein jeglicher unter ihnen ein wenig nehme.

Zweihundert: Das sind ungefähr 30 rheinische Goldgulden.

Wenig nehme: Nur ein kleiner Bissen. Darum wäre meine Meinung, dass man sie ziehen lassen sollte, denn hier in der Wüste ist weder Brot noch Geld vorhanden.

8. Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus:

9. Es ist ein Knabe hier, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das unter so viele?

So viele: Wer wollte sich unterstehen, mit fünf Broten und zwei Fischen so viele tausend Menschen zu speisen? Also pflegt die menschliche Vernunft nach der Mess- und Rechenkunst abzuzählen, wie weit sich Gottes Gewalt und Macht erstreckt. Aber sie irrt sich. Denn Gott ist mächtig und kann im Überfluss, alles, um das wir bitten oder verstehen, tun, wie Paulus sagt {Eph 3}. Und die Zwinglianer handeln schlecht, wenn sie von der Speise und dem Trank des Leibes und Blutes Christi im Abendmahl des Herrn handeln, dass sie dem Urteil ihrer Vernunft folgen und nach der Messkunst abmessen, wie weit der höchste Himmel, in dem Christus nach ihrer Meinung zur Rechten Gottes an einem gewissen Ort auch sitzen soll, von der Erde ist, dann das Abendmahl gehalten wird, und sie zählen die Jahre ab, in denen das Abendmahl des Herrn von seiner ersten Einsetzung abgehalten worden ist. Daher leugnen sie, dass der Leib Christi wahrhaftig und wesentlich im Heiligen Abendmahl gegeben wird, vernichten demnach die Worte Christi und sagen: Wenn das Fleisch Christi im Heiligen Abendmahl gegessen würde, so würde Christus bestimmt schon längst ganz und gar verzehrt worden sein, auch wenn er einen noch so großen Leib hätte, wie der größte Berg in der ganzen Welt. Aber hörst du, Zwinglianer, du verstehst noch nicht, wie es geschehen konnte, dass Christus mit fünf Broten und zwei Fischen so vielen tausend Menschen Speise geben konnte, obwohl er doch keine neuen Brote aus Steinen in der Wüste erschaffen hatte, noch ansonsten durch die Engel Brot herbeibringen ließ, auch kein Brot vom Himmel gefallen ist, wie früher das Manna, sondern er nur allein die gegenwärtigen fünf Brote und zwei Fische gebraucht hat und es sind dennoch zwölf Körbe mit Resten übrig geblieben. Und du willst mit deiner blinden Vernunft begreifen, wie der Sohn Gottes mit seinem wahren Fleisch, welches er in Einigkeit der Person angenommen hat, so viele tausend Menschen speisen konnte? Da ist doch ein göttliches Geheimnis, welche alle menschliche Vernunft weit übertrifft; darum sollen wir unsere Vernunft unter dem Gehorsam Christi gefangen nehmen, damit wir nicht den Anschein erwecken, als wollten wir vielmehr Christi Meister als Jünger sein.

10. Jesus aber sprach: Schafft, dass sich das Volk lagere! Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich fünftausend Mann.

Sprach: Ungeachtet jeden Urteils der menschlichen Vernunft.

Viel Gras: So, dass sie sich im Gras ordentlich lagern konnten und der Evangelist Lukas sagt im Kapitel neun, sie haben sich in Schichten gelagert, 50 zu 50, damit man die Personen leichter abzählen konnte.

Mann: Ohne Frauen und Kinder, wie Matthäus bezeugt, Kap. 14. Dies ist alles deswegen geschehen, damit das folgende Wunderwerk umso herrlicher wäre. Denn als sie gesessen waren und dennoch keine Speise vorhanden gewesen ist, so hat danach Christi Majestät und Güte, indem er sie gesättigt hat, umso mehr hervorgeleuchtet. Zumal wir die Guttaten Gottes erst dann viel besser erkennen, wenn wir zuvor den Mangel gespürt haben. Denn wer das Bittere nicht versucht hat, achtet das Süße nicht.

11. Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie den Jüngern, die Jünger aber denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, wie viel er wollte.

Dankte: Seinem himmlischen Vater nach seiner Gewohnheit, dass er etwas Speise verschaffte, so wenig es auch wäre. Denn Christus hat im Stande seiner Erniedrigung alle Guttaten seinem himmlischen Vater zugemessen.

Fischen: Gab ihnen, nämlich den Aposteln auch, dass sie dem Volk davon vorlegen sollten.

Wollte: Und es war so viel zu Essen vorhanden, dass kein Mangel erschien, weder an den Broten noch an den Fischen. Denn wenn wir unserem himmlischen Vater für seine Guttaten danken, so vermehrt er sie und überhäuft uns gleichsam damit.

12. Da sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, dass nichts umkomme!

Nichts umkomme: Denn obwohl, was uns übrig bleibt, nicht darum aufbewahrt werden soll, dass es Anlass und Ursache zum Geiz gibt, damit man es später im doppelten oder dreifachen Wert wieder loswerden könnte, so soll man aber dennoch das Übrige für einen künftigen Notfall zu unseres und unseres Nächsten Nutzen aufheben und hinterlegen. Die aber treten die übrigen Reste gleichsam mit Füßen, die die guten Schöpfungen und Gaben Gottes durch Trunkenheit, Üppigkeit und allerhand Übermaß verschwenden.

13. Da sammelten sie und füllten zwölf Körbe mit Brocken von den fünf Gerstenbroten, die überblieben denen, die gespeist worden.

Brot: Und zwei Fische, die sie zu Anfang hatten. Es ist also, nachdem viele tausend Menschen gesättigt worden sind, dennoch mehr übrig geblieben, als zu Anfang da gewesen ist. Das gleiche widerfährt auch durch Gottes Segen frommen Eheleuten, die wenig oder gar nichts zu Anfang des Ehestandes zusammenbringen, danach aber ihren Kindern ein stattliches Erbe hinterlassen. Christus hat mit diesem Wunderwerk aber nicht allein die Lehre des Evangeliums bestätigen wollen, sondern auch zu verstehen gegeben, dass er für die sorgen werde, damit sie ihre Nahrung haben, die als Erstes sein Reich suchen und sein Wort mit gottseligen Herzen fleißig hören.

14. Da nun die Menschen das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll!

Zeichen: Dass er mit wenig Broten und Fischen viele tausend Mann gespeist und gesättigt hat.

Kommen soll: Er ist gewiss eben der, von dem Moses vorzeiten unsere Voreltern vertröstet hat, als er sagte: Einen Propheten aus deinem Volk und aus deinen Brüdern, wie mich, wird dir der Herr, dein Gott, erwecken. Den sollst du hören {5Mos 18}. Und die Juden waren in diesem Stück recht dran, dass sie glaubten, Jesus von Nazareth wäre der Prophet, der durch Moses verheißen worden war. Sie irrten auch indem nicht, dass sie davon überzeugt waren, es würde derselbe Prophet auch ein König sein, wenn sie nur gewusst hätten, dass er kein weltlicher, sondern ein himmlischer König sein würde. Aber sie hofften, er würde ein solcher Monarch sein, der das römische Joch von ihnen nehmen würde, sie aus der Dienstbarkeit frei machen und seinen Untertanen allen Überfluss in guten Tagen verschaffen würde. Sie machten sich darum Gedanken, wie sie ihn zum König machen könnten, und dieses Thema war in aller Munde. Es ist aber die große Masse sehr unbeständig, dass sie jetzt einen in den Himmel heben dürfen, den sie bald danach bis zur Hölle hinunterzustürzen sich unterstehen. Darum soll man sich auf die Gunst der Massen nicht verlassen. Und viele, die das Evangelium annehmen, suchen einen solchen Christus, durch den sie die Freiheit des Fleisches, Reichtum, Müßiggang, Wollust, Ehre und dergleichen erlangen könnten. Wenn sie das nicht haben können, sondern vielmehr das Gegenteil finden, so lassen sie Christus mit seinem Evangelium fahren und heften ihn ans Kreuz.

15. Da Jesus nun merkte, dass sie kommen würden und ihn haschen, dass sie ihn zum Könige machten, entwich er abermals auf den Berg, er selbst alleine.

Alleine: Er hat auch keinen seiner Jünger mit sich genommen, damit er umso besser verborgen bleiben könnte, bis das Volk von seinem närrischen Vorhaben etwas nachlassen würde. Christus ist aber nicht darum von der weltlichen Herrschaft geflohen, weil ihm die Gefahr und die Mühe zu viel gewesen wäre, die die Verwaltung eine Regierung mit sich bringt. Denn wir sind nicht nur uns selbst, sondern Gott und dem Nächsten, samt dem Vaterland zu nutzen, geboren. So hat er auch nicht darum das Königreich ausgeschlagen, als ob das Amt der Obrigkeit ein unheiliger Stand wäre, das keiner mit gutem Gewissen erwarten könnte, wie die Wiedertäufer schwärmen. Denn er selbst, der Sohn Gottes, hat die Obrigkeit eingesetzt, dass sie an seiner Stelle auf Erden verwalten soll, weshalb sie auch Götter genannt werden {Ps 82}, sondern Christus hat kein irdisches Königreich annehmen wollen, weil es seine Aufgabe nicht leiden konnte. Denn er war in die Welt gekommen, nicht um das Regiment zu führen, sondern um das Evangelium zu predigen {Jes 61}. Und er war in die Welt gekommen, um uns durch sein Leiden und seinen Tod zu erlösen. Denn sein Reich ist ein geistliches und himmlisches Reich und wird mit keiner äußeren und irdischen Gewalt erhalten, noch mit Waffen gehandhabt und fortgepflanzt, sondern durch das Wort und die Sakramente ausgebreitet. Und das Reich Christi gibt seinen Untertanen geistliche und himmlische Güter, wie Gerechtigkeit, Frieden und Freude in dem Heiligen Geist {Röm 14}. Dies sind beständige und ewige Güter und werden in diesem Leben mit Glauben ergriffen, in jenem aber vollkommen sein. Wir sehen aber auch an diesem Ort, wie übel Christus und der römische Papst sich miteinander vergleichen, der sich doch fälschlich als Statthalter des Herrn Christus rühmt. Denn Christus hat eine Krone nicht annehmen wollen, der Papst aber setzt sich eine dreifache auf. Christus hat die weltliche Verwaltung eines einigen Königreichs abgeschlagen, weil sein Beruf etwas anderes erforderte, aber der römische Papst nimmt sich selbst die Gewalt, der Welt die Reiche zu geben oder zu bestätigen oder auch denen, die ihm feind sind, sie wieder wegzunehmen.

16. Am Abend aber gingen die Jünger hinab an das Meer

Am: Die folgende Geschichte wird von Matthäus im Kapitel 14 und von Markus im Kapitel sechs etwas ausführlicher beschrieben, darum muss man sie ergänzen.

Meer: Nämlich an den See Genezareth.

17. und traten in das Schiff und kamen über das Meer gen Kapernaum. Und es war schon finster worden, und Jesus war nicht zu ihnen gekommen.

Schiff: Dass sie hinüberfuhren, weil es Christus so haben wollte und sie dazu antrieb, wie Matthäus und Markus bezeugen, währenddessen entlässt Christus das Volk von sich. Denn weil er gesehen hatte, dass die Juden aufrührerische Anschläge planten und einen König erwählen wollten, hat er nicht gewollt, dass seine Jünger länger bei dem Volk blieben, damit sie sich nicht solcher Anschläge auch mitschuldig machten. Denn auch sie träumten von einem zeitlichen Reich des Messias. Wir sollen uns, samt den unseren, hüten, dass wir uns nicht in aufrührerischen Anschläge einmischen.

Kapernaum: Das heißt: Sie richteten ihren Weg gegen diese Stadt, weil Christus dort oft lehrte und Wunderzeichen zu tun pflegte.

Finster geworden: Als sie noch mit dem Schiff fuhren, obwohl sie nicht weit vom Ufer entfernt waren.

Kommen: Weshalb sie gleichsam verlassen und in Ängsten waren.

18. Und das Meer erhob sich von einem großen Winde.

Winde: Es wurde sehr ungestüm, sodass es so aussah, als würden sie von den Wellen bedeckt und müssten zugrunde gehen. Denn, wo einem etwas Widerwärtiges begegnet, da sieht es so aus, als würde das Unglück je länger je größer und beschwerlicher werden. Weil auch die Jünger wahrhaftig Glieder der rechten Kirche gewesen sind, so wird mit dieser Geschichte Glück und Zustand der christlichen Kirche in dieser Welt eigentlich abgebildet. Denn die an Christus glauben, die sind eine Zeit lang in dieser unruhigen Welt, wie auf dem ungestümen Meer und werden mit Trübsal und mit einer Finsternis erschreckt, dass es ihnen bisweilen so erscheint, als seien sie von Christus ganz und gar verlassen.

19. Da sie nun gerudert hatten bei fünfundzwanzig oder dreißig Feld Wegs, sahen sie Jesus auf dem Meer dahergehen und nahe zum Schiff kommen; und sie fürchteten sich.

Gehen: Nicht anders, als wenn er auf dem trockenen Land gegangen wäre.

Fürchteten sich: So sehr, dass sie darüber auch zu schreien begannen, weil sie meinten, sie sehen ein Gespenst, wie Matthäus bezeugt. Denn wo Gott mit seiner Hilfe am nächsten bei uns ist, so scheint es uns, unsere Sachen würden am übelsten stehen, oder sogar, dass, wenn Gott als ein Helfer sich uns nähert, wir meinen, es sei ein schreckliches Gespenst vorhanden.

20. Er aber sprach zu ihnen: Ich bin‘s; fürchtet euch nicht!

Er sprach: Nämlich, Jesus Christus, als er gesehen hat, wie den Jüngern so angst gewesen ist.

Euch nicht: Gebt euch zufrieden, denn ich bin bei euch, nicht um euch zu verderben, sondern zu erhalten. Denn endlich tröstet Gott die zerschlagenen Herzen, damit der glimmende Docht nicht ganz verlischt {Jes 42}. Matthäus setzt hinzu, Kap. 14, dass Petrus dazu gesagt habe: Herr, bist du es, so heiße mich zu dir kommen auf dem Wasser. Dem gab Christus zur Antwort: Komm. Als nun Petrus aus dem Schiff gestiegen war und auf dem Wasser gegangen, damit er zu Jesus käme, hat er aber einen starken Wind zu spüren bekommen. Er hat sich gefürchtet, und als er angefangen hat zu sinken, geschrien, Herr, hilf mir und erhalte mich, dass ich nicht untergehe. Da hat Christus zu ihm gesprochen: O du Kleingläubiger, warum zweifelst du, gerade so, als ob ich dich nicht erhalten wollte oder könnte? Denn wenn wir die vorige Anfechtung überstanden haben, so kommen bald neue wieder auf, die wir doch auch noch überwinden werden, wenn wir zum Herren rufen. Denn obwohl er die Schwachheit unseres Glaubens schilt, so verwirft er uns doch darum nicht ganz, weil er das beschädigte Rohr nicht zerbrechen will {Jes 42}.

21. Da wollten sie ihn in das Schiff nehmen; und alsbald war das Schiff am Lande, da sie hinfuhren.

Hinfuhren: Dass sie ans Land kamen, ehe sie sich versehen hatten, was auch nicht ohne ein besonderes Wunderwerk geschehen ist. So erreichen auch die Gottseligenden den Hafen des ewigen Lebens, ehe sie es hoffen dürfen. Die aber im Schiff gewesen sind (spricht Matthäus), sind gekommen und haben ihn angebetet und gesagt: Du bist wahrlich Gottes Sohn, ein wahrhaftiger Gott und der Heiland der Welt. Wenn wir deswegen aus der Trübsal erlöst sind, sollen wir unseren Gott preisen und unsere Dankbarkeit gegen ihn mit dem Mund, dem Herzen und in der Tat erweisen.

22. Des andern Tages sah das Volk, das diesseits des Meeres stand, dass kein anderes Schiff dort war denn das einige, darein seine Jünger getreten waren, und dass Jesus nicht mit seinen Jüngern in das Schiff getreten war, sondern allein seine Jünger waren weggefahren.

Stand: Am Ufer des Sees Genezareth und wohin sie sich noch begeben hatten, um Jesus zu suchen, von dem sie gesättigt worden sind.

Weggefahren: Unterdessen, weil Jesus das Volk von sich gelassen hatte, haben sie sich darüber verwundert, wie Christus ohne Schiff ans andere Ufer gekommen war, und haben so viel gespürt, dass es nicht ohne ein besonderes Wunderwerk zugegangen sein konnte. Und zwar sind die Juden in diesem Stück witziger gewesen, als andere, welche heutzutage von dem Leibe Christi diskutieren und sein Vermögen oder seine Macht, nachdem sie es mit ihrer Vernunft fassen können, abmessen, gerade, als ob Christus mit seinem Leibe nicht mehr verrichten und leisten könnte, also die menschliche Vernunft fassen kann.

23. Es kamen aber andere Schiffe von Tiberias nahe zu der Stätte, da sie das Brot gegessen hatten durch des Herrn Danksagung.

Gegessen hatten: Bei diesen Ort, in dessen Nähe sie gelandet waren.

Danksagung: Die hat Christus seinem himmlischen Vater getan und durch seinen Segen auf die Weise vermehrt hatte, dass fünf Brote und zwei Fische viele tausend Menschen zu sättigen ausgereicht hatten.

24. Da nun das Volk sah, dass Jesus nicht da war noch seine Jünger, traten sie auch in die Schiffe und kamen gen Kapernaum und suchten Jesus.

Volk: Das sich am selben Ort wiederum zusammengefunden hatte und Jesus suchte.

Schiffe: Die von der Stadt Tiberias kamen und dort gelandet waren.

Kamen: Nachdem sie mit dem Schiff über den See gefahren waren.

25. Und da sie ihn fanden jenseits des Meeres, sprachen sie zu ihm: Rabbi, wann bist du herkommen?

Fanden: Und wohl auch wussten, dass er in keinem Schiff hinübergefahren war.

Herkommen: Denn wir müssen feststellen, dass du auf wunderbare Weise über den See hergekommen bist, weil deine Jünger allein, ohne dich, ins Schiff gegangen sind und dich am anderen Ufer, wo wir gegessen haben, zurückgelassen haben. Denn man soll die göttlichen Wunderwerke nicht vorübergehen lassen, als würden wir sie nicht sehen, wir sollen sie auch nicht verhehlen, sondern sie vielmehr mit Fleiß betrachten und rühmen.

26. Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, ihr sucht mich nicht darum, dass ihr Zeichen gesehen habt, sondern dass ihr von dem Brot gegessen habt und seid satt worden.

Gesehen habt: Und also durch meine Wunderwerke euch habt bewegen lassen, dass ihr von mir, als einen Propheten zu hören begehrt, wie man Gott recht ehren und das ewige Leben erlangen kann. Denn euch liegen die rechte Religion und die Seligkeit der Seelen wenig am Herzen.

Satt geworden: Durch ein Wunderwerk. Darum sucht ihr einen solchen Messias, der euren Bauch versorgt und euch im Müßiggang bei guten Tagen ernährt. Denn viele von ihnen nehmen die christliche Religion an um des zeitlichen Nutzens willen, den sie hoffen, daher, zu bekommen. Wenn ihnen aber ihre Hoffnung fehlt, so lassen sie Christus mit seinem Evangelium wiederum fahren.

27. Wirkt Speise, nicht die vergänglich ist, sondern die da bleibt in das ewige Leben, welche euch des Menschen Sohn geben wird; denn denselben hat Gott der Vater versiegelt.

Wirkt: Das heißt, erschafft und bringt euch zuwege.

Nach Luther: Geht mit solcher Speise um.

Vergänglich ist: Und nur den Leib eine kurze Zeit ernähren kann.

Ewige Leben: Sucht vielmehr die himmlischen Güter, wodurch ihr das ewige Leben erlangen könnt. Denn obwohl wir mit unserem Teil dafür sorgen sollen, was zur Erhaltung dieses Lebens nötig ist, so sollen wir doch zu allererst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit suchen, auf dass wir, wenn wir durch den Glauben an Christus gerechtfertigt sind, Vergebung der Sünden und das ewige Leben erlangen.

Menschen Sohn: Nämlich ich, Jesus Christus, Gottes und Marias Sohn. Denn allein in Christus und in keinem anderen können wir die ewige Seligkeit erlangen, durch den Glauben an ihn, und in keinem anderen ist Heil {Apg 4}.

Versiegelt: Und gleichsam, wie mit einem Siegel bestätigt, dass in diesem, einigen Heiland, das menschliche Geschlecht erhalten werden kann. Es hat aber Gott der Vater bezeichnet und gleichsam wie mit einem Siegel bestätigt, dass Jesus von Nazareth der Messias und einige Heiland der Welt sei, da er seine Person und sein Amt in den Schriften der Propheten so beschrieben hatte, dass alles in Christus auf das Allergenaueste mit den ältesten und sichersten göttlichen Weissagungen übereinstimmt. Er hat die Lehre von dem Mittler Christus versiegelt, als vor seiner Geburt der Engel der Jungfrau Maria nicht nur die Empfängnis Christi verkündigt hat, sondern auch, als er zu Joseph im Traum gesagt hat, dieser Jesus werde sein Volk selig machen von ihren Sünden, und als er den Hirten verkündigte, dass der Heiland in Bethlehem geboren sei, desgleichen, als der himmlische Vater, als Christus im Jordan getauft wurde, gesprochen hat, dies ist mein lieber Sohn, an dem ich ein Wohlgefallen habe, wie auch, als Johannes der Täufer aus göttlicher Offenbarung von Christus geredet hat, siehe, das ist das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt trägt {Joh 1}. Zusammengefasst: So viele Wunderwerke, wie der Vater durch den Sohn getan hat, mit so vielen Siegeln hat er bezeugt, dass dieser Jesus der Messias und Heiland der Welt ist. Darum sollen wir an ihn glauben, auf dass wir das ewige Leben haben {Joh 3}.

Nach Luther: Das ist mit dem Heiligen Geiste begabt und zugerichtet, dass er allen zum Meister und Helfer vorgestellt und dar gegeben ist, nachdem sich alles richten und halten soll.

28. Da sprachen sie zu ihm: Was sollen wir tun, dass wir Gottes Werke wirken?

Sprachen sie: Die Juden, weil sie verstanden, dass sie von Christus ermahnt wurden, sie sollten vielmehr darauf bedacht sein, wie sie die wahre Gerechtigkeit und das ewige Leben erlangen könnten, als, wie sie vergängliche Güter zuwege bringen könnten.

Tun: Was begehrst du denn weiter von uns, was wir zur Ehre Gottes und unserer ewigen Seligkeit verrichten müssten? Sind wir nicht beschnitten? Opfern wir nicht? Halten wir nicht das Gesetz, das uns von Gott durch Moses gegeben worden ist mit großer Andacht? Fasten wir nicht und geben den Zehnten nicht richtig? Wir spenden auch Almosen und halten dazu noch die Gebräuche unserer Vorfahren, leisten also mehr, als Gott von uns fordert. Denn die menschliche Vernunft meint nichts anders, als dass dem Gesetz Gottes mit einem äußerlichen Gehorsam genug geschehe, wo doch Gott will, dass alle innere Bewegung des Herzens seinem Gesetz nach gleichförmig sein soll, welchen Gehorsam kein Mensch leisten kann. Darum wird auch aus den Werken des Gesetzes kein Mensch gerechtfertigt werden, wie Paulus bezeugt {Gal 2}.

29. Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Das ist Gottes Werk, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.

Antwortet: Dass er ihnen das Mittel zeigt, wodurch wir das rechte himmlische Leben erlangen können.

Gesandt hat: Nämlich an mich, Jesus Christus, den Heiland der Welt. Denn das ist das größte Werk, welches Gott von euch fordert. In diesem Werk besteht auch alle eure Seligkeit. Denn der himmlische Vater hat mich in diese Welt gesandt, dass ich eure Sünden versöhnen soll, damit alle, die an mich glauben, nicht verloren sein werden, sondern das ewige Leben haben {Joh 3}. Deswegen beruht unsere Seligkeit einzig und allein darauf, dass wir an Christus glauben. Denn wer an den Sohn Gottes glaubt, der hat das ewige Leben, wer ihm aber nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm {Joh 3}. An Christus aber glauben heißt, den ganzen Christus, Gott und Menschen in einer Person recht erkennen und all sein Vertrauen auf seinen Verdienst setzen, also, dass du weißt, es werden dir um dieses Mittlers willen deine Sünden verziehen und du wirst zum Erben des ewigen Lebens eingesetzt. Gleich, wie aber dieser Glaube aus dem Wort des Evangeliums herkommt, von diesem auch Unterhalten und mit den Sakramenten gestärkt wird, muss man sich mit allem Fleiß davor hüten, dass er mit falschen Wahn nicht ausgelöscht oder mit Sünden gegen das Gewissen nicht vertrieben wird.

30. Da sprachen sie zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, auf dass wir sehen und glauben dir? Was wirkst du?

Zeichen: Oder herrliches Wunderwerk, welches den Wunderwerken des Moses gleich sein möchte. Denn es verstanden die Juden so viel, dass Christus sich für den Propheten ausgab, wovon Moses {5Mos 18} geweissagt und sehr ernst befohlen hatte, dass man ihn hören sollte. Daneben aber verdross es sie stark, dass ihnen Christus vorhielt, wie sie vielmehr nach zeitlichen als ewigen Dingen trachteten.

Glauben dir: Nicht nur als einem Lehrer, der von Gott zu uns gesandt worden ist, sondern auch als dem höchsten Propheten und Messias.

Wirkst du: Woraus wir ersehen können, dass du der Messias und Heiland dieses Volkes bist.

31. Unsere Väter haben Manna gegessen in der Wüste, wie geschrieben steht: Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen.

Manna: Das Himmelsbrot, das auf das vortrefflichste Gebet des Propheten Moses vom Himmel herabgegeben worden war. Mit dieser Speise sind sie in der Wüste nicht nur wenige Tage oder Monate, sondern ganze 40 Jahre erhalten worden. Wenn du nun auch etwas Vergleichbares leisten wirst, so wollen wir glauben, dass du der große Prophet und unser Messias bist. Was aber das Manna für eine Speise gewesen ist, findet man im 2. Mose 16. Diese Leute begehrten solche Wunderwerke, die dem Bauch zugutekämen. Denn viele sind wie das unvernünftige Vieh nur auf die Nahrung bedacht und achten unterdessen die Seligkeit der Seelen nicht. Und so, wie diese Juden durch die herrlichen Wunderwerke Christi, die er bereits getan hatte, sich nicht bewegen lassen, dass sie dem Evangelium Christi geglaubt hätten, sondern immer mehr und andere, neue begehrten, so fordern heutzutage die Katholiken von uns neue Wunderwerke, gerade, als ob es mit denen nicht genug wäre, die im Alten und Neuen Testament verzeichnet stehen, da wir doch keine andere Lehre führen oder auf die Bahn bringen, als die, die im Alten und Neuen Testament helles Zeugnis haben und mit herrlichen Wunderwerken oft bestätigt worden ist.

32. Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Mose hat euch nicht Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das rechte Brot vom Himmel.

Brot: Nämlich das rechte Brot, das den Menschen das ewige Leben gibt. Denn jene leibliche Speise hat die Israeliten nicht erhalten können, weder in diesem vergänglichen Leben geschweige denn, dass es sie zum ewigen Leben erhalten hätte.

Rechte Brot: Indem er mich, den Messias, in die Welt gesandt hat und jetzt, als einen Heiland euch darbietet und anträgt.

33. Denn dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben.

Brot Gottes: Oder ein göttliches Brot, das euch von Gott gegeben ist.

Himmel kommt: Als wollte er sagen: Ich bringe euch ein viel besseres und köstlicheres Brot als Moses, nämlich mich selbst, der ich euretwegen vom Himmel herabgekommen bin und menschliche Natur an mich genommen habe, damit ihr durch den Glauben an mich das ewige Leben habt. Denn allein Christus ist unser Mittler und Heiland, und es ist in keinem anderen Menschen (er sei so heilig, wie er immer wolle oder wie viel menschlichen Verdienst er hat) Heil. Den Menschen ist auch kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, indem wir selig werden können {Apg 4}.

34. Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allewege solch Brot!

Solch Brot: Auf dass wir uns um die Nahrung nicht kümmern müssen, auch für den Tod gerüstet sein mögen, weil du sagst, du könntest ein solches Brot geben, das die Leute ewig am Leben erhält. Sie verspotteten also den Herrn Christus, wie es sichere und rohe Menschen zu tun pflegen, wenn sie in göttlichen Sachen zu sehr ihrer Vernunft nachhängen, dass sie das Wort Gottes verachten und verlachen, wenn es von himmlischen Geheimnissen berichtet.

35. Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.

Des Lebens: Denn, so wie das Brot das zeitliche Leben erhält, so gebe ich den Menschen das geistliche und ewige Leben. Und obwohl die Spötter der Wahrheit keine Antwort verdient haben, so hat doch Christus die Auserwählten wahrgenommen, die in der gleichen Menge gewesen sind.

Kommt: Und an mich glaubt, wie sich gleich darauf Christus selbst erklärt.

Dürsten: Denn weder zeitliche Güter oder leibliche Wollust noch weltliche Ehre können das Herz eines Menschen recht sättigen und stillen, dass es ruhig ist und Frieden erlangt. Zumal ein Geiziger ständig Mangel und zu wenig hat, so verhält es sich ebenso mit allen anderen irdischen Sachen, die die Menschen begehren. Noch viel weniger können die zeitlichen Güter oder die leiblichen Wollüste den Hunger und den Durst des Gewissens nehmen, wenn der Mensch erkennt, wie er von allem Gutem leer, aber mit vielen großen Sünden und dazu noch mit dem Zorn Gottes belastet ist. Aber Christus ist unsere geistliche Speise und unser Trank, wenn der mit Glauben gegessen und getrunken wird; und man all sein Vertrauen auf ihn, als einen Heiland, setzt, so macht er das Gewissen ruhig und stillt den Hunger und Durst desselben. Er sättigt und erquickt des Menschen Herz auch so, dass er sich auf Gottes Gnade und Barmherzigkeit, die ihm um Christi willen widerfährt, verlässt und damit vergnügt ist, wie auch David im 73. Psalm sagt: Er frage weder nach Himmel noch Erde, wenn er nur einen gnädigen Gott hat.

36. Aber ich hab‘s euch gesagt, dass ihr mich gesehen habt, und glaubt doch nicht.

Gesagt: Bereits unlängst, und es ist dies nicht das erste Mal, dass ich mich über eure verstockte Blindheit beklage.

Gesehen habt: Wie ich viele herrliche Wunderwerke getan habe.

Doch nicht: An mich, euren Heiland, sondern ihr seid noch bis hierher in der Blindheit eurer Herzen verharrt, da ihr doch billig die angebotene Gnade und Seligkeit mit dankbarem Herzen annehmen solltet, weil ich euch so deutlich erkläre und anzeige, worin eure Seligkeit besteht, nämlich, dass ihr an mich glaubt. Die Ursache aber ihres Unglauben war, dass die Juden keinen solchen Messias haben wollten, wie er in der Heiligen Schrift beschrieben war, sondern sie sahen sich nach einem solchen Christus um, bei dem sie das römische Joch abschütteln, im Müßiggang leben, den Wolllüsten nachhängen und zeitliche Güter erlangen könnten. Weil demnach Christus sich nicht zum König krönen lassen wollte und sie fortwährend auf die geistlichen und himmlischen Güter hinweist, wie sie diese suchen sollten, haben sie ihn verachtet und sind vom Weg des Lebens in die Irre gelaufen. Denn diejenigen, die einen solchen Christus suchen, der sich auf ihre menschliche Vernunft reimt und mit ihren fleischlichen Begierden übereinstimmt, die finden den rechten Christus niemals, glauben auch nicht wahrhaftig an ihn, obwohl sie den Namen Christi ständig im Munde führen.

37. Alles, was mir mein Vater gibt, das kommt zu mir; und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.

Zu mir: Denn ich zwinge niemanden mit Gewalt dazu, dass er gegen seinen Willen an mich glauben muss, sondern diejenigen, welche von meinem himmlischen Vater zum ewigen Leben erwählt und mir geschenkt sind, damit sie meine geistlichen Glieder werden, die glauben freiwillig an mich. Denn, zu Christus kommen, heißt an dieser Stelle nichts anderes, als an ihn zu glauben, wie wir kurz zuvor aus seinen eigenen Worten vernommen haben. Denn die von Gott erwählt sind, die glauben dem gepredigten Evangelium Christi und werden durch diesen Glauben gerecht und selig, nach dem Spruch des Apostels Paulus: Die er verordnet hat, die hat er auch berufen (durch das Predigtamt). Die er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht (durch den Glauben an Christus). Die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch herrlich gemacht (oder er wird sie herrlich und selig machen. Denn der Apostel redet von zukünftigen Dingen, als wenn es bereits geschehen wäre, was bei den Hebräern nichts Seltsames ist) {Röm 7}. Warum aber Gott etliche in ihrer Blindheit stecken und verstockt lässt, dürfen wir ihm nicht mit Recht vorhalten, dass er uns die Ursache anzeigen müsste, sondern wir sollen vielmehr seine Güte, dass er uns erhält, mit dankbarem Herzen erkennen, sollen seine gerechten Urteile über die Strafe der Verstockten mit Verwunderung anschauen und mit Paulus sagen: Oh, welch eine Tiefe des Reichtums, beides, Weisheit und Erkenntnis Gottes {Röm 2}.

Stoßen: Ich werde keinen von ihnen wegtreiben, die an mich glauben, sondern ich will sie alle aufnehmen und ihnen das ewige Leben geben. Wer also nur ein kleines Pünktchen des Glaubens an Christus hat, der soll nicht bange sein, egal ob er reich oder arm, Herr oder Knecht, ob er viele oder wenige Sünden getan hat, jung oder alt ist, wenn er nur sein Vertrauen mit bußfertigem Herzen auf den Sohn Gottes setzt und um Verzeihung seiner Sünden bittet, der soll sicher wissen, dass man ihn nicht abweisen wird. Denn Christus, der den glimmenden Docht nicht auslöscht und das beschädigte Rohr nicht zerbricht, nimmt alle Sünder, die ernsthaft Buße tun, in Gnaden auf, legt das verlorene Schäflein, wenn es wiedergefunden wurde, mit Freude auf seine Schultern und trägt es in das himmlische Vaterland {Lk 15}.

38. Denn ich bin vom Himmel kommen, nicht dass ich meinen Willen tue, sondern des, der mich gesandt hat.

Himmel kommen: Das heißt: Ich bin Mensch gewordenen (denn das heißt, an dieser Stelle: Vom Himmel kommen), nicht, dass ich meinen eigenen Nutzen suche, oder dass es mir auf Erden gut geht, wie es die tun, die sich selbst gar zu sehr lieben und wenig danach fragen was ihnen gegenüber Gott, der Obrigkeit und den Nächsten gebührt, sondern nur darauf bedacht sind, wie sie ein gutes Leben haben, ihren Nutzen suchen und es ihnen gut geht, sondern ich bin in diese Welt gekommen, dass ich mich als einen Knecht meines himmlischen Vaters erweise, zur Erlösung des menschlichen Geschlechts {Jes 53}. Denn obwohl Christus in göttlicher Gestalt gewesen ist, so hat er es doch nicht wie einen Raub angesehen, Gott gleich zu sein, sondern hat sich selbst geäußert und Knechtsgestalt an sich genommen, ist gleichwie ein anderer Mensch und auch in seinen Gebärden wie ein Mensch erfunden worden, hat sich selbst erniedrigt und ist gehorsam gewesen bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz {Phil 2}. Darum sollen wir Christus für diese, seine, von ihm freiwillig angenommene Knechtschaft, Äußerung und Erniedrigung, damit er uns unsere Seligkeit verschafft, mit Mund, Herz und Werken Dank sagen und um seinetwillen auch unserem Nächsten dienen und nicht unseren eigenen, sondern den Nutzen des Nächsten mit Ernst zu fördern helfen. Denn die Liebe sucht nicht, was ihr gehört {1Kor 13}.

39. Das ist aber der Wille des Vaters, der mich gesandt hat, dass ich nichts verliere von allem, was er mir gegeben hat, sondern dass ich‘s auferwecke am Jüngsten Tage.

Wille: Mein himmlischer Vater will, dass ich die, die er zum ewigen Leben erwählt hat, nicht verliere, sondern sie alle, als ein treuer Hirte, zum ewigen Leben erhalte und mir keiner von ihnen verloren geht. Mein himmlischer Vater will auch, dass ich nicht alleine die Seelen der Auserwählten erhalte, sondern dass ich auch ihre Leiber zur ewigen Unsterblichkeit aufwecke. Deshalb werden wir von Christus gegen die Zweifel der Katholiken zur ewigen Seligkeit erhalten werden und es wird uns niemand aus der Hand Christi reißen {Joh 10}. Denn ich bin sicher (sagt Paulus), dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum, noch Gewalt, weder gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder hohes noch tiefes, auch keine andere Kreatur uns von der Liebe Gottes trennen kann, die in Christus Jesus unserem Herrn ist {Röm 7}.

40. Das ist aber der Wille des, der mich gesandt hat, dass, wer den Sohn sieht und glaubt an ihn, habe das ewige Leben; und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage.

Das: Damit niemand sich um die Auserwählung sorgt und die Befürchtung hat, er könnte vielleicht nicht zu der Zahl der Auserwählten gehören, so erklärt Christus deutlicher, was seine und seines Vaters Meinung ist.

Sohn sieht: Mit den Augen des Glaubens, als einen Mittler, der für uns gekreuzigt worden ist, so, wie die Israeliten in der Wüste die eherne Schlange ansahen, die am Holz hing.

An ihn: Dass er um seinetwillen Verzeihung seiner Sünden erlangen wird.

Ewige Leben: Darum darfst du dich nicht mit unnötigen Gedanken ängstigen, ob du auch auserwählt bist, sondern sieh zu, dass du an Christus glaubst, und sei fleißig, dass du in diesem Glauben ausharrst, so gibt es nichts Gewisseres, als dass du in deren Zahl bist, die das ewige Leben erlangen.

Ihn auferwecken: Der an mich glauben wird. Denn obwohl wir sterben müssen, damit die Erbsünde getilgt wird, so erwarten wir doch unseren Herrn und Heiland Jesus Christus, der unseren nichtigen Leib verklären wird, dass er seinem verklärten Leib ähnlich wird in der Wirkung, dass er sich auch alle Dinge untertan machen kann {Phil 3}.

41. Da murrten die Juden darüber, dass er sagte: Ich bin das Brot, das vom Himmel kommen ist,

42. und sprachen: Ist dieser nicht Jesus, Josephs Sohn, des Vater und Mutter wir kennen? Wie spricht er denn: Ich bin vom Himmel gekommen?

Kommen: Misst er sich selbst nicht gar zu viel zu, aus großer Vermessenheit und Bosheit, was ihm keineswegs gebührt? Denn wie kann er sagen, dass er vom Himmel kommt und ein solches Brot ist, das das ewige Leben gibt, denen, die an ihn glauben, wo er doch hier bei uns auf Erden von solchen Eltern geboren wurde, die uns wohl bekannt sind? Die Juden meinten aber fälschlicherweise, dass Josef der richtige und natürliche Vater des Herrn Christus wäre, und beurteilten ihn nach dem äußerlichen Anschein und nach ihrem Verstand, aber nicht nach den Schriften der Propheten. Weil demnach die Juden über die Lehre Christi, als den frömmsten und gelehrtesten Prediger, gemurrt haben, so ist es kein Wunder, wenn auch heutzutage etliche über die frommen Predigten der Kirchendiener unwirsch werden, wo sie doch viel mehr gegen ihre Irrtümer oder Laster zürnen sollten. Aber, die Christus nicht nach seinem Wort, sondern aus ihrem Verstand beurteilen, die werden ihn dergestalt nie recht erkennen.

43. Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Murrt nicht untereinander!

Murrt nicht: Denn ihr habt keine begründete Ursache, gegen mich zu murren, weil an meiner Rede nichts Böses oder Falsches ist, sondern euer Herz ist voll Unwissenheit und Blindheit. So ist es auch kein Wunder, dass ihr mich nicht erkennt, noch mit Glauben zu mir kommt, weil ihr in der himmlischen Schule meines Vaters nichts gelernt habt.

44. Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, dass ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat; und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage.

Ziehe: Durch den Heiligen Geist, im Herzen, dass er an mich glaubt und bei mir, als dem einzigen Heiland der Welt, Zuflucht suche.

Auferwecken: Und verschaffen, dass er an Seele und Leib ewig selig wird. Denn der freie Wille hat allerdings keine Kraft in der Bekehrung des Menschen, sondern wird von Gott dazu gezogen. Wenn er aber bekehrt worden ist, so will er das Gute, wonach er vom Geist Gottes angetrieben und geführt wird {Röm 8}. Darum ist es kein Wunder, dass wenige wahrhaftig an Christus glauben. Denn nicht alle, die das Wort des Evangeliums hören, werden vom Vater zu Christus gezogen und erleuchtet. Warum aber Gott den einen zieht und den anderen nicht, das muss man seiner Weisheit und Gerechtigkeit überlassen. Denn diejenigen, die er zieht, zeigt er seine Barmherzigkeit, an denen aber, die er nicht zieht, beweist er seine Gerechtigkeit, weil alle Menschen Sünder und der ewigen Verdammnis wert sind. Darum sagst du Gott dem Herrn für seine Barmherzigkeit Dank und schelte seine gerechten Urteile nicht.

45. Es steht geschrieben in den Propheten: Sie werden alle von Gott gelehrt sein. Wer es nun hört vom Vater und lernt es, der kommt zu mir.

Gelehrt sein: Denn so steht es in Jes. 54. Und in der gleichen Weise spricht der Prophet Jeremias im Kapitel 31.

Kommt zu mir: Und der glaubt an mich, hat seine Zuflucht bei mir, als einem Mittler und erlangt die Seligkeit. Denn die, die mein himmlischer Vater zu ewigem Leben gerufen hat, die beruft er durch das Evangelium zu meiner Erkenntnis {Röm 8}. Und damit das gepredigte Wort des Evangeliums nicht ohne Frucht bleibt, so wirkt zugleich mein Vater durch das äußere Predigtamt in den Herzen der Auserwählten, dass sie das, was sie mit den Ohren hören, ins Herz fassen und selig werden. Denn wo Gott nicht durch das äußere Predigtamt die Herzen der Auserwählten erleuchtet und lehrt, dort wird das Evangelium vergebens gepredigt. Denn einer pflanzt, der andere gießt, aber Gott gibt das Gedeihen {1Kor 3}. Durch die Predigt des Evangeliums lehrt und erleuchtet Gott aber die Herzen in ordentlicherweise, damit sie den Glauben an Christus empfangen. Denn wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll selig werden (spricht der Apostel Paulus) Wie aber sollen sie ihn anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber glauben, wovon sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören, ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden usw. So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Gottes, {Röm 10}. Darum verdrehen und verkehren die Schwenkfelder die oben aufgeführten Sprüche Christi und der Propheten boshaft. Denn wer sagt, dass Gott die Auserwählten lehrt, damit sie Christus erkennen, der hebt darum das äußere Predigtamt nicht auf, wodurch Gott inwendig die Herzen der Auserwählten wirklich lehrt und das so kräftig ist, dass die Herzen geöffnet werden.

46. Nicht dass jemand den Vater habe gesehen, außer dem, der vom Vater ist, der hat den Vater gesehen.

Habe gesehen: Dies wird darum hinzugesetzt, damit nicht jemand meinen könnte, man müsste Gott in einem verborgenen Winkel suchen und hören, wie die Enthusiasten geschwärmt haben. Als wollte er sagen: Es kann niemand zu Gott kommen, dass er ihn in seinem Wesen sieht und mit ihm redet. Denn, obwohl die Propheten eine angenommene Gestalt Gottes gesehen und eine Stimme gehört haben, so haben sie doch das Wesen Gottes nie gesehen. Ich aber (spricht Christus) habe Gott den Vater gesehen und sein Gemüt vollständig erkannt. Darum, was die Propheten von Gott gewusst haben, das haben sie von mir. Denn ich bin ihnen in einer angenommenen Gestalt erschienen und habe mit ihnen geredet. Die, die also den Vater hören wollen und den Weg der Seligkeit erlernen, die müssen mich hören, nach dem Spruch, dies ist mein Sohn, an dem ich ein Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören {Mt 17}. Darum sind die Schwenkfelder, Wiedertäufer und ihresgleichen Enthusiasten nicht recht bei Sinnen, dass sie innerliche und besondere Offenbarungen suchen, weil Gott durch das Wort Christi, nämlich durch das Evangelium, erkannt werden will.

47. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben.

Wahrlich: Jetzt lässt Christus die, die gegen ihn gemordet hatten ziehen und wendet sich denen zu, die ihm mit Andacht zugehört haben und die Wahrheit von ihm zu erlernen begehrten. Es schwört aber Christus um unseretwillen, dass er unserem schwachen Glauben aufhilft und ihn stärkt. Was er auch seinen Zuhörern hier gesagt hat, das hat er nicht nur ihnen, sondern uns allen gesagt {Mk 13}. Darum sollen wir aus diesem allerholdseligsten Spruch des Herrn Christus Trost schöpfen.

Mich glaubt: Es glaubt aber der an Christus, der da glaubt, dass der Sohn Gottes menschliche Natur an sich genommen und das Gesetz für uns erfüllt hat {Mt 5 Röm 3} und dass er für unsere Sünden gelitten hat, damit wir durch die Guttat seines allervollkommensten ganzen Verdienstes Vergebung der Sünden und ewiges Leben erlangen. Wer (sage ich) solches glaubt, was Christus getan und gelitten hat, dass es ihm nützt und zum Guten geschehen sei und auf diesen Mittler vertraut, dass er um seinetwillen Vergebung der Sünden erlangt, der glaubt wahrhaftig an Christus und wird die ewige Seligkeit erlangen. Es haben auch alle Wörter in diesem Spruch einen besonderen Nachdruck. Denn das Wort „wer“ schließt keinen Menschen von der Seligkeit aus, sofern er nur glaubt, er sei gleich so ein großer Sünder, wie er immer wolle, oder von welchem Stand er auch sein mag. Das Wort „glaubt“ zeigt an, dass wir nicht durch unsere Werke und Verdienste, sondern allein durch den Glauben gerecht und selig werden. „An mich“ schließt den Verdienst der Heiligen aus. „Hat“ verwirft den Zweifel des Papstes, ob wir in Gnaden bei Gott sind und ob wir darinnen verharren werden, „das ewige Leben“, wie es Christus uns verheißt, gibt er damit zu erkennen, dass die rechte Glückseligkeit nicht in irdischen Gütern besteht, die vergänglich sind, sondern in himmlischen Guttaten und ewiger Freude und Herrlichkeit, die keine menschliche Zunge aussprechen kann. Denn, was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz gekommen ist, das hat Gott denen bereitet, die ihn lieben {1Kor 2}.

48. Ich bin das Brot des Lebens.

Ich bin: Was Christus in den vorigen Worten deutlich vorgebracht hat, das wiederholt er jetzt mit einer verblüffenden Rede und dem Vergleich vom Brot, wozu ihm die Juden Anlass gegeben hatten, die sich vernehmen ließen, dass sie ein solches Wunderzeichen von ihm begehrten, wie es Moses getan hat, als er ihre Vorfahren in der Wüste mit Manna gespeist hatte. Das will so viel sagen: Ich bin die rechte, lebendig machenden Speise, viel herrlicher und besser, als es das Brot in der Wüste gewesen ist, das Moses euren Vorfahren, wie ihr sagt, gegeben hat. Denn ich gebe denen das rechte und ewige Leben, die meiner durch den Glauben teilhaftig werden. Wer deswegen Christus durch den Glauben besitzt, dem fehlt nichts zur rechten Glückseligkeit. Wer aber Christus nicht hat, der wird des ewigen Lebens beraubt, weil er das Brot des Lebens nicht hat. Darum ist er der allerelendste Mensch, auch wenn er die ganze Welt besitzen würde. Und es werden alle, die Christus nicht kennen, oder ihn verwerfen, als da sind, die Heiden, Türken, Juden, Heuchler, vom ewigen Leben ausgeschlossen. Denn außer Christus, der das Brot des Lebens ist, gibt es kein Heil {Joh 3 Apg 4}.

49. Eure Väter haben Manna gegessen in der Wüste und sind gestorben.

Manna: Das Himmelsbrot, das ihnen vom Himmel gegeben worden war.

Gestorben: Also, dass es auch das zeitliche Leben nicht geben oder erhalten konnte. Denn die Erfahrung hat gelehrt, dass sie schließlich alle gestorben sind, die davon gegessen haben, noch viel weniger hat es an ihm selbst das ewige Leben mitteilen können denn, dass Moses, Aron und viele anderen frommen Leute, die in der Wüste das Manna gegessen haben, die Seligkeit erlangt haben, dies wäre ihnen keineswegs widerfahren, wenn sie nicht zugleich mit dem Manna auch in geistlicherweise durch den Glauben Christus gegessen hätten, der damals noch Mensch werden sollte und in geistlicherweise durch den Glauben getrunken hätten von dem Fels Christi, der damals mit folgte. Aber die anderen ungläubigen Juden sind niedergeschlagen in der Wüste {1Kor 5}, obwohl auch sie des Manas, als einer übernatürlichen Speise und also einer geistliche Nahrung und eines übernatürlichen Trankes, der aus dem harten Felsen hervorgebracht war, teilhaftig geworden sind. Denn die Väter des Alten Testaments sind durch den Glauben an Christus, der noch Mensch werden sollte, selig geworden, gleich, wie wir durch eben denselben, nachdem er jetzt Mensch geworden ist, die Seligkeit erlangen.

50. Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt, auf dass, wer davon isst, nicht sterbe.

Nach Luther: Es wird hier in den folgenden Worten nicht vom Sakrament des Brotes und des Weines, sondern vom geistlichen Essen, das heißt, glauben, dass Christus, Gott und Mensch, sein Blut für uns vergossen hat, geredet.

Himmel kommt: Und von Gott dem himmlischen Vater der Welt geschenkt ist.

Nicht sterbe: Darum müsst ihr zu mir kommen, wenn euch euer ewiges Leben und die Seligkeit der Seele wichtig sind.

51. Ich bin das lebendige Brot, vom Himmel kommen. Wer von diesem Brot essen wird, der wird leben in Ewigkeit. Und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt.

Himmel kommen: Es wird aber von dem Sohn Gottes gesagt, dass er vom Himmel gekommen sei, dergestalt, dass er die menschliche Natur aus der Jungfrau Maria in Einigkeit der Person angenommen hat und um unseretwillen Fleisch geworden ist. Denn man muss es nicht so verstehen, als wenn Christus seine Menschheit vom Himmel herab brachte, nicht aus dem Fleisch und Blut der Jungfrau Maria angenommen hätte, wie die Ketzer, Euthychianer genannt, in dem Irrtum stecken und etliche Schwenkfelder auch dieser Meinung sind. Denn so wäre Christus nicht Frucht eines Weibes, wenn seine Menschheit nicht in dem Fleisch und Blut der Jungfrau Maria ihren Ursprung hätte.

Essen wird: Es heißt aber in diesem sechsten Kapitel des Johannes, „dieses heilige Brot essen“ nichts anderes, als an Christus glauben. Denn so hat Christus selber sich eben in diesem Kapitel kurz zuvor erklärt, als er sagte: Ich bin das Brot des Lebens, wer zu mir kommt, der wird nicht hungern, wer an mich glaubt, den wird es nimmermehr dürsten. Darum soll man diese ganze Predigt nicht mit Gewalt und an den Haaren zum Abendmahl des Herrn herbeiziehen, weil das Abendmahl zu jener Zeit noch nicht eingesetzt gewesen ist. Und das Essen, wovon Christus hier spricht, ist nützlich und heilsam, aber das andere Essen, wie es im Abendmahl des Herrn geschieht, kann bisweilen auch schädlich sein, wenn es nämlich von den Unwürdigen als Urteil empfangen wird {1Kor 11}. Darum handeln die Zwinglianer nicht recht, dass sie den Handel vom Nachtmahl durch dieses, sechste Kapitel des Johannes erklären wollen und sagen, es sei kein anderes Essen des Leibes und Blutes Christi im Abendmahl, als welches geistlich durch den Glauben geschieht.

Geben werde: Denn, damit ihr besser versteht, wie ich das Brot des Lebens bin, so will ich es euch (spricht Christus) noch deutlicher sagen: Ich werde mein Fleisch oder meinen Leib in den Tod geben, auf dass ich durch den Tod meines Leibes der Welt das ewige Leben zuwege bringe. Und weil Christus sagt, dass er sein Fleisch für das Leben der Welt gibt, lehrt er damit, dass kein Mensch von ewigen Leben ausgeschlossen wird, wenn er nur an ihn glaubt. Denn die Ungläubigen werden nicht darum verloren, dass die Leiden Christi keine ausreichende Bezahlung für die Sünde der ganzen Welt wären, sondern weil sie Christus, den Mittler, nicht mit Glauben ergreifen. Ist es aber nicht ein unsinniges Wesen, dass man lieber ewig verloren sein will, als ewig selig werden, da doch Christus im Evangelium allen Sündern die Seligkeit auf das Freundlichste anbietet und keinen von sich stößt, der zu ihm kommt? {Joh 6}, sondern die Mühseligen und Beladenen (mit Sünden) gutwillig zu sich ruft und lockt {Mt 11}.

52. Da zankten die Juden untereinander und sprachen: Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben?

Da: Es folgt, wie die Juden diesen herrlichen und holdseligen Trost des Herrn Christus aufgenommen haben.

Essen geben: Dieser Mensch bringt sehr ungereimte und abscheuliche Sachen vor. Denn, sollen wir über ihn herfallen, wie die rasenden Hunde und sein Fleisch mit den Zähnen zerreißen, dazu sein Blut auflegen, oder wird er sich von uns schlachten lassen, dass wir sein Fleisch fressen und sein Blut in uns saufen? Und wie werden wir so das ewige Leben erlangen können? Da es uns ja bereits im Gesetz auf das Ernsteste verboten ist, das Blut der Tiere (geschweige denn das der Menschen) zu kosten, wie würden wir denn ohne große Sünde menschliches Blut trinken können? Warum hören wir denn diesem unsinnigen Menschen weiter zu? Warum lassen wir ihn nicht ziehen oder legen ihn an eine Kette und gehen davon? Es hatten aber die Juden droben von Christus gehört, was er mit dem Essen und Trinken an dieser Stelle meint, nämlich, dass man an ihn glaubt. Darum, wenn sie auf die vorigen Worte Christi recht acht gegeben hätten, so hätten sie sich darüber nicht geärgert. Aber sie bildeten sich nach der menschlichen Vernunft ein Urteil und stellten sich nach ihrem groben Unverstand ein Zerreißen und Auseinanderzerren des Leibes Christi vor. Solche fleischlichen Einbildungen menschlicher Vernunft in göttliche Geheimnisse taugen ganz und gar nichts, und man muss dieselben davon ausschließen. Denn wir sollen unsere Vernunft gefangen nehmen unter dem Gehorsam Christi {2Kor 10}.

53. Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Werdet ihr nicht essen das Fleisch des Menschensohnes und trinken sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch.

Sprach: Dass er sich nicht um ihr Ärgernis kümmerte, weil er recht geredet und seine Meinung deutlich genug erklärt hatte. Darum wiederholte er seine vorigen Worte und stellte sie noch etwas schärfer dar. Denn man kann nicht jedem Ärgernis zuvorkommen.

Kein Leben: Ihr werdet nicht selig werden können, sondern müsst vom ewigen Leben ausgeschlossen bleiben, wenn ihr nicht an mich glaubt. Unsere Seligkeit besteht deswegen allein auf dem Glauben an Christus. Darum sollen wir uns fleißig bemühen, dass wir unseren Glauben stärken und erhalten, damit er nicht verlischt. Er wird aber erhalten durch die Predigt des Evangeliums und durch den Gebrauch des heiligen Abendmahls. Denn, gleichwie das geistliche Essen des Glaubens, das in diesem Kapitel behandelt ist, macht, dass das Essen im Heiligen Abendmahl heilsam ist, so hilft und fördert (sozusagen) das Essen im Abendmahl des Herrn dieses geistliche Essen. Wir sollen uns aber hüten, dass wir nicht mit Sünden gegen das Gewissen den Glauben verlieren. Denn der Glaube und die Sünden gegen das Gewissen vertragen sich nicht miteinander. Wir sollen auch Gott, den Herrn, bitten, dass er uns den Gauben mehrt, das beschädigte Rohr nicht zu zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auszulöschen. Etliche unter den Vätern, von denen Augustinus auch einer gewesen ist, haben diesen Spruch Christi nicht recht verstanden und daraus geschlossen, dass man den kleinen Kindern das Abendmahl auch reichen müsse, damit sie nicht des ewigen Lebens beraubt werden, wenn sie das Fleisch des Sohnes Gottes nicht essen. Aber Christus redet hier nicht von seinem Abendmahl, sondern von dem Glauben an ihn das aus den eigenen Worten des Herrn Christus unzählige Male erwiesen wurde. Aber das, weil der Apostel Paulus es einsetzt, dass die, die zum Abendmahl des Herrn gehen wollen, sich zuvor prüfen sollen, die Kinder aber ihren Verstand noch nicht brauchen können und sich darum auch nicht prüfen können, so soll man ihnen freilich das Abendmahl nicht reichen. Wie aber die, die zu den Zeiten von Augustinus und Cyprianus lebten, in dieser Sache aus Einfalt und aus gutherzigem Eifer sich geirrt haben, indem sie sich sorgten, dass nicht etwa die Seligkeit der Kinder verwahrlosen könnte, so verdrehen die zwinglianischen Lehrer den rechten Sinn dieser Predigt Christi in höchster Weise, indem sie dieses Wort mit Gewalt zum Abendmahl des Herrn ziehen, obwohl sie mehrfach daran erinnert worden sind. Denn, wenn Christus hier von seinem Abendmahl spricht, so wird es freilich nötig sein, das auch den Kindern das Abendmahl gereicht wird, sofern wir sie anders nicht des ewigen Lebens berauben wollen. Weil aber die Zwinglianer verstehen und bekennen dass die Kinder ohne Verlust ihrer Seligkeit auf das Abendmahl des Herrn verzichten können, so verstehen sie freilich auch, dass diese Predigt Christi, die bei Verlust des ewigen Lebens das Essen des Fleisches Christi erfordert, keineswegs vom Abendmahl handelt. Und sie können sich nicht damit herausreden, dass sie sagen wollten, die Kinder essen das Fleisch Christi in geistlicherweise durch den Glauben. Denn sie sagen, die Kinder haben keinen Glauben. Wenn sie also keinen Glauben haben und das Abendmahl des Herrn auch nicht nutzen, so wird daraus folgen, dass alle Kinder ewig verdammt werden, weil sie das Fleisch Christi im Abendmahl mit dem Brot nicht empfangen und nach ihrer falschen Meinung dasselbe in geistlicherweise durch den Glauben auch nicht essen. Weil aber das alles falsch ist, so muss auch das falsch sein, dass die Zwinglianer behaupten, diese Predigt Christi handle von Abendmahl und es sei kein anderes Essen des Leibes Christi, als das, das nur mit dem Glauben geschieht und in diesem Kapitel auch gefordert wird. Aber wir wollen die Zwinglianer dem gerechtem Gericht Gottes anbefehlen und weiter von Christus vom geistlichen Essen seines Fleisches hören, wozu es uns nutzt.

54. Wer mein Fleisch isst und trinkt mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken.

Isst: Das heißt: Wer an mich glaubt und also mit Glauben mein Fleisch geistlich isst, der wird die ewige Seligkeit seiner Seele erlangen und ich will am Jüngsten Tag seinen Leib auch wieder auferwecken, dass er der ewigen Freude mit teilhaftig wird und so der ganze Mensch die ewige, himmlische Herrlichkeit genießt. Weil wir aber nichts Köstlicheres haben, als unsere Seele und unseren Leib, so haben wir hier gewiss einen starken und lieblichen Trost, dass wir wissen, unser Leib und unsere Seele sind gut versorgt, wenn wir nur wahrhaftig an Christus glauben und in diesem Glauben bis ans Ende verharren.

55. Denn mein Fleisch ist die rechte Speise, und mein Blut ist der rechte Trank.

Rechte Speise: Und obwohl leibliche Speise und leiblicher Trank auch gute Gaben Gottes sind, wofür wir Gott dem Herrn danken sollen, können diese jedoch das ewige Leben nicht geben, noch erhalten, aber mein Fleisch und Blut, das ich für das Leben der Welt in den Tod gebe, sind so beschaffen, dass sie denen, die geistliche Speisen essen und geistlichen Trank trinken, das heißt, die da glauben, das rechte und ewige Leben geben. Darum sollen wir nicht nur danach trachten, wie wir viel Geld und Besitztümer erlangen können, wovon der Bauch gesättigt wird, sondern, dass wir an Christus glauben und so unsere Seele erquicken, damit wir das rechte und ewige Leben erlangen.

56. Wer mein Fleisch isst und trinkt mein Blut, der bleibt in mir und ich in ihm.

Fleisch isst: Mit Glauben und in geistlicherweise, dass er an mich glaubt, der wird in geistlicherweise sehr nahe mit mir vereinigt, so, wie Speise und Trank, die zur Nahrung eingenommen werden, sich mit dem Menschen vereinigen, sodass der Leib daher nicht allein ernährt wird und zunimmt, sondern auch seine Veränderungen davon empfindet, dass er entweder feucht oder trocken, warm oder kalt gemacht wird. Also, wenn Christus mit Glauben aufgenommen und gegessen wird, so vereinigt er sich in geistlicherweise mit uns und verändert uns dergestalt, dass er einen Geizigen zum Freigiebigen, einen Neidischen zum Wohltäter, einen Unkeuschen zum Züchtigen, einen Trunkenen zum Nüchternen und zusammengefasst, einen verkehrten zum frommen und gottseligen Menschen macht. Aber dennoch ist so eine Veränderung und Erneuerung in diesem Leben nicht vollkommen, sondern sie wird am Jüngsten Tag ihre Vollkommenheit erreichen.

57. Wie mich gesandt hat der lebendige Vater, und ich lebe um des Vaters willen, also, wer mich isst, derselbe wird auch leben um meinetwillen.

Lebendige Vater: Der von Ewigkeit zu Ewigkeit lebt im allerseligsten Leben, der hat aus unendlicher Liebe zum menschlichen Geschlecht mich in diese Welt gesandt, damit die bußfertigen Sünder durch mich des ewigen Lebens teilhaftig werden. Und ich habe das Amt eines Gesandten oder Knechts auf mich genommen, daher werde ich auch in Knechtsgestalt gesehen, aber doch lebe ich auch von Ewigkeit zu Ewigkeit um des Vaters willen, mit dem ich eines Wesens bin. Denn ich und der Vater sind eins {Joh 20}. So bin ich auch nach meiner menschlichen Natur des ewigen Lebens teilhaftig geworden, weil der Vater meiner menschlichen Natur mitgegeben hat, dass sie durch die persönliche Vereinigung nicht nur lebt, sondern auch lebendig macht. Darum, wer mir durch den Glauben gleichsam einverleibt wird, dem kann es an nichts fehlen, er muss auch des ewigen Lebens teilhaftig werden, weil er in geistlicherweise mit mir vereinigt worden ist, darum wird er aus mir und durch mich ein ewiges und seliges Leben erlangen. Wenn wir also mit Christus vereinigt und durch den Glauben Kinder Gottes geworden sind, in der Weise, dass uns Gott an Kindes statt angenommen hat, warum bieten wir denn nicht dem Tod, dem Teufel, der Welt und der Hölle Trotz? Zumal diese Feinde keine Ansprache zu den Kindern Gottes, des Allerhöchsten, haben. Demnach, wenn wir auch Kinder des allerhöchsten Gottes und Königs aller Könige sind, so sollen wir uns doch hüten, dass wir nichts tun, was unserer Person schlecht ansteht, damit wir nicht die Majestät unseres himmlischen Vaters mit unserem ungebührlichen Wandel, so zu reden, in vielerlei Hinsicht besudeln.

58. Dies ist das Brot, das vom Himmel kommen ist, nicht wie eure Väter haben Manna gegessen und sind gestorben. Wer dies Brot isst, der wird leben in Ewigkeit.

Das ist: Als wollte er sagen: Um den Inhalt meiner Predigt mit wenigen Worten zu wiederholen, so sollt ihr wissen, dass ich von meinem himmlischen Vater in diese Welt gesandt bin, damit ich ihr das ewige Leben gebe. Daher kann ich nicht zu Unrecht das lebendige oder lebendig machende Brot des Lebens genannt werden. Und ich bin ein viel köstlicheres Brot, als das, das eure Vorfahren, von denen ihr so viel rühmt, in der Wüste gegessen haben. Denn diese leibliche Speise hat eure Vorfahren auch nicht am zeitlichen Leben erhalten können, zumal sie fast alle in der Wüste gestorben sind, geschweige denn, dass solches Brot das ewige Leben hätte geben können. Wer aber mich mit Glauben isst, auch wenngleich er des zeitlichen Todes stirbt, so wird er doch in Ewigkeit mit mir leben. Darum sollen wir an Christus glauben, auf dass wir ewig leben und damit wir einen desto stärkeren Glauben haben, sollen wir im Abendmahl des Herrn das Fleisch und Blut Christi mit dem Brot und Wein oft essen und trinken.

59. Solches sagte er in der Schule, da er lehrte zu Kapernaum.

Schule: An einem öffentlichen Ort, an dem die Juden zusammenkamen zur Anhörung des Gesetzes und der Propheten, wie man diese darstellt und erklärt. Denn obwohl es nur einen Tempel gab, in dem man opfern musste, nämlich in Jerusalem und nirgendwo anders, so gab es doch im jüdischen Land gelegentlich einige Schulen, in denen man Predigten anhörte, wie bei uns in den Kirchen. Und Christus hat sich mit seiner Lehre nicht in einen Winkel verkrochen, wie es die Wiedertäufer und ihresgleichen verkehrte Leute tun, die das Licht scheuen, weshalb sich alle Frommen stark vor ihnen hüten sollen.

60. Viele nun seiner Jünger, die das hörten, sprachen: Das ist eine harte Rede, wer kann sie hören?

Jünger: Zwar niemand von den zwölf Aposteln, sondern andere, die ihn bisher gehört und wegen seiner Predigten häufig zu ihm gelaufen waren, die haben sich über seine, zuvor gehörte Predigt, geärgert.

Harte Rede: Die sich in unseren Ohren übel anhört. Denn, wie bringt er nur so ungereimte Sachen vor? Darum wollen wir uns nicht weiter um ihn kümmern. Und es stieß die Juden besonders vor den Kopf, dass Christus sagte, er werde vom Himmel kommen und gebe denen, die an ihn glauben das ewige Leben. Daher nahmen sie an, Christus habe in sich einen himmlischen und göttlichen Ursprung und würde sich deshalb die wahre Gottheit selbst zumessen. In diesem Stück sind diese Juden verständiger gewesen, als die Arianer, die dergleichen Sprüche des Herrn Christi von seiner Gottheit in böser Weise verkehren. Sie ärgerten sich aber auch darüber, dass sie hörten, dass man Christi Fleisch essen und sein Blut trinken müsste, was sie für ein sehr grausames und unmenschliches Handeln betrachteten, was ihnen auch durch das Gesetz verboten und abscheulich war. Denn, wenn sie schon das Blut der unvernünftigen Tiere nicht essen durften, so meinten sie, es würde sich viel weniger noch schicken, dass man Menschenblut trinkt. Wenn sie aber auf das Wort Christi etwas besser achtgegeben hätten, so wäre nichts Ungereimtes dran gewesen. Es kann aber kein Kirchendiener, auch wenn er noch so rein in der Lehre ist, so predigen, dass er jedermann gefällt und niemanden vor den Kopf stößt.

61. Da Jesus aber bei sich selbst merkte, dass seine Jünger darüber murrten, sprach er zu ihnen: Ärgert euch das?

Murrten: Als er gesagt hatte, er wäre das Brot des Lebens, das vom Himmel gekommen wäre und der Welt das Leben gebe und dass man sein Fleisch essen und sein Blut trinken müsste, hat er es für gut erachtet, sich zu verantworten. Denn Christus weiß auch nach seiner Menschheit die Gedanken der Herzen, darum sollen wir nichts Böses tun, auch wenn wir meinen, wir seien allein und sollen Gott bitten, dass er die bösen Gedanken unserer Herzen gnädig verzeihen möge, diese verbessern und mit seinem Heiligen Geist abwehren, dass sie nichts ausrichten können.

Das: Und erscheint euch meine Rede so unglaublich und ungereimt?

62. Wie, wenn ihr denn sehen werdet des Menschen Sohn auffahren dahin; da er zuvor war?

Nach Luther: Wie, es ärgert euch, dass ich jetzt rede auf Erden, was will denn werden, wenn ich vom Himmel regieren werde und die Worte vollziehen und eingreifen werde?

Zuvor war: Bevor er menschliche Natur an sich genommen hat, dann werdet ihr merken, dass meine Worte wahr sind, die euch jetzt unglaublich und ungereimt vorgekommen. Denn wenn ich in den Himmel fahren werde und meinen Aposteln den Heiligen Geist sende, dazu ihre Lehre mit herrlichen Wunderwerke bestätigen und das Predigtamt des Evangeliums wunderbar erhalte gegen alles Wüten des Teufels, dann, wenn etliche Auserwählte unter euch sein werden, werden sie sich meiner Rede wiederum erinnern, und sie wird ihnen nicht mehr so ungereimt vorgekommen wie jetzt. Denn, obwohl die Lehre des Evangeliums nicht sobald (auch in den Auserwählten) wurzelt und Frucht bringt, so geht doch zu der gebotenen Zeit der Same des göttlichen Wortes in den Herzen der Auserwählten auf und lässt sie sehen. Darum soll man nicht frevelhaft urteilen von denen, die dem Evangelium, nachdem sie es gehört haben, von dieser Stunde an Beifall geben. Denn es kann wohl geschehen, dass die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten werden.

63. Der Geist ist‘s, der da lebendig macht; das Fleisch ist kein Nütze. Die Worte, die ich rede, die sind Geist und sind Leben.

Geist ist´s: Das heißt: Der geistliche Sinn meiner Worte, die ich von meinem Fleisch essen gesprochen habe, ist heilsam und bringt denen das ewige Leben, die meinen Worten glauben. Aber euer fleischlicher Sinn (da ihr meint, ich würde wollen, dass ihr mein Fleisch mit den Zähnen zerreißen sollt und mein Blut in grausamer und unmenschlicher Weise schluckt) taugt allerdings nicht. Denn ich habe von dem Glauben an mich und von keiner Verzerrung geredet. Meine Worte sind geistlich und in geistlicherweise zu verstehen, und wenn sie so aufgenommen werden, so geben sie denen das Leben, die daran glauben. Darum steht ihr mit eurer verkehrten Meinung weit hinten. Die Zwinglianer verdrehen und verkehren diesem Text boshaft mit einer falschen Auslegung, indem sie denselben gegen das Essen des wahren Leibs und gegen das Trinken des wahren Bluts Christi im Heiligen Abendmahl, das in übernatürlicher und unbegreiflicher Weise geschieht, heranziehen und sagen, der Heilige Geist allein macht lebendig und das Essen des Leibes Christi im Abendmahl nutzt nichts. Aber die nachfolgenden Worte widerlegen ihre Meinung. Denn nachdem Christus gesagt hat, der Geist ist es, der da lebendig macht, das Fleisch ist nicht nötig, so spricht er weiter, die Worte, die ich rede, die sind Geist und Leben, um anzuzeigen, dass er an dieser Stelle nicht von dem Heiligen Geist, sondern von seinen Worten redet, dass man sie geistlich verstehen müsse. So ist es ausreichend bekannt, dass Christus und die Apostel sich häufig nach der hebräischen Art auszudrücken pflegten, wie Geist für geistlich, Fleisch für fleischlich, sind Leben, das heißt, bringen das (ewige) Leben. Zudem sagte Christus nicht, mein Fleisch ist unnütz, sondern schlicht, das Fleisch ist nicht notwendig. Wenn man nun diese Worte nach der Meinung der Zwinglianer verstehen wollte, was würde da für eine gräuliche Gotteslästerung daraus werden? Wenn Christus sagt, das Fleisch ist unnötig, so nützt uns nach der Meinung der Zwinglianer das Fleisch Christi nichts. Ist aber nicht das Wort darum Fleisch geworden, damit wir Kinder Gottes werden? {Joh 1}. Ist nicht Christus an seinem Fleisch beschnitten worden, damit er sich dem Gesetz unterwirft und uns so vom Gesetz, das heißt, vom Fluch des Gesetzes, erlöst? {Gal 4}. Hat Christus nicht am Fleisch gelitten {1Petr 4}, damit wir durch seine Wunden geheilt werden {1Petr 2 Jes 53}? Hat er nicht an dem Leib seines Fleisches durch den Tod uns dem himmlischen Vater wiederum versöhnt {Kol 1}? Ist er nicht, weil wir Blut und Fleisch haben, dessen wir gleichermaßen teilhaftig werden, auf dass er durch den Tod die Macht nimmt, die ihm, der des Todes Gewalt hatte, das heißt, dem Teufel und erlöst die, die durch Furcht des Todes im ganzen Leben Knechte sein müssten {Hebr 2}? Sollte denn das Fleisch unnütz sein, sollte man so gottlos reden oder so wenig halten von dem allerheiligsten Fleisch Christi, das nicht nur von allen Sünden befreit, sondern auch voller Gottheit ist? Denn in Christus wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig {Kol 2}. Hier sieht man also, was die Zwinglianer von der Menschheit Christi in ihrem Herzen halten, und darum sollen wir solche Verfälscher der Schrift meiden und Christus glauben. Wenn wir auch seine Worte nicht gleich verstehen, so sollen wir bedenken, sie sind geistlich und nicht fleischlich und sollen durch Anrufung des Heiligen Geistes denselben, rechten Verstand aus den Worten des Herrn Christus selbst und anderen, oder aus der Auslegung der Apostel (denn bessere Dolmetscher kann man nicht haben), begehren.

64. Aber es sind etliche unter euch, die glauben nicht. Denn Jesus wusste von Anfang wohl, welche nicht glaubend waren, und welcher ihn verraten würde.

Glauben nicht: Meinen Worten glauben. Denn es kann keiner, auch nicht der allerbeste Prediger, so lehren, dass alles seine Zuhörer glauben.

Waren: Unter so vielen seiner Zuhörer, auch die, die ihre Meinung mit Worten zu verstehen gaben.

Verraten würde: Aus seinen zwölf Jüngern. Denn Christus sind keine Gedanken der Menschen verborgen und er sieht auch in die innerste Heimlichkeit der Herzen.

65. Und er sprach: Darum habe ich euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, es sei ihm denn von meinem Vater gegeben.

Gesagt: Weil ich gesehen habe, dass viele unter euch meinen Worten nicht glauben.

Gegeben: Denn der Glaube ist Gottes Gabe und wird den Auserwählten gegeben durch die Predigt des Evangeliums {Röm 10}. Darum, wenn wir sehen, dass die Weisen dieser Welt oder auch die gelehrten Männer dem Evangelium Christi nicht glauben, so sollen wir darum nicht an der rechten Lehre zweifeln oder uns ärgern, sondern bedenken, es ist ihnen vom Vater nicht gegeben und es soll den Weisen verborgen sein, aber den Unmündigen offenbar werden {Mt 11}.

66. Von dem an gingen seiner Jünger viel hinter sich und wandelten künftig nicht mehr mit ihm.

Dem an: Da Christus von dem geistlichen Essen seines Fleisches geredet und den groben und fleischlichen Verstand seiner Zuhörer gescholten hat.

Jünger: Die zuvor seiner Lehre oft und gern zugehört und viele herrliche Wunderwerke von ihm gesehen hatten.

Hinter sich: Dass sie von ihm wichen und ihn nicht weiter hören wollten, weil sie sich heftig über seine Lehre geärgert hatten. So etwas widerfährt zuweilen auch frommen Kirchendiener, obwohl sie das Wort Gottes rein und treu lehren, dass dennoch die Zuhörer schnell eine Ursache vom Zaun brechen, sich von dem Wort Gottes abwenden, des gottseligen Lebens überdrüssig werden und einer unrechten Lehre folgen {2Tim 4}.

67. Da sprach Jesus zu den Zwölfen: Wollt ihr auch weggehen?

Zwölfen: Seinen Aposteln, die neben anderen, wenigen Zuhörern bei Christus blieben.

Weggehen: Mich verlassen, wie ihr seht, dass es andere getan haben? Christus fragte seine Jünger aber nicht darum, als ob er ihre Meinung nicht wüsste, sondern dass er bei solch einer Gelegenheit ein gottseliges Bekenntnis von ihnen herausbrächte und sie im Rechten Glauben stärkte, wie er auch in Matthäus im 16. Kapitel die Meinung seiner Jünger erfragte, was sie von des Menschen Sohn hielten.

68. Da antwortete ihm Simon Petrus: Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens;

Simon Petrus: Im Namen aller anderen Apostel. Nicht, dass er ein König oder Fürst der Apostel gewesen wäre, sondern dass er gleichsam als Sprecher der Apostel auftrat, weil es sich nicht schickte, dass alle zwölf gleichzeitig geredet hätten. Darum richtete sich auch seine Rede nicht allein auf sich, sondern besagt, wir haben geglaubt und haben die anderen solches, sein Bekenntnis mit ihrem Stillschweigen bestätigt, weil sie ihm nicht widersprochen haben.

Gehen: Da wir andere Lehrer finden? Vielleicht zu den Pharisäern und Schriftgelehrten, die ein sinnloses Geschwätz machen, das weder Hand noch Fuß hat? Dieser Lehre nutzt weder dazu, den rechten Glauben zu erlangen oder zu bestätigen, noch zur Verbesserung des Lebens. Darum wollen wir bei dir bleiben.

Lebens: Du gibst uns eine solche Lehre vor, dass, wer sie mit Glauben annimmt, ohne Zweifel das ewige Leben dadurch erlangt. Darum sollen wir die Lehre Christi, das heißt, die Predigt des Evangeliums, lieben, lernen und in unseren Herzen behalten. Denn diese betrügt oder verführt niemanden wie die Menschensatzungen und die Träume der menschlichen Vernunft. Sie tötet auch nicht, wie das Gesetz Moses, sondern sie macht unsere Herzen lebendig, richtet auf, tröstet und gibt denen, die daran glauben, das ewige Leben. Denn das Evangelium ist eine Kraft Gottes, selig zu machen alle, die daran glauben {Röm 1}.

69. und wir haben geglaubt und erkannt, dass du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.

Geglaubt: Deiner Lehre, weil sie wahrhaftig und himmlisch ist. Und aus derselben Lehre, wie auch aus deinen herrlichen Wunderwerken erkennen wir, dass du der versprochene Messias und Heiland der Welt bist, dazu, nicht nur ein einfacher Mensch, wie wir dich vor Augen sehen, sondern auch der wahre und ewige, eingeborene Sohn des allmächtigen Gottes, Gott von Gott, ein Licht vom Licht, nicht an Kindes statt angenommen, sondern mit dem Vater eines Wesens. Mit diesem kurzen Bekenntnis hat Petrus die ganze heilsame Lehre begriffen von der Person Christi und von seinem Amt. Denn, da er ihn Christus, das heißt, den Gesalbten oder Messias nennt, zeigt er damit an, er (Christus) sei mit dem Freudenöl, das heißt, mit dem Heiligen Geist gesalbt, auf dass er ein Prophet sei, unser Meister und Lehrer, den wir hören, dem wir auch glauben und folgen sollen {5Mos 18 Mt 17}. Er gibt auch hiermit zu verstehen, er (Christus) sei gesalbt, damit er unser Hohepriester ist, der sich selbst am Kreuz opfern würde, damit sein Leiden eine Versöhnung wäre, nicht nur für unsere Sünden, sondern auch die Sünden der ganzen Welt {1Joh 2}. Er weist ferner darauf hin, Christus sei gesalbt, auf dass er unser geistlicher und himmlischer König sei, der uns mit seinem Wort und seinem Geist regiert {Ps 110 Röm 8}, und uns in allen Anfechtungen beschützt und erhält, dass uns niemand aus seiner Hand reißt, und der uns auch die Rechte und ewige Glückseligkeit mitteilt {Röm 8 Joh 10}. Dies alles gehört zum Amt Christi. Solchem gottseligen Bekenntnis Christi widerstreben diejenigen, die bestreiten, dass man mit menschlichem Verdienst Vergebung der Sünden und das ewige Leben erlangen könnte. Indem er Christus den Sohn des lebendigen Gottes nennt, unterscheidet ihn dies von allen andern Söhnen und Kindern, die an Kindes statt angenommen worden sind und zeigt an, er sei der ewige und wesentliche Sohn Gottes. Die Menschheit Christi aber sah damals jedermann mit seinen Augen. Also haben wir die ganze Person Christi, Gott und Mensch, einen Christus. Gegen dieses Bekenntnis stellen sich die Arianer, die die Gottheit Christi lästerlich leugnen. Vor solch unsinniger Schwärmerei möge Gott seine Kirche gnädig erhalten und bewahren.

70. Jesus antwortete ihm: Hab‘ ich nicht euch Zwölf erwählt? und euer einer ist ein Teufel.

Teufel: Denn euer gottseliges Bekenntnis ist zwar recht, aber ihr seid deshalb nicht alle fromm. So habe ich auch euch zwölf zum Apostelamt berufen, welches freilich das Höchste ist. Dennoch ist einer unter euch ein sehr undankbarer Geselle und ein recht teuflischer Mensch, der von mir abfallen und mich meinen Feinden verraten wird. An dieser Stelle hat man etliche Stücke zu merken. Zum Ersten, dass Christus die Herzen und die Gedanken aller Menschen bekannt sind. Danach, dass Christus aus unermesslicher Liebe gegen uns, freiwillig und ungezwungen sein Leiden auf sich genommen hat, weil er dieses zuvor gesehen hat. Zum Dritten, dass auch die, die mit vortrefflichen Gaben des Heiligen Geistes geschmückt sind, die Gnade Gottes wiederum verscherzen können. Denn es ist sicher, dass Judas Ischariot auch Wunderzeichen getan hat {Mt 10}. Darum sollen wir wachen und beten, damit wir nicht in Anfechtungen fallen. Zum Vierten sollen wir uns nicht darüber ärgern, noch an der Wahrheit der evangelischen Lehre zweifeln, wenn wir sehen, dass einer von den vornehmen Dienern des Evangeliums zum Mamelucken wird und Christus samt seinem Evangelium verrät. Zum Fünften, dass wir nicht wegen einer Misshandlung eine ganze Gesellschaft frevelhaft beurteilen. Denn obwohl Judas ein schandloser Bub gewesen ist, so waren doch die anderen Apostel fromme und gottselige Männer.

71. Er redete aber von dem Judas, Simons Sohn, Ischariot; derselbe verriet ihn hernach und war der Zwölfen einer.


Das 7. Kapitel

  • Christus streitet mit seinen Verwandten über die Reise nach Jerusalem.
  • Und lehrt öffentlich auf dem Fest.
  • Daraufhin fallen mancherlei Urteile gegen ihn.
  • Die Pharisäer und Hohepriester trachten Christus nach dem Leben, aber ihre Anschläge werden von Gott verhindert.

1. Danach zog Jesus umher in Galiläa, denn er wollte nicht in Judäa umherziehen, darum dass ihm die Juden nach dem Leben stellten.

Galiläa: In dem Land war er etwas sicherer.

Stellten: So, dass sich nicht nur viele seiner Zuhörer von ihm abgewandt und ihn verlassen hatten, sondern die Pharisäer, Hohepriester und Schriftgelehrten trachteten ihm auch nach Leib und Leben, weil er ihre Heuchelei und die Verfälschung in der Religion scharf anprangerte. Christus geht aber der Wut seiner Feinde eine Zeit lang aus dem Weg und lehrt uns mit seinem Beispiel, man soll sich hüten, dass sich niemand in eine unnötige Gefahr begibt. Die Anschläge der Juden gegen Christus erinnern uns, dass die, die von der falschen Lehre eingenommen sind, vom Teufel getrieben werden, der nicht nur ein Lügengeist, sondern auch ein Mordgeist ist {Joh 8}.

2. Es war aber nahe der Juden Fest, der Laubrüst.

Laubrüst: Oder Laubhütten. Denn Gott der Herr hatte es befohlen, Levit. 23, dass die Israeliten jährlich am 15. Tag des siebten Monats, der zum Teil mit unserem Herbst, zum Teil auch bei uns mit der Zeit der Weinlese eintrifft, sieben Tage lang, ein Fest mit Freunden abhielten. Und er hatte ihnen geboten, dass sie sieben Tage lang in Hütten wohnen sollten, aus Zweigen oder Halmen gemacht, zum Gedächtnis, dass die Israeliten in der Wüste von Gott erhalten und mit vielen Guttaten versehen worden sind. Außerdem hat Gott der Herr die Israeliten in der Wüste mit dem Himmelsbrot oder Manna ernährt, hat ganze 40 Jahre lang ihre Kleider und ihre Schuhe erhalten, dass sie nicht alt oder abgenutzt wurden, er hatte ihnen auch den Weg gezeigt, wie sie ziehen sollten, am Tag mit einer Wolke, die bei Nacht feurig erschien und hell leuchtete über dem Heerlager der Israeliten. Daneben hat er sie auch gegen die feindseligen Heiden beschützt. Mit der Feier dieses Festes hat Gott das Gedächtnis an diese Guttaten erhalten wollen und zugleich damit andeuten wollen, wie es einst einmal geschehen würde, dass wir aus der Wüste dieser Welt erlöst und im Himmel ein ewiges Freudenfest halten werden. Das Andenken des oben genannten Festes soll uns im Glauben stärken, dass wir wissen, Gott wird seine Kirche in dieser gräulichen Wüste der Welt erhalten bis an den Jüngsten Tag. Denn Christus hat uns Kleidung und Nahrung versprochen {Mt 6}. Durch das Predigtamt seines Wortes zeigt er uns den Weg, auf dem wir zum himmlischen Vaterland reisen müssen und er erhält uns in vielen Gefahren, dass die Feinde, besonders die geistlichen, uns nicht überwältigen können, zumal alle Haare auf unserem Haupt gezählt sind.

3. Da sprachen seine Brüder zu ihm: Mache dich auf von dort und gehe nach Judäa, auf dass auch deine Jünger sehen die Werke, die du tust.

Bruder: Das heißt: Seine Verwandten, die nach hebräischer Art auch Brüder genannt werden.

In Judäa: Richtung Jerusalem, zu dem vornehmsten Fest, auf dem viele tausend Personen zusammenkommen.

Jünger: Oder Zuhörer, die dir bisher nachgefolgt sind.

Sehen: Und sich darüber wundern, dir auch die Ehre des Messias antragen, wonach du ohnehin strebst.

4. Niemand tut etwas im Verborgenen und will doch frei offenbar sein. Tust du solches, so offenbare dich vor der Welt.

Offenbar sein: Wenn einer berühmt werden und ein großes Ansehen bekommen will, so soll er sich nicht in einen Winkel verkriechen und seine vortrefflichen Taten zu verbergen wünschen, sondern er muss an einem berühmten Ort große Dinge ausrichten, drüber man sich wundert. Wenn du also danach strebst, dass man dich für den Messias halten soll, so ziehe nach Jerusalem und tue dort in einer großen Versammlung des Volkes etwas Wunderbares, damit du dir einen Namen machst und die Person des Messias übernehmen kannst. Solches redeten sie nicht aus dem Herzen, sondern aus Gespött.

5. Denn auch seine Brüder glaubten nicht an ihn.

An ihn: Dass er der Messias wäre, weil sie sich über seine schlichte Person ärgerten. So geschieht es auch heutzutage manchmal, dass fromme Kirchendiener von denen verlacht und verspottet werden, denen es weniger als anderen gebührt.

6. Da spricht Jesus zu ihnen: Meine Zeit ist noch nicht hier; eure Zeit aber ist allewege.

Nicht hier: Dass ich nach Jerusalem zum Fest reise, sondern ich muss eine bessere Gelegenheit wahrnehmen.

Allewege: Ihr könnt zu jeder Zeit sicher und ohne Gefahr nach Jerusalem ziehen.

7. Die Welt kann euch nicht hassen; mich aber hasst sie; denn ich zeuge von ihr, dass ihre Werke böse sind.

Nicht hassen: Weil ihr euch eben zu der Religion bekennt, die auch die anderen Juden haben und ihr mit ihnen gleich gesinnt seid. Darum ist es kein Wunder, dass euch die Welt nicht nach dem Leben trachtet. Denn gleich und gleich gesellt sich gern.

Böse sind: Ich lehne mit meiner Lehre und in meinen Predigten die Verfälschung der Religion, Heuchelei und ein gottloses Leben ab. Weil aber die Welt solche Strafpredigten nicht leiden will, so ist es kein Wunder, dass sie mich anfeindet und mir nach dem Leben trachtet. Mit „der Welt“ aber muss man nicht nur den gemeinen, Gottlosen Haufen verstehen, der in dichter Finsternis steckt und sich mit groben Lastern besudelt, sondern auch die Heuchler, die sich so stellen, als hätten sie einen großen Eifer in der Religion und der Gottseligkeit, wo sie doch unterdessen die rechte Religion verfolgen und mit ihrer Heuchelei die Einfältigen betrügen. Die aber mit ihrer Lehre und ihrem Bekenntnis, oder auch mit einem gottseligem Wandel Irrtum und Laster der Welt verdammen, die laden den Unmut vieler Leute auf sich und geraten darüber in Gefahr. Aber sie werden von Gott erhalten, bis sie den Lauf ihres Lebens und ihrer Aufgabe vollendet haben.

8. Geht ihr hinauf auf dieses Fest. Ich will noch nicht hinaufgehen auf dieses Fest; denn meine Zeit ist noch nicht erfüllt.

9. Da er aber das zu ihnen gesagt, blieb er in Galiläa.

10. Als aber seine Brüder waren hinaufgegangen, da ging er auch hinauf zu dem Fest, nicht öffentlich, sondern gleich heimlich.

Heimlich: Dass er sich vor dem Volk nicht sehen ließ, wie er es ansonsten zu tun pflegte. Denn man soll behutsam handeln, damit wir mit unserer Unvorsichtigkeit Gott nicht erzürnen.

11. Da suchten ihn die Juden am Fest und sprachen: Wo ist der?

Wo ist der: Jesus von Nazareth, der sich sonst auf den hohen Festen zeitig einzustellen pflegte, um zu lehren und Wunderzeichen zu tun?

12. Und es war ein großes Gemurmel von ihm unter dem Volk. Etliche sprachen: Er ist, fromm. Die andern aber sprachen: Nein, sondern er verführt das Volk.

Gemurmel: Dass mancherlei von ihm geredet wurde.

Fromm: Wir halten ihn für einen von Gott gesandten Propheten, der mit seiner Lehre und seinen Wunderzeichen dem Volk Gottes großen Nutzen schafft.

Nein: Er ist kein frommer Mann oder Prophet Gottes.

Volk: Die einfachen Leute betört er mit falscher Lehre und falschen Wunderzeichen oder Verblendungen.

13. Niemand aber redete frei von ihm um der Furcht willen vor den Juden.

Furcht willen: Sie sorgten sich, sie würden von den Hohepriestern mit einem Bann belegt werden, oder sonst in Gefahr ihres Lebens kommen, weil sie wussten, dass viele Juden dem Herrn Christus sehr aufsässig gegenüber waren. Es sind darüber schon immer und überall Streit und Uneinigkeit in Religionssachen vorgefallen, dauern auch noch an und werden bleiben bis ans Ende der Welt. Diejenigen, die sich der Religion nicht annehmen, oder nicht darüber urteilen wollen, bevor eine allgemeine Einigkeit entstanden ist, die kümmern sich schlecht um das Heil und die Seligkeit ihrer Seelen. Es finden sich auch nur wenige, die Christus in Zeiten der Gefahr bekennen wollen.

14. Aber mitten im Fest ging Jesus hinauf in den Tempel und lehrte.

Lehrte: Sein Evangelium öffentlich. Denn das erforderte seine Aufgabe {Jes 61 Lk 4}. Und er schämte sich seiner Lehre nicht, deswegen predigte er auch nicht in Winkeln, wie es die Wiedertäufer zu tun pflegen. Und er lehrt uns mit seinem Beispiel, dass wir unsere Aufgaben nicht außer acht lassen sollen, auch wenn eine Gefahr zu entstehen droht.

15. Und die Juden verwunderten sich und sprachen: Wie kann dieser die Schrift, so er sie doch nicht gelernt hat?

Nicht gelernt: In der Schule der Schriftgelehrten und Pharisäer. Auch wenn zu vermuten ist, dass etliche dieser Zuhörer nicht ganz so schlecht gegen den Herrn Christus eingestellt waren und sich mit Verwunderung über ihn entsetzt haben, so ist doch aus der Antwort des Herrn Christus gut abzunehmen, dass dem größeren Teil seine Lehre ungereimte vorkommt und meint, man solle ihm nicht zuhören, weil er nicht in der Schule der Pharisäer und Schriftgelehrten unterrichtet worden war. Darum meinten sie, er schwätze unbedacht heraus, was ihm einfiele. Es können aber die Wiedertäufer und andere Schwindelhirne mit dem Beispiel Christi und der Apostel es sich nicht schönreden oder entschuldigen, dass sie, obwohl sie ungelehrt sind, sich unterstehen dürfen, andere in der Religion zu unterrichten. Denn Christus und die Apostel sind von Gott insbesondere dazu berufen worden, dass sie lehren sollten und ihre Lehre mit herrlichen Wunderwerken bestätigen. Aber die Wiedertäufer haben keinen rechtmäßigen und ordentlichen Beruf, so können sie viel weniger mit Wunderzeichen darlegen, dass sie ohne Mittel von Gott berufen wurden. Christus ist die Weisheit des himmlischen Vaters selbst, darum kann er am allerbesten lehren und predigen. Die Apostel haben am Pfingsttag wunderbare Gaben des Heiligen Geistes empfangen, dass sie alle Sprachen gekannt und mit herrlicher Erkenntnis der Heiligen Schrift begabt wurden. Davon findet sich nichts bei den Wiedertäufer. Und weil die besondere Gabe, die die Apostel in der ersten Kirche zur Bestärkung des Evangeliums Christi, mit Auflegung der Hände anderen mitteilten, nicht mehr in der Form gegeben werden, so ist heutzutage notwendig, dass man sie mit der Anrufung des Heiligen Geistes und mit fleißigem Studium in der Heiligen Schrift, guten Künsten und Sprachen erlangt und zuwege bringt, so viel es zur Unterrichtung der Kirche Gottes nötig ist.

16. Jesus antwortete ihnen und sprach: Meine Lehre ist nicht mein, sondern des, der mich gesandt hat.

Nicht mein: Ich lehre nicht menschliche Träume, die einem Menschen ohne Gefahr in den Sinn kommen könnten, wie eure Hohepriester, Pharisäer und Schriftgelehrten es tun, und ich rede auch nicht heraus, was mir ins Maul kommt, wie es die tun, die euch auffordern, dass ihr gegen die Römer die Waffen ergreifen sollt sondern meine Lehre ist eine himmlische Lehre, die mir von meinem himmlischen Vater anvertraut wurde, damit ich sie meinen Zuhörern vorhalten soll. Bis hierhin habe ich sie mit den Schriften der Propheten bestätigt. Wenn ihr diese nun verachtet, so verachtet ihr keine menschliche, sondern die göttliche Lehre, und ihr werdet deshalb von Gott, von dem diese Lehre kommt, schwer gestraft werden. Obwohl nun zwischen dem Herrn Christus und einem evangelischen Kirchendiener ein großer Unterschied besteht, so kann doch ein reiner Lehrer der Kirche, der nichts anderes lehrt, als was in der Heiligen Schrift begründet ist, auch recht haben. Meine Lehre kommt nicht von mir, sondern von dem, der mich gesandt hat und die Zuhörer sollen solche Lehre nicht als die eines Menschen, sondern als Gottes Lehre annehmen.

17. So jemand will des Willens tun, der wird innewerden, ob diese Lehre von Gott sei oder ob ich von mir selbst rede.

Des Willens: Meines himmlischen Vaters, der mich gesandt hat.

Selbst rede: Und menschliche Träume anstatt des Wortes Gottes vorbringen. Denn etliche hätten ihm vorwerfen und sagen können, du, Jesus von Nazareth, rühmst zwar deine Lehre hoch, aber unsere Pharisäer und Schriftgelehrten halten und reden viel anders davon. Darum wissen wir bei solcher Ungleichheit der Meinungen und verschiedenem Urteil nicht, was wir tun sollen, und ob wir sie für eine menschliche oder für eine göttliche Lehre halten soll. Aber wer einen rechten Eifer zur Religion hat und wem seine ewige Seligkeit ernsthaft am Herzen liegt, den lässt Gott nicht für alle Zeit in der Finsternis der Religion stecken, sondern erleuchtet ihn mit seinem Heiligen Geist durch das Predigtamt des göttlichen Wortes, dass er die strittigen Religionsartikel richtig beurteilen kann, was man daraus folgern, oder vermeiden soll. Und so groß ist das Wunder nicht, dass viele von ihnen in Irrtümern stecken bleiben und darüber verloren werden, weil sie hundertmal mehr Fleiß und Mühe auf weltliche Sachen wenden, damit sie Ehre und Reichtum erlangen, oder behalten, oder auch zeitliche Freude und Wollust haben mögen, ja, sich sogar auf liederliche Sachen verlegen, als dass sie der himmlischen Wahrheit nachforschen wollen.

18. Wer von ihm selbst redet, der sucht seine eigene Ehre; wer aber sucht die Ehre des, der ihn gesandt hat, der ist wahrhaftig, und ist keine Ungerechtigkeit an ihm.

Redet: Dass er die Dünkel seines Herzens den Zuhörern für Gottes Wort unterschiebt.

Eigene Lehre: Er geht darauf ein und richtet seine Lehre dahin, dass man ihn für einen weisen, gelehrten und heiligen Mann halte und er vor anderen hervorkomme.

Wahrhaftig: In seiner Lehre und kein Betrüger oder Verführer.

An ihm: Ihm kann kein Irrtum oder Unrecht nachgewiesen werden, weil er sein Amt recht und treu versieht. Nach dieser Regel hat man die falschen Propheten im Alten Testament erkennen können, weil sie das alte Gesetz des Moses hintangesetzt haben und unglaublich viele neue Gottesdienste eingerichtet haben, damit man sie für heilig hielt und sie als eifrige Leute im Gottesdienst angesehen wurden. Die Lehre der Pharisäer war allerdings dahin gerichtet und gemeint, dass sie vom Volk für die gelehrteste und heiligsten Ausleger des Gesetzes gehalten würden, obwohl sie nichts als lauter lose Theorien und unnützes Geschwätz vorbrachten. So hat die päpstliche Lehre dem Papst in Rom die Monarchie über alle Kaiser, Könige und Fürsten zuwege gebracht. Zusammengefasst: Wenn man die Taten aller Ketzer ansieht, so findet man, dass sie nicht Gottes, sondern ihre eigene Ehre gesucht haben, die sie so hoch geachtet haben, dass, auch wenn sie öffentlich eines Irrtums überführt worden sind, sie dennoch Gott nicht die Ehre geben wollten, sondern haben vielmehr ihre und anderer Leute Seligkeit in den Wind geschlagen, als dass sie ihr Ansehen verlieren wollten. Und es richteten ehrgeizige Leute oft viel Unruhe in der Kirche an.

19. Hat euch nicht Mose das Gesetz gegeben? Und niemand unter euch tut das Gesetz. Warum sucht ihr mich zu töten?

Hat: Jetzt zeigt Christus an, was die Juden für grausame Leute sind, dass sie ihm nach dem Leben trachten, weil er am Sabbat einen Menschen gesund gemacht hat, wie oben in Kapitel fünf berichtet wurde.

Gesetz gegeben: Denn eure Vorfahren haben das Gesetz von Moses empfangen.

Tut: Es ist keiner unter euch allen, der mit Wahrheit sagen kann, dass er das Gesetz hält. Ja, wenn man etwas genauer auf euer Leben und euren Lebenswandel achten würde, so würde sich wohl keiner unter euch finden, der nicht den Tod verschuldet hätte wegen seiner Übertretungen und dass er dem Gesetz Moses entgegen gehandelt hat. Aber ihr achtet eure Sünden nicht, sondern könnt einer den anderen übersehen, hingegen wollt ihr mich, einen unschuldigen Menschen, töten, nur darum, weil ihr euch selber fälschlicherweise vormacht, ich habe mit der Heilung eines kranken Menschen am Sabbat den Sabbat entheiligt. Wenn ihr aber einen so großen Eifer für das göttliche Gesetz habt, dass dieses Fest und stark gehalten wird, warum fangt ihr denn nicht bei euch selbst an und straft die Übertretungen des Gesetzes zuallererst an euch? Denn das ist die verkehrte Art der verderbten, menschliche Natur, dass wir auf das Leben und den Wandel anderer Leute genau achten und streng beurteilen, hingegen unseren eigenen Fehlern und Mängeln gegenüber gleichsam blind sind und sie nicht erkennen. Aber wir sollten zuerst den Balken aus unserem Auge ziehen, wie die Splitter aus dem Auge des Bruders ziehen {Lk 6}.

20. Das Volk antwortete und sprach: Du hast den Teufel; wer sucht dich zu töten?

Teufel: Du bist vom bösen Geist besessen, der dich so reizt und treibt, dass du uns fälschlicherweise vorwerfen darfst, wir trachten dir nach dem Leben. Denn es verdross die Juden, dass sie als Übertreter des Gesetzes einer ungerechten Grausamkeit beschuldigt wurden. Es ist aber eine unverschämte Sache, die einem Christen übel ansteht, dass man einen frommen Menschen öffentlich Lügen straft. Aber die blutdürstigen Feinde der Kirche leugnen stark, was sie im Sinn haben.

21. Jesus antwortete und sprach: Ein einiges Werk habe ich getan, und es wundert euch alle.

Sprach: Dass er ihnen den Grund deutlicher aufzeigte, warum und wie unrecht die Juden ihm nach dem Leben trachteten.

Werk: Weil ich nämlich neulich einen Menschen, der 38 Jahre krank gewesen war, gesund gemacht habe, was freilich kein geringes Wunderwerk gewesen ist.

Wundert euch: Über dasselbe Werk, so überzeugt euch zwar euer eigenes Gewissen, dass es kein menschliches, sondern ein göttliches Werk sein müsste. Warum haltet ihr mich dann des Todes für würdig, obgleich ich diesem armen Menschen am Sabbat eine derartige Guttat erwiesen habe? Denn der Sabbat wird nicht mit allen Tätigkeiten ohne Unterschied entheiligt, sondern es gibt etliche Werke, die auch am Sabbat ohne Sünde verrichtet werden können.

22. Mose hat euch darum gegeben die Beschneidung, nicht dass sie von Mose kommt, sondern von den Vätern; noch beschneidet ihr den Menschen am Sabbat {1Mos 17v10}.

Beschneidung: Als er befohlen hatte, dass ein jeder Knabe am achten Tag nach seiner Geburt beschnitten werden solle, egal ob der Tag der Beschneidung auf den Sabbat oder auf einen anderen Tag fällt.

Kommt: Er hat es nicht vorgebracht, als ob es etwas Neues wäre, sondern er hat den Befehl von der Beschneidung der Knaben, der längst zuvor dem Abraham von Gott gegeben worden ist {1Mos 17}, wieder erneuert. Und Christus hat das Beispiel dafür mit angeführt, damit er zu erkennen gibt, wie viel und herrliches er von der Beschneidung hielt.

23. So ein Mensch die Beschneidung annimmt am Sabbat, auf dass nicht das Gesetz Moses gebrochen werde, zürnt ihr denn über mich, dass ich den ganzen Menschen habe am Sabbat gesund gemacht?

Am Sabbat: Wenn nämlich der achte Tag nach der Geburt auf einen Sabbat fällt und tut recht daran.

Sabbat: (Nach Luther) Sabbat halten, ist Moses Gesetz. Beschneiden ist das Gesetz der Väter. Diese stehen ja gegeneinander, wenn sich jemand am Sabbat beschneiden lässt, und eines muss dem anderen weichen. Darum besteht die Erfüllung des Gesetzes nicht auf den Buchstaben, sondern im Geist.

Gemacht: Denn, wenn es dem Gesetz Gottes nicht zuwider ist, dass man einen Menschen am Sabbat beschneidet, so wird es ihm noch viel weniger widerstreben, wenn man einem ganzen Menschen hilft und ihn gesund macht. Und dieser Mensch hat allem Anschein nach nicht nur die leibliche Gesundheit erlangt, sondern es ist zu vermuten, dass er aus diesem Wunderwerk den Heiland Christus erkannt hat, damit er auch der ewigen Seligkeit teilhaftig wird. Am Sabbat, oder aber an Festtagen, soll man sich zwar der täglichen Handwerksarbeit enthalten, damit wir mehr Zeit für den Gottesdienst haben, aber die Werke, die ohne Mittel Gottes Ehre und des nächsten ewige Wohlfahrt befördern, brechen das Gebot von der Heiligung des Sabbats gar nicht. Ja, wenn es die Not also erfordert, so mag man auch andere Tätigkeiten an Feiertagen ausrichten, besonders, wenn diese Sachen keinen Verzug erleiden dürfen und es sich nicht ohne Gefahr aufschieben lässt. Denn der Sabbat ist um des Menschen und nicht der Mensch um des Sabbats willen.

24. Richtet nicht nach dem Ansehen, sondern richtet ein recht Gericht!

Ansehen: Dass ihr die Sache nur oberflächlich betrachtet und von meinem Wunderwerk frevelhaft urteilt.

Recht Gerichte: Wägt den Handel ab, wie es recht und billig ist, nach allen Umständen, so werdet ihr nichts finden, was ihr an meiner Person oder an meinen Werken zu beklagen oder zu tadeln hättet.

25. Da sprachen etliche von Jerusalem: Ist das nicht der, den sie suchten zu töten?

Da: Bisher haben wir gehört, wie Christus in einer öffentlichen Predigt die Wahrheit seiner Lehre bestätigt und das Wunderwerk, welches er am Sabbat an dem armen Menschen, der 38 Jahre krank gewesen ist, getan hat, verteidigt hat. Jetzt folgt, wie seine Zuhörer von ihm geurteilt haben.

Zu töten: Weil er anderes lehrt als sie und die Kranken am Sabbat heilt. Wie kommt es denn, dass sie ihn jetzt schonen, da sie ihn doch in ihre Gewalt bringen könnten?

26. Und siehe zu, er redet frei, und sie sagen ihm nichts. Erkennen unsere Obersten nun gewiss, dass er gewiss Christus sei?

Frei: Dass er nicht nur öffentlich im Tempel gelehrt, sondern auch die Hohepriester, Schriftgelehrten und Pharisäer schilt, als ob sie ihn und seine Werke Unrecht beurteilten.

Ihm nichts: Sie dürfen nicht das Geringste gegen ihn verlauten lassen.

Obersten: Die Hohepriester, deren Aufgabe es von Amts wegen war, von der Religion zu urteilen.

Christus: Der versprochene Messias. Allem Anschein nach werden sie ihr Gemüt geändert haben, sonst würden sie ihn sicher nicht so übersehen.

27. Doch wir wissen, von wannen dieser ist; wenn aber Christus kommen wird, so wird niemand wissen, von wannen er ist.

Dieser ist: Nämlich, dieser Jesus, dessen Vaterland, Eltern und Verwandten wir kennen. Darum können wir ihn nicht für den Messias annehmen (sagen die Juden). Sie (die Hohepriester und Schriftgelehrten) mögen von ihm halten, was sie wollen.

Niemand wissen: Sondern, es werden sowohl seine Eltern, als auch sein Vaterland unbekannt sein, und diese Juden aber lagen weit daneben. Denn das Vaterland des Messias, Bethlehem, war in den Schriften des Propheten Micha im Kapitel 5 ausdrücklich namhaft gemacht und die Propheten bezeugen einmütig, dass er aus dem Geschlecht Davids herkommen und geboren werden sollte. Weshalb sagen sie denn, Christus werde unbekannt sein? Es waren aber die, die das vorbrachten, Bürger in Jerusalem und hatten den Tempel Gottes, in dem sie täglich das Gesetz und die Schriften der Propheten hören, lesen und erklären konnten. Aber wie ihre Lehrer mehr auf Menschensatzungen drangen, als dass sie die Weissagungen von Christus recht zu erklären sich bemüht hätten, so waren diese, ihre Zuhörer, mehr auf ihren zeitlichen Nutzen aus, als dass sie sich bemüht hätten, die Lehre von Christus zu verstehen. So ist es im Papsttum auch zugegangen, darum ist es kein Wunder, dass von ihnen nur wenige (im Gegensatz zu vielen Tausenden,) die Lehre von Christus recht verstanden haben. Heutzutage aber, da das Evangelium von Christus lauter und rein gelehrt wird, haben die Zuhörer durchaus keine Entschuldigung, wenn sie die christliche Religion nicht ausreichend erfassen. Darum, wenn etliche bei uns in der Finsternis der Unwissenheit verloren gehen, die werden durch ihre eigene Schuld verloren gehen, weil sie die Lehre des Evangeliums verachten. Diese schändliche Undankbarkeit wird Gott der Herr auch mit zeitlichen Plagen strafen.

28. Da rief Jesus im Tempel, lehrte und sprach: Ja, ihr kennt mich und wisst, von wannen ich bin; und von mir selbst bin ich nicht kommen, sondern es ist ein Wahrhaftiger, der mich gesandt hat, welchen ihr nicht kennt.

Da: Es folgt die Antwort Christi auf die Ausflüchte, die die Juden in Jerusalem gesucht hatten.

Rief: So, dass seine Stimme von allen Zuhörern gehört werden konnte.

Wisst: Ihr macht euch selber vor, dass ihr glaubt, ihr kennt mich gut. Daraus schließt ihr danach fälschlicherweise, ich sei nicht der versprochene Messias. Wenn ihr mich aber gut und richtig kennen würde, so würdet ihr viel anders urteilen.

Nicht kommen: Ich habe mich zum Predigtamt nicht selbst unberufen gedrängt, wie es die falschen Propheten tun, die bereits laufen, ehe sie gesandt werden.

Wahrhaftiger: Und ewiger Gott, der niemanden zu betrügen wünscht.

Gesandt hat: Zu euch. Wenn ihr diesen recht kennen und lieben würdet, so würdet ihr mich, seinen Gesandten, nicht so gering achten.

Nicht kennt: Darum ist es auch kein Wunder, dass ihr mich, als seinen Gesandten, nicht achtet, weil euch sein Wille unbekannt ist, den zu erkunden ihr euch nicht sehr bemüht.

29. Ich kenne ihn aber; denn ich bin von ihm, und er hat mich gesandt.

Kenne ihn: Darum kann ich auch von seinem Willen recht lehren. Denn wer die Religionssachen selbst nicht versteht, der wird sie anderen noch viel weniger lehren können. Und wer Gott, den Vater, recht erkennen will, der muss Jünger und Schüler des Sohnes Gottes werden.

Von ihm: Und aus seinem Wesen, von Ewigkeit geboren. Mit diesen Worten wird die ewige Gottheit Christi, nach der er mit dem Vater eines Wesens ist, gegen die Arianer bestätigt.

Gesandt: In die Welt und gewollt, dass ich menschliche Natur (jedoch ohne Sünde) an mich nehme und euch den Weg zum ewigen Leben zeige, dass ihr dieses erlangen könnt. Das sich auch für euch das Gesetz erfülle und für eure Sünden genug tue. Wer deswegen mich nicht annehmen will, der stellt sich gegen den wahren, ewigen Gott, dessen Gesandter ich bin, und spielt der Seligkeit seiner Seele übel mit. Mit diesen Worten wird uns die Menschwerdung Christi samt seinem Mittleramt vorgehalten. Darum sollen wir Christus, Gott und Mensch, für den Heiland der Welt erkennen.

30. Da suchten sie ihn zu greifen. Aber niemand legte die Hand an ihn; denn seine Stunde war noch nicht kommen.

Sie: Nämlich, die Hohepriester, Pharisäer und Schriftgelehrten, die unter dem Volk waren, um Christus zu hören, was er predigte, wollten ihn gefangen nehmen, weil sie über seine Worte sehr zornig und verbittert waren.

Legte: Es dürfte ihn niemand mit Gewalt angreifen.

Stunde: Die ihm sein himmlischer Vater bestimmt hatte, dass er gefangen genommen und getötet werden sollte. Darum, obwohl es den Feinden Christi weder am Willen noch an der Macht fehlte, so konnte ihm doch, vor dem vom Vater bestimmten Zeit, niemand an seinem Leben schaden. So ist doch jedem Menschen das Ziel gesetzt, wann er sterben soll, was er nicht übergehen kann {Hi 14}. Und alle Tage unseres Lebens sind in dem Buch Gottes aufgeschrieben {Ps 139}. Darum kann uns niemand unser Leben nehmen, ehe die Stunde kommt, die Gott zu unserem Tod bestimmt hat. Doch soll sich keiner in unnötige Gefahr seines Lebens begeben, auf dass er Gott nicht versuche, sondern es soll uns diese Lehre stärken uns ein Herz fassen lassen, dass wir in unserer Arbeit immer fortfahren und uns durch keine Gefahr von unserem Amt abschrecken lassen. Unterdessen aber sollen wir uns stets auf den Tod in der Gottseligkeit gefasst machen, weil wir die Stunde, die uns von Gott bestimmt ist, nicht wissen, die wir aber gewiss nicht überleben werden.

31. Aber viele vom Volk glaubten an ihn und sprachen: Wenn Christus kommen wird; wird er auch mehr Zeichen tun, denn dieser tut?

Volk: Die seiner Lehre zugehört hatten, die nicht so kalt und einschläfernd vonstattengingen, als die Predigten der Pharisäer. Sondern die Worte des Herrn Christus waren sehr kräftig und hatten einen Nachdruck, dass sie bis ins Herz eindrangen. So lehrte er auch mit einem besonderen Ansehen, sodass sich das Volk darüber entsetzte {Mt 7}.

An ihn: Also, dass, obwohl etliche Juden Jesus von Nazareth nicht für den Messias erkennen wollten, wie wir schon gehört haben, so ist dennoch die Lehre Christi allerdings nicht ohne Frucht geblieben. (Denn das Wort Gottes wird niemals ohne Frucht gepredigt:

Dieser tut: Wenn Christus einst in die Welt kommen wird, wie wir bisher geglaubt haben, so wird er gewiss keine größeren Wunderwerke tun, als dieser getan hat. Darum glauben wir, dass dieser der versprochene Messias ist. Es ließen sich aber diese Leute durch die herrlichen Wunderwerke sehr bewegen und schlossen richtig daraus, dass Jesus der versprochene Messias wäre. Denn so hatte der Propheten Jesaja von ihm geweissagt, Kap. 35, dass er große Wunderwerke tun würde. Und die Wunderwerke sind Zeugnis der Propheten, Christi und der Apostel, womit ihre Lehre von Gott bestätigt worden ist. Aber die falschen Wunderwerke, die entweder von den Zauberern geschahen {2Mos 7}, oder sich bei anderen Heiden zutrugen, wovon Valerius Maximus im ersten Buch, Kapitel 4 und 6 schreibt, so wie auch die päpstlichen, womit die Abgötterei der Bilder und das Opfer der Messe für die Lebendigen und Toten bestätigt wird, soll man verachten und verwerfen, weil sie zur Förderung der Abgötterei geschehen. Denn der Apostel Paulus hat uns gewarnt, dass wir uns vor den verlogenen Zeichen und Wundern des Antichristen hüten sollen {2Thes 2}.

32. Und es kam vor die Pharisäer, dass das Volk solches von ihm murmelte. Da sandten die Pharisäer und Hohepriester Knechte aus, dass sie ihn griffen.

Murmelte: Dieser Jesus wäre der verheißene Messias, was sie sehr übel verdross, weil sie im spinnefeind waren.

Pharisäer: Die blutdürstigen Heuchler, die Jesuiten.

Hohepriester: Der oberste Priester samt seinen vornehmsten Mitgehilfen: der Papst und seine Kardinäle.

Knechte: Die Meister der Ketzerei und andere, die darauf warten, dem Papst zu Diensten zu sein und ihm die Füße küssen.

Griffen: Und Gefangenen zu ihnen führten, damit er nach ihrem Wohlgefallen getötet würde. Denn sie sorgten sich darüber, dass nicht zuletzt das ganze Volk ihm und seiner Lehre Beifall geben würde. Und, die eine falsche Lehre halsstarrig verteidigen, die werden von Satan getrieben. Weil dieser nun nicht allein ein Lügner, sondern auch ein Mörder ist, so reizt er sie und treibt sie an, dass sie die reinen und gottseligen Lehrer und Bekenner des Evangeliums ausrotten sollen. Aber damals ist ihnen ihr blutdürstiger Anschlag nicht gelungen.

33. Da sprach Jesus zu ihnen: Ich bin noch eine kleine Zeit bei euch, und dann gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat.

Bei euch: Dass ich von euch umgeben bin, ihr mich gegenwärtig hören, meine Wunderzeichen sehen und mit mir reden könnt. Denn weil Christus wusste, dass man ihm nach dem Leben trachteten und er nicht mehr viel Zeit hatte, auf dieser Erde zu leben, so hat er seine Zuhörer an seinen zeitlichen Abschied erinnern wollen, damit sie sich danach umso weniger darüber grämten.

Gesandt hat: Es naht die Zeit heran, dass ich durch den Tod zu meinem himmlischen Vater gehe, als ein Hohepriester, der eure und die Sünden der ganzen Welt büßen wird. So werde ich auch wiederauferstehen, zum Himmel fahren und zur Rechten des Vaters sitzen, und euch mit meiner Fürbitte in aller Zeit vertreten {Röm 8}. Ihr aber werdet während meiner Abwesenheit sehr unleidig sein und ein großes Verlangen haben, mich zu sehen und zu hören. Aber ihr könnt noch nicht in den Himmel kommen, bis eure Zeit, die euch vom Vater festgesetzt ist, näher kommt, wo ihr dann aus diesem Jammertal durch viele Trübsale denn hindurchgedrungen seid und errettet werdet und dann bei mir sein werdet {Joh 14}. Denn so erklärt Christus selbst diesen Spruch, als er mit Petrus redet {Joh 13}. Wenn wir deswegen wahrhaftig an Christus glauben, so werden wir einmal mit ihm im Paradies sein und am Jüngsten Tag, durch die Luft, ihm entgegengezogen werden und immer bei ihm sein {1Thes 4}.

34. Ihr werdet mich suchen und nicht finden; und da ich bin, könnt ihr nicht hinkommen.

35. Da sprachen die Juden untereinander: Wo will dieser hingehen, dass wir ihn nicht finden sollen? Will er unter die Griechen gehen, die hin und her zerstreut liegen, und die Griechen lehren?

Juden: Die die Rede des Herrn Christus damals nicht recht verstanden.

Griechen: Die Juden nannten alle Heiden ohne Unterschied Griechen.

36. Was ist das für eine Rede, dass er sagt: Ihr werdet mich suchen und nicht finden, und: Wo ich bin, da könnt ihr nicht hinkommen?

Rede: Was meint er damit, dass er vorgibt, er würde an einen solchen Ort gehen, wo wir nicht hinkommen können und sich weit von hier wegbegeben unter fremde und unbekannte Völker, weil er bemerkt, dass er im jüdischen Land nicht sicher sein kann? Es ist aber kein zu großes Wunder, dass die Juden die noch nicht lange bei Christus in die Schule gegangen waren, seine Rede nicht ausreichend verstanden haben, sondern man hat sich vielmehr darüber zu verwundern, dass die Zwinglianer die pünktliche Erkenntnis aller Geheimnisse sich selbst zumessen, die Worte Christi, da er von seinem Gang zum Vater redet, so verkehrt auslegen und fälschlicherweise daraus schließen, Christus habe seinen Leib der Welt ganz entzogen, dass er im Himmel und an einem gewissen Ort bleibt und mit seinem Leib und Blut auf Erden nirgends und niemals gegenwärtig ist, vor dem Jüngsten Tag. Christus sagt zwar, er werde zum Vater gehen, aber wenn man diese Worte nach der Meinung der Zwinglianer versteht, so würde daraus folgen, dass der Vater weit ab von Christus und abgesondert sei. So sagt Christus zu Philippus: Philippus, wer mich sieht, der sieht auch den Vater. Bald danach: Glaubst du nicht, dass ich im Vater und der Vater in mir ist {Joh 14}? Und wenn Christus, damit er zum Vater kommt, eine weite Reise durch den Himmel der Planeten tun muss, bis er zum Vater kommt, wie wird er da der ewige Sohn Gottes sein, mit dem Vater eines Wesens und von ihm ungetrennt? Man spürt deswegen hier den Löwen an seinen Klauen, nämlich, durch die verkehrte Auslegung dieser und anderer Sprüche Christi, den arianischen Geist.

37. Aber am letzten Tage des Festes, der am herrlichsten war, trat Jesus auf, rief und sprach: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!

Fests: Nämlich der Laubhütten, und es war der achte Tag, an dem sich die Gemeinde häufig versammelte, Levit 23.

Auf: Im Vorhof des Tempels und predigte öffentlich mit heller Stimme.

Trinke: Denn ich bin vom himmlischen Vater darum in dieser Welt gesandt, dass ich den armen Menschen zu Hilfe kommen soll, die in großen Ängsten des Herzens sind und damit, wie mit einem unleidlichen Durst geplagt werden. Denen kann und will ich helfen und sie wieder erquicken. Es gibt aber keinen größeren und unleidlicheren Durst, als wenn die Seele eines Menschen den Zorn Gottes gegen die Sünden empfindet und damit gequält wird, dass der Mensch in großer Angst und mit tiefem Seufzen nach der Gnade Gottes und, um Vergebung der Sünden zu erlangen, sich sehnt und mit herzlicher Begierde im Wort Gottes Trost sucht. Von diesem Durst steht geschrieben in Jes. 41. und im 42. Psalm. Dieser Durst kann allein mit dem Evangelium gestillt werden.

38. Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von des Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen {Joel 2v28 Apg 2v17}.

Fließen: So, dass er nicht nur sein, sondern auch den Durst anderer Leute stillen können wird. Denn solche Wasser des evangelischen Trostes werden reichlich von ihm fließen, dass er auch andere damit erquicken können wird. Der glaubt aber an Christus, der da glaubt, dass der eingeborene Sohn Gottes um seinetwillen Mensch geworden ist, für ihn das Gesetz vollkommen erfüllt hat, am Kreuz für ihm gelitten hat und für ihn die Vergebung der Sünden und das ewige Leben erworben hat, auf dass, wer an ihn glaubt, nicht verloren wird, sondern das ewige Leben hat {Joh 3}. E fließen aber lebendige, das heißt, heilsame Wasser, die den Menschen erquicken, von denen, die das Evangelium Christi lehren. Denn durch diese evangelische Lehre (die von dem Verdienst und den Guttaten Christi gepredigt wird) werden die durstigen Seelen, die sonst schier verzagen, wiederum gelabt und wunderbar erquickt. Also sind von dem Apostel Petrus lebendige Wasserströme geflossen, als er am Pfingsttag, nachdem er angefangen hatte, in Jerusalem das Evangelium Christi gelehrt und mit einer Predigt 3000 Seelen getränkt und erquickt hat {Apg 2}. Eben das haben auch die anderen Apostel getan, jeder an seinem Ort, wo er das Evangelium gepredigt hat, so auch die Laien (wie man sie nennt), wenn sie Christus vor der Welt erkennen und andere locken, dass sie auch das Evangelium Christi annehmen, oder wenn sie andere, betrübte und kleinmütige Christen, die unter dem Kreuz, oder in Todesnöten stecken, mit dem Evangelium Christi trösten, so geben sie lebendiges Wasser von sich, womit die armen Seelen erquickt werden. Besonders aber soll man diese Worte Christi von den Kirchendienern verstehen. Denn ihnen ist das ordentliche Predigtamt des Evangeliums befohlen, das der Apostel Paulus ein Amt des Geistes nennt {2Kor 3}. Darum, dass durch dieses Amt der Heilige Geist gegeben wird, der die verängstigten Gewissen wahrhaftig tröstet und unserem Geist Zeugnis gibt, dass wir Gottes Kinder sind {Röm 8}. Solch ein Predigtamt ist am Pfingsttag durch den Heiligen Geist, der den Aposteln und vielen anderen Gläubigen geschenkt worden war, bestätigt und bewahrheitet worden. Von solch einer reichen Ausgießung des Heiligen Geistes über die Gläubigen spricht die Schrift im Alten Testament sehr oft, da Gott verheißt, dass er über ein dürres Erdreich häufig Wasser ausschütten will. Und dass dieser der rechte und eigentliche Sinn dieses Ortes ist, bezeugen die folgenden Worte des Evangeliums selbst.

39. Das sagte er aber von dem Geist, welchen empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Heilige Geist war noch nicht da, denn Jesus war noch nicht verklärt.

Empfangen sollten: Die Apostel und andere Gläubige am Pfingsttage und danach.

Nicht da: Er war den Gläubigen noch nicht gesandt mit den wunderbaren Gaben, die sie danach am Pfingsttage zur Ausbreitung und Bestätigung des Evangeliums Christi empfangen haben. Darum verspricht ihnen Christus den Heiligen Geist mit dem Gleichnis eines lebendigen Wasserstroms.

Verklärt: Denn obwohl Christus mit vielen Wunderwerken in Judäa und Galiläa vielen Leuten bekannt geworden war, so ging er jedoch in der Knechtsgestalt herum {Phil 2}, und war von den Toten noch nicht wiederauferstanden, auch noch nicht zum Himmel gefahren und hatte die wunderbaren Gaben des Heiligen Geistes noch nicht über seine Apostel ausgeschüttet, was alles zu seiner Majestät und Verklärung gehörte. Denn dies ist nicht dahin zu verstehen, als ob der Heilige Geist, seinem Wesen nach, vor dem Pfingsttag nicht gewesen wäre. damals schwebte der Geist Gottes noch über dem Wasser, da die Erschaffung der Welt noch nicht vollendet gewesen ist {1Mos 1}. Und durch den Geist seines Mundes sind alle himmlischen Heere gemacht worden {Ps 33}. So hat auch eben dieser Heilige Geist vor Zeiten durch die Propheten gesprochen {1Petr 1}. Sondern es lautet dieser Spruch des Evangelisten von den wunderbaren Gaben des Heiligen Geistes, die über die Apostel ausgegossen wurden durch eben denselben Heiligen Geist und Herren, der mit dem Vater und Sohn eines Wesens ist und vom Vater und Sohn ausgeht. Wir aber sollen aus den Predigten das evangelische Wasser schöpfen, auf dass wir, so oft es nötig ist, unsere durstige Seele erquicken können.

40. Viele nun vom Volk, die diese Rede hörten, sprachen: Dieser ist ein rechter Prophet.

Rechter Prophet: Der von Gott zu uns gesandt worden ist, dass er uns den rechten Weg zur Seligkeit zeigt. Und diese Zuhörer Christi waren nicht übel gegen ihn eingestellt, aber doch kannten sie ihn noch nicht recht, weil sie ihn nur für einen Propheten und nicht für den Messias hielten.

41. Die andern sprachen: Er ist Christus. Etliche aber sprachen: Soll Christus aus Galiläa kommen?

Christus: Der Heiland der Welt, der von Gott durch die Propheten vor langer Zeit verheißen worden ist. Diese hielten recht von der Person Christi.

Etliche: Dass sie hörten, dass man ihm die Ehre des Messias zusprach.

42. Spricht nicht die Schrift, von dem Samen Davids und aus dem Flecken Bethlehem, da David war, solle Christus kommen {Mi 5v2 Mt 2v5 v6}?

David war: Als er noch in seinem Vaterland die Schafe hütete. Dieser Jesus aber (sprechen sie) ist in Nazareth daheim und wir glauben nicht, dass er vom Geschlecht David seine Herkunft hat. Diese waren recht daran, dass sie nach der Schrift glaubten, Christus würde aus dem Geschlecht Davids und aus dem Städtlein Bethlehem herkommen, denn dieses hatte der Prophet Nathan dem David verheißen {2Sam 7}. So hatte dies der Prophet Micha ausdrücklich zuvor verkündigt, Kapitel 5. Aber die Hirten irrten sich in dem Fall, dass sie meinten, Christus wäre in Nazareth geboren, weil er da erzogen wurde und dass sie nicht wussten, wie Christus aus dem Geschlecht David seine Herkunft hätte. Daher ist es geschehen, dass sie die Schrift falsch, übel gegen Christus verwendeten.

43. Also ward eine Zwietracht unter dem Volk über ihm.

Zwietracht: Weil etliche meinten, er wäre ein Prophet, andere sagten, er wäre der Messias, etliche aber dieses leugneten, und ihre Meinung mit der Heiligen Schrift zu beweisen sich bemühten. Dies waren alles Israeliten und keine Heiden, auch keine gottlosen Völker und konnten dennoch in der Meinung von Christus nicht einig werden. Darum sollen wir uns nicht ärgern, wenn auch heutzutage in der christlichen Kirche Spaltungen sind. Denn es ist nie unter den Menschen so gut gegangen, dass allen das Gleiche und das Beste gefallen hat. Wir sollen auch gut acht geben, dass wir mit falschen Verweisen der Schrift nicht betrogen werden. Und damit solches nicht geschieht, sollen wir folgende Punkte wahrnehmen: Erstens, sollen wir sehen, ob das, was aus der Schrift herangezogen wird, ebenso darinnen steht und gelesen werden kann. Danach soll man den ganzen Text, wenn er von einer Sache spricht, dagegenhalten. Zum vierten, andere Sprüche der Schrift herbeiziehen, die im Widerspruch dazu zu sein scheinen. Besonders aber soll man Gott anrufen, dass er durch den Heiligen Geist uns den rechten Verstand der Schrift eröffnet, durch den die Schrift den Propheten und Aposteln eingegeben worden ist. So wird es geschehen, dass wir nicht auf gefährliche Weise die Wahrheit verfehlen.

44. Es wollten aber etliche ihn greifen; aber niemand legte die Hand an ihn.

Etliche: Die gegen Christus heftig erzürnt waren.

An ihn: Es durfte niemand Hand an ihn legen, obwohl es an ihrem Willen nicht gemangelt hat, ihm zu schaden. Denn solange die Stunde des Todes, die uns von Gott bestimmt ist, nicht kommt, kann uns niemand das Leben nehmen, auch wenn er noch so ein grausamer Feind wäre. Und Gott erhält die, die mit ihrer Aufgabe beschäftigt sind, dass sich auch die Feinde bisweilen vor ihnen fürchten müssen, bis sie den Lauf ihrer Arbeit vollendet haben.

45. Die Knechte kamen zu den Hohepriestern und Pharisäern. Und sie sprachen zu ihnen: Warum habt ihr ihn nicht gebracht?

Und Pharisäern: Von welchen sie ausgesandt worden waren, den Herrn Christus zu fangen.

Gebracht: Als Gefangenen zu uns gebracht. Denn die Heuchler sind sehr grausam und blutgierig.

46. Die Knechte antworteten: Es hat nie kein Mensch also geredet wie dieser Mensch.

Geredet: Denn wir haben seine Predigten gehört. Sie sagen uns sehr zu und wir haben einen solchen vortrefflichen Lehrer in der Zeit unseres Lebens nie gesehen. Darum dürfen wir nicht Hand an ihn legen, weil er ohne Zweifel zu unserer Seligkeit von Gott gesandt worden ist. Denn die Knechte sollen die unrechten Befehle ihrer Herren nicht befolgen, weil man Gott mehr gehorchen muss, als den Menschen {Apg 5}.

47. Da antworteten ihnen die Pharisäer: Seid ihr auch verführt?

48. Glaubt auch irgendein Oberster oder Pharisäer an ihn?

An ihn: Ihr werdet freilich keinen unter den vornehmsten Priestern, denen der Gottesdienst sonderlich angelegen ist, finden, der es mit diesem Lehrer hält, noch bei den Pharisäern, die für die anderen einen besonderen Eifer zur rechten Religion haben und das Gesetz Gottes auf dem Nagel auswendig wissen, jemanden zeigen können, der diesen Menschen glaubt, ja, sie urteilen vielmehr so, dass dieser kein rechter Lehrer, sondern ein schädlicher Verführer sei.

49. Sondern das Volk, das nichts vom Gesetz weiß, ist verflucht.

Weiß: Und die rechte Auslegung dessen nicht verstehen, dass er sich über diese falsche Lehre wundert und achten ihn sehr. Aber sie werden von Gott nicht geachtet, sondern sie sind mit einem falschen Sinn unterwegs, dass sie solche Prediger wählen, wie sie es selbst auch sind. Denn Gleich und Gleich gesellt sich gern. Eben das drücken uns die Katholiken auch auf, jedoch zu Unrecht, und sagen, es nehmen weder die römischen Päpste, noch die vornehmsten Monarchen in der Welt, noch die heiligen Jesuiten unsere Lehre an, darum ist sie ketzerisch.

50. Spricht zu ihnen Nikodemus, der bei der Nacht zu ihm kam, welcher einer unter ihnen war:

Kam: Wie es oben, im Kapitel 3, gesagt worden ist.

51. Richtet unser Gesetz auch einen Menschen, ehe man ihn verhört und erkennt, was er tut {5Mos 19v15}.

Gesetz: Nämlich, das Gesetz des Moses, das zu halten wir uns verbunden fühlen, befiehlt, dass wir niemanden verdammen sollen, wenn wir ihn nicht zuvor gehört und erkannt haben, was er getan hat, und ob er eine Strafe verdient. Ihr aber wollt diesen Lehrer ins Gefängnis werfen und am Leben bestrafen, obwohl ihr ihn noch nicht aufgefordert habt, dass er sich verantwortet. Darum handelt ihr unrecht. Und Nikodemus hat recht getan, dass er in einer öffentlichen Versammlung gegen das grausame Vorhaben seiner Mitkonsorten protestiert hat. Denn wir sollen unrichtige Urteile und Aussagen nicht mit unserer Zustimmung als richtig bezeichnen und keinen verdammen, egal ob in geistlichen oder weltlichen Sachen, wenn man nicht zuvor seine Meinung und seine Taten ausreichend erkundet hat.

52. Sie antworteten und sprachen zu ihm: Bist du auch ein Galiläer? Forsche und siehe, aus Galiläa steht kein Prophet auf.

Sie: Nämlich die anderen seiner Mitkonsorten im Rat, die Hohepriester und Pharisäer.

Galiläer: Du machst dich mit dieser, deiner Rede verdächtig, als ob du dem Jesus von Nazareth aus Galiläa Beifall spendest und siehst so aus, als ob du auch sein Jünger wärest. Daher wird man dich künftig unter die Galiläer, die unverständige Leute sind, rechnen, weil du dich unterstehst, den Galiläer, Jesus von Nazareth, zu verteidigen.

Forsche: In der Schrift mit Fleiß, was sie von dem zukünftigen Messias reden.

Kein Prophet: Denn die Heilige Schrift sagt, dass unser Fürst Christus, den Moses einen Propheten nennt {5Mos 18}, nicht aus Galiläer, sondern aus dem Stamm Juda und aus der Stadt Bethlehem herkommen wird {Mi 5}. Diese Hohepriester und Pharisäer irrten sich in dem zwar nicht, dass sie meinten, Christus wäre in Nazareth geboren. Darum, wenn wir von einer Sache urteilen sollen, so sollen wir uns fleißig bemühen, dass wir alle notwendigen Umstände vorher sorgfältig erkunden.

53. Und ein jeglicher ging also heim.

Heim: Unverrichteter Dinge und ohne endgültigen Entschluss, dass sie in dem Handeln von der Person Christi sich entzweiten und etliche ihn verdammen wollten, andere ihn aber verteidigten. Einen solchen Ausgang nimmt es gewöhnlich auf allen Reichstagen oder Gesprächen in Religionssachen, dass man die Entscheidung der strittigen Händel aufschiebt und auf eine andere Zeit verlegt. Darum handeln diejenigen um ihrer Seligkeit halber übler, die von der Religion nichts Eigentliches oder Gewisses schließen wollen, wenn es nicht zuvor auf dem Reichstag oder in einem allgemeinen und rechtmäßigen Konzil beschlossen wurde, was recht oder unrecht ist.


Das 8. Kapitel

  • Die Pharisäer fragten Christus wegen einer Ehebrecherin, ob man sie zum Tode verurteilen oder als Ledige zählen sollte. Darauf gibt Christus zwar Antwort, aber anders, als sie es wollten. Danach unterhält sich Christus mit den Pharisäern von seinem Amt, von der rechten Freiheit der Kinder Abrahams und von seiner Gottheit. Die Juden kommen von den Worten zu den Streichen und wollen Christus steinigen.

1. Jesus aber ging an den Ölberg.

Ölberg: Da verharrte er nach seiner Gewohnheit die Nacht über im Gebet. Und Christus hat nicht nur als ein Hohepriester für das menschliche Geschlecht gebetet, sondern auch mit seinem Beispiel uns erinnern wollen, dass wir für unsere Geschäfte und die Ausübung unseres Berufs auch ein inbrünstiges Gebet dazu tun sollen und von Gott erbitten, dass er unsere Arbeit gedeihen lässt.

2. Und frühmorgens kam er wieder in den Tempel, und alles Volk kam zu ihm. Und er setzte sich und lehrte sie.

Zu ihm: In großer Anzahl, um seiner Predigt zuzuhören. Was aber Christus zu lehren und zu predigen gepflegt hat, das ist aus den Predigten, die die Evangelisten verzeichnet haben, genug zu sehen. Der Inhalt derselben ist, dass Christus dem Volk den rechten Sinn des Gesetzes erklärt hat, wie das 5. Kap. Matthäus bezeugt. Danach hat er auch gelehrt, dass Gott die bußfertigen Sünder in Gnaden aufnimmt {Lk 15}. Und Gott, der himmlische Vater, habe seinen eingeborenen Sohn darum in die Welt gesandt, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben {Joh 3}. Ferner hat er sie ermahnt zu den Werken der Liebe und dass man einen unsträflichen Wandel führen solle {Lk 6 Mt 25}. Endlich hat er auch heftig auf die Pharisäer und Schriftgelehrten geschimpft, nicht allein wegen ihrer Heuchelei, sondern auch und am allermeisten auf ihre falsche Lehre, vor der er die Leute treu gewarnt hat {Mt 15 23}. Es ist deshalb das Amt eines reinen evangelischen Kirchendieners, dass er die Sünder strafe, die Bußfertigen tröste und sie zur Gottseligkeit ermahne, auch erinnere, dass sie sich vor der falschen Lehre hüten.

3. Aber die Schriftgelehrten und Pharisäer brachten ein Weib zu ihm, im Ehebruch begriffen, und stellten sie in die Mitte

Aber: Es folgt eine denkwürdige Geschichte von einer Ehebrecherin, der Christus die Sünde verziehen hat. Diese Geschichte wurde früher von etlichen in Zweifel gezogen, ob sie auch zu dem Evangelium des Johannes gehöre, aber, wenn man sie recht betrachtet, so ist sie gar nützlich und tröstlich.

Und Pharisäer: Die Heuchler und tückischen Leute, die dem Herrn Christus gar feind waren.

Begriffen: Denn die Heuchler freuen sich, wenn andere Menschen straucheln, als ob sie nichts Strafwürdiges gehandelt hätten.

In die Mitte: Vor Christus im Beisein einer großen Versammlung seiner Zuhörer.

4. und sprachen zu ihm: Meister, dies Weib ist begriffen auf frischer Tat im Ehebruch.

Meister: Denn wir billigen dir diesen Titel zu, weil du dich bisher unterstanden hast, andere zu lehren.

5. Mose aber hat uns im Gesetz geboten, solche zu steinigen; was sagst du?

Steinigen: Dazu wurden sie verurteilt, wenn sie einen Ehebruch begangen hatten, sie seien alle gleich, welchen Standes und welchen Geschlechts sie auch immer wollen. Denn dass den Ehebrechern und Ehebrecherinnen die Todesstrafe aufgesetzt war, findet sich in 3. Mose 20, 5. Mose 22. An der letztgenannten Stelle steht, dass solches Laster mit der Steinigung gestraft wurde. Obwohl nun die Christen an die weltlichen Gesetze des Moses nicht mehr gebunden sind, so soll doch die fromme Obrigkeit solche Gesetze aufstellen, wodurch dem Ehebruch eine ernste Strafe aufgesetzt wird. Und die sind nicht zu scharf, die die Ehebrecher und Ehebrecherinnen zum Tode verdammen. Denn wo man solche Laster nicht mit Ernst abwehrt, so darf bald eine Gewohnheit daraus werden, woraus danach Land und Leute ins Verderben geraten.

Was sagst du: Bist du auch der Meinung? Und siehst es für dich als gut an, dass man dieses Urteil an der Frau vollstrecke?

6. Das sprachen sie aber, ihn zu versuchen, auf dass sie eine Sache wider ihn hätten. Aber Jesus bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde.

Hätten: Denn weil sie wussten, dass er mit den Zöllnern und Sündern oft freundlich umging, so vermuteten sie, er würde gegen eine Ehebrecherin nicht schnell ein hartes Urteil fällen. Daher wollten sie danach Anlass nehmen, ihm übel nachzureden, wenn er die Ehrbarkeit nichts achtete, viel weniger dürfte man ihm in der Religion etwas Rechtes zutrauen. Würde er aber ein Todesurteil gegen die Frau fällen, so hofften sie abermals, es sollten viele Leute von ihm abfallen, die ihm zuvor angehangen waren.

Erde: Er aber gab ihnen nichts zur Antwort, weil er ihre Bosheit erkannte. Denn er ist ein Herzenskundiger. Und machte auf den Boden im Staub Buchstaben oder andere Figuren, wie es bisweilen die zu tun pflegen, die etwas dichten. Obwohl nun Christus wohl gewusst hätte, was er diesen Buben hätte antworten können, so hat er dennoch mit der Antwort innegehalten, uns zur Erinnerung, dass wir es mit unserer Antwort, besonders in wichtigen Sachen, nicht zu eilig haben. Es ist oft besser, dass man Gottlosen und verkehrten Menschen nicht antwortet.

7. Als sie nun anhielten, ihn zu fragen, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie {5Mos 17v7}.

Anhielten: Und auf ihn eindrangen, dass sie eine richtige Antwort haben wollten, entweder die Frau freizusprechen oder zu verdammen.

Ersten Stein: Mit dieser weisen Antwort hat Christus das Ansehen und die Würde des Gesetzes Moses nicht zu verringern begehrt und dennoch die Heuchelei der Pharisäer und Schriftgelehrten ordentlich durchgezogen, die, obwohl sie böse Buben waren, dennoch vom Volk für die Allerheiligsten gehalten werden wollten. Und Christus hat nicht lehren wollen, dass keiner, dem es von Amts wegen obliegt, andere strafen dürfe, es sei denn, er selber sei von allen Sünden befreit. Denn dergestalt würde ein Laster weder mit Worten noch mit der Tat gestraft werden müssen. Daher würde in der Welt unter den Menschen eine schreckliche Verwirrung und Unordnung entstehen. Sondern er hat die, die sich selbst für fromm achten und an sich selbst Wohlgefallen haben, erinnern wollen, dass alle Menschen Sünder sind, auch wenn einer der Ehrbarkeit mehr nachstrebt als der andere. Darum sollen sie sich alle miteinander vor Gott wahrhaftig demütigen, obwohl sie die Macht haben über andere, sie zu bestrafen und sie sollen in solchen Sachen nicht weiter gehen, als es ihr Amt erfordert.

8. Und bückte sich wieder nieder und schrieb auf die Erde.

Wieder nieder: Dass er mit den Gottlosen und verkehrten Leuten nichts mehr zu tun haben wollte, noch weiter über die Sache mit ihnen reden; und er wusste wohl, dass sie mit Schande abziehen würden.

9. Da sie aber das hörten, gingen sie hinaus, von ihrem Gewissen überzeugt, einer nach dem andern, von den Ältesten an bis zu den Geringsten. Und Jesus ward gelassen allein und das Weib in der Mitte stehend.

Hinaus: Und hinweg, weil sie sich selbst einer heimlichen Bosheit bewusst waren, vielleicht auch einesteils grobe Laster begangen hatten und im gleichen Spital krank gelegen waren.

Ältesten: Die vor den anderen im Ansehen standen. Bis auf den Untersten und Geringsten zogen alle miteinander nacheinander ab. Denn die, welche die Diener Gottes schamrot machen wollen, die werden selber zuschanden.

Stehend: Dass sie vor Gott und den Menschen öffentlich mit Schande bestand.

10. Jesus aber richtete sich auf; und da er niemand sah denn das Weib, sprach er zu ihr: Weib, wo sind sie, deine Ankläger? Hat dich niemand verdammt?

11. Sie aber sprach: Herr, niemand. Jesus aber sprach: So verdamme ich dich auch nicht; gehe hin und sündige künftig nicht mehr!

Auch nicht: Denn weil keiner von denen, welchen es von Amts wegen obliegt, gegen die Schuldigen das Urteil zu fällen, dich zum Tode verurteilt hat, so will ich auch kein Todesurteil gegen dich fällen. Denn ich bin nicht darum in die Welt gekommen, dass ich in weltlichen Sachen über Blut urteile, sondern dass ich das Evangelium lehre und für die Sünden des menschlichen Geschlechts genug tue. Es war aber nicht Christi Meinung, dass man den Ehebruch nicht strafen sollte, viel weniger begehrte er, dass der Ehebruch nicht des ewigen Todes schuldig wäre. Denn weder die Hurer, noch die Abgöttischen, noch die Ehebrecher, noch die Weichlinge, noch die Knabenschänder, noch die Diebe, noch die Geizigen, noch die Trunkenbolde, noch die Lästerer, noch die Räuber werden das Reich Gottes ererben {1Kor 6} sondern, es hat Christus an diesem Ort lehren wollen, dass wir nicht in ein fremdes Amt greifen sollen. Was auch der Apostel Petrus in seinem ersten Brief anspricht, Kap. 4.

Nicht mehr: Hüte dich, dass du zukünftig keinen Ehebruch oder ein anderes grobes Laster mehr begehst, damit du nicht zeitliche und ewige Strafen auf dich lädst. Denn diese Sünde ist dir vergeben, weil du Reue und Leid darüber hast. Deswegen vergibt Christus den bußfertigen Sündern auch grobe Übertretungen. Doch sollen wir wissen, dass die Sünden uns nicht darum verziehen werden, damit wir sie bald wieder tun oder auch noch größere begehen, sondern dass wir aus Dankbarkeit uns zukünftig vor Sünden desto fleißiger hüten.

12. Da redete Jesus abermals zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.

Abermals: Nachdem viel Volk wiederum zusammengekommen war und seiner Predigt zuhören wollte.

Des Lebens: Denn ich bin nicht darum in die Welt gekommen, dass ich solche Dinge lehre, die man mit dem Licht der Natur und der menschlichen Vernunft begreifen kann. Zwar ist das Licht der Natur auch eine Gabe Gottes, aber es ist nicht ausreichend, um das ewige Leben zu erlangen. So bin ich auch nicht darum gekommen, dass ich nur ein solches Licht brächte, wie das Gesetz Moses ein Licht hat. Denn obwohl dasselbe auch eine große göttliche Gabe ist und zeigt, was Gott gefällt oder missfällt, so erschreckt es doch die Menschen viel mehr und schlägt sie nieder, als dass es sie aufrichten und trösten sollte. Sondern ich bin das lebendig machende Licht, welches das Leben und die ewige Seligkeit zeigt und mitbringt. Und ich bin nicht nur einem oder zwei Völkern, sondern der ganzen Welt zum Heil und zur Seligkeit gesandt worden. Wie von mir Jesajas geschrieben, Kap. 42. Ich habe dich (spricht Gott der Herr selbst von dem Messias) zum Bund unter das Volk gegeben, zum Licht der Heiden, dass du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führst und die da sitzen im Finsteren aus dem Kerker. Und abermals, Kap. 49. Es ist ein Geringes, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und das Verwahrloste in Israel wieder in Ordnung zu bringen. Sondern ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, dass du mein Heil bist bis ans Ende der Welt. Denn es werden alle Menschen von der Natur überfallen um der Sünde willen mit Finsternis des Unglücks, Traurigkeit, Empfindung des Zorns Gottes und endlich, der ewigen Verdammnis. Diese Finsternis können sie nicht vertreiben. Es ist auch kein Mensch unter allen, der mit seinem hohen Verstand Gott recht erkennen und den Weg zum ewigen Leben finden könnte. Darum bin ich in diese Welt gekommen, dass ich die Sünde, den Zorn Gottes und die ewige Verdammnis wegnehme, auch die zeitliche Trübsal in einen Segen und in eine heilsame Seelen-Arznei verwandle. Ich zeige auch den Menschen im Wort des Evangeliums das gnädige Angesicht meines himmlischen Vaters und lehre, dass, wer an mich glaubt, nicht verloren werde, sondern das ewige Leben habe {Joh 3}. Deshalb, wer mir folgt, das ist, wer meinen Worten glaubt und all sein Vertrauen auf mich, den Mittler setzt, der wird den Weg zur Seligkeit nicht verfehlen, noch in die äußerste Finsternis geworfen werden, wo Heulen und Zähneklappern ist, sondern wird durch den Glauben ein solches Licht bei sich haben, welches ihn zu dem himmlischen Licht und zur ewigen Herzlichkeit leiten wird. Deswegen sollen wir fest glauben, dass Jesus von Nazareth der Messias sei, von dem Jesaja und andere Propheten geweissagt haben. Und weil er das wahre Licht ist, sollen wir ihm folgen und seinen Worten glauben. Denn von ihm hat der himmlische Vater gesagt: Den sollt ihr hören {Mt 17}. Und in allen Anfechtungen, besonders aber im Tod selbst, sollen wir auf dieses Licht, Christus, unser Vertrauen setzen. Er wird uns durch den Tod ins Leben führen. Weil wir aber Kinder des Lichts sind, sollen wir die Werke der Finsternis ablegen und dem Licht würdig wandeln, dass wir ein gottseliges und ehrliches Leben führen, woran der Apostel Paulus uns erinnert {Röm 13}.

13. Da sprachen die Pharisäer zu ihm: Du zeugst von dir selbst; dein Zeugnis ist nicht wahr.

Sprachen: Also, dass sie des Herrn Christus Vorbringen mit einem Gespött und giftigen Sticheleien beantworten, da sie doch diese holdselige Predigt mit Willen und dankbarem Herzen hätten annehmen sollen. Während Christus deutlich anzeigt, wie er das heilsame Licht der Welt ist, wovon Jesajas, 42. und 49. geweissagt hat: Aber es ist viel anders ergangen.

Nicht wahr: Denn indem du dir selber Zeugnis gibst, so ist dieses, dein eigenes Zeugnis sehr verdächtig und für nichtig zu halten. Obwohl nun Salomon in seinen Sprichwörtern uns warnt, dass wir uns nicht selber rühmen sollen, so ist dies doch an den Pharisäern ein grober Unverstand, dass sie Christus anderen Menschen gleich achten, da er doch viel mehr war, als alle anderen Menschen und sein Zeugnis Lügen strafen dürfen, gerade, als wenn ein frommer, aufrichtiger Mensch von ihm selber auch nicht die Wahrheit reden könnte. Aber diese Buben urteilten frevelhaft von Christus und deuteten alle seine Reden und Taten aufs Ärgste. Diese boshaften und frevelhaften Urteile von dem Nächsten hat Christus verboten, als er sagte: Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet, verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt {Lk 6}.

14. Jesus antwortete und sprach zu ihnen: So ich von mir selbst zeugen würde, so ist mein Zeugnis wahr; denn ich weiß, von wannen ich kommen bin und wo ich hingehe; ihr aber wisst nicht, von wannen ich komme und wo ich hingehe.

Wahr: Denn ich rede von Sachen, die mir wohl bekannt sind und weiß selber am allerbesten, wer ich bin und was mein Amt ist. Denn ich weiß, dass ich vom Vater von Ewigkeit her geboren bin. So weiß ich auch, dass ich aus der Jungfrau Maria menschlichen Natur an mich genommen habe und auf eine besondere, ungewöhnliche Weise in diese Welt gekommen bin. Desgleichen weiß ich, dass ich durch mein Leiden und meinen Tod in das Allerheiligste als ein Hohepriester eingehen werde mit der Vergießung meines Blutes und dem menschlichen Geschlecht eine ewige Erlösung erlange.

Wisst nicht: Ihr kennt weder meine Person noch mein Amt, warum ich in diese Welt gekommen bin.

15. Ihr richtet nach dem Fleisch; ich richte niemand.

Fleisch: Wie ihr aus eurer Vernunft urteilen könnt, nachdem ihr es vor Augen seht. Und Christus erinnert uns hier, dass wir von ihm nicht nach dem Fleisch, oder auf fleischliche Weise urteilen sollen, sondern er will, dass wir viel mehr nach den göttlichen Weissagungen von ihm halten und glauben sollen. Es richten oder urteilen diejenigen fleischlich von Christus, die nach der menschlichen Vernunft und weltlichem Gutdünken, oder auch, wie sie es vor Augen sehen, das Urteil sprechen. Als Beispiel: Weil die Zwinglianer nach der Philosophie aus der Vernunft wissen, dass ein wahrhafter Leib nur an einem Ort gegenwärtig und tatsächlich ist, so sagen sie, Christus könne mit seinem Leib nicht zugleich auf einmal an zwei, viel weniger noch an allen Orten sein. Und sie bestreiten, wo ein wahrhafter Leib sei, dann müsse er sichtbar und greifbar sei: Weil nun der Leib Christi im Abendmahl weder gegriffen noch gesehen wird, so schwätzen sie daher, dass der Leib Christi nicht im Abendmahl sei. Diese Leute urteilen mit den Pharisäern von Christus nach dem Fleisch, nicht nach seinem Wort.

16. So ich aber richte, so ist mein Gericht recht; denn ich bin nicht allein, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat.

Richte: Dass ich von mir selber etwas ausspreche oder bestätige, so weiß ich, dass meine Meinung wahr ist (denn mit dem Wort „richten“ versteht Christus hier etwas bestätigen oder bezeugen), und ich will bei den verständigen und frommen Menschen genug darlegen, dass meinen Worte und Reden, die ich von mir selber ausspreche, keine Falschheit nachgewiesen werden kann oder den Verdacht nach sich ziehen dürfte, als wären sie von einem allein vorgebracht.

Nicht alleine: Ehe ich von mir selber Zeugnis gebe.

Vater: Ist der andere Zeuge. Was könnt ihr denn in der Beweisführung meiner Rede billig tadeln.

17. Auch steht in eurem Gesetze geschrieben, dass zweier Menschen Zeugnis wahr sei {Mt 18v16}

Wahr sei: Das Gesetz Gottes lehrt {5Mos 17v6 19v15}, man solle zwar nicht einem Zeugen allein, aber doch Zweien oder Dreien Glauben schenken. Darum, so glaubt mir und dem himmlischen Vater als zwei übereinstimmenden Zeugen.

18. Ich bin‘s, der ich von mir selbst zeuge; und der Vater, der mich gesandt hat, zeugt auch von mir.

Zeuge: Dass ich der Sohn Gottes bin. Daraus folgt notwendigerweise, dass ich auch das Licht und der Heiland der Welt bin, von dem die Propheten geweissagt haben. Dass ich aber ein glaubwürdiger Zeuge bin, gegen den man keine Mängel suchen soll, bezeugen meine herrlichen Wunderwerke genügend. Denn die Werke, die mir mein Vater gegeben hat, dass ich sie tue, zeugen von mir, dass mich der Vater gesandt hat, Joh. im 5. Kap. Und warum haben eure Vorfahren einem Propheten, der von Gott zu ihnen gesandt worden war, als einem einzigen Menschen geglaubt? Ist es nicht geschehen wegen seiner Wunderwerke? So sollen meine Wunderwerke doch ebenso viel gelten, als irgend eines anderen Propheten, dass man meinen Worten Glauben schenkt.

Von mir: Dass ich der Sohn Gottes und der Welt Heiland den. Denn dass ich nichts sage von dem, was er durch den Engel Gabriel der Jungfrau Maria von meiner Geburt verkündigen hat lassen, und was der Engel dem Joseph im Traum von mir gesagt hat, desgleichen, was die Engel den Hirten angezeigt haben, was auch meine Apostel in meiner Verklärung auf dem Berge gehört und gesehen haben. So könnt ihr freilich nicht leugnen und in Abrede stellen, dass, da ich im Jordan getauft worden bin, man des himmlischen Vaters Stimme gehört hat, der gesagt hat: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich ein Wohlgefallen habe {Mt 3}. Darum könnt ihr ein Zeugnis von zwei solchen Zeugen, die keineswegs zu verwerfen sind, nicht widerlegen. Deswegen ist die christliche Religion allein wahrhaftig und die anderen alle falsch und gottlos. Man muss auch immer darauf achten, dass Christus seine Person von der Person des Vaters unterscheidet gegen den Irrtum des Sabelius, der solche Einigkeit des göttlichen Wesens gelehrt hat, dass er die Personen untereinander vermischt.

19. Da sprachen sie zu ihm: Wo ist dein Vater? Jesus antwortete: Ihr kennt weder mich noch meinen Vater; wenn ihr mich kennt, so kennt ihr auch meinen Vater.

Da: Es hätten zwar die Juden die Lehre des Herrn Christus mit dankbarem Herzen annehmen sollen, da er unwidersprechlich bewiesen hatte, dass er der eingeborene Sohn Gottes ist, aber sie verspottet ihn noch dazu.

Vater: Von dem du immerzu so viel Wesen machst, dass er dich gesandt hat? Zeige ihn uns, wo und wer er ist, damit wir sehen können, ob er es auch wert ist, dass wir sein Zeugnis von dir hören und annehmen. Denn sie waren der Meinung, dass er nicht von Gott dem Vater, sondern von einem Menschen redete, wie der folgende Text aufweist. So werden auch heutzutage Spötter des göttlichen Wortes gefunden, die außer des Namens nichts Christliches an sich haben. Solche wird Gott übel umbringen. Und fromme Leute sollen die Gemeinschaft solcher Menschen, oder vielmehr Bestien, meiden, damit sie von ihnen nicht auch angesteckt werden mit einer sanften Sicherheit, oder zugleich mit ihnen ins Unglück geraten.

Antwortete: Dass er ihnen, ihrer Blindheit und Bosheit halber, einen ernstlichen Verweis erteilt.

Vater: Denn obwohl ihr euch rühmt, dass ihr allein in der Welt unter so vielen und verschiedenen Heiden den wahren Gott erkennt und vom Messias, seinem Sohn, gute Wissenschaft habt, von dem die Propheten geweissagt haben, dass er kommen wird, so seid ihr doch ebenso blind und gottlos, wie andere Heiden. Denn ihr erkennt mich, euren Messias, nicht, auch nicht meinen himmlischen Vater, von dem ihr fälschlicherweise rühmt, er sei euer Gott. Denn es kennt niemand den rechten Gott, der den Messias, Christus, nicht recht erkennt. Insbesondere wird in Christus Gott recht erkannt, dass er gegen den bußfertigen Sünder ein gnädiger und barmherziger Vater ist, der die Sünden vergibt und das ewige Leben schenkt allen, die an seinen Sohn Jesus Christus glauben.

20. Diese Worte redete Jesus an dem Gotteskasten, da er lehrte im Tempel; und niemand griff ihn; denn seine Stunde war noch nicht kommen.

Gotteskasten: Darin sammelten die Juden das Almosen zur Erhaltung des Gottesdienstes und der Armen. Obwohl nun im Volk Gottes sonst fast alles verderbt war, so war doch das löblich an ihnen gewesen, dass die Juden zur Erhaltung des Gottesdienstes und zur Armenspeisung zusammengelegt haben. In diesem Tun sollen die Christen darauf achten, dass sie nicht fahrlässiger sind, als die Juden.

Kommen: Dass er leiden und sterben sollte. Darum legte keiner Hand an ihn. Und obwohl etliche Juden, besonders unter den Pharisäern, vernahmen, dass sie von Christus öffentlich beschuldigt wurden, als würden sie den wahren Gott nicht kennen, und meinten, dies sei ihnen zur Schmach geschehen, so unterdrückten sie doch ihren Zorn und ihre Rachgier dieses Mal. Und Gott hat das unbillige Vorhaben der Juden untergraben. Denn diejenigen, die in ihrem Beruf gottselig wandeln, die werden von Gott geschützt bis sie den Lauf ihrer Aufgabe vollendet haben. Dann werden sie aus diesem Leben als fromme, getreue Knechte abberufen und aus dem Jammer und der Trübsal dieses Lebens herausgenommen, damit sie für ihre Arbeit und die ausgestandene Gefahr ewige Belohnung empfangen.

21. Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Ich gehe hinweg, und ihr werdet mich suchen und in eurer Sünde sterben; wo ich hingehe, da könnt ihr nicht hinkommen.

Zu ihnen: Dass er ihnen ihr gottloses Wesen vor Augen hielt und das nahende Verderben verkündigte.

Gehe hinweg: Durch mein Leiden und meinen Tod zu meinem himmlischen Vater, damit ich das menschliche Geschlecht mit ihm wiederum versöhne und in meine vollkommene Herrlichkeit und Majestät eingehe. Dann wird euch das Unglück mit Haufen überfallen und ihr werdet in solchen Jammer geraten, wie man ihn noch nie gesehen hat und auch künftig nie mehr sehen wird.

Suchen: In diesen, euren Ängsten, dass ihr nach einem Erlöser seufzen werdet, aber es wird sich keiner finden, der euch wird erhalten wollen. Ihr werdet zum Herrn schreien, aber er wird euch nicht erhören {Ps 18}. Denn es wird kein Geschrei der Buße, sondern der Ungeduld sein, darum werde weder ich noch mein himmlischer Vater euch Hilfe leisten.

Sterben: Dass ihr verzweifeln und verzagen werdet und ohne Vergebung der Sünden hinabfahren werdet ins ewige Verderben und in die Verdammnis.

Hingehe: Nämlich, in meine himmlische Herrlichkeit.

Nicht hinkommen: Weil ihr meine Feinde und Verächter seid. Es hat aber Christus hier nicht lehren wollen, dass die Bußfertigen und diejenigen, die Gottes Barmherzigkeit um Christi willen anrufen, von Gott verworfen werden, sondern, dass die Gottlosen, wenn sie leiden und wehklagen, aber keine Buße tun, von Gott nicht geachtet werden, weil sie ihn zuvor so oft nicht geachtet haben; die aber mit ihrem Gebet zu Christus fliehen, die werden in Gnaden angenommen und selig gemacht. Wie Christus sagt: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen {Joh 6}. Das zeigt auch das Beispiel des Verbrechers am Kreuz, zu dem Christus gesagt hat: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.

22. Da sprachen die Juden: Will er sich denn selbst töten, dass er spricht: Wo ich hingehe, da könnt ihr nicht hinkommen?

Selbst töten: Es hätten sich zwar die Juden aus der ernsthaften und scharfen Predigt des Herrn Christus bewegen lassen sollen, dass sie Christus demütig zu Füßen gefallen wären und hätten ihn um Verzeihung gebeten, aber sie verspottete ihn nur noch mehr und stießen giftige Stichreden gegen ihn aus, als wollten sie sagen: Er darf wohl in diesem Stück die Wahrheit sagen, denn es wird keiner unter uns sein, der sich wünscht, selbst zu hängen, darum wird er keine Gefährten zu seiner Reise finden. So hart und unbeweglich ist das menschliche Herz, wenn es ihm selbst überlassen ist, dass es, wenn es mit dem Worte Gottes gestraft worden ist, noch mehr verhärtet wird, wenn nicht der Heilige Geist mit dem Wort wirkt.

23. Und er sprach zu ihnen: Ihr seid von unten her, ich bin von oben herab; ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt.

Welt: Hat den gleichen Sinn wie vorhin, aber etwas deutlicher, als wollte er sagen: Ihr seid lauter fleischliche und weltliche Menschen, da ihr euch um himmlische Sachen nicht kümmert, sondern nur nach irdischen Dingen trachtet, und werdet nicht vom Heiligen Geist regiert. Ich aber bin der Sohn Gottes, ich bin vom Himmel gekommen, um die Menschen zu erlösen, und habe, ohne alle Befleckung durch Sünde, menschliche Natur an mich genommen. Darum ist zwischen mir und euch ein großer Unterschied und Zwiespalt, wie zwischen dem Licht und der Finsternis. Und solange ihr also so bleibt, wie ihr seid, so kann ich keine Gemeinschaft mit euch haben und ihr werdet mich nicht als einen Heiland, sondern als einen gerechten und ernsten Richter wahrnehmen.

24. So hab‘ ich euch gesagt, dass ihr sterben werdet in euren Sünden; denn so ihr nicht glaubt, dass ich es sei, so werdet ihr sterben in euren Sünden.

Ich sei: Der ewige Sohn Gottes, Messias und Heiland der Welt. Deshalb sterben alle Türken, Juden und Heiden in ihren Sünden ewig, weil sie nicht glauben, dass Jesus von Nazareth der Sohn Gottes und Heiland der Welt ist. Aber alle, die Christus für ihren Heiland und ewigen Sohn Gottes erkennen und an ihn wahrhaft glauben, ihm auch vertrauen, die erlangen Vergebung ihrer Sünden {Apg 10}. Und sie werden nicht verloren, sondern haben das ewige Leben {Joh 3}. Sie sterben auch nicht in ihren Sünden, auch wenn sie durch einen schnellen Tod aus diesem Leben abberufen werden.

25. Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du denn? Und Jesus sprach zu ihnen: Erstlich der, der ich mit euch rede.

Bist du denn: Wofür willst du denn endlich angesehen werden? Oder was machst du aus dir selbst, dass man für dich fasten und dich feiern soll? Sag uns, wer du bist, so können wir dir die Ehre antun, die dir gebührt.

Erstlich: (Nach Luther) Das heißt: Ich bin euer Prediger, wenn ihr das zuerst glaubt, so werdet ihr wohl erfahren, wer ich bin und sonst nicht.

Rede: Zu allererst sage ich euch, dass ich ein Prediger bin, der von Gott zu euch gesandt wurde, dass ich euch die Wahrheit sagen soll.

26. Ich habe viel von euch zu reden und zu richten; aber der mich gesandt hat, ist wahrhaftig, und was ich von ihm gehört habe, das rede ich vor der Welt.

Zu reden: Von eurem Aberglauben, eurer Heuchelei und Bosheit wäre viel zu sagen und zu tadeln. Aber ich weiß gewiss, dass es euch nicht gefallen wird, was ich sagen werde. Dennoch ist es alles wahr, weil mein himmlischer Vater wahrhaftig ist und kein Lügner. Von dem habe ich es gehört, was ich in der Welt lehre. Was aber Christus gegen die Juden und besonders gegen die Pharisäer zu reden gehabt hat, das findet man in einer Zusammenfassung in Matth, Kap. 23 beschrieben. Hier malt Christus ihren Aberglauben und ihre Heuchelei ab und zeigt ihn scharf an. Es hätte aber Christus, wenn er nur gewollt hätte, diese Spötter und Verächter mit Donner und Blitz niederschlagen können, aber er hat uns mit seinem Beispiel an Bescheidenheit und Sanftmut erinnern wollen, dass wir nicht Bosheit mit Bosheit vergelten. Weil auch Christus der Welt vom Vater gegeben ist, nicht nur als ein Erlöser, sondern auch als ein Prediger, so sollen wir fleißig bestrebt sein, dass wir seiner Lehre mit Fleiß und Ernst zuhören, ihm glauben und unser Leben nach seinem, uns vorgeschriebenem Wort ausrichten.

27. Sie vernahmen aber nicht, dass er ihnen von dem Vater sagte.

Sagte: Obwohl Christus ihnen die Sache deutlich genug zu verstehen gab. Denn dieselben Zuhörer waren zum Großteil mit anderen Gedanken und Sorgen dieser Welt beladen, dass sie Christi Wort nicht verstanden, wenn er von der Religion mit ihnen redete, sondern meinten, er rühmte sich seines irdischen Vaters wegen so hoch. Denn die Leute, die ihre Gedanken in weltliche Wollüste und Sorgen vertieft haben, die hören Gottes Wort so, wie ein Betrunkener, der aus einem tiefen Schlaf erwacht, nicht genau versteht, was man sagt, noch was er selber antwortet. Darum ist es kein Wunder, wenn solche von der Religion nichts Richtiges urteilen und im Irrtum verloren werden.

28. Da sprach Jesus zu ihnen: Wenn ihr des Menschen Sohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es sei und nichts von nur selber tue, sondern wie mich mein Vater gelehrt hat, so rede ich.

Da: Obwohl solche Zuhörer keine Antworten wert waren, so wusste Christus doch wohl, dass sich etliche Auserwählte in diesem Haufen befanden, um deren Willen er zu lehren fortfährt.

Ich sei: Denn jetzt erkennt ihr mich zwar nicht für euren Messias oder Christus, aber wenn ich gekreuzigt worden bin und von den Toten wiederauferstehen und in den Himmel fahren werde, dazu nach geschehener Sendung des Heiligen Geistes mein Evangelium mit herrlichen Wunderwerken bestätigt wird, so werdet ihr erkennen, dass ich euer Erlöser und Messias bin und dass ihr den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt habt. Dann erst werdet ihr verstehen, dass ich nichts geredet oder getan habe, als was mein Amt mitbrachte und solche Sachen verrichtet und vorgebracht habe, die mir von meinem himmlischen Vater befohlen waren. Zwar haben diese Worte Christi angefangen, erfüllt zu werden, da der Hauptmann neben anderen mehr, die unter dem Kreuz standen, sagte, dieser ist wahrhaftig Gottes Sohn gewesen {Mt 27}. Denn durch die Verfolgung wird das Evangelium Christi nicht ausgerottet, sondern ausgebreitet.

29. Und der mich gesandt hat, ist mit mir. Der Vater lässt mich nicht allein; denn ich tue immer, was ihm gefällt.

Mit mir: In meinem Leiden, dass er mich aus aller Angst errettet und in die himmlische Majestät versetzt.

Nicht allein: Er wird mich niemals mehr verlassen denn obwohl Christus am Kreuz, als er von großer Angst umgeben war, gemeint hat (nach der Schwachheit seiner menschlichen Natur), er sei nicht nur von den Menschen, sondern auch von Gott selbst verlassen und hat am Kreuz geschrien: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? So hat ihn doch Gott der Vater nie aus der acht gelassen. Daher hat Christus auch bald danach gesagt: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist. Also erscheint es auch bisweilen den Frommen, als seien sie nicht nur von Gott verlassen, sondern auch verstoßen. Dennoch hat sie Gott keineswegs verworfen, sondern erhält sie zum ewigen Leben. Daher klagt der königliche Prophet David: Ich sprach in meinem Zagen (da ich in großen Ängsten war) ich bin vor deinen Augen verstoßen, dennoch hörst du meine Stimme flehen, da ich zu dir schreie {Ps 31}.

30. Da er solches redete, glaubten viele an ihn.

An ihn: Und haben seine Worte also verstanden, wie es sich gebührt, dass sie geglaubt haben, Christus sei der versprochene Messias, Gottes Sohn und der allerheiligste Prophet. Denn das Wort Gottes ist in den Auserwählten zu seiner Zeit kräftig. Und wenn die Wahrheit auch nur sehr einfach vorgebracht wird, so überredet sie den Menschen mit der Lehre. Und es hat über einen längeren Zeitraum ein frommer, einfacher Bekenner Christi einen Gelehrten und sehr gebildeten heidnischen Philosophen allein mit dem christlichen Glauben, als er ihm denselben erzählte, zum Schweigen gebracht und zum Glauben an Christus bekehrt. Wie Sozomenus im ersten Buch der Kirchengeschichte, Kap. 8, davon schreibt.

31. Da sprach nun Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten: So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger

Glaubten: Und ihn für den Messias erkannten, dass er sie ermahnte, sie sollten in solchem Glauben beharren und ihnen himmlische Guttaten verspricht.

Rede: Dass ihr mein Evangelium mit wahrem Glauben behaltet und in solchem Glauben verharrt.

Jünger: Die ich auch dafür erkennen will und vor meinem himmlischen Vater bekenne, dass ich mich an jenem Tag für euch nicht schämen will. Denn man soll in der wahren Erkenntnis Christi beharren bis ans Ende, damit wir uns nicht von jedem Wind der Lehre umtreiben lassen {Eph 4}. Und denen, die bis zum Ende des Lebens Christi Jünger bleiben werden, gehört der Spruch Christi: Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die sind, die du mir gegeben hast {Joh 17}, und: Ich will zu euch kommen und euch zu mir nehmen, dass, wo ich bin, auch ihr seid {Joh 14}.

32. und werdet die Wahrheit erkennen; und die Wahrheit wird euch frei machen.

Wahrheit: Nämlich die himmlische Wahrheit, die in meinem Evangelium euch vorgehalten wird, dass ich der Heiland der Welt bin, und wer an mich glaubt, das ewige Leben erlangen wird. Und ihr werdet in solcher Erkenntnis der Wahrheit immer zunehmen. Denn der Glaube nimmt nach und nach zu und der Heilige Geist, der den Gläubigen gegeben wird, führt sie in alle Wahrheit {Joh 16}.

Frei machen: Durch das Evangelium, wenn es mit Glauben ergriffen wird, werdet ihr die rechte, zwar nicht leibliche, sondern geistliche beständige Freiheit eingesetzt bekommen. Solche Freiheit aber, wovon Christus handelt, ist keine Freiheit des Fleisches, wo uns erlaubt wäre, was uns nur gelüstet. Es ist auch keine leibliche Freiheit von äußerer Dienstbarkeit oder bürgerlichen Lasten, sondern es ist vielmehr eine herrliche Freiheit, da wir frei gemacht werden von der Sünde, vom Zorn Gottes, vom Fluch des Gesetzes, vom Tod und ewiger Verdammnis, vom Teufel und der Hölle und wir auch endlich erlöst werden vom zeitlichen Tod in der seligen Auferstehung. Darum sollen wir in Anfechtungen die Privilegien unserer Freiheit und unseres Glaubens ergreifen und dem Teufel samt der Hölle Trotz bieten. Denn die brauchen keine Verdammnis erwarten, die in Christus Jesus sind {Röm 8}, das heißt, die durch den Glauben als Glieder Christi einverleibt sind.

33. Da antworteten sie ihm: Wir sind Abrahams Samen, sind nie keinmal jemandes Knechte gewesen; wie sprichst du denn: Ihr sollt frei werden?

Da: Obwohl diese Predigt Christi denen, die an ihn geglaubt haben, ohne Zweifel sehr lieblich und anmutig gewesen ist, so ist sie doch von den anderen unrecht verstanden und übel aufgenommen worden.

Sie: Die halsstarrigen und widerspenstigen Juden.

Samen: Oder Kinder des allerheiligsten, edelsten und berühmtesten Patriarchen.

Frei werden: Wenn ihr an mich glaubt. Da wir doch keine leibeigenen Knechte jemals gewesen, auch von keinen solchen liederlichen Leuten herkommen oder geboren sind. Denn obwohl unsere Vorfahren eine Zeit lang in Ägypten mit harter Tyrannei unterdrückt und gleichsam unter das Joch der Knechte gebracht worden sind, wie es auch zu Zeiten der Richter im Lande Kanaan etliche Male geschehen ist und schließlich in die babylonischen Gefängnisse ziehen mussten, wir auch heutzutage noch unter römischer Herrschaft sind, so haben wir doch unser adliges Gemüt bis hierher immer behalten und nicht aufgehört, Nachkommen des allerheiligsten und edelsten Patriarchen, Abrahams, zu sein, mit dem Gott selbst geredet und einen Bund mit ihm geschlossen hat, als er ihm die Beschneidung befahl, ja, auch seinen Nachkommen im Lande Kanaan hat er das Königreich und Priestertum versprochen und widerfahren lassen. Zu dem Geschlecht dieses edelsten Patriarchen bekennen wir uns und können unsere Herkunft in aufsteigender Linie nicht nur bis auf den Patriarchen Abraham, sondern bis zum Altvater Noah direkt nachrechnen. Was darfst du uns denn jetzt zu allererst auf eine besondere Freiheit vertrösten, als ob wir nur Lumpengesindel und leibeigene Knechte wären, die durch deine Hilfe und dein Zutun erst ihre Freiheit wiederum erlangen müssten? So wie aber die Juden, die mit ihrem alten Adel herkommen, nach dem Fleisch prangten und meinten, Gott wäre ihnen dermaßen verbunden, dass er ihnen gnädig sein müsste, auch wenn sie Heuchler oder gar böse Buben wären, und es stünde ihnen frei, dass sie tun dürften, was sie nur wollten. So rühmten auch etliche Geschlechter Adelspersonen, wie auch die römischen Päpste viel vom großen Ansehen, den Herrlichkeiten und Tugenden ihrer Vorfahren, obwohl sie doch ohne das fleischliche Herkommen oder das äußere Ansehen mit denen nichts gemeinsam oder gleich haben, sondern dagegen ein ruhiges und lasterhaftes Leben führen, sich zu einer falschen Lehre bekennen und diese mit großer Grausamkeit handhaben. Wie aber auch den Juden der Ruhm und Stolz nichts genutzt hat, sondern sie für ihre Bosheit angemessene Strafe empfangen haben, so wird Gott den großen Übermut und ein lasterhaftes, gottloses Leben dieser Leute und die verfälschte Religion auf das Äußerste rächen.

34. Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht {Röm 6v16 2Petr 2v19 1Joh 3v4}.

Sünden Knecht: Denn ich leugne zwar nicht, dass ihr von freien Eltern geboren seid und eure Herkunft nach dem Fleisch von Abraham habt, weshalb man euch im bürgerlichen Leben und Wandel wohl frei nennen kann; aber dennoch sage ich auch mit Wahrheit, dass ihr vor den Augen Gottes, wenn man über die Sachen recht nachdenken will, nicht um ein Haar besser seid, als elende, leibeigene Knechte, denn wer Sünde tut, der ist nicht frei davon, sondern ein Knecht der Sünden. Also, dass er sich von der Sünde regieren lässt und die anklebende Sünde ihn leitet und führt, wohin sie will, sodass der Mensch aus einem Laster ins andere fällt. Der Lohn dieser Knechtschaft oder Dienstbarkeit wird die ewige Verdammnis, das höllische Feuer und unendliche Pein sein. Darum, ob der elenden Knechte, die nicht über die Sünde herrschen, sondern die Sünde über sich herrschen lassen, auch wenn sie sonst in der Welt nicht nur frei geborene, sondern auch Geschlechter, Adelspersonen, Freiherren, Grafen, Fürsten, Könige und Kaiser sind. Aber, oh der edelsten und glückseligsten, freien und frommen Leute, die an Christus glauben und über die Sünde durch den Glauben herrschen, egal ob sie unter den Türken oder anderen Tyrannen mit harter äußerer und leiblicher Dienstbarkeit geplagt werden. Denn die sind vor Gott recht frei und die Edelsten und werden zur Belohnung ihrer Frömmigkeit die ewige und himmlische Freude empfangen. Denn ihr Lohn wird groß sein im Himmel {Mt 5}.

35. Der Knecht aber bleibt nicht ewig im Hause; der Sohn bleibt ewig.

Bleibt nicht: Er hat kein Recht oder keinen Anspruch am Haus, dass ihn der Hausvater um sich leiden und ernähren müsste, viel weniger darf er mit den Kindern im Hause das Erbe antreten. Sondern, wenn es einem Hausvater gefällt, so wird er entweder verkauft oder aus dem Haus verstoßen.

Bleibt ewig: Dass ihn keiner hinausstoßen darf, solange er sich ansonsten kindlich und gehorsam verhält und ein Erbe der väterlichen Güter ist. Wenn nun der Sohn das väterliche Erbgut in seiner Gewalt hat und einen Knecht frei lässt, so kann dieser frei sein und heißen : Also ihr, weil ihr Sünder seid, so seid ihr auch Knechte. Weil ich aber ewig und der eingeborene Sohn des himmlischen Vaters, Herr des Himmels und der Erden bin und die ganze himmlische Erbschaft in meiner Gewalt ist, so kann ich allein euch von der aller elendsten Dienstbarkeit frei machen. Denn, wie ein leibeigener Knecht den anderen nicht frei machen kann, so kann ein Sünder den anderen mit seinem Verdienst nicht von der ewigen Verdammnis erlösen. Es sind aber alle Menschen von Natur aus Sünder, und es müssen auch die Wiedergeborenen mit dem Apostel Paulus bekennen: Ich weiß, dass in mir, das ist, in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt, Röm. im 7. Kap.

36. So euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei.

Frei macht: Durch seinen Gehorsam und sein Leiden von Sünden, Gottes Zorn, Verdammnis und Gewalt des Teufels.

Recht frei: Wo aber das nicht geschieht und ihr euch solcher Freiheit nicht durch den Glauben teilhaftig macht, so seid und bleibt ihr die allerelendsten leibeigenen Knechte des Teufels und der ewigen Verdammnis. Wenn wir aber vom Sohn Gottes, der da Mensch geworden ist, wieder in die rechte Freiheit eingesetzt worden sind, so sollen wir einen solchen Wandel und ein solches Leben führen, wie es freien, das heißt, gottseligen Leuten wohl ansteht, und nicht zugeben, dass dies Sünde weiter über uns herrscht. Und die Geschäfte sollen durch den Geist des Fleisches getötet werden, wie S. Paulus ermahnt in Römern im 8. Kapitel.

37. Ich weiß wohl, dass ihr Abrahams Samen seid; aber ihr sucht mich zu töten; denn meine Rede fängt nicht unter euch.

Samen seid: Nach der fleischlichen Geburt. Solches sagt Christus zu den halsstarrigen Juden.

Zu töten: Ihr beweist also mit der Tat, dass ihr Knechte der Sünde und des Teufels seid, weil ihr mich, nicht nur einen frommen und unschuldigen Menschen, sondern auch den eingeborenen Sohn Gottes und euren Messias wünscht, umzubringen dazu um keiner anderen Ursache willen, als dass euch meine Predigten nicht zusagen und ihr sie nicht mit Glauben annehmt, wie es sich gebührt.

38. Ich rede, was ich von meinem Vater gesehen habe; so tut ihr, was ihr von eurem Vater gesehen habt.

Gesehen habe: Und predige wegen meines tragenden Amtes, weil ich vom Vater dazu gesandt wurde, euch die Wahrheit und eröffne euch den Willen Gottes ohne Falsch so viel, wie zur ewigen Seligkeit nötig ist.

Gesehen habt: Was euch der Teufel lehrt, dass ihr nämlich mir nach meinem Leben trachtet. Denn gleich, wie die Kinder normalerweise etwas nachmachen möchten, was sie sehen, was ihre Eltern daheim tun, so schlagen die Frommen ihrem himmlischen Vater nach, mit ihrer Art und ihren Verrichtungen. Hingegen richten sich die Gottlosen nach der Weise und dem Tun des Satans.

39. Sie antworteten und sprachen zu ihm: Abraham ist unser Vater. Sprach Jesus zu ihnen: Wenn ihr Abrahams Kinder wäret, so tätet ihr Abrahams Werke.

Abraham: Der allerheiligste Patriarch, dessen wir uns gar nicht schämen und auf Erden keinen anderen Vater kennen, obwohl du uns, ich weiß nicht, was für einen Vater andichten und aufdrängen willst.

Werk: Denn weil die Juden dem Patriarchen Abraham so ungleich waren, so leugnet Christus, dass sie rechte und geistliche Kinder Abrahams sind.

40. Nun aber sucht ihr mich zu töten, einen solchen Menschen, der ich euch die Wahrheit gesagt habe, die ich von Gott gehört habe; das hat Abraham nicht getan.

Nicht getan: Denn Abraham hat an mich, den damals zukünftigen Messias und Sohn Gottes geglaubt, und ist durch solchen Glauben gerechtfertigt worden. Abraham hat das Wort Gottes mit großer Freude und dankbarem Herzen angenommen. Abraham hat aus Glauben seinem Nächsten Gutes getan und ist wegen seiner vielfältigen Werke der wahren Gottseligkeit berühmt gewesen; sodass er auch für die Sodomiter, weil sie erhalten werden möchten, bei Gott fleißig eine Fürbitte vorbrachte. Und das ist zum Verwundern gewesen, dass er mich mit einem Opfer abbildete, da es ihm von Gott befohlen worden war, war er bereit und willig, auch seinen einigen Sohn um meinetwillen zu schlachten. Aber ihr wollt mich weder für den Messias erkennen, noch an mich glauben, geschweige denn, euch über meine Ankunft freuen. Ja, es ist euch meine Gegenwart vielmehr verdrießlich und höchst zuwider. Weil ich auch von meinem himmlischen Vater zu euch gesandt worden bin und euch in meinen Predigten den Weg zum ewigen Leben zeige, so denkt ihr inzwischen daran, wie ihr mich mit einem grausamen Tod aus dem Wege räumen und hinrichten könnt. So einer ist Abraham nicht gewesen. Darum rühmt ihr euch zu Unrecht, dass er euer Vater sei. Es ist deswegen nicht ausreichend, dass man sich des großen Namens und stattlichen Herkommens der Vorfahren rühmt, wenn man nicht auch ihren Tugenden folgt, wie kurz zuvor berichtet wurde. Gleichermaßen rühmen sich die römischen Päpste der ordentlichen apostolischen Folge und dass sie deren Nachkommen seien zu Unrecht und falsch. Denn sie lehren das Evangelium Christi nicht wie die Apostel, sondern verfolgen es vielmehr und haben das apostolische Predigtamt in ein Geschäft und einen Jahrmarkt verwandelt. Darum sind sie nicht die Nachkommen der Apostel Petrus und Paulus, sondern des Kaiphas, des Judas Ischariot und Simons des Zauberers.

41. Ihr tut eures Vaters Werke. Da sprachen sie zu ihm: Wir sind nicht unehelich geboren; wir haben einen Vater, Gott.

Nicht unehelich: Du wirst uns freilich nicht zu Hurenkindern machen können, auch nicht ohne große Bosheit leugnen können, dass wir Kinder und Nachkommen des heiligen Patriarchen Abrahams sind. Redest du aber von einem geistlichen Vater, so haben wir den allmächtigen Gott, dessen wir uns auch nicht schämen. Denn der hat durch den Propheten Jeremias gesagt, ich bin Israels Vater und Ephraim ist mein erstgeborener Sohn.

42. Jesus sprach zu ihnen: Wäre Gott euer Vater, so liebtet ihr mich; denn ich bin ausgegangen und komme von Gott; denn ich bin nicht von mir selber kommen, sondern er hat mich gesandt.

Mich: Als den eingeborenen Sohn Gottes, darum ist es nicht wahr, dass ihr euch Kinder Gottes rühmt.

Komme: In diese Welt um eurer Seligkeit willen. Darum, wenn ihre Kinder Gottes wärt, so würdet ihr freilich mich, den Sohn Gottes, der um euretwillen zu euch gesandt worden ist, keineswegs anfeinden und hassen.

Er: Mein himmlischer Vater. Denn ich habe mich nicht gegen den Willen meines Vaters ins Lehramt gedrängt, wie die falschen Propheten es zu tun pflegen, die laufen, obwohl sie doch Gott nicht gesandt hat. Ich habe mit herrlichen Wunderwerken bisher genug bewiesen, dass ich von Gott gesandt bin. Darum, wenn ihr Gottes Kinder wärt und ihr mich dennoch nicht für den Sohn Gottes erkennt, so solltet ihr mich doch als einen Gesandten und Propheten Gottes mit aller Ehrerbietung und mit Freuden aufnehmen wie damals eure Voreltern in Ägypten den Moses und Aron, die zu ihnen gesandt waren, demütig und willig aufnahmen {2Mos 4}.

43. Warum kennt ihr denn meine Sprache nicht? Denn ihr könnt ja mein Wort nicht hören.

Sprache nicht: Wie kommt es, dass ihr meine Rede nicht für Gottes Wort erkennt, da ich doch nichts lehre, das den Schriften Moses und der Propheten zuwider wäre und was ich lehre, noch dazu mit herrlichen Wunderwerken bestätige? Aber ihr seid so verstockt, dass ihr mich, den Propheten, von dem Moses {5Mos 18}, gesagt hat, nicht hören könnt, sondern meine Predigten verwerft und verlästert, als würde ich vom Teufel getrieben. Wie sollte man denn glauben, dass ihr Gottes Kinder seid, da ihr seinen eingeborenen Sohn nicht liebt, sondern ihm spinnefeind seid? Und den Gesandten und Propheten Gottes, von dem vor langer Zeit bereits geweissagt wurde, nicht erkennt. Ja ihn auch nicht hören wollt. Darum rühmt ihr mit Worten, was ihr mit der Tat niemals erweisen werdet. Also sind auch die Widersacher, die Christus, den einigen Heiland nicht einzig und allein lieben und ihm allein nicht vertrauen, keine Kinder Gottes, noch seine Kirche oder Gemeinde, egal was sie rühmen. Auch die, die den prophetischen und apostolischen Schriften nicht überall und in allen Stücken Glauben schenken, sind nicht Kinder Gottes. Auch die nicht, die nicht leiden wollen, dass ihre Irrtümer oder Laster mit dem Worte Gottes gestraft werden, obgleich sie sonst einen großen Eifer in der Religion vorgeben. Sondern das sind Kinder Gottes, die vom Geist Gottes getrieben werden, in Römer, 8. Kapitel. Das heißt, die Christus lieben, sein Wort gern hören und halten und demselben in allem Glauben und sich um Gehorsam bemühen.

44. Ihr seid von dem Vater, dem Teufel, und nach eures Vaters Lust wollt ihr tun. Derselbe ist ein Mörder von Anfang und ist nicht bestanden in der Wahrheit; denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er die Lügen redet, so redet er von seinem Eigenen; denn er ist ein Lügner und ein Vater derselben {1Joh 3v8 1Mos 3v4 2Petr 2v4}.

Teufel: Denn ich habe euch mit offensichtlichen Anzeigen bewiesen, dass ihr weder Abrahams noch Gottes Kinder seid, darum muss ich es euch jetzt deutlich sagen, was ihr für einen Vater habt. Der Teufel ist euer Vater und nicht Abraham oder Gott, sondern der Feind Gottes und des menschlichen Geschlechts. Und das will ich noch weiter beweisen, dass es wahr ist.

Tun: Ihr geht mit diesen Sachen um und habt eine Freude daran, wie er, lasst euch von ihm reizen und treiben, dass ihr nicht des himmlischen Vaters, sondern seinen, des Satans Willen zu tun euch bemüht.

Anfang: Bald nach Erschaffung des menschlichen Geschlechts. Nachdem er gefallen war, hat er nicht geruht, bis er das menschliche Geschlecht in den zeitlichen und ewigen Tod durch die Sünde gestürzt hat. Demselben, eurem Vater, schlagt ihr nach, denn ihr habt auch ein blutdürstiges und grausames Gemüt, weil ihr mich, einen unschuldigen Menschen, ohne Ursache ums Leben zu bringen begehrt. Und es hat euch bisher an eurem guten Willen nicht gefehlt, wenn ihr nur Gelegenheit dazu gehabt hättet. Welche, die unter dem Schein der Religion, dieselbe zu erhalten, grausam tötet, die sind aus dem Vater, dem Teufel und können ebenso wenig (sofern sie sich nicht bekehren und Buße tun) die rechte Kirche genannt werden, genauso wenig, wie der Teufel Christus heißt.

Wahrheit: Das ist der andere Beweis (spricht Christus), dass ihr Kinder des Teufels seid. Denn er ist nicht allein ein Mörder, sondern auch ein Lügengeist, der aus freiem Willen und für sich selber gegen Gott eine Lüge erdacht und gesagt hat: Gott würde die Erkenntnis des Guten und Bösen dem menschlichen Geschlecht nicht gönnen und würde sich sorgen, dass nicht etwa die Menschen Gott gleich werden. So untersteht er sich auch noch heutzutage, die Welt mit Lügen zu verführen.

In ihm: Sondern er leugnet alles, was er vorbringt. Und wenn er einmal etwas redet, das wahr ist, so mischt er doch Lügen mit darunter oder sagt die Wahrheit so trügerisch, dass durch deren Missbrauch die Leute betrogen werden und in Gefahr geraten.

Eigen: Dass er aus seinem eigenen, bösen Schatz vorbringt, wozu er Lust hat. Und zwar ist jetzt, nach dem Fall, Lüge sein einziges Tun, womit er umgeht.

45. Ich aber, weil ich die Wahrheit sage, so glaubt ihr mir nicht.

Mir nicht: Ihr verachtet die Wahrheit, die ihr von mir hört und habt Lust zur Lüge. Daher ist offenbar, dass ihr nicht in die Art des himmlischen Vaters schlagt, von dem die Wahrheit herkommt. Sondern ihr seid des Teufels Kinder, der zu lügen Lust hat, gleichwie auch ihr in diesem Stück demselben, eurem höllischen Vater, nachschlagt. An dieser Stelle hat man auf viele Stücke zu achten. Als: Dass der Satan anfangs ein guter Geist gewesen, aber danach durch seine eigene Schuld sich abgewandt und verkehrt worden ist, neben anderen, mehr Teufeln, seinen Anhängern. Dass er ein Lügner und Mörder ist. Darum, die mit Lügen von ihm in der Religionssachen geblendet werden, die lassen sich auch leicht von ihm antreiben, dass sie Totschläger werden und mit Morden gegen unschuldige Leute wüten, und dass auch die, die Lust zum Lügen haben, besonders in Religionssachen, wodurch die Leute betrogen werden, nicht Kinder Gottes, sondern des Teufels sind. Und dass die Menschen nach ihrer verdorbenen Natur die Lügen mehr lieben, als die Wahrheit. Daher geraten sie auch aus gerechtem Urteil Gottes in kräftige Irrtümer, dass sie verführt werden und Lügen glauben, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, dass sie selig würden {2Thes 2}.

46. Welcher unter euch kann mich einer Sünde zeihen? So ich euch aber die Wahrheit sage, warum glaubt ihr mir nicht?

Zeihen: Mit diesen Worten hat Christus den Juden alle Entschuldigung ihrer Widerspenstigkeit nehmen wollen. Als wollte er sagen: Wer unter euch hat mich bisher einiger Lügen oder eines Irrtums überführen können? Freilich keiner. Dennoch wollt ihr mir nicht glauben, obwohl ich euch die Wahrheit lehre. Aus diesem Spruch kann man entnehmen, dass, obwohl auch solche Kirchendiener gefunden werden, an denen man nichts tadeln und keinen Mangel spüren kann, dennoch viele Zuhörer in Irrtum und gottlosen Wesen beharren werden.

47. Wer von Gott ist, der hört Gottes Wort. Darum hört ihr nicht; denn ihr seid nicht von Gott {1Joh 4v6}.

Von Gott: Denn wenn ihr Gottes Kinder wärt, wie ihr euch zuvor gerühmt und gesagt habt, wir haben einen Vater, Gott, so würdet ihr auch freilich das Wort des himmlischen Vaters hören und mit dankbarem Herzen annehmen. Denn die, die wahrhaftig Kinder Gottes sind, die hören Gott den Vater gern, wenn er durch seine Gesandten mit ihnen redet. Weil aber ihr (spricht Christus) Gottes Wort, welches ich vortrage, verachtet und hasst, so ist offenbar, dass ihr keineswegs unter die Kinder Gottes zu zählen seid. Denn die können nicht für die Kirche, noch für Glieder der Kirche gehalten werden, die dem Wort Gottes mutwillig und halsstarrig widerstreben.

48. Da antworteten die Juden und sprachen zu ihm: Sagen wir nicht recht, dass du ein Samariter bist und hast den Teufel.

Juden: Welche es heftig verdross, dass Christus einen solchen Beweis gegen sie vorbrachte. Und sie haben sich darüber sehr gegen ihn entrüstet.

Teufel: Wir urteilen richtig von dir, dass du kein Prophet bist, von Gott gesandt, auch mit keiner rechten und gesunden Lehre ausgestattet, sondern vielmehr ein abtrünniger Mensch, der eine falsche und unrechte Lehre vorbringt und vom Teufel besessen ist. Die Samariter aber hatten ihre Herkunft von den Chaldäer, als gottlosen Heiden und sie hatten die israelitische Religion zum Teil angenommen, zum Teil aber hingen sie noch den heidnischen Abgöttern an, wie im anderen Buch der Könige, Kapitel 17, zu sehen ist. Darum sind sie von den Juden mehr angefeindet worden, als andere Heiden, welche sich allerdings zum heidnischen Unglauben bekannten. Und es ist zwar eine vermischte Religion und für unseren Herrn Gott auch abscheulich und ein Frevel. Aber die Juden lästern und schmähen den Herrn Christus in unbilligerweise mit beiderlei Namen, indem sie ihn einen Samariter und vom Teufel besessen nennen. Also, wenn die Feinde der Wahrheit keinen gründlichen Beweis haben, so bringen sie gräuliche Lügen, Lästerung und Schmachworte vor, bei denen sie ihre Zuflucht suchen, wie die Lahmen bei den Pferden.

49. Jesus antwortete: Ich habe keinen Teufel, sondern ich ehre meinen Vater, und ihr verunehrt mich.

Keinen Teufel: Und rede oder tue nichts dergleichen, wie es die zu tun pflegen, welche vom Teufel besessen sind. Und obwohl Christus seinen Widersachern mit der Wahrheit wiederum mit harter Antwort begegnen können, so hat er doch viel mehr seine Unschuld sittlich verteidigen wollen, als mit ihnen, nachdem sie mit ihm hart umgehen.

Meinen Vater: Meine Predigten und Wunderwerke sind dahin gerichtet und angesehen, dass meines himmlischen Vaters Güte, Majestät und Herzlichkeit bei dem menschlichen Geschlecht bekannt und gefördert werde. Also steht es einem frommen Kirchendiener zu, dass er zu allererst Gottes Ehre sucht.

Verunehrt mich: Dafür, dass ihr mich als einen treuen Abgesandten Gottes, des himmlischen Vaters hören und in Ehren halten solltet, lästert und schmäht ihr mich. Seid mir also sogar undankbar für meine Guttaten, die ich euch bringe und anbiete.

50. Ich suche nicht meine Ehre; es ist aber einer, der sie sucht und richtet.

Suche nicht: Ich bekümmere mich in dieser Zeit nicht sehr darum, wie ich meine Ehre gegen euch handhaben könnte. Denn ich wandle jetzt im Stand der Erniedrigung und bin bereit, auch noch größere Schmach um des menschlichen Geschlechts Seligkeit willen zu leiden. Aber doch wird mein himmlischer Vater zu seiner Zeit meine Ehre von aller Schmach retten und mir meine Herrlichkeit, auch über euch, die ihr mich mit giftigen Schmachworten angegriffen habt, ein hartes, aber gerechtes Urteil fällen und euch bestrafen, dass ihr den Messias verachtet und euch an ihm vergriffen habt. Also sind fromme Kirchendiener um ihre eigene Ehre nicht sonderlich bemüht, sondern befehlen es alles Gott, als den gerechten Richter.

51. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: So jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewig.

Wahrlich: Obwohl es die halsstarrigen und giftigen Juden, die Christus schmähten und lästerten, nicht wert waren, dass sie ein einziges Wort Gottes von Christus mehr anhören sollten, so hat aber doch Christus die anderen Zuhörer wahrgenommen, die im selben Haufen waren und den Verstockten nicht glichen. Es schwört aber Christus (warum wollen wir ihm aber nicht glauben, wenn er schwört, dem wir auch, wenn er nicht schwören würde, auf jeden Fall glauben sollten), wie es geschehen wird, dass, egal welcher Mensch, habe er wenige oder viele Sünden begangen, Christi Wort, das ist sein Evangelium, halten, das heißt, mit Glauben annehmen wird, der wird nicht des ewigen Todes sterben oder verdammt werden. Denn das heißt, den Tod ewig nicht sehen. Mit diesem Spruch sollen wir uns in allen Anfechtungen trösten, wenn uns unsere Sünden, auch gegen das Gewissen, drücken und uns von dieser allerlieblichsten und sichersten Verheißung Christi nicht wegführen lassen.

Mein Wort. (Nach Luther) Das ist vom Wort des Glaubens oder vom Evangelium gesagt.

52. Da sprachen die Juden zu ihm: Nun erkennen wir, dass du den Teufel hast. Abraham ist gestorben und die Propheten, und du sprichst: So jemand mein Wort hält, der wird den Tod nicht schmecken ewig.

Juden: Dass sie die kurze aber doch sehr holdselige Predigt Christi als verstockte Leute verlästerten und verhöhnten.

Erkennen wir: Aus deiner unsinnigen und tollen Rede.

Teufel hast: Denn wie wollte sich einer unterstehen (wenn er nicht vom Teufel besessen wäre) dass er sich solcher Sachen rühmen durfte, die auch die Allerheiligsten und von Gott geliebten Patriarchen weder selbst noch anderen haben leisten können?

Abraham: Der ein besonderer Freund Gottes gewesen ist.

Propheten: Von denen keiner weder für sich selbst noch für andere das Leben mit seiner Lehre hätte erhalten oder verlängern können.

Sprichst: Du darfst ausgeben, wie du deine gläubigen Zuhörer vor dem Tod bewahren könntest. Was ist das für ein nichtiges Vorgeben?

53. Bist du mehr denn unser Vater Abraham, welcher gestorben ist? Und die Propheten sind gestorben. Was machst du aus dir selbst?

Mehr: Solltest du auch wohl besser und Gott angenehm sein?

Gestorben ist: Obwohl er die Wahrheit der göttlichen Lehre gehabt und andere diese auch gelehrt hat.

Sind gestorben: Ungeachtet ihrer himmlischen Lehre, die sie geführt haben, allein den einigen Elias ausgenommen.

Die er selbst: Dass du dich, wie wir sehen, dem heiligen Patriarchen nicht nur gleich achtest, sondern auch demselben vorziehen darfst? Ist das nicht Zeichen genug, dass du vom Teufel getrieben wirst? Aber die unsinnigen Juden achteten weder richtig auf die Lehre des Herrn Christus, noch auf seine Wunderwerke, darum ist es kein Wunder, dass sie ihm hässlich und lästerlich den Patriarchen und Propheten unterwarfen. Was ein Irrtum von ihnen war. Danach verstanden sie des Herrn Christi Wort nicht recht. Denn was Christus vom ewigen Tod redete, ist nichts anderes, als die ewige Verdammnis, dass verstanden sie vom zeitlichen Tode. Denn der größere Teil der Menschen ist leider nur auf das zeitliche Leben und den Tod bedacht. Aber an das ewige Leben und den Tod denken sie selten und bemühen sich mehr darum, wie sie das zeitliche Leben gut und angenehm verbringen können, als dass sie dem ewigen Tode entgehen möchten.

54. Jesus antwortete: So ich mich selber ehre, so ist meine Ehre nichts. Es ist aber mein Vater, der mich ehrt, von welchem ihr sprecht, er sei euer Gott,

Ehre nichts: Das heißt: Wenn ich nach Art der leichtfertigen Menschen einem nichtigen Ruhm nach strebe und viele köstliche Dinge von mir aufgebe, daneben aber kein anderes ausreichendes Zeugnis hätte, so würden freilich meine Worte nicht viel gelten. Denn wer sein eigenes Lob aufschreibt, der wird von anderen einen schlechten Glauben und Beifall bekommen. Daher sagt Salomon in seinen Sprüchen: Lass dich einen anderen loben und nicht deinen Mund.

Mich ehrt: Indem er mir ein herzliches Zeugnis gegeben hat, welchem freilich von niemanden widersprochen werden kann.

Euer Gott: Daher sollte sein Zeugnis richtig bei euch stattfinden, dass ihr ihm Glauben entgegenbringt. Derselbe hat in der Taufe öffentlich von mir gezeugt und gesagt: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich ein Wohlgefallen habe. Der hat mir auch befohlen, solche Wunderwerke zu tun, die von meiner Gottheit ausreichend zeugen können. Solche Zeugnisse des himmlischen Vaters von Christus sollten wir willig und gern annehmen, auf dass wir ihn für den Sohn Gottes und Heiland erkennen.

55. und kennt ihn nicht. Ich aber kenne ihn. Und so ich würde sagen, ich kenne ihn nicht, so würde ich ein Lügner, gleichwie ihr seid. Aber ich kenne ihn und halte sein Wort.

Ihn nicht: Weil ihr weder von seinem Wesen noch Willen etwas Rechtes glaubt und keine rechte Erkenntnis Gottes habt, bringe ich sein Zeugnis bei euch vergebens vor. Darum braucht man sich nicht wundern, dass ihr sein Zeugnis nicht achtet. Denn welche nicht glauben an Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist, als einen Gott in drei Personen, oder nicht glauben, dass Jesus Christus Gottes und Marias Sohn sei, unser einiger Heiland, der uns mit seinem einigen Opfer am Kreuz Vergebung aller Sünden und das ewige Leben erworben hat, die erkennen Gott nicht. Sie sind wie die Juden, Türken, Arianer oder Katholiken.

Kenne ihn: Sein Wesen und Wille sei mir wohl bekannt.

Lügner: Wenn ich es verleugnen würde und sagen würde, dass ich ihn, meinen himmlischen Vater nicht kennen würde, so würde ich ebenso gut liegen, wie ihr, wenn ihr vorgebt, dass ihr ihn kennt.

Kenne ihn: Und kann anderen sein Wesen und seinen Willen kundtun.

Wort: Oder Befehl: Leiste ihm also den allervollkommensten Gehorsam. Denn dadurch, dass Christus seinem Vater gehorsam gewesen ist in allem, auch im Leiden bis zum Tod des Kreuzes {Phil 2}, hat er erlangt, dass die, die an ihn glauben um seines Gehorsams willen vor Gott gerecht und selig werden {Röm 5}.

56. Abraham, euer Vater, ward froh, dass er meinen Tag sehen sollte; und er sah ihn und freute sich.

Abraham: (Nach Luther) Alle Heiligen von der Welt Anfang haben denselben Glauben an Christus gehabt, den wir haben und sind rechte Christen.

Vater: Dessen Kinder zu sein ihr euch zwar rühmt, aber ihr schlagt aus der Art, sodass ihr weder den gemeinen Vater, Gott, kennt, noch den Glauben Abrahams habt.

Sehen sollt: Das heißt: Abraham hatte nichts so sehr gewünscht und begehrt, als dass er mich, den Sohn Gottes und Heiland der Welt, im Fleisch sehen könnte, und es hätte ihm keine größere Freude widerfahren können. Allerdings hat er nun die Zeit meiner Menschwerdung nicht erreicht. Jedoch, da ihm die Verheißung von dem gebenedeiten Samen wiederum erneuert wurde {1Mos 22}, so hat er im Geist und im Glauben gesehen und verstanden, dass ich dereinst aus seinen Nachkommen geboren werden würde und dem menschlichen Geschlecht die ewige Seligkeit bringen werde. Darum hat er sich so sehr darüber gefreut. Er hat von meiner Menschwerdung und daran, dass er die Seligkeit durch mich erlangen würde, so wenig gezweifelt, so wenig er im Zweifel gestanden war, ob er auch zeitlich lebe. Das Verlangen der Patriarchen aber, das sie nach der Menschwerdung Christi gehabt haben, wird derjenigen Undankbarkeit am jüngsten Tage anklagen, die Christus, da er jetzt bereits Mensch geworden war und der Welt täglich verkündigt wird, nicht annehmen, noch sich seiner achten. Und es sind die Patriarchen oder Erzväter eben durch denselben Glauben an Christus selig geworden, durch den auch wir selig zu werden hoffen; doch auch, dass sie an den damals noch zukünftigen Christus geglaubt haben, da wir an ihn glauben, dass er bereits gekommen sei.

57. Da sprachen die Juden zu ihm: Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt und hast Abraham gesehen?

Gesehen: Der doch vor 2000 Jahren gestorben ist. Schämst du dich nicht eines solchen Übermuts und ungereimten Vorgebens? Denn die Rede des Herrn Christi, dass er sagte, Abraham wäre ihm bekannt gewesen, kam den Juden sehr ungereimt vor, weil sie nichts an ihm sahen, als einen bloßen Menschen.

58. Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ehe denn Abraham ward, bin ich.

Bin ich: Denn ich bin nach meiner Gottheit immer und überall und habe keinen Anfang, darum bin ich viel älter als Abraham. Das ist ein unfehlbares Zeugnis der ewigen Gottheit Christi. Darum lästerten die Arianer in Siebenbürgen und anderswo Christus gräulich, dass sie sagten, der ganze Christus habe damals und im selben Jahr seinen Anfang genommen, als er leiblich in diese Welt geboren wurde, und es sei vor dieser Zeit von der Person Christi nichts gewesen. In diesem Stück sind sie ärger, als die alten Arianer, , die zugaben, dass der Sohn Gottes vor Erschaffung der Welt gewesen ist. Sie setzten aber lästerlich hinzu: Es war eine Zeit, da er nicht war. Die Juden aber verstanden, dass Christus mit diesen Worten sich selbst eine wahre, ewige Gottheit zumaß. In diesem Stück sind sie verständiger gewesen als die Arianer. Darum, obgleich sie Christus nur für einen einfachen Menschen ansahen, so hielten sie es dafür, solche gräuliche Gotteslästerung müsste mit dem Tode an ihm gestraft werden.

59. Da hoben sie Steine auf, dass sie auf ihn würfen. Aber Jesus verbarg sich und ging zum Tempel hinaus, mitten durch sie hinstreichend.

Würfen: Und steinigten ihn. Denn solche Strafe ist den Gotteslästerern von Gott selbst aufgesetzt worden, schlossen sie aus dem 24. Kapitel des dritten Buch Mose. Aber bei Christus war es ein Fehler, und dieses Beispiel der jüdischen Grausamkeit bezeugt, dass diejenigen, die der Wahrheit der himmlischen Lehre widerstrebten nicht nur mit Lügen oder Irrtümern vom Teufel geblendet, sondern auch von ihm getrieben und gereizt wurden, dass sie gegen die Bekenner der himmlischen Wahrheit Wüterei treiben, wo sie nur können und Gelegenheit haben. Und es ist bis zum heutigen Tag derselbe Lügen- und Mordgeist, der die Katholiken das Evangelium zu verfolgen und die Wiedertäufer und Zwinglianer die Kirchen und das weltliche Regiment zu zerrütten, antreibt.

Verbarg sich: Dass er sich in einem Augenblick unsichtbar machte und mitten durch seine Feinde hinausging und ihn dennoch keiner sah. Eben das ist auch geschehen, wie ihn seine Landsleute vom Felsen stürzen wollten, Luk. im 4. Kapitel. Es irren sich deswegen diejenigen gröblich, die sagen dürfen, der Leib Christi könnte nirgends sein, man sehe und greife ihn denn, da er doch auch zu Emmaus für seine Jünger verschwunden war Luk. im 24. Kapitel. Obwohl es nun anderen Leuten nicht widerfährt, dass sie der Gestalt der Gefahr entgehen, so hat dennoch der Herr Christus auch mit diesem Beispiel bezeugt, dass er uns in aller Gefahr schützen und erhalten will, bis wir den Lauf unseres Berufs vollendet haben. Es lehrt uns aber dieses ganze achte Kapitel, das Jesus von Nazareth der ewige Sohn Gottes ist, mit dem Vater eines Wesens und ein wahrer Mensch, der Heiland der Welt; darum sollen wir an ihn glauben, auf dass wir ewig selig werden.


Das 9. Kapitel

  • Zunächst wird erzählt, wie ein Blind-Geborener auf wunderbare Weise von Christus am Sabbat sehend gemacht worden ist.
  • Darauf folgt die Handlung der Pharisäer, die sie in Bezug auf dieses Wunderzeichen getan haben.
  • Und es wird ein Gespräch hinzugefügt, welches der Herr Christus mit den Menschen, als ihn die Pharisäer ausgestoßen hatten, und mit den Pharisäern selbst gehabt hat.

1. Und Jesus ging vorüber und sah einen, der blind geboren war.

Und: Obwohl die Bosheit und Undankbarkeit der Juden sehr groß war, so hörte doch der Herr Christus nicht auf, ihnen Gutes zu tun. Darum, als ihm ein Blinder begegnete, der so geboren war und das Tageslicht sein Leben lang nie gesehen hatte, machte er diesen sehend. Doch vorher besprachen sich seine Jünger wegen dieses Blinden mit ihm, wie wir hören werden.

Geboren: Und so in diese Welt gekommen. Es ist aber ein großer Jammer, wenn jemand seines Augenlichtes beraubt ist, und es finden sich nur wenige, die Gott dem Herrn für solche eine Guttat danken, dass sie die Sonne und das Tageslicht anschauen können.

2. Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er ist blind geboren?

Dieser oder: Ist dieser blinde Mensch im Mutterleib so gottlos und verkehrt gewesen, dass ihm Gott das Augenlicht geraubt hat, ehe er geboren wurde, oder haben es seine Eltern mit ihren groben Übertretungen verschuldet, dass Gott ihr Kind mit solchem Jammer überschüttet hat, damit auch sie zum Teil dadurch gestraft werden? Denn ein Unfall der Kinder ist auch für die Eltern nicht gut, weil ihr Herzeleid durch die Trübsal der Kinder vermehrt wird. Bisweilen straft Gott die Bosheit der Eltern auch eine Zeit lang an den Kindern, was doch frommen Kindern zur Seligkeit dient. Aber die Apostel beweisen an dieser Stelle ihren schlichten Verstand, um zu urteilen. Denn sie waren der Meinung, dass keiner von Gott mit einem schweren Kreuz belegt würde, es sei denn, er hätte sich mit einer großen Sünde befleckt, oder aber, dass seine Eltern Gott aufs Gröbste beleidigt hätten. In diesem Irrtum haben auch die Freunde des frommen Hiob gesteckt, die aus seinem großen Jammer fälschlicherweise schlossen, dass er schwer gegen Gott gesündigt habe. Also beurteilen auch wohl noch heutigen Tages viele die Trübsal frommer Leute falsch, so als ob es Strafen großer Sünden wären, wo sie doch viel mehr in sich selbst gehen und ihre eigenen Übeltaten erkennen sollten.

3. Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern dass die Werke Gottes offenbar würden an ihm.

An ihm: Denn obwohl dieser Mensch und seine Eltern vor Gott Sünder sind und deshalb nicht nur der zeitlichen Strafe, sondern auch der ewigen Verdammnis wegen ihrer verdorbenen Natur und nach ihrem Verdienst wert wären, so hat doch Gott diesen Menschen nicht darum sein Augenlicht geraubt, weil seine Bosheit, oder die Übertretungen seiner Eltern vor anderer Leute Sünden so groß gewesen ist, dass Gott an ihm ein Exempel statuieren wollte, sondern Gott hat diesen Menschen darum mit diesem Kreuz belegt, damit durch mich, wenn ich ihm das Augenlicht wiedergebe, die Güte und Majestät meines himmlischen Vaters hervorleuchtet und aus solchen rechten, göttlichen Werken meine Gottheit gespürt wird. Denn Gott lässt bisweilen seine Auserwählten mit schwerer Trübsal überfallen, damit an ihrer Errettung Gottes Ehre erkannt und ihre Beständigkeit gerühmt wird.

4. Ich muss wirken die Werke des, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann.

Gesandt hat: Denn der himmlische Vater hat mich in diese Welt gesandt, dass ich mit den göttlichen Wunderzeichen, die er mir zu tun befohlen hat, die Lehre des Evangeliums von dem Willen meines Vaters bestätige. Darum ist es recht, wenn ich meiner Aufgabe nachkomme, weil ich Zeit und Gelegenheit habe. Und so wie die Menschen normalerweise am besten arbeiten, wenn es noch Tag ist, in der Nacht aber ruhen, weil viele Arbeiten nur am Tag verrichtet werden können, wie der Ackerbau und anderes, so will ich wirken, während ich lebe. Denn wenn die Nacht meines Todes kommen wird, so wird keine Zeit mehr sein, solche Wunderwerke zu tun, wie ich sie jetzt tue, indem ich die Menschen gesund machen. Denn wenn ich gestorben bin, wird es aussehen, als wenn die Sonne der Welt eine Zeit lang entzogen wäre, weil ich jetzt nicht nur mit meinen Wunderwerken, sondern auch mit meiner Lehre leuchte, wie die helle Sonne am Himmel. Wir sollen auch die Werke unseres Berufs fleißig verrichten, weil wir dieses Lebenslicht haben, obwohl wir nach diesem Leben ins ewige Licht eingehen werden. Jedoch, wenn der Leib durch den Tod abgestorben ist, so haben wir keine Gelegenheit mehr, dem Nächsten mit unseren Werken zu helfen. Darum sollen wir die Zeit unseres Lebens, so kurz und ungewiss sie ist, gut anlegen.

5. Dieweil ich bin in der Welt, bin ich das Licht der Welt.

6. Da er solches gesagt, spuckte er auf die Erde und machte einen Kot aus dem Speichel und schmierte den Kot auf des Blinden Augen

7. und sprach zu ihm: Gehe hin zu dem Teich Siloah (das ist verdolmetscht: gesandt) und wasche dich. Da ging er hin und wusch sich und kam sehend {Neh 3v15 Esra 8v6};

Siloha: Der nicht weit von hier ist.

Gesandt: Der Teich hat also den Namen zu Recht gehabt, von Sehenden, bei der der Blinde in einer guten Stunde dahin gesandt worden ist.

Ging er: Der Blinde. Und obwohl er hätte sagen können: Wenn du es schaffen willst, mir das Augenlicht wiederzugeben, so musst du auf einem anderen Wege angreifen, denn wenn du den Kopf einschmierst, dürftest du wohl eher einen Sehenden blind, als einen Blinden sehend machen. Und was sollte es mir nutzen, wenn ich mich lange im Teich Siloha wasche? Gerade so, als könne die Blindheit, die einer aus dem Mutterleib mit sich auf die Welt bringt, mit schlichtem Wasser abgewaschen werden? Er hat es jedoch so gehalten, dass er dem Herrn Christus gehorsam folgte, obgleich er ihn solche Dinge zu tun hieß, die der menschlichen Vernunft sehr ungereimt vorgekommen. Denn wir sollen nicht schlauer sein wollen, als der, der alles weiß und alle Kreaturen in seiner Hand hat.

Wusch sich: An seinen Augen im Teich Siloha.

Kam sehend: Dass er von der Blindheit, die aus dem Mutterleib mit sich auf die Welt gebracht hatte, allerdings befreit worden ist. So wie der Kot von dem Speichel und das Wasser des Teiches dem Anschein nach nicht nutzen können zum Erlangen des Augenlichts, hat es dennoch sehr wohl geholfen, weil es dem Herrn Christus so gefallen hat, dass er solche Mittel zu seiner Kur gebraucht hat. So haben auch die Sakramente, die von Christus eingesetzt sind, wie die Taufe und das Abendmahl des Herrn, für die menschliche Vernunft zwar den Anschein, als ob sie zur Seligkeit des Menschen nicht förderlich sein könnten, dennoch werden wir durch die Taufe wiedergeboren und im Abendmahl des Herrn zum ewigen Leben gespeist.

8. Die Nachbarn, und die ihn zuvor gesehen hatten, dass er ein Bettler war, sprachen: Ist dieser nicht, der da saß und bettelte?

Bettler: (Nach Luther) Etliche Texte sagen hier also, dass er blind war.

Nicht der: Nämlich, der arbeitsselige Mensch. Denn weil es ein gar herrliches Wunderwerk war, welches Christus an dem blindgeborenen Menschen getan hat, dass er ihn sehend gemacht hat, so haben doch etliche angefangen, daran zu zweifeln, ob es derselbe Mensch wäre. Andere, die die Wahrheit des Wunderwerkes nicht leugnen konnten, haben es sich darum nicht gefallen lassen, weil es am Sabbat geschehen war, wie wir hernach noch hören werden.

Bettelte: Dessen Elend und Arbeitsseligkeit uns von vielen Jahren her bewusst ist. Wie ist er denn jetzt auf einmal sehend geworden, wo er alle seine Tage blind gewesen ist? Das Betteln war aber im Gesetz Moses verboten, weil Gott gewollt hat, dass im jüdischen Regiment die armen und arbeitsseligen Leute vom Zehnten und anderen einfachen oder geistlichen Gefälligkeiten erhalten werden sollten, damit sie nicht vor den Türen betteln gehen mussten. Die anderen aber, die ihre Nahrung selbst erwerben konnten, mussten arbeiten. Es soll (sprach Moses) allerdings kein Bettler unter euch sein. Aber solch eine gute Ordnung Gottes war zurzeit Christi von den Juden außer acht gelassen worden, wie es auch heutzutage an vielen Orten in Deutschland geschieht mit den Armen, und dies ist ein großer Schaden und Nachteil der Regierung.

9. Etliche sprachen: Er ist‘s; etliche aber: Er ist ihm ähnlich. Er selbst aber sprach: Ich bin‘s.

Ich bin es: Der ich zuvor nie gesehen habe, bis mir jetzt geholfen worden ist. Denn was zur Ausbreitung der Ehre Gottes dient, das soll man nicht verhehlen. Und je fleißiger man bei den rechten Wunderwerken nachforscht, umso herrlicher werden sie hervorscheinen und an den Tag kommen. Wohingegen bei den falschen Wunderzeichen, wenn man sie intensiv erkundet, der Betrug und der falsche Schein gespürt werden.

10. Da sprachen sie zu ihm: Wie sind deine Augen aufgetan?

11. Er antwortete und sprach: Der Mensch, der Jesus heißt, machte einen Kot und beschmierte meine Augen und sprach: Gehe hin zu dem Teich Siloah und wasche dich. Ich ging hin und wusch mich und ward sehend.

Der Mensch: Denn er wusste noch nicht, dass er Gott war.

Kot: Aus seinem Speichel und dem Staub der Erde.

12. Da sprachen sie zu ihm: Wo ist derselbe? Er sprach: Ich weiß nicht.

Wo ist: Denn es bekamen viele von ihnen ein besonders großes Verlangen nach Christus, dass sie ihn sehen wollten, weil er ein so herrliches Wunderwerk an dem armen Menschen getan hatte, andere aber verfolgten den Herrn Christus mit List und waren unwillig darüber, dass er so ein Wunderwerk am Sabbat getan hatte.

Weiß nicht: Wo der Jesus jetzt sein mag. Das weiß ich aber wohl, dass er mir meine Augen durch ein herrliches Wunderwerk aufgetan hat und dieses freie Bekenntnis ist an dem, der blind gewesen war, zu loben, dass er alles aufrichtig bekennt und schlicht heraus sagt, wie die Sache an sich gewesen ist. Denn es steht einem frommen Mann zu, dass er aufrichtig handelt und die Wahrheit spricht, die schlicht und recht ist.

13. Da führten sie ihn zu den Pharisäern, der bis dahin blind war.

Pharisäern: Und es ist zu vermuten, dass die, die ihn zu den Pharisäern geführt hatten, nicht einig waren. Denn etliche haben eben mit dieser Tat den Herrn Christus beschuldigen wollen, dass er den Sabbat nicht gehalten habe, andere aber wollten das Urteil der Pharisäer von diesem herrlichen Wunderwerke hören.

14. (Es war aber Sabbat, da Jesus den Kot machte und seine Augen öffnete.)

15. Da fragten sie ihn abermals, auch die Pharisäer, wie er wäre sehend worden. Er aber sprach zu ihnen: Kot legte er mir auf die Augen, und ich wusch mich und bin nun sehend.

Pharisäer: Von denen sich etliche im Rat ihrer Gewohnheit nach versammelt hatten.

Sehend worden: Durch welches Mittel hat er sein Augenlicht erlangt?

Kot: Den er aus seinem Speichel und aus dem Staub der Erde gemacht hatte.

Wusch sich: Auf seinen Befehl hin im Teich Siloha.

16. Da sprachen etliche der Pharisäer: Der Mensch ist nicht von Gott, dieweil er den Sabbat nicht hält. Die andern aber sprachen: Wie kann ein sündiger Mensch solche Zeichen tun? Und es ward eine Zwietracht unter ihnen.

Nicht hält: Wie es Gott der Herr geboten hat. Denn diesen Menschen ist es egal, ob Feiertag oder Werktag, wenn er die Kranken gesund machen will. Es irrten sich aber die Pharisäer, als Heuchler, dass sie meinten, der Sabbat würde dadurch enteignet, wenn Christus Wunderwerke tun würde, die zur Ehre Gottes gereichten. Denn Gott hat es gewollt und geboten, dass wir uns von der täglichen Hausarbeit und den weltlichen Geschäften enthalten sollten, damit wir am Feiertag Zeit haben, das Wort Gottes zu hören und zu betrachten. Diesem Tun stehen die Wunderwerke Christi gar nicht entgegen. Aber die Heuchler verbieten, was zugelassen ist, und was verboten ist, das lassen sie zu. Also verbieten die Katholiken ernsthaft, dass man am Freitag und Samstag kein Fleisch essen soll, aber sie lassen zu, dass man in öffentlichen und gemeinen Hurenhäusern Unzucht treiben kann. Das nennt man ja: Mücken sieben und Kamele verschlucken {Mt 23}.

Die anderen: Unter den Pharisäern, wenn es auch etliche Leute waren, waren es wenige Auserwählte.

Sündige Mensch: Der ein gottloser Leutebetrüger und falscher Prophet ist.

Zeichen tun: Dieses Wunderwerk ist freilich viel zu herrlich und zu gut dafür, als dass es einem gottlosen Menschen zugerechnet werden könnte. Was aber die Wunderwerke an sich selbst betrifft, so soll man wissen, dass die falschen Propheten keine rechten Wunderwerke tun können, die einen Bestand haben. Denn obwohl sie mit etlichen teuflischen Verbindungen die Menschen betören, wird jedoch nicht lange danach die Bosheit des Teufels erkannt, weil entweder der Betrug an den Tag kommt, oder die gottlose Lehre, die die falschen Propheten vorbringen, zu erkennen gibt, dass die Wunderzeichen nicht von Gott, sondern vom Teufel sind {5Mos 13}.

Ihnen: Den Pharisäern, dass etliche ihn verdammten, andere ihn aber verteidigten.

17. Sie sprachen wieder zu dem Blinden: Was sagst du von ihm, dass er hat deine Augen aufgetan? Er aber sprach: Er ist ein Prophet.

Sagst du: Was hältst du von dem Menschen wegen dieser Tat, dass er dir zu deinem Augenlicht geholfen hat?

Prophet: Er bekennt aber von Christus, so viel er von ihm wusste. Denn er hat noch nicht erkannt, dass Christus der Sohn Gottes ist. Wenn also das Bekenntnis des Glaubens von uns erfordert wird, so sollen wir ohne Bedenken mit deutlichen Worten heraussagen, was wir von der Religion halten. Denn diejenigen, die in einer solchen hochwichtigen Sache anders reden, als was sie im Herzen haben, die sündigen schwer gegen Gott.

18. Die Juden glaubten nicht von ihm, dass er blind gewesen und sehend worden wäre, bis dass sie riefen die Eltern des, der sehend war worden,

Glaubten nicht: Weil das Wunderwerk so groß war.

Eltern: Von denen die Pharisäer größtenteils erhofften, solche Dinge zu hören, wodurch das Wunderwerk Christi verdunkelt oder gar vernichtet würde. Aber je fleißiger man der Wahrheit nachforscht, umso herrlicher leuchtet sie hervor.

19. fragten sie und sprachen: Ist das euer Sohn, von welchem ihr sagt, er sei blind geboren? Wie ist er denn nun sehend?

20. Seine Eltern antworteten ihnen und sprachen: Wir wissen, dass dieser unser Sohn ist, und dass er blind geboren ist.

21. Wie er aber nun sehend ist, wissen wir nicht; oder wer ihm hat seine Augen aufgetan, wissen wir auch nicht. Er ist alt genug, fragt ihn; lasst ihn selbst für sich reden.

22. Solches sagten seine Eltern; denn sie fürchteten sich vor den Juden. Denn die Juden hatten sich schon vereinigt, so jemand ihn für Christus bekannte, dass derselbe in Bann getan würde.

Fürchteten sich: Das war der Grund, dass sie nicht sagen wollten, wer ihm die Augen aufgetan hat, was ihnen sonst unverborgen war.

Die Juden: Besonders die Pharisäer, Schriftgelehrten, Priester und Hohepriester.

Vereinigt: Und miteinander ein Dekret gemacht.

Christus: Den Messias, der in den Schriften der Propheten verheißen worden war.

Bann getan: Dass er öffentlich für einen gottlosen Menschen und Ketzer erklärt und von der Gemeinde ausgeschlossen werden sollte. Auf diese Weise missbrauchen die Katholiken auch den Bannstrahl gegen die Evangelischen. Der Missbrauch des Bannes soll aber den Bann an sich nicht aufleben, der um erhebliche Ursachen willen eingesetzt worden ist.

23. Darum sprachen seine Eltern: Er ist alt genug, fragt ihn.

Darum: Weil sie sich vor dem Bann fürchteten, damit sie nicht in Gefahr kämen, wenn sie dem Jesus von Nazareth gutes Zeugnis gaben. Also ziehen die Kinder dieser Welt ihren Nutzen der Ehre Gottes vor und wollen viel lieber einen herrlichen Ort auf Erden eine kurze Zeit lang behalten, als mit Christus in himmlische Herrlichkeit ewig leben.

24. Da riefen sie zum andermal den Menschen, der blind gewesen war, und sprachen zu ihm: Gib Gott die Ehre! Wir wissen, dass dieser Mensch ein Sünder ist.

Die Ehre: Bekenne uns die Wahrheit, dass du nicht fortfährst, den Jesus von Nazareth zu rühmen und zu verteidigen. Denn die Pharisäer, als verkehrte Leute, die dem Herrn Christus nichts Gutes gönnten, versuchten allerlei, um Christi Wunderwerke und Gottes Ehre zu vernichten.

Sünder ist: Ein Verführer des Volkes, Leutebetrüger und falscher Prophet. Darum, damit du vielmehr Gottes Ehre, als den Ruhm eines boshaften Menschen förderst, so bekenne, dass du entweder nie blind gewesen bist, oder doch auf eine andere Weise und nicht durch sein Zutun dein Augenlicht erlangt hast. Wenn aber die Gottlosen sich mit höchstem Fleiß darum bemühen, dass sie Gottes Ehre verdunkeln, so sollen wir umso emsiger darauf hinarbeiten, dass wir Gottes Ehre retten. Sie stellen aber in ihrem Konzil ganz herrlich heraus, dass sie sagen, sie wissen, dass Jesus ein Sünder ist. Darum soll man den Konzilien nicht immer glauben, es sei denn sie haben ihr Vorbringen mit dem Wort Gottes bestätigt.

25. Er antwortete und sprach: Ist er ein Sünder, das weiß ich nicht; eines weiß ich wohl, dass ich blind war und bin nun sehend.

Weiß ich nicht: Und glaube es auch nicht, dass es wahr ist.

26. Da sprachen sie wieder zu ihm: Was tat er dir? Wie tat er deine Augen auf?

Er dir: Da er dich sehend machte. Es fragten aber die Pharisäer noch einmal in der Hoffnung, es werde an einem oder einem anderen Umstand fehlen und nicht zutreffen, damit sie den ganzen Handel verdächtig machen könnten.

27. Er antwortete ihnen: Ich hab‘s euch jetzt gesagt; habt ihr‘s nicht gehört? Was wollt ihr‘s abermal hören? Wollt ihr auch seine Jünger werden?

Nicht gehört: Soviel ich sehe, gibt ihr dem keinen Glauben, was ich gesagt habe.

Jünger werden: Mit diesen Worten hält er den Pharisäern ihre Bosheit ungehindert vor und verspottet sie. Denn die Erkenntnis der Wahrheit macht einen Menschen beherzt. Und so werden aus gerechtem Urteil Gottes die Oberen, wenn sie gottlos sind, bisweilen von den Unteren, Frommen, verlacht.

28. Da fluchten sie ihm und sprachen: Du bist sein Jünger; wir aber sind Moses Jünger.

Fluchten: Sie griffen ihn mit Schmachworten an und wünschten ihm alles Übel. Was es aber für Schmachreden gewesen sind, wird nicht überliefert.

Sein Jünger: Wenn es dir gefällt, so steht es dir von unserer Seite aus frei, dass du dich an diesen verführerischen Menschen hältst und sein Jünger wirst, wir aber wollen mit dem Leutebetrüger nichts zu tun haben.

Moses Jünger: Wir wollen bei der uralten Religion bleiben, die Moses unseren Vorfahren gegeben hat, von dem wir wissen, dass er mit Gott selbst oft und viel geredet hat. Aber von diesem Jesus wissen wir nichts, wer er ist, oder woher er gesandt worden ist, und können ihn für keinen Propheten erkennen. So betreiben die Katholiken auch viele Ruhmesreden, sie bekennen sich zu der alten Religion und behalten diese, obwohl doch keine älter ist, als die, die die Propheten und Apostel gelehrt haben. Solche aber verfolgen sie mit Feuer und Schwert.

29. Wir wissen, dass Gott mit Mose geredet hat; diesen aber wissen wir nicht, von wannen er ist.

30. Der Mensch antwortete und sprach zu ihnen: Das ist ein wunderliches Ding, dass ihr nicht wisst, von wannen er sei; und er hat meine Augen aufgetan!

Nicht wisst: Oder vielmehr nicht wissen wollt, ob dieser von Gott gesandt ist, oder nicht, da er doch mit dem herrlichen Wunderwerke, dass er meine Augen aufgetan hat, augenscheinlich erwiesen und dargetan hat, dass er ein Prophet ist, der von Gott zu uns gesandt worden ist. Denn das steht außer jedem Zweifel, dass Gott die Gebete der falschen Lehre und falschen Propheten nicht erhört, noch ihre Lehre mit rechten und göttlichen Wunderwerken ziert. Aber die Gebete der heiligen Propheten und anderer frommen Menschen erhört er und gewährt ihnen ihre Bitten, fördert auch alles was sie sich vornehmen, wie es in der Geschichte Elias und der Baalspropheten zu sehen ist. Denn zu deren Gebet hatte er sich gestellt wie ein Tauber, aber das Gebet des Elias erhört er bald und bestätigt sein Predigtamt mit einem gewaltigen Wunderwerk. Ist aber dieses Zeichen, welches Jesus an mir getan hat, nicht auch ein großes Wunder? Denn wer hat jemals, solange die Welt besteht, gehört, dass einem blind geborenen Menschen von jemanden die Augen geöffnet wurden? Darum ist es so hell wie der Tag, dass dieser Jesus ein vortrefflicher Prophet sein muss, der von Gott zu uns gesandt worden ist, dass wir ihn hören sollen und seine Lehre annehmen. Hier hat man zweierlei zu merken. Erstens, dass viele aus angestammter Unwissenheit in Religionssachen irren, weil sie die Wahrheit wissen könnten, wenn sie Geiz, Wollust oder Neid der Person nicht daran hindern würde. Danach, dass Gott die Vorhaben der falschen Propheten nicht mit wahrhaften und göttlichen Wunderwerken fördert. Darum sind die Wunderwerke Christi, der Propheten und der Apostel unfehlbare Zeugnisse, dass ihre Lehre von Gott ist. Und weil wir uns heutzutage zu keiner anderen Lehre, als eben zu dieser bekennen, so sind keine neuen Wunderwerke nötig zur weiteren Bestätigung dieser Lehre, die von Christus, den Propheten und Aposteln mit herrlichen Zeichen und Wundern ausreichend bestätigt worden ist.

31. Wir wissen aber, dass Gott die Sünder nicht hört, sondern so jemand gottesfürchtig ist und tut seinen Willen, den hört er {Spr 28v9}.

32. Von der Welt an ist‘s nicht erhört, dass jemand einem geborenen Blinden die Augen aufgetan habe.

33. Wäre dieser nicht von Gott, er könnte nichts tun.

34. Sie antworteten und sprachen zu ihm: Du bist ganz in Sünden geboren und lehrst uns? Und stießen ihn hinaus.

Geboren: Du gottloser Pope willst uns lehren, was wir glauben sollen, oder nicht, da du doch vom Mutterleib an, oder auch im Mutterleib für Gott ein Gräuel gewesen bist, weil dich Gott und die Natur mit angeborener Blindheit gezeichnet hat. Es ist kein gutes Haar an dir und du predigst uns, wie wir einen rechten oder einen falschen Propheten erkennen sollen. Darum sieh zu, dass du an den Galgen kommst, wohin du als ein Galgenschwengel gehörst, und gehe uns schnell aus den Augen. Denn du bist nicht wert, dass dich die Sonne bescheint. Denn es verdross die stolzen Heuchler heftig, dass dieser blind gewesene Mensch ihnen so hart und ernsthaft widersprach und ihnen das Wappen wohl vorhielt. Es finden sich aber bei dieser Antwort und Tat der Pharisäer viele grobe, greifbare Irrtümer. Erstens, dass sie aus dem Unfall der angeborenen Blindheit fälschlich schließen, dieser Mensch sei wegen seiner angestammten Bosheit vor anderen auch im Mutterleib von Gott verflucht gewesen, gerade so, als ob Gott nicht auch mit seinen Auserwählten von Zeit zu Zeit herb umgeht und sie hart angreift. Ja, sie werfen ihm sein Elend vor, als wenn dieses für sich selbst eine Gaunerei wäre. Danach sind sie aufgeblasen wegen ihrer großen Kunst, Weisheit und Heiligkeit und wollen von keinem Menschen etwas lernen, der nicht auch in einem so hohen Stand ist wie sie. Überdies treiben sie einen Menschen, von dem sie meinen, dass er sich irrt, mit Schmachworten von sich, wo sie ihm doch Ihrem Amt nach, seinen Irrtum beweisen und eines Besseren hätten belehren sollen.

35. Es kam vor Jesus, dass sie ihn ausgestoßen hatten. Und da er ihn fand, sprach er zu ihm: Glaubst du an den Sohn Gottes?

Es: Folgt jetzt, wer diesen Blindgeborenen, nachdem er von den Pharisäern mit Schmachworten ausgestoßen worden war, aufgenommen hat.

Fand: Da hat er sich des Menschen erbarmt der um seines, des Herrn Christi willen, dessen Ehre zu retten, Schmach gelitten hat und ihn besser in der rechten Religion unterrichten wollen.

Glaubst du?: Diese Frage hat Christus vorgebracht, damit er Gelegenheit bekäme, diesen Menschen weiter zu unterrichten.

36. Er antwortete und sprach: Herr, welcher ist‘s, auf dass ich an ihn glaube?

Glaube: Denn ich begehren nichts Lieberes, als dass ich an ihn glauben kann, weil du es mir befiehlst und ich dich für einen rechten und dazu nicht gemeinen Propheten halte. Aber ich kenne ihn noch nicht, obwohl ich weiß, dass der Messias kommen soll, den die Schrift Gottes Sohn nennt.

37. Jesus sprach zu ihm: Du hast ihn gesehen, und der mit dir redet, der ist‘s.

Der ist´s: An den du glauben sollst, auf dass du das ewige Leben erlangst.

38. Er aber sprach: Herr, ich glaube; und betete ihn an.

Betet ihn an: Nachdem er vor ihm niedergefallen war. Und das, nicht nur mit der Darlegung einer weltlichen Ehre, sondern als seinen Herren und Gott, welches ihm Christus nicht verwehrt hat. Dies ist ein Zeugnis der Gottheit Christi. Denn Christus gibt sich selber aus für den Sohn Gottes, nicht so, dass er vom Vater an Kindes statt angenommen wurde, wie wir anderen Menschen, sondern, dass er aus seinem Wesen von Ewigkeit geboren worden ist. Man hat hier auch zu beachten, dass Christus diejenigen, die von den Menschen wegen des Bekenntnisses der reinen Lehre verstoßen werden, aufnimmt und mit völliger Erkenntnis der himmlischen Wahrheit begnadet, die allen Schätzen dieser Welt weit vorzuziehen ist.

39. Und Jesus sprach: Ich bin zum Gerichte auf diese Welt kommen, auf dass, die da nicht sehen, sehend werden, und die da sehen, blind werden.

Sprach: Dass er von ihm, der blind geboren war, Gelegenheit nahm, von der geistlichen Blindheit zu reden.

Gerichte: Denn obwohl der himmlische Vater mich in dieser Welt gesandt hat, dass die Welt durch mich selig wird {Joh 3}, so geschieht es jedoch zufälligerweise, dass viele von ihnen nicht durch meine, sondern durch eigene Schuld verloren werden. Denn, die sich selbst für so sinnreich, gelehrt, weise und heilig halten, dass sie mich weder für ihren Lehrmeister erkennen noch hören wollen, die werden je länger je mehr verblendet. Die aber ihren Unverstand in göttlichen Sachen empfinden und ihre Unreinheit erkennen, sich auch mir unterordnen, dass ich sie unterrichte, die werden erleuchtet und erlangen die ewige Seligkeit.

40. Und solches hörten etliche der Pharisäer, die bei ihm waren, und sprachen zu ihm: Sind wir denn auch blind?

Pharisäer: Die verstanden, dass Christus mit seinen Worten auf sie gedeutet hatte, was sie auch heftig verdross.

Blind: In geistlicherweise, wie du zu verstehen gibst, dass wir die Geheimnisse Gottes nicht wissen.

41. Jesus sprach zu ihnen: Wäret ihr blind, so hättet ihr keine Sünde; nun ihr aber sprecht: Wir sind sehend, bleibt eure Sünde.

Blind: Damit ihr eurer Herzen Blindheit und eure Sünden erkennt, so könnt ihr mit dem Wort des Evangeliums erleuchtet werden und Vergebung der Sünden erlangen. Weil ihr aber mit einem nichtigen Wahn, eigener Weisheit, Kunst und großer Heiligkeit aufgeblasen seid, so verachtet ihr das Wort des Evangeliums und verfolgt es. Darum werden euch eure Sünden auch nicht verziehen, sondern ihr werdet sie behalten. Wir sollen uns deswegen von Christus lehren lassen, der unser bester und getreuester Lehrmeister ist {Mt 23}, und sollen unsere Sünden bekennen. Wenn wir dies tun, so ist er getreu und gerecht, dass er uns unsere Sünden vergibt und uns von aller Untugend reinigt {1Joh 1}.


Das 10. Kapitel

  • Es folgt vom Guten Hirten Christus und von den Mietlingen.
  • Auch von dem Streit, der zwischen Christus und den Juden auf dem Fest abgelaufen ist.

1. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer nicht zur Tür hineingeht in den Schafstall, sondern steigt anderswo hinein, der ist ein Dieb und ein Mörder.

Wahrlich: Dies ist eine Art zu schwören, die Christus gebraucht hat. Damit hat er uns lehren wollen, dass im Falle der Not und zur Bestätigung der Wahrheit das Schwören nicht verboten sei und keine Sünde. Es lehrt aber Christus in diesem Kapitel, dass er der rechte, beste und treueste Hirte seiner Kirche sei. Und zeigt an, dass all die, die den Leuten einen anderen Weg zeigen, als durch Christus die Seligkeit zu erlangen, nicht Hirten, sondern Diebe und Mörder sind. Aber die treuen Hirten führen die Schäflein durch Christus, der die Tür ist, zum Himmel hinein. Danach werden auch die Eigenschaften der Schafe Christi aufgezählt, damit man erkennen kann, welche gerechte Schäflein Christi sind. Darauf erhebt sich ein Streit zwischen Christus und den Juden, ob er der Messias und Sohn Gottes sei, und da Christus darauf bestand, wollten ihn die Juden abermals steinigen, aber er entging ihnen aus ihren Händen, wie wir an anderer Stelle hören werden.

Anderswo: Wer entweder durch das Dach, oder dass er durch die Mauer bricht und ihm so einen Eingang zum Schafstall aufmacht, damit er hineinkommen kann, der gibt ausreichend zu verstehen, dass er kein Hirte ist. Die Meinung Christi ist diese, dass alle, die da lehren, man könne auf einem anderen Weg oder auf eine andere Weise, als durch Jesus Christus, Gott und Menschen, unseren einzigen Mittler, selig werden, nicht für Hirten, sondern für Diebe und Mörder zu halten sind, die der Herde Gottes nichts nutzen, sondern vielmehr, so viel es an ihnen liegt, ihr schaden. Denn niemand (spricht Christus) kommt zum Vater, als durch mich {Joh 14}. Und Petrus sagt: Es ist in keinem anderen Heil, es ist den Menschen auch kein anderer Name gegeben, in dem wir selig werden sollen, Actor. 4. Im Alten Testament sind es deswegen Diebe gewesen, alle falsche Propheten, Baalspfaffen und dazu die Hohepriester im Volk Gottes selbst, die die Israeliten überredet haben, dass die Menschen durch den Verdienst ihrer Werke und mit selbst erdichteten Gottesdiensten Vergebung der Sünden und das ewige Leben erlangen könnten. Sie haben nicht gelehrt, allein auf den Messias zu vertrauen. Heutzutage sind Diebe und Mörder die mohammedanischen und jüdischen Lehrer, die nicht durch Christus, als die Tür in den Schafstall gehen. Denn die Juden suchen für sich und andere vergeblich einen Zugang zum Himmel durch das Gesetz Moses. Die Mohammedaner lästern aber, wenn sie das lästerliche Buch den Koran halten. Es sind auch Diebe und Mörder alle Arianer und Eutychianer, weil diese uns Christus vorstellen, als sei er nicht wahrer Mensch, jene aber einen solchen Christus haben wollen, der nicht wahrer Gott ist. Denen geben die Nestorianer und Zwinglianer nicht viel zu halten, die die Person Christi teilen. Darum, da sie sich einen solchen Christus einbilden, der nirgends in der Welt ist, so lassen sie die rechte Tür außer acht und wollen an einer anderen Stelle in den Schafstall eindringen. Ferner sind Diebe und Mörder die Pharisäer, päpstlichen Lehrer, Schwenkfelder und Wiedertäufer, die die Gerechtigkeit in den Werken suchen. Denn diese alle bekennen sich zwar mit Worten zu dem Mittler Christus, daneben aber machen sie sich eine Tür aus ihren Werken, wodurch sie meinen, in den Himmel einzugehen und andere auch hineinzubringen.

2. Der aber zur Tür hineingeht, der ist ein Hirte der Schafe.

Zur Tür: Das heißt: Wer von der Person Christi und von seinem Amt recht hält und lehrt, dass allein durch Christus uns der Eingang zum Himmel offen steht, wenn wir uns seinen Verdienst mit wahrem Glauben aneignen, der ist ein treuer Hirte, dem macht der Türhüter, der himmlische Vater, auf und lässt ihn samt seinen Schafen, die ihm folgen zur ewigen Freude ein.

3. Demselben tut der Türhüter auf, und die Schafe hören seine Stimme; und er ruft seine Schafe mit Namen und führt sie aus.

Seine Stimme: Dass sie ihrem Hirten folgen und ihm gehorsam sind. Denn weil die anderen Hirten Knechte des obersten Hirten Christus sind, der auch seine Schafe nirgends anders, als durch die Tür, nämlich, durch sich selber, in den Himmel eingeführt und er der oberste Hirte ist, wie Petrus bezeugt in seiner ersten Geschichte im Kapitel fünf, so bezieht er jetzt die Gleichnisse besonders auf seine Person, doch so, dass viele Sachen zu Recht auch auf seine getreuen Diener bezogen werden können. Die nun Christus, als die Stimme des Erzhirten nicht hören, das heißt, die entweder seinem Wort keinen Glauben schenken, oder doch diesem nicht gehorchen wollen, die können nicht unter seine Schafe gerechnet werden. Es werden aber die Gläubigen mit den Schafen verglichen von wegen der Einfalt und Frömmigkeit, wie auch ein Schaf an sich und alles was an ihm ist, seinen Nutzen hat, dass man es zu etwas gebrauchen kann, so richten die Gottseligen all ihr Tun zur Ehre des himmlischen Vaters und zum Nutzen des Nächsten. Desgleichen, wie den Schafen das Lob gehört, dass sie geduldig sind, so sollen die Christen wissen, dass sie die Trübsal und Ungerechtigkeiten mit Geduld ausstehen müssen zur Nachfolge ihres Hirten Christus, von dem der Prophet Jesaja sagt, dass er wie ein Schaf vor seinen Scherer verstummt und seinen Mund nicht aufgetan hat {Jes 53}.

Aus: Auf die Weide. Denn Christus kennt alle seine Gläubigen sehr gut und versorgt sie auf das Treueste und Fleißigste, wie es einem getreuen Hirten zusteht. Darum soll sich kein gläubiger Christ Gedanken machen, als ob ihn Christus nicht kennen würde, oder er ihn nicht achten würde. Denn der Herr kennt die Seinen {2Tim 2}.

4. Und wenn er seine Schafe hat ausgelassen, geht er vor ihnen hin, und die Schafe folgen ihm nach; denn sie kennen seine Stimme.

Ausgelassen: Auf die Weide seines göttlichen Wortes.

Vor ihnen: Es geht aber Christus vor, als ein Führer der Schafe, dass er von uns alles wegtreibt, was uns schädlich ist. Danach geht er uns auch vor mit der Lehre und zeigt uns den Weg zur Seligkeit. Desgleichen ist der uns vorgegangen mit dem Beispiel eines unschuldigen Lebens, damit wir seinen Fußstapfen nachfolgen und unsträflich in dieser Welt leben. Darum sollen wir diesem treuen Hirten folgen, damit wir nicht für verlaufende Schafe gehalten werden und unter die Wölfe geraten.

5. Einem Fremden aber folgen sie nicht nach, sondern fliehen von ihm; denn sie kennen der Fremden Stimme nicht.

Stimme nicht: Gleichwie nun die Schafe keinem fremden Hirten folgen, weil sie seine Stimme nicht kennen, so folgen die Gläubigen keinen falschen Lehrern, die die ungefälschte Stimme des Evangeliums Christi nicht führen. Und zwar erhält Gott seine Auserwählten, damit sie die Stimme der fremden Hirten nicht anhören oder doch endlich den Betrug merken, oder gewiss in keinem Irrtum, wodurch die Grundfesten des Glaubens verrückt werden, verharren.

6. Diesen Spruch sagte Jesus zu ihnen; sie vernahmen aber nicht, was es war, dass er zu ihnen sagte.

Was es war: Sie verstanden nicht, dass Christus sich selber einen Hirten und die falschen Lehrer als Diebe und Mörder bezeichnete, die Zuhörer aber mit den Schafen verglich. Denn der menschliche Verstand begreift die Dinge viel eher, die zu diesem zeitlichen Leben nützlich sind, als die, die zur Erwerbung des ewigen Lebens dienen. Darum sollen wir Gott bitten, dass er uns die Schlafsucht vertreibt und unsere Herzen mit dem Heiligen Geist erleuchtet.

7. Da sprach Jesus wieder zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen.

Tür: Wodurch die Schafe zum ewigen Leben eingeführt werden können und werden sollen.

8. Alle, die vor mir kommen sind, die sind Diebe und Mörder gewesen, aber die Schafe haben ihnen nicht gehorcht.

Kommen sind: Und anderswo in den Schafstall des Himmelreichs eingehen, oder andere mit sich, anderswo, als durch mich, einführen wollen. Denn man muss dies nicht der Zeit nach von den Lehrern der Kirche verstehen, die vor der Ankunft Christi im Fleisch, in der Kirche gewesen sind, sonst müssten Moses, Samuel, David, Elias und die anderen Propheten auch Diebe und Mörder gewesen sein, sondern es wird auf die gezeigt, die den Leuten ohne Christus die ewige Seligkeit versprechen. Wer aber diese damals gewesen sind, oder auch noch heutigen Tages sind, ist zu Anfang dieses Kapitels erklärt worden.

Nicht gehorcht: Die Auserwählten haben ihren Betrug gemerkt und ihnen nicht geglaubt, oder aber, obwohl sie eine Zeit lang in die Irre geführt worden sind, so sind sie doch nicht bis zum Ende des Lebens darin verharrt. Denn Gott behält sich zu allen Zeiten seine 7000 vor, die ihre Knie vor dem Baal nicht beugen.

9. Ich bin die Tür; so jemand durch mich eingeht, der wird selig werden und wird ein und aus gehen und Weide finden.

Tür: Durch mich, wie durch eine Tür, steht den Menschen der Eingang zum himmlischen Leben offen.

Eingeht: Dass er an mich glaubt und also durch mich zum himmlischen Vater zu kommen begehrt.

Ausgehend: Denn so wie die Schafe unter einem treuen Hirten sicher sind, ob sie hinaus- oder hineingehen, so werden unter dem Hirten Christus seine Schafe geschützt, damit sie niemand aus seiner Hand reißen kann, wie er später sagen wird.

Weide finden: Solche Schafe Christi haben die allerbeste Weide des Evangeliums, womit sie gemästet und ergötzt werden. Ja, es speist und tränkt auch Christus seine Schafe mit seinem Leib und seinem Blut. Es soll uns aber nicht verwirren, dass Christus sich bald mit einer Tür und dann wiederum mit einem Hirten vergleicht, denn er richtet beiderlei Gleichnisse genau auf sein Vorhaben. Darum gebraucht er im Folgenden wieder das Gleichnis eines Hirten und zeigt durch Vergleich der Diebe und guten Hirten an, was er für ein sehr köstlicher und nützlicher Hirte ist.

10. Ein Dieb kommt nicht, denn dass er stehle, würge und umbringe. Ich bin kommen, dass sie das Leben und volle Genüge haben sollen.

Umbringe: Darum soll man sich vor solchen Dieben und Mördern der Seelen mit allem Fleiß hüten, die die Seelen mit falscher Lehre stehlen und töten wollen, ja es treiben auch etliche Wüterei gegen die Leiber der Frommen.

Haben sollen: Durch meinen Verdienst und meine Guttat, alles was sie brauchen. Denn Christus schenkt uns nicht allein das ewige Leben, sondern weidet auch unsere Seelen mit dem Wort des Evangeliums reichlich, und vollkommen ausreichend gibt er dazu, was zur Erhaltung dieses zeitlichen Lebens nötig ist, bis wir den Lauf unserer Aufgabe auf dieser Erde zu Ende gebracht haben.

11. Ich bin ein guter Hirte; ein guter Hirte lässt sein Leben für die Schafe {Ps 23v1 Mi 5v4 1Petr 2v25 Hebr 13v20}.

Guter Hirte: Der wahre und ewige Gott, von dem der Prophet Nehm. sagt: Ich will selbst meine Schafe weiden und sie lagern, spricht der Herr. Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und auf das Schwache warten, und was fett und stark ist, will ich behüten und will es pflegen, wie es recht ist {Hes 34}.

Leben: Dieses einzubüßen hat er keine Scheu, wie auch ich es für meine Schafe zu tun bereit bin. Und ich will also mit der Tat erklären, was ich für ein getreuer Hirte bin.

12. Ein Mietling aber, der nicht Hirte ist, des die Schafe nicht eigen sind, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht; und der Wolf erhascht und zerstreut die Schafe.

Mietling: Der nur auf Zeit beschäftigt ist. Und Christus zeigt durch die Gegenüberstellung des guten und getreuen Hirten gegenüber einem Mietling an, was er für ein guter und getreuer Hirte ist.

Verlässt: Dass sie ohne Schutz bleiben, weil er um ihretwillen sein Leben nicht in Gefahr bringen will. Darum will er sich vielmehr um sich als um die Schafe kümmern.

Zerstreut: Wie es die rasenden Wölfe zu tun pflegen.

13. Der Mietling aber flieht; denn er ist ein Mietling und achtet der Schafe nicht.

Schafe nicht: Er sorgt nicht für sie und es kümmert ihn nicht, ob sie am Leben bleiben oder umkommen. Ein solcher Mietling (spricht Christus) bin ich keineswegs. Denn ich will mit den allergrimmigsten Wölfen, dem Tod, dem Teufel und der Hölle zum Kampf antreten, und eher mein Leben verlieren, als dass ich zulasse, dass eines meiner Schafe durch die Tyrannei des Teufels, des Todes oder der Hölle umgebracht wird. Obwohl nun Christus an diesem Ort nicht ausdrücklich von den Kirchendienern, sondern von seinem Amt der Erlösung, in welchem er keinen Gesellen oder Gehilfen hat, redet, so reimt sich die Beschreibung des Mietlings sehr wohl auf die Kirchendiener, die nicht aus der Begierde um die Ehre Gottes, oder um die Seligkeit der Menschen zu fördern, sondern nur um der Nahrung und ihres Gewinns willen das Predigtamt ausüben. Diese sind in der Religion nicht beständig, wenn gefährliche Zeiten nahen, ja, sie verrichten auch außerhalb von Gefahren ihr Amt mit einem schlechten Eifer. Und es wäre zu wünschen, dass nicht viele solche gefunden werden. Was aber die äußere Flucht der Kirchendiener betrifft, so muss man nicht sogleich alle für Mietlinge halten, welche den Verfolgungen ausweichen. Denn Christus hat zu seinen Jüngern, den Aposteln, gesagt: Wenn sie euch in einer Stadt verfolgen, so flieht in eine andere. Und deshalb sind sie keine Mietlinge, die nicht aufgrund ihrer eigenen Gefahr der Wut der Feinde aus dem Weg gehen, sondern sich darum aus dem Staub machen und anderswo hingehen, damit sie der Kirche länger dienen können, daneben aber bereit sind, wenn es Gott so haben will, ihr Leben um der Ehre Christi willen im Stich zu lassen.

14. Ich bin ein guter Hirte und erkenne die Meinen und bin bekannt den Meinen,

Die Meinen: Dass ich besondere Sorgfalt für sie trage und ihre ewige Seligkeit fördere.

Den Meinen: Dass ich ihr treuer Hirte und Seligmacher bin. Die deswegen ohne Erkenntnis des Heiland Christus aus diesem Leben scheiden, die soll man nicht unter die Schafe Christi zählen, obwohl sie vor dieser Welt ein ehrbares Leben und einen ordentlichen Wandel führten. Wie auch die keine Schäflein Christi sind, die zwar die Taufe empfangen haben, jedoch das Wort des Evangeliums nicht achten, dass sie Christus besser daraus erkennen.

15. wie mich mein Vater kennt, und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe {Mt 11v27 Lk 10v22}

Kennt: Dass er mich, als seinen eingeborenen Sohn innig liebt und väterlich erhält, so erkenne ich auch meine Schafe und sie erkennen mich wiederum, als ihren Guttäter.

Den Vater: Dass er väterlich gegen mich gesinnt und mir gewogen ist. Denn Christus redet hier im Stande seiner Erniedrigung weshalb er, als ein Mensch und Knecht, alles seinem himmlischen Vater zuerkennt.

Schafe: Sie sind mir sehr lieb, die der Vater mich zu weiden befohlen hat und die mich mit Glauben erkennen. Deswegen sollen auch wir um des Bekenntnisses des Evangeliums willen das Leben unserem Erlöser Christus zu Gefallen lassen. Denn wer sein Leben verlieren wird um meinetwillen, spricht Christus, der wird es finden {Mt 10}.

16. Und ich habe andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall. Und dieselben muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und wird eine Herde und ein Hirte werden.

Andere Schafe: Ohne die israelitischen, nämlich, die Heiden, die sich durch mein Evangelium bekehren werden.

Diesem Stall: Denn es war ein großer Unterschied unter dem Volk Israel und den Heiden. Die Heiden hatten weder Gottes Wort noch den rechten Gottesdienst, wie die Israeliten.

Herführen: Zu der Kirche Gottes durch die Predigt der Apostel, damit sie auch meiner himmlischen Guttaten teilhaftig werden. Denn Gott sammelt sich auch aus den Heiden durch das Evangelium eine Kirche, wie er es zuvor durch die Propheten hat verkünden lassen.

Hören: Sie werden mein Evangelium mit Willen annehmen. Mit was für einer Freude aber die Heiden den Glauben an Christus angenommen haben, bezeugen die Geschichten der Apostel an vielen Stellen ausführlich. Und deren Eifer in der christlichen Religion straft die anderen Trägheit, die, obwohl sie heutzutage eine große Anzahl getreuer evangelischer Lehrer haben, dennoch dieselbe zu hören, überdrüssig sind.

Eine Herde: Es wird aus den Juden und Heiden, die sich sämtlich zu mir bekehren werden, eine Kirche entstehen, die mich für ihren obersten Hirten erkennen wird, sich von mir weiden lässt und durch meine Guttat das ewige Leben erlangt. Die nun aus diesen Worten schließen, dass vor dem Jüngsten Tag eine solche Einigkeit in der Religion sein wird, wodurch alle Spaltungen aufgehoben sein werden, dergestalt, dass jedermann sich zu einer und der rechten Religion bekennen wird, und aus diesem Grund auch ihre Meinung von den strittigen Religionsartikeln bis zu dieser Zeit aufschieben wollen, die liegen weit daneben. Denn was Christus hier von einer Herde und einem Hirten sagt, das ist schon längst erfüllt, da Christus nach seiner Auferstehung durch die Predigten der Apostel aus Juden und Heiden eine Kirche gesammelt hat.

17. Darum liebt mich mein Vater, dass ich mein Leben lasse, auf dass ich‘s wieder nehme.

Lasse: Freiwillig, für die Seligkeit meiner Schafe und ich werde ihm, meinem himmlischen Vater, gehorsam sein bis zum Tod, ja, bis zum Tod am Kreuz {Phil 2}. Was meinst du, mit was für einer großen Liebe der himmlische Vater uns gewogen ist, der seinen Sohn eben darum so sehr liebt, dass er sein Leben für uns zu lassen nicht verhindert hat?

Wieder nehme: Denn ich lasse mein Leben nicht darum, dass ich dessen danach immerzu beraubt sein würde und im Tode zugrunde gehe, sondern, dass ich von den Toten wieder auferstehe und als ein Überwinder des Teufels, des Todes und der Hölle erkannt werde. Denn wenn Christus im Tod geblieben wäre, so wäre unserer Seligkeit nichts geholfen gewesen. Wie der Apostel Paulus sagt: Ist Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich und auch euer Glaube ist dann vergeblich {1Kor 15}.

18. Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selber. Ich habe Macht, es zu lassen und habe Macht, es wieder zu nehmen. Solch Gebot habe ich empfangen von meinem Vater.

Von mir: Gegen meinen Willen, wenn ich mich ihm widersetzen wollte.

Selber: Ich will freiwillig und ungezwungen sterben. Denn obwohl ich nach meiner menschlichen Natur auch vor dem Tod eine Abscheu habe und mich entsetzte, so wird diese sich doch dem Geist willig unterwerfen und auch in den allergrößten Schmerzen dem vollkommensten Gehorsam leisten.

Zu nehmen: Ich kann sterben, wenn ich will und auch aus eigener Kraft von den Toten wiederauferstehen, dass ich keine fremde Macht dazu brauche. Weil demnach Christus sein Leben gutwillig, aus höchster Liebe, für uns gelassen hat, wie sollten wir denn nicht vielmehr durch ihn gehalten werden vor dem Zorn, nachdem wir durch sein Blut gerecht geworden sind {Röm 5}?

Gebot: Dass ich das menschliche Geschlecht erlöse und für diese Sache auch mein Leben nicht schone, darum will ich mein Leben zur Erlösung des menschlichen Geschlechts willig hingeben. Weil wir demnach von Gott, dem Vater und dem Sohn, mit dem der Heilige Geist gleich gesinnt ist, so sehr geliebt werden, so sollen wir unsere Dankbarkeit gegen einen solch gütigen Gott mit unserem gottseligen Wandel erklären.

19. Da ward aber eine Zwietracht unter den Juden über diesen Worten.

Worten: Des Herrn Christus, die Etliche zum Besten andere zum Schlechtesten deuteten. Denn wo das Evangelium Christi gelehrt wird, da richtet der Satan Uneinigkeit und Zwietracht an, auf dass er die armen Menschen irremacht und Spaltungen erregt, damit sie anfangen zu zweifeln und nicht wissen, welchen Teil sie für gut befinden sollen.

20. Viele unter ihnen sprachen: Er hat den Teufel und ist unsinnig; was hört ihr ihm zu?

Teufel: Er ist vom bösen Geist besessen.

Ihm zu: Was wollt ihr Gutes von einem unsinnigen und besessenen Menschen lernen? Denn der Satan verlästert die Lehre Christi durch seine Werkzeuge aufs gebräuchlichste, was ihm aber nicht ungestraft bleiben wird.

21. Die andern sprachen: Das sind nicht Worte eines Besessenen; kann der Teufel auch der Blinden Augen auftun?

Nicht Worte: Besessene Leute pflegen nicht so nützliche und heilsame Sachen zu reden. Wir können aus dem Wort dieses Mannes nichts anderes erkennen, als dass es göttliche Predigten sind und deswegen keineswegs zu verachten. Vielmehr wollen wir sie beachten und sie uns zu Herzen nehmen. Denn das Wort Gottes fällt auch auf eine gute Erde und bringt vielfältige Frucht.

Auftun: Hat nicht vor wenigen Tagen dieser Jesus von Nazareth einem Menschen die Augen geöffnet, der blind geboren war? Sollte dies das Werk eines besessenen Menschen sein und nicht vielmehr das eines vortrefflichen Propheten, der von Gott zu uns gesandt wurde? Warum wollen wir ihm denn nicht zuhören? Oder seine Worte als unsinnig und teuflisch verachten? Dies beurteile richtig an diesem herrlichen Wunderwerke, dass die Lehre Christi göttlich ist. Denn rechte Wunderwerke sind ein Zeugnis der himmlischen Lehre, wie Christus selbst an etlichen Orten sagt.

22. Es war aber Kirchweih zu Jerusalem und war Winter.

Kirchweih: Dieses Fest war zu den Zeiten des Judas Makkabäus bei den Juden eingesetzt zum Gedächtnis, das am selben Tag der Tempel des Herrn von den Gräueln und Verwüstungen des Fürsten Antiochus gereinigt worden war, wie diese Geschichte schon längst beschrieben wurde im ersten Buch der Makkabäer im 4. Kapitel.

Winter: Denn die Reinigung oder Erneuerung des Tempels geschah im Monat Casleu, der zum Teil mit unserem November, zum Teil auch mit dem Dezember zusammentrifft. Und diese Reinigung des Tempels ist gleichsam eine Einweihung desselben gewesen zum Gedächtnis an die göttliche Guttat, dass der Gottesdienst wieder angerichtet worden ist, den die Juden mit dem jährlichen Fest erhalten wollen. Es besteht auch kein Zweifel, dass die Einweihung der Kirchen im Christentum einen guten und gottseligen Anfang gehabt hat. Denn die Kirche ist früher zusammengekommen, um Gott zu loben und zu danken, für das Predigtamt des Evangeliums, des Worts nämlich und der Sakramente und hat Gott angerufen, dass er es unverfälscht erhalten und auf die Nachkommen fortpflanzen soll. So werden die ältesten Kirchen in Deutschland und anderswo Dom genannt, was ebenso viel heißt, als die Kirchen oder Häuser des Herrn, die dem Herrn geheiligt sind. Und man findet in Deutschland Kirchen, die in drei Teile geteilt sind, da im ersten Teil geschrieben steht, dass er geweiht sei in der Ehre Gottes, des Vaters, im anderen, in der Ehre Gottes, des Sohnes, Jesus Christus, im dritten, in der Ehre Gottes, des Heiligen Geistes. Eine solche uralte Kirche steht in Hagenau. Solche Einweihungsfeiern haben am Anfang nichts Böses zu bedeuten gehabt. Mit der Zeit aber hat man bei dieser Einweihung in der Kirche angefangen, die Heiligen zu verehren, Messen zu halten und vielfältige Abgötterei zu betreiben, auch das Volk begann zu schwelgen und sich der Völlerei hinzugeben und was ihnen sonst noch angenehm und gelegen war. So sind fromme Obrigkeiten aus wichtigen und erheblichen Gründen bewegt worden, dass sie solche Kirchweih in Ihrem Lande abgeschafft haben, aber dennoch die Kirchen weiter im Bau gehalten haben, damit man Gottes Wort drinnen hört und die Sakramente nach dem Willen Gottes ausspenden könnte. Aber etliche Zwinglianer haben aus einem unnötigen Eifer und in böser Nachfolge des Alten Testaments die Kirchen nicht allein von dem Jahrmarkt der Messe gesäubert, sondern sie auch ganz niedergerissen und andere, neue an ihrer Stelle gebaut, was ein widersinniges Tun ist. Denn Christus und die Apostel haben mit gutem Gewissen im Tempel in Jerusalem lehren und beten können, der doch früher von Antiochius mit schrecklicher heidnischer Abgötterei und danach mit dem Aberglauben der Pharisäer und Hohepriester entheiligt worden ist. Wie sollte dann nicht auch ein Kirchendiener mit gutem Gewissen das Evangelium hier lehren können und die Sakramente reichen, in einer Kirche, wo früher päpstliche Messe gehalten wurde oder auch noch gehalten wird? Aber der zwinglianische Geist begehrt zu rumoren nach seiner Gewohnheit. Wir aber, so oft wir in einer Kirche sind, sollen Gott für das heilsame Predigtamt seines Wortes von Herzen Lob und Dank sagen und bitten, dass er solche große gute Tat gnädig bei uns erhalten möge.

23. Und Jesus wandelte im Tempel, in der Halle Salomos.

Halle Salomons: Welche nämlich die Halle Salomons war und so viel wie möglich, gleich gebaut worden war. Denn der Tempel Salomons war bereits vor der Ankunft Christi von den Chaldäern verbrannt und geschleift worden. Christus hat aber im Tempel in Jerusalem des Öfteren öffentlich gelehrt, denn die Wahrheit flieht und scheut das Licht nicht. Aber wenn die Wiedertäufer predigen, so tun sie es bei Nacht, oder halten ihre Versammlungen in den Wäldern ab, was ein Anzeichen dafür ist, dass sie von einem lichtflüchtigen Geist getrieben werden.

24. Da umringten ihn die Juden und sprachen zu ihm: Wie lange hältst du unsere Seelen auf? Bist du Christus, so sage es uns frei heraus!

Wie lange: (Nach Luther) Das reden sie aus falschem Herzen, dass sie ihn verklagen und umbringen möchten, wo er sich zu Christus bekennt.

Seelen auf: Dass du uns im Zweifel stecken lässt.

Christus: Der Messias, der uns durch die Propheten verheißen ist.

Frei heraus: Und brauche nicht viele Umschweife. Sie fragten aber Jesus, nicht in der Absicht, dass sie ihm glauben wollten, sondern, dass sie hofften, wenn er öffentlich bekennen würde, dass er Christus oder Messias wäre, so würde die weltliche Obrigkeit nach ihm greifen und ihn als einen Aufrührer am Leben strafen. Denn obwohl die Heuchler sehr blutdürstig sind, so wollen sie doch nicht für solche Leute angesehen werden. Darum trachten sie danach, dass die Frommen durch andere Leute Hände, aber nicht mit ihren, der Heuchler Rat, umkommen.

25. Jesus antwortete ihnen: Ich habe es euch gesagt, und ihr glaubt nicht. Die Werke, die ich tue in meines Vaters Namen, die zeugen von mir.

Gesagt: Schon viele Male, dass ich der Messias bin, vom Vater in dieser Welt gesandt.

Glaubt nicht: Was soll ich euch denn eine solche Sache so oft vergebens wiederholen?

Nahmen: Nach seinem Willen und auf seinen Befehl.

Zeugen: Dass ich der Messias bin, der Heiland der Welt. Denn die Propheten haben es zuvor verkündigt, dass ich solche Wunderwerke tun werde {Jes 35}. Darum, wenn ihr auf diese achtgeben würdet, würdet ihr bald wissen, wer ich bin oder nicht. Denn so viele Wunderwerke Christus getan hat, mit so vielen Siegeln ist das Evangelium Christi bestätigt. Und es ist nicht nötig, dass wir heutzutage Wunderzeichen tun, weil wir keine andere Lehre vorbringen, als eben die, die mit den Wunderwerken Christi und der Propheten und Apostel bestätigt worden ist.

26. Aber ihr glaubt nicht; denn ihr seid von meinen Schafen nicht, wie ich euch gesagt habe.

Schafe nicht: Darum ist es auch kein Wunder, dass ihr meine Stimme nicht erkennt. Denn die, die nicht Christi Schafe sind, die nehmen das Evangelium nicht an, auch wenn es noch so hell gepredigt wird.

27. Denn meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir.

Hören: Wenn du deswegen wissen willst, ob du ein Schäflein Christi bist, so ist es unnötig, dass du in den Abgrund der göttlichen ewigen Qual steigst, sondern erkunde dein Herz, ob du dem Evangelium Christi glaubst. Wenn du das bei dir findest, so sollst du gewiss daraus schließen, dass du zu den Schäflein Christi gehörst.

Kenne sie: Die Schäflein, für die ich auf das Treueste und Fleißigste sorge.

Folgen mir: Dass sie meinen Worten glauben und sich bemühen, meinem Willen zu gehorchen.

28. Und ich gebe ihnen das ewige Leben; und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie mir aus meiner Hand reißen.

Leben: Deswegen ist uns die ewige himmlische Freude bereitet und nach diesem Leben muss uns unendliche Herrlichkeit zuteilwerden. Darum sollen wir alle Trübsal dieses Lebens mit Geduld ertragen und dessen gewiss sein, dass die Leiden dieser Zeit nichts wert sind im Vergleich zur künftigen Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll.

Nimmermehr umkommen: Obwohl sie mit vielen Anfechtungen und Trübsal umgetrieben werden.

Reißen: Denn uns kann kein Wesen von der Liebe Gottes trennen, die in Christus, Jesus, unserem Herrn, ist {Röm 8}.

29. Der Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer denn alles; und niemand kann sie aus meines Vaters Hand reißen.

Gegeben hat: Meine Schäflein, sie zu weiden und zu erhalten.

Größe: An Macht und Majestät. Ja, er ist allmächtig und sorgt auch für meine Schäflein.

30. Ich und der Vater sind eins.

Eins: Im Wesen. Gleich, wie er allmächtig ist und größer ist als alles, also auch als ich, und weil ich der ewige, wesentliche Sohn des Vaters bin, so habe ich Kraft und Stärke genug, meine Schäflein zu erhalten. Hier hat man das Zeugnis von der Gottheit Christi zu beachten. Denn, wenn Christus sagt, er und der Vater seien eins, ist es nicht nur von der Einigkeit des Willens, sondern auch des Wesens zu verstehen. Denn, wo Christus nicht von der Einigkeit seines Wesens mit dem Vater geredet hätte, so würde er seine Meinung, was er in den vorangehenden Worten vorgebracht hat, nicht ausreichend erwiesen haben. Darum tun die unrecht, die sagen, dass man mit diesem Spruch die Arianer nicht widerlegen könne.

31. Da hoben die Juden abermals Steine auf, dass sie ihn steinigten.

Juden: Die, obwohl sie ansonsten verstockt und verblendet waren, dennoch aus diesen Worten Christi, da er gesagt hatte, er und der Vater seien eins, so viel verstanden haben, dass Christus sich selbst eine ewige und wesentliche Gottheit mit dem Vater zumisst, was für sie eine gräuliche Gotteslästerung darstellte, weil sie mit ihren leiblichen Augen in Christus nichts anderes, als einen bloßen Menschen sahen.

Steinigen: Das war eine damals übliche Strafe der Übeltäter. Es reizt und treibt aber der Teufel seine Glieder zu Mord und Totschlag und die, die in der Lehre grob irren, die sind normalerweise blutdürstige Leute.

32. Jesus antwortete ihnen: Viel gute Werke habe ich euch erzeigt von meinem Vater; um welches Werk unter denselben steinigt ihr mich?

Vater: Durch dessen Kraft (denn diese Ehre messe ich ihm gerne zu) ich bisher viele herrliche Wunderwerke getan habe, die nichts als lauter Guttaten gewesen sind, die ihr von mir empfangen habt. Denn ich habe die Teufel aus dem besessenen Menschen ausgetrieben, die Blinden sehend, die Tauben hörend, die Lahmen gerade und gesund gemacht, die Aussätzigen gereinigt und etliche 1000 Menschen mit wenig Brot und Fischen gespeist. Ja auch die Toten wieder lebendig gemacht. Mit welcher Guttat von diesen allen habe ich es wohl verdient, dass man mich steinigen sollte? Es ist aber der allgemeine Brauch in der Welt, dass sie für viele und große Guttaten nur üblen Dank bereithält. Doch sollen wir darum nicht müde werden, Gutes zu tun {Gal 6}. Denn was wir Gott zu gefallen tun oder leiden, das wird er uns zu seiner Zeit wiederum reichlich belohnen.

33. Die Juden antworteten ihm und sprachen: Um des guten Werks willen steinigen wir dich nicht, sondern um der Gotteslästerung willen, und dass du ein Mensch bist und machst dich selbst zu einem Gott.

Werks willen: Wir reden jetzt nicht von deinen Wunderwerken, die stellen wir an einen anderen Ort, sondern mit deiner Gotteslästerung hast du den Tod verschuldet und bist es wert, dass man dich steinigt. Denn es ist nicht zu leugnen, dass du ein Mensch bist, und aber mit deinen Worten, indem du vorgibst, dass du eins mit dem Vater bist, gibst du deutlich genug zu verstehen, dass du für den wahren und ewigen Gott gehalten werden willst. Denn mit dem Vater eins sein, heißt, ein wahrer und wesentlicher Gott sein. So haben also die Juden die Rede des Herrn Christus besser verstanden, als die Arianer. So widerspricht auch Christus nicht, als ob die Juden seine Worte nicht recht verstanden hätten, obwohl sie sich in dem irrten, dass sie meinten, Christus würde sich selbst die Gottheit fälschlich und frevelhaft zumessen. Darum werden die Juden am Jüngsten Tag die Arianer verdammen, weil die Arianer diese deutlichen Worte Christi verdrehen und bestreiten, man müsse sie von der waren Gottheit Christi nicht verstehen.

34. Jesus antwortete ihnen: Steht nicht geschrieben in eurem Gesetz: Ich habe gesagt, ihr seid Götter?

Gesetz: Nämlich, im 82. Psalm. Denn es meint Christus an dieser Stelle nicht nur das Gesetz oder die Bücher Moses, sondern das ganze Alte Testament. Als wollte er sagen: Gott spricht in Psalmen der Obrigkeit zu und erinnert sie ihres Amtes, wenn sie auch Götter, weil sie ein göttliches Amt führen und Gottes Statthalter auf Erden sind, denen es befohlen ist, die Gerechtigkeit zu handhaben. Dennoch darf deshalb niemand die Schrift eines Irrtums oder eines Unrechts beschuldigen, dass sie den Menschen Gottes Namen zueignet. Wenn aber die sterblichen Menschen ohne Gotteslästerung Götter genannt werden können, jedoch ihrer Natur nach nichts Göttliches an sich haben, warum bezichtigt ihr mich dann der Gotteslästerung, der ich doch der ewige Sohn Gottes bin, den der himmlische Vater geheiligt hat, das heißt, bestimmt, verordnet und ausgesondert hat, zur Erlösung des menschlichen Geschlechts, den er auch durch die Menschwerdung in diese Welt gesandt hat, dass ich die Wahrheit lehren, diese mit Wunderwerken bestätigen und das menschliche Geschlecht erlösen soll? Sollte das eine Gotteslästerung sein, wenn ich sage, wie die Sache an sich selbst ist, dass ich der Sohn Gottes und wahre ewige Gott bin? Hier sieht man, wie Christus seine Gottheit abermals bestätigt. Da aber auch die Obrigkeit, zwar nicht wegen ihrer Natur oder ihres Wesens, sondern wegen ihres Amtes Götter genannt werden, haben wir uns dabei zu erinnern, dass wir sie, als Statthalter Gottes, in Ehren halten sollen. Sie aber sollen bedenken, dass ihnen ein göttliches Amt auferlegt ist und befohlen ist, dieses zu versehen. Darum sollen sie ihr Handeln und ihre ganze Verwaltung zur Ehre Gottes und zur Wohlfahrt der Untertanen aufwenden, auf dass sie einst ihren obersten Herren, von dem sie dieses Lehen empfangen haben, Rechenschaft geben können, wie sie der Regierung vorgestanden waren.

35. So er die Götter nennt, zu welchen das Wort Gottes geschah (und die Schrift kann doch nicht gebrochen werden),

36. sprecht ihr denn zu dem, den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat: Du lästerst Gott, darum dass ich sage, ich bin Gottes Sohn?

37. Tue ich nicht die Werke meines Vaters, so glaubt mir nicht.

Meines Vaters: Wie mein himmlischer Vater es zu tun pflegt, nämlich, göttliche und himmlische. Denn damit die Juden den Herrn Christus nicht wiederum vorwerfen können, und sagen, er gibt zwar vor, dass er Gottes Sohn und also auch wahrer Gott sei, hat es aber dennoch noch nicht erwiesen. Hier kommt ihnen Christus zuvor und zeigt an, dass seine Gottheit aus seinen Werken erkannt werden kann.

Mir nicht: Wenn ich nichts anderes tue, als dass ich nur sage, ich sei Gott.

38. Tue ich sie aber, glaubt doch den Werken, wollt ihr mir nicht glauben, auf dass ihr erkennt und glaubt, dass der Vater in mir ist und ich in ihm.

Sie: Nämlich, solche Werke, die göttlich sind.

Nicht glauben: Aufgrund meiner unansehnlichen Gestalt und Person.

In ihm: Denn weil ihr seht, dass ich täglich und so oft ich will, solche Werke aus eigener Kraft tue, die allein Gottes Werk sind, so nehmt doch bei denselben herrlichen Wunderwerken ab, dass ich nicht nur kein schlechter Mensch bin, als der ich solche Werke aus eigenen Kräften niemals verrichten könnte, sondern auch wahrhaftiger Gott, mit dem himmlischen Vater auf das Nächste vereinigt, also, dass ich mit ihm eines Wesens in. So oft wir deswegen ein Wunderwerk Christi erzählen hören, sollen wir wissen, dass wir ein Zeugnis von der Gottheit Christi hören.

39. Sie suchten abermals, ihn zu greifen; aber er entging ihnen aus ihren Händen

Zu greifen: Und am Leben zu strafen. Denn die Heuchler nehmen keine Entschuldigung oder Verteidigung von den Frommen an.

Entging: Auf wunderbare Weise, wie es vor dieser Zeit schon etliche Male geschehen ist, dass sie ihn aus den Augen verloren hatten und nicht wissen konnten, wo er hingekommen ist. Er ist also auch dieses Mal ihrer Wut entwichen, weil die Zeit, in der er leiden und sterben sollte, noch nicht da war. Und Gott erhält auch uns gegen den Willen der blutdürstigen Heuchler, bis wir den Lauf unserer Aufgaben vollendet haben.

40. und zog hin wieder jenseits des Jordans an den Ort, da Johannes vorhin getauft hatte, und blieb allda.

Ort: Der Bethabara hieß {Joh 1}.

Blieb allda: eine Zeit lang, bis die Wut seiner Feinde ein wenig vergangen war und nachgelassen hat. Denn wir sollen uns hüten, dass wir uns nicht in unnötige Gefahr begeben.

41. Und viele kamen zu ihm und sprachen: Johannes tat kein Zeichen; aber alles, was Johannes von diesem gesagt hat, das ist wahr.

Viel: Leute, die begierig waren, die himmlische Wahrheit zu lernen.

Zu ihm: Dass sie ihn predigen hören möchten und seine Wunderzeichen sehen, wodurch sie im Glauben gestärkt würden. Denn wo Gott getreue Lehrer des Evangeliums gibt, da erweckt er auch etliche Zuhörer, die das Wort Gottes mit Willen annehmen.

Sprachen: Was fromme, gutherzige Leute waren.

Gesagt hat: Was dieser Jesus von Nazareth für ein herrlicher Mann wäre.

Ist wahr: Sie sehen also, dass Johannes, obwohl er keine hundert Zeichen getan hat, dennoch ein rechter Prophet gewesen ist, weil alles, was er von der Person, der Lehre und den Wunderzeichen Christi zuvor gesagt hat, an diesem Jesus, unserem Lehrmeister, in der Tat erfüllt ist. Darum erkennen wir, dass Johannes von Gott gesandt ist und dass dieser Jesus von Nazareth der rechte Messias und Heiland der Welt ist. Gleich, wie aber zwischen Christus und Johannes die höchste Einigkeit gewesen ist, so ist auch unter den Schriften der Propheten und Aposteln keine Zwietracht, sondern die Schriften des Neuen Testaments erklären uns das Alte Testament.

42. Und glaubten allda viele an ihn.

Viele: Denn obwohl der Satan aus Verhängnis Gottes wüten kann, dass er Verfolgung und Vertreibung im Elend anrichtet, so geschieht dennoch in den Kirchen immerdar ein neuer Zusatz, dass die Anzahl der Gläubigen sich mehrt.


Das 11. Kapitel

  • Es wird von den Krankheiten, dem Tod und der Auferstehung des Lazarus erzählt.
  • Und es wird die Versammlung der Pharisäer samt ihrer blutrünstigen Anschläge beschrieben.

1. Es lag aber einer krank mit Namen Lazarus von Bethanien, in dem Flecken Marias und ihrer Schwester Martha.

Es: Jetzt wird der Evangelist eine sehr herrliche Geschichte erzählen, wie Lazarus wiederum von den Toten erweckt worden ist. Und weil es ein so großes Wunderwerk gewesen ist, so hat es Johannes nicht verdrossen, alle Umstände auf das Genaueste zu beschreiben.

Lazarus: Nicht der Bettler, von dem in Lukas 16, geschrieben steht, sondern ein anderer. Und er hat den gleichen Namen mit Eleasar, was so viel heißt, wie: Gott, mein Helfer.

Flecken Marias: Dort nämlich hatten Maria und Martha, die beiden gottseligen Schwestern ihre Wohnung gehabt, in der sie Christus und seine Apostel oft zur Herberge aufgenommen hatten. Dies ist die Maria, die zu den Füßen Christi gesessen war und seiner Lehre fleißig zugehört hat, während unterdessen Martha umhergelaufen war und mit großer Sorgfalt eine Mahlzeit bereitet hat {Lk 10}. Darum hat Christus, obwohl er in dieser Welt arm gewesen ist und nichts gehabt hat, wo er sein Haupt niederlegen konnte, dennoch Herberge und Unterschlupf gefunden, wo man ihn mit seinen Jüngern ehrlich aufgenommen und man ihm geholfen hat. Also auch: Die in ihren Aufgaben getreu sind, obwohl sie um Christi willen ihre Häuser und Güter verlieren, so empfangen sie dennoch hundertfach wieder, indem man sie in fremden Häusern aufnimmt, wo sie bisweilen besser unterhalten und versorgt werden, als in ihren Eigenen. Gleich, wie aber Maria, Martha und Lazarus keine Kosten gescheut, sich auch von keine Gefahr haben abschrecken lassen, dass sie Christus und seine Jünger zur Herberge aufgenommen hatten, so sollen wir uns durch keine Gefahr und keine Kosten von der Förderung des geistlichen Reiches Christi abtreiben lassen. Denn es wird uns alles zu seiner Zeit wiederum reichlich vergolten werden.

2. (Maria aber war, die den Herrn gesalbt hatte mit Salben und seine Füße getrocknet mit ihrem Haar; derselben Bruder Lazarus war krank.)

Gesalbt hatte: Kurz vor seinem Leiden, worüber Judas Ischariot gemurrt hat, wie danach im Kapitel zwölf folgt.

Krank: Dazu an einer tödlichen Krankheit, wie es der Ausgang danach bezeugt hat. Man möchte sich darüber wundern, warum es Christus geschehen ließ, dass Lazarus in eine so beschwerliche Krankheit gefallen ist, da doch bald danach gesagt wird, dass Christus den Lazarus, Maria und Martha sehr lieb gehabt hat und Christus selber Lazarus seinen Freund nannte. Aber es ist um unseretwillen geschehen, damit wir nicht meinen, Gott hat uns nicht lieb, wenn wir in einer Krankheit oder in einen anderen Unfall geraten. Denn Christus liebt uns dennoch.

3. Da sandten seine Schwestern zu ihm und ließen ihm sagen: Herr, siehe, den du lieb hast, der liegt krank.

Zu ihm: Nämlich zu Christus, einen vertrauten Menschen.

Liegt krank: An einer sehr gefährlichen Krankheit. Es hofften aber diese guten Weiblein, wenn es Christus erfahren würde, so würde er alsbald da sein und Lazarus gesund machen, ehe die Krankheit schlimmer würde. So oft wir deswegen mit Trübsal überfallen werden, sollen wir alsbald eine Botschaft, nämlich unser Gebet, sowie die Fürbitten unserer Mitbrüder, die noch leben, zu Gott dem Herren richten und zu ihm sagen: Siehe, himmlischer Vater, ich armer elender Mensch, den du so geliebt hast, dass du deinen eingeborenen Sohn um meinetwillen in den späteren Tod des Kreuzes gegeben hast, stecke in Gefahr des Lebens, der Güter oder der Ehre wegen, werde von schweren Anfechtungen bedrückt, darum komm mir Arbeitsseligem zu Hilfe. Und wir sollen sicher wissen, dass solch ein Gebet nicht vergeblich sein wird. Denn obwohl Gott nicht sofort und auf die Weise hilft, wie wir es ihm gerne vorschreiben wollten, so wird er uns dennoch gewiss Hilfe leisten.

4. Da Jesus das hörte, sprach er: Die Krankheit ist nicht zum Tode, sondern zur Ehre Gottes, dass der Sohn Gottes dadurch geehrt werde.

Hörte: Dass ihn die Botschaft von Lazarus tödlicher Krankheit erreichte.

Ehre Gottes: Will so viel sagen: Lazarus hat sein Lebensziel noch nicht erreicht, als er sterben musste und im Grab verwesen oder zu Staub und Asche werden. Sondern diese Krankheit und der darauf folgende Tod wird Gottes Ehre befördern und ausbreiten. Denn ich, als der Sohn Gottes, will ihn von den Toten wiederum erwecken, auf dass meine göttliche Majestät dadurch erkannt und mein Name überall gepriesen wird. Denn was den Frommen für Trübsal begegnet, das gereicht zu Gottes Ehre, weil seine göttliche Güte in unserer Erhaltung und Errettung hervorleuchtet.

5. Jesus aber hatte Martha lieb und ihre Schwester und Lazarus.

Lieb: Obwohl nun Christus alle, die an ihn glaubten, liebte, hat er doch etliche auf Erden insbesondere geliebt. Und so sollen auch wir zwar alle unsere Brüder und Schwestern in Christus lieben, aber es ist doch nicht verboten, dass man einen vor einem anderen mehr liebt.

6. Als er nun hörte, dass er krank war, blieb er zwei Tage an dem Ort, da er war.

Blieb er: Also, dass er sich nicht gleich aufgemacht hat und stracks nach Bethanien gezogen wäre, damit er ihn gesund machte, sondern er wollte es vorziehen, bis Lazarus gestorben und begraben war, damit die Herrlichkeit des Wunderwerkes umso größer erschien, wenn er ihn aus dem Grab, als er bereits gestunken hatte, wieder lebendig machte. Denn wenn uns Gott mit großer Herrlichkeit aus einem Unfall erretten will, so sieht er zuvor in unserem Unglück dermaßen durch die Finger, dass es scheint, als würde er uns überhaupt nicht mehr beachten.

7. Danach sprach er zu seinen Jüngern: Lasst uns wieder nach Judäa ziehen!

Wieder: Denn Christus war vor wenigen Tagen aus Judäa entwichen, um seinen Widersachern aus den Augen zu gehen, und war über den Jordan gekommen, an den Ort, an dem Johannes getauft hatte, wie es im vorgehenden Kapitel steht.

8. Seine Jünger sprachen zu ihm: Meister, jenes Mal wollten die Juden dich steinigen, und du willst wieder dahin ziehen {Joh 8v59}?

Steinigen: Und bist ihnen kaum aus ihren Händen entgangen.

Dahin ziehen: Warum willst du dich und uns mit dir so in die Gefahr des Leibes und des Lebens begeben? Und hier meinten die Jünger, sie wären klüger als Christus selbst. Aber wir sollen uns nicht unterstehen, Christus zu belehren, sondern wir sollen von ihm lernen wollen.

9. Jesus antwortete: Sind nicht des Tages zwölf Standen? Wer des Tages wandelt, der stößt sich nicht, denn er sieht das Licht dieser Welt.

12 Standen: Denn die Hebräer teilten jeden Tag in 12 Standen, die, je nachdem, ob die Tage lang oder kurz waren, auch gestreckt oder gekürzt wurden. So gab es bei den Tagen in diesem Land keinen so großen Ungleichheiten wie bei uns, in den mitteleuropäischen Ländern.

Dieser Welt: Er genießt das Tageslicht, dass Gott dazu erschaffen hat, damit wir in dieser Welt wandeln und unsere Geschäfte in unserem Beruf verrichten können.

10. Wer aber des Nachts wandelt, der stößt sich, denn es ist kein Licht in ihm.

In ihm: Er hat kein Licht, sondern ist mit Finsternis umgeben und überfallen. Das will so viel sagen: Die Zeit meiner Predigt ist wie der helle, lichte Tag, aber die Zeit meines Leidens ist wie eine stockdunkle und finstere Nacht, denn die Trübsal wird gleichwie die Finsternis sein. Weil nun die Zeit meines Predigtamtes noch andauert, in dem ich das Evangelium lehren soll, habe ich mich um keine Gefahr zu sorgen, aber wenn die Zeit meines Leidens kommen wird, da werden allerlei Widrigkeiten auf einmal wie eine schreckliche, finstere Nacht hereinfallen. Daraus haben wir zu lernen, dass wir in keine Gefahr des Lebens geraten oder umkommen werden, solange die Zeit unserer Aufgabe währt. Darum sollen wir unserer Aufgabe in unserem Beruf unerschrocken und treu nachkommen, uns aber auch nicht mutwillig in unnötige Gefahr begeben. Wenn dann, nach vollendetem Lebenslauf uns Gott aus diesem, zeitliche Leben, abfordern will, so sollen wir mit standhaften Glauben durch die Finsternis des Todes unserem Führer, Christus, der unser Licht ist, das uns leuchtet, folgen und zum himmlischen Vater ziehen. Denn, wenn wir mit Christus sterben werden, so werden wir auch mit ihm leben {2Tim 2}.

11. Solches sagte er, und danach sprach er zu ihnen: Lazarus, unser Freund, schläft; aber ich gehe hin, dass ich ihn aufwecke.

Aufwecke: Vom Schlaf des Todes. Wie hätte sich aber Christus freundlicher und demütiger erweisen können, als dass der Herr des Himmels und der Erde den armen Sünder Lazarus, nicht nur zum Schein, sondern mit Ernst, seinen Freund nennt? Solche Freundlichkeit und Demut sollen wir von ihm lernen und sie auch gegen unseren Nächsten erweisen. Und wir sollen wissen, dass der Tod der Frommen ein Schlaf ist, in dem sie von all ihrer Arbeit und Mühe ausruhen. Von diesem Schlaf wird Christus uns zum ewigen Leben aufwecken.

12. Da sprachen seine Jünger: Herr, schläft er, so wird‘s besser mit ihm.

Wird‘s besser: Wenn er wieder schlafen kann, so ist es ein gutes Zeichen zur Besserung und es ist zu hoffen, er werde wiederum gesund. Darum wollen wir ihn ruhen lassen, bis er seine Gesundheit wiederum erlangt hat und es ist nicht nötig, dass wir deshalb wieder nach Judäa ziehen. Denn unser Fleisch sucht allerlei Ausflüchte und nimmt jede Gelegenheit gerne in die Hand, um dem Kreuz zu entgehen.

13. Jesus aber sagte von seinem Tode; sie meinten aber, er redete vom leiblichen Schlaf.

14. Da sagte es ihnen Jesus frei heraus: Lazarus ist gestorben.

Frei heraus: Er wollte seine Worte so verstanden haben, als wollte er sagen: Weil ich sehe, dass ihr so träge und langsam seid, an mich zu glauben und mich recht zu erkennen, so freue ich mich, dass ich nicht sichtbar und auf natürliche Art in Bethanien gewesen bin, damit ihr merkt, wie ich auch abwesende Dinge sehe und weiß, damit, wenn ihr nach Bethanien kommt und feststellt, dass Lazarus tatsächlich gestorben und begraben ist und dass ich ihn wahrhaftig von den Toten wiederum erwecke, dieses Wunderzeichen auch wegen dieser besonderen Umstände desto herrlicher wird, darum, so lasst uns nun hingehen nach Bethanien. Denn es ist Zeit, dass ich Lazarus von den Toten wiederum erwecke. Christus hat aber, indem er die große Trägheit und den groben Unverstand seiner Jünger übersehen hat, uns angezeigt, dass er unsere menschlichen Schwächen ertragen und uns zugutehalten will. Dass aber die Zwinglianer dieses Wort (dass ich nicht da gewesen bin) so deuten, und die Einfältigen bereden wollen, als ob der ganze Christus, nach beiden Naturen, nicht zugleich und auf einmal an vielen Orten gegenwärtig ist, daran tun sie unrecht. Denn obwohl Christus nicht auf natürliche und räumliche Weise in Bethanien gewesen ist, als Lazarus gestorben ist, so ist er doch in übernatürlicher, und der menschlichen Vernunft unbegreiflicherweise, da gewesen und hat Lazarus sterben gesehen.

15. Und ich bin froh um euretwillen, dass ich nicht da gewesen bin, auf dass ihr glaubt. Aber lasst uns zu ihm ziehen!

16. Da sprach Thomas, der da genannt ist Zwilling, zu den Jüngern: Lasst uns mitziehen, dass wir mit ihm sterben!

Thomas: Einer von seinen Jüngern, der die Worte Christi nicht verstand, dass er nämlich darum nach Bethanien gehen wollte, um den Lazarus aufzuwecken, sondern es gingen ihm die Gedanken im Kopf herum von der Gefahr, die seiner Meinung nach, Christus und seine Jünger von den Juden gewärtig sein müssen, wenn sie wieder nach Judäa kämen.

Sterben: Als wollte er sagen: Unser Meister sagt, Lazarus ist gestorben und fordert uns nichtsdestoweniger auf, mit ihm zu Lazarus zu ziehen. Ich kann es nicht verstehen, was es anders bedeuten soll, als dass er sich und uns vorsätzlich dem Tod in den Rachen steckt. Denn wie die Juden gegen ihn gesinnt sind, haben wir ausreichend erfahren. Dem Thomas wollte also das Vorhaben von Christus nicht zusagen. Denn unser Verstand will immer schlauer sein, als Christus selber, unser Herr und Meister. Aber wir sollen ihn zurückweisen und im Zaum halten, weil er in übernatürlichen und göttlichen Sachen närrisch und blind ist.

17. Da kam Jesus und fand ihn, dass er schon vier Tage im Grabe gelegen war.

Kam: In den Flecken Bethanien. Ungeachtet dessen, was Thomas dagegen gebrummt oder vielmehr, worauf er in Voraussicht hingewiesen hatte, war er von Judäa fortgezogen. Jedoch müssen er und die anderen Jünger in diesem Fall gelobt werden, dass sie Christus, ihrem Herrn und Meister, gehorsam folgten, obwohl sie sich um eine Gefahr sorgten. Diesen Gehorsam sollen wir von ihnen lernen.

Vier Tage: Daher hatte sein Körper auf natürliche Weise bereits angefangen zu faulen und zu stinken. Diese Umstände der Zeit machen das Wunderwerk desto herrlicher.

18. (Bethanien aber war nahe bei Jerusalem, bei fünfzehn Feldweges.)

Nahe: Diese Nähe wird um der folgenden Worte willen hinzugesetzt.

19. Und viel Juden waren, zu Martha und Maria kommen, sie zu trösten über ihren Bruder.

Kommen: Aus Jerusalem. Daher ist anzunehmen, dass es ein vornehmes Geschlecht und keine einfachen Leute gewesen sind. Denn reiche und ansehnliche Leute finden in ihren Schicksalsschlägen mehr Tröster, als arme und schlichte Leute.

20. Als Martha nun hörte, dass Jesus kam, ging sie ihm entgegen; Maria aber blieb daheim sitzen.

Entgegen: Dass sie sich über ihres Bruders Tod beklagte.

Sitzen: Und beweinte den Tod ihres Bruders.

21. Da sprach Martha zu Jesus: Herr, wärest du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben;

Nicht gestorben: Denn du hättest ihn mit einem einzigen Wort wieder gesund machen können.

22. aber ich weiß auch noch, dass, was du bittest von Gott, das wird dir Gott geben.

Auch noch: Da mein Bruder schon gestorben ist.

Geben: Darum, wenn du Gott, deinen himmlischen Vater, anrufen würdest, so habe ich keinen Zweifel, du könntest erlangen, dass mein Bruder wieder von den Toten aufersteht. Hier hat man zu sehen, wie der Glaube der Frommen mit dem Unglauben ringt und kämpft. Es war ein rechter Glaube, dass sie glaubte, Christus hätte Lazarus am Leben erhalten können und dass sie glaubte, Christus könne auch jetzt, da er bereits gestorben ist, ihn mit seinem Gebet wieder lebendig machen. Aber das war eine große Schwachheit, dass sie meinte, Christus hätte den Kranken nicht gesund machen können, weil er nicht sichtbar zugegen gewesen ist. Deswegen hat der Glaube seine Schwächen und wiederum auch seine Kräfte und Stärken.

23. Jesus sprach zu ihr: Dein Bruder soll auferstehen.

Auferstehen: Denn weil es Christus gefiel, dass Martha glaubte, Lazarus könnte von ihm wiederauferlegt werden, so bewilligte er alsbald ihr Begehren, das sie jedoch so schlicht vorgebracht hatte, und gab ihr zu verstehen, er wolle ihren Bruder wieder lebendig machen.

24. Martha sprach zu ihm: Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird in der Auferstehung am Jüngsten Tage {Lk 14v14 Joh 6v40}.

Jüngsten Tag: Weil Martha von Furcht und Hoffnung umgeben war, konnte sie nicht sofort eben das glauben, was sie begehrt hatte, obwohl ihr nicht unbekannt war, was Christus für Möglichkeiten hatte. Darum meinte sie, Christus rede von der allgemeinen Auferstehung der Toten, wovon die Juden im Alten Testament, in den Schriften der Propheten, verheißen hatten. Diejenigen also, die an keine Auferstehung glauben, die sind weder Juden noch Christen, sondern sichere, rohe Leute und epikuräische Säue. Bei der Antwort Marthas aber haben wir zu lernen, dass unser Glauben und Hoffen zu den göttlichen Guttaten der Freigebigkeit Gottes nicht gleichen mögen, der viel mehr zu geben willig und bereit ist, als wir bitten oder begehren dürfen. Daher sagt der Apostel Paulus, dass er überschwänglich tun kann, über alles, was wir erbitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt {Eph 3}.

25. Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe {Joh 14v6};

Das Leben: Ich bin ein Verursacher der Auferstehung und des Lebens, der das alles gibt und verschafft. Denn obwohl Christus zuvor von der besonderen Auferstehung des Lazarus gesprochen hatte für dieses zeitliche Leben, jedoch, weil Martha solches von der allgemeinen Auferstehung der Toten verstanden hatte, so nimmt Christus daher, nach seiner Gewohnheit, die Gelegenheit wahr, dass er einen herrlichen Trost mit anführt und all denen, die an ihn glauben, die selige Auferstehung am Jüngsten Tag und das ewige Leben verspricht.

26. und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das?

Nimmermehr sterben: Sondern in alle Ewigkeit leben, dass ihm der leibliche Tod nicht schaden können wird. Denn, obwohl er mit dem Leib stirbt, oder vielmehr einschläft, so lebt doch die Seele mit Gott in einem seligen Leben und der Leib wird am Jüngsten Tag auch wiederum auferweckt werden, zur ewigen und himmlischen Herrlichkeit. Deswegen sollen sich die Frommen, die an Christus glauben, nicht vor dem Tod fürchten.

27. Sie sprach zu ihm: Herr, ja, ich glaube, dass du bist Christus, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.

Herr, ja: Ich glaube, dass es wahr ist, was du jetzt geredet hast.

Gekommen ist: Nach den Verheißungen, die uns die Propheten gegeben haben. Dies ist ein herrliches Bekenntnis der Martha, womit sie die Person und das Amt Christi begreift. Denn indem sie ihn den Sohn Gottes nennt, bekennt sie, dass sie glaubt, er ist nicht nur ein Mensch, sondern auch der eingeborene, ewige und wesentliche Sohn Gottes, wahrer und ewiger Gott. Und indem sie ihn Christus, oder Messias nennt, gibt sie zu verstehen, wie sie ihn für den Heiland der Welt erkennt, der von den Propheten früher verheißen worden ist. Dieses Bekenntnis hat ohne allen Zweifel die Martha nach der Auferstehung Christi und der Ausbreitung des Evangeliums noch besser verstanden, der all die widersprechen, die durch ihre Verdienste die ewige Seligkeit suchen. Denn diese setzen sich selbst anstatt Christus an die Stelle des Seligmachers. Und auch die Arianer widerstreben diesem gottseligen Bekenntnis, auch die Arianer, welche die Gottheit, und die Eutychianer, die die Menschheit leugnen, desgleichen die alten und neuen Nestorianer, die die Einigkeit der Person in Christus trennen.

28. Und da sie das gesagt hatte, ging sie hin und rief ihre Schwester Maria heimlich und sprach: Der Meister ist da und ruft dich.

Heimlich: Damit es die anderen Juden, die bei ihr waren, nicht hörten.

Meister: Jesus Christus, auf dem wir diese Tage über mit so großem Verlangen gewartet haben.

29. Dieselben, als sie das hörte, stand sie eilends auf und kam zu ihm.

Zu ihm: Aufs Feld. Wir sollen auch mit unserem Gebet zu Christus eilen, damit wir Hilfe in unserer Trübsal und Trost in unserem Leid finden.

30. Denn Jesus war noch nicht in den Flecken gekommen, sondern war noch an dem Ort, da ihm Martha war entgegengekommen.

31. Die Juden, die bei ihr im Hause waren und trösteten sie, da sie sahen Maria, dass sie eilend aufstand und hinausging, folgten sie ihr nach und sprachen: Sie geht hin zum Grabe, das sie dort weine.

Zum Grabe: Ihres verstorbenen Bruders Lazarus. Darum lasst uns ihr folgen und sie ermahnen, dass sie in ihrer Trauer maßhält und sich nicht mit übermäßiger Bekümmernis selbst ausmergelt. Denn man soll diejenigen, die sie erleiden, nicht allein lassen, damit aus der Schwermut kein melancholischer Wahnsinn wird.

32. Als nun Maria kam, da Jesus war, und sah ihn, fiel sie zu seinen Füßen und sprach zu ihm: Herr, wärest du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben.

Füßen: Zum Zeichen ihrer Demut gegen den Sohn Gottes und den Heiland der Welt. Denn wer den Sohn nicht ehrt, der ehrt auch den Vater nicht.

Nicht gestorben: Denn der menschliche Verstand meint, wenn er Gottes gegenwärtige Hilfe nicht mit Händen greifen kann, so könne für unsere verlorenen Sachen kein Rat geschaffen werden. Aber wir sollen Gott ernsthaft anrufen und uns fest auf sein Wort verlassen. Denn die Hand des Herrn ist nicht verkürzt.

33. Als Jesus sie sah weinen und die Juden auch weinen, die mit ihr kamen, ergrimmte er im Geist und betrübte sich selbst

Sah weinen: Und dass sie sehr unter den Tod ihres Bruders litt.

Ergrimmt er: Wie ein tapferer Held, dass er aus einem göttlichen Eifer zu großem Zorn bewegt wurde gegen den Tod und den Verursacher des Todes, den Teufel, der gemacht hat, dass der Tod so sehr gegen das menschliche Geschlecht und auch gegen seine lieben Freunde grausam wütet und große Traurigkeit erregt.

34. und sprach: Wo habt ihr ihn hingelegt? Sie sprachen zu ihm: Herr, komm und sieh es!

Hingelegt: Und wenn er auch ganz tief unten in der Erde liegt, so will ich ihn dennoch dem Tod aus dem Rachen reißen. Dass Christus hier fragt, wo das Grab ist, gehört zum Stande seiner Erniedrigung, oder zur Knechtsgestalt. Denn er hätte wissen können, was er gewollt hätte. Dass er auch wütend und erbittert wird, ist nicht darum geschehen, er trage ein Missfallen an der übermäßigen Traurigkeit der Frommen, sondern damit er lehrt, er ist unser Rächer, der den Tod tilgen will und uns endlich das ewige Leben schenkt.

35. Und Jesus gingen die Augen über.

Augen über: Dass er seinen verstorbenen Freund Lazarus beweinte und mit den betrübten Schwestern ein herzliches Mitleid hatte. Denn Christus ist ein solcher Hohepriester, der Mitleid von uns haben kann und der sich unsere Unfälle zu Herzen gehen lässt. Wir sollen auch Mitleid haben mit unserem Nächsten in seinem Unglück, nach dem Spruch: Weint mit den Weinenden {Röm 12}.

36. Da sprachen die Juden: Siehe, wie hat er ihn so lieb gehabt!

Juden: Die dem Herrn Christus nicht übel gewogen waren.

Lieb gehabt: Wir sehen, dass dieser Jesus der beste Freund des Lazarus gewesen ist, weil er sich seinen Tod so zu Herzen gehen lässt.

37. Etliche aber unter ihnen sprachen: Konnte, der dem Blinden die Augen aufgetan hat, nicht verschaffen, dass auch dieser nicht stürbe {Joh 9v6 v7}?

Nicht stürbe: Als wollten sie sagen: Wenn es wahr wäre, was von diesem Jesus gesagt wird, dass er einen blind Geborenen sehend gemacht hat, so hätte er freilich auch verhüten können, dass sein geliebter Freund, Lazarus, nicht gestorben wäre. Aber wie dies nicht geschehen ist, so halten wir ebenso wenig auf das Vorige, dass er einen blind Geborenen habe sehend machen können. Gleich, wie aber diese gottlosen Menschen die Tränen des Herrn Christus verlästerten und spotteten, zu finden sich überall Menschen, die das Reden und Handeln der Frommen auf das Schlechteste auslegen, was Art und Arbeit des Teufels ist, weswegen wir uns in Acht nehmen sollen.

38. Jesus aber ergrimmte abermals in sich selbst und kam zum Grabe. Es war aber eine Kluft und ein Stein darauf gelegt.

Ergrimmt abermals: Über die Tyrannei des Todes, dass er über das menschliche Geschlecht eine so große Gewalt hat, wie vorher berichtet.

Kluft: Die von Natur aus so beschaffen ist, dass man sie für ein Grab gut gebrauchen kann.

Gelegt: So, dass man nichts von alldem unterlasse, was zum Begräbnis eines verstorbenen Menschen gehört.

39. Jesus sprach: Hebt den Stein ab! Sprach zu ihm Martha, die Schwester des Verstorbenen: Herr, er stinkt schon; denn er ist vier Tage gelegen.

Hebt: Denn Christus hat alles, was zum Begräbnis gebraucht wurde, durch andere Leute wegschaffen lassen, damit alle umstehenden Personen umso sicherer und deutlicher spüren konnten, dass Lazarus wahrhaftig gestorben und begraben worden war, damit kein Argwohn bliebe, als ob ein Betrug geschehen würde und das Wunderwerk umso sicherer und herrlicher wäre. Solche Umstände findet man nicht bei den päpstlichen Wunderwerken, von denen etliche durch die Verblendung des Teufels geschehen sind, andere mit verschlagener List und Bosheit von Menschen verrichtet werden. Daher wird der Betrug irgendwann sicher ans Licht kommen.

Gelegen: Darum, weil sein Körper ohne Zweifel bereits zu faulen angefangen hatte, so sorge ich mich, du würdest zu spät zur Hilfe kommen. Denn als Martha ihre Augen von der Verheißung Christi abwendete und den verstorbenen Bruder Lazarus betrachtete, so fing sie an, an der Kraft Christi zu zweifeln. Das Gleiche passiert all denen, die ihre Augen von dem Wort Gottes abwenden und nur auf das sehen, was gegenwärtig ist. Darum sollen wir die Augen schließen und die Ohren für die göttlichen Verheißungen öffnen. Wie Christus mit den folgenden Worten zu verstehen gibt.

40. Jesus sprach zu ihr: Hab‘ ich dir nicht gesagt, so du glauben würdest, du solltest die Herrlichkeit Gottes sehen?

Glauben würdest: Meiner Verheißung, was ich dir zugesagt habe.

Sehen: Nämlich, ein gewaltiges göttliches Wunderwerk, womit Gott seine Majestät zu erkennen geben wird, zu seines Namens ewigem Lob und Ehre. Obwohl nun Gott heutzutage solche Wunderwerke, uns leiblich zu erhalten, nicht tut, so ist es doch gewiss, wenn wir seinen göttlichen Verheißungen glauben, dass uns Gott endlich aus allen Nöten erretten wird, damit wir seine Majestät und Güte in alle Ewigkeit preisen.

41. Da hoben sie den Stein ab, da der Verstorbene lag. Jesus aber hob seine Augen empor und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast!

Erhört hast: Dass ich dich um die Auferweckung des Lazarus zu diesem zeitlichen Leben gebeten habe.

42. Doch ich weiß, dass du mich immer hörst, sondern um des Volks willen, das umhersteht, sage ich‘s, dass sie glauben, du habest mich gesandt.

Sage ich es: Dass du mein Gebet erhört hast.

Glauben: Wenn es mit der Tat und Erfahrung, die jetzt bald folgen wird, bewiesen worden ist.

Gesandt: Denn wenn sie sehen werden, dass du mein Gebet zu hoch achtest und auch einen Toten, der bereits vier Tage im Grabe gelegen war, mir zu gefallen wieder lebendig werden lässt, so werden sie glauben, dass ich der Messias und Heiland der Welt bin, der von dir in dieser Welt gesandt worden ist. Es hat aber Christus den Vater um das Leben des Lazarus gebeten im Stande seiner Erniedrigung und uns mit seinem Beispiel lehren wollen, dass wir alles, was wir und andere benötigen, von dem himmlischen Vater erbitten sollen.

43. Da er das gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus!

Stimme: Als ob er einen Schlafenden aufwecken wollte. Wie aber Christus zuvor im Stande seiner Erniedrigung den himmlischen Vater um das Leben des Lazarus gebeten hat, so zeigt er jetzt seine göttliche Majestät, indem er mit seinem Rufen den Toten wieder zum Leben hervorzukommen befiehlt.

44. Und der Verstorbene kam heraus, gebunden mit Grabtüchern an Füßen und Händen, und sein Angesicht verhüllt mit einem Schweißtuch. Jesus sprach zu ihnen: Löst ihn auf und lasst ihn gehen!

Grabtüchern: Damit pflegte man die Verstorbenen einzuwickeln. Und dies alles diente zum größeren Ansehen und größerer Herrlichkeit des Wunderwerks.

Löst: Von seinen Tüchern, womit er umwickelt war. Und Christus hat abermals andere geheißen, dies zu tun, damit jedermann sehen könne, Lazarus ist wahrhaftig von den Toten wiederauferweckt. Diese Auferweckung des Lazarus aber ist nicht nur ein Zeugnis unserer Auferstehung, sondern zeugt in erster Linie von der Wahrheit der Lehre Christi. Er hat aber gelehrt, dass er vom Vater in diese Welt gesandt worden ist, als ein Heiland der Welt, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

45. Viel nun der Juden, die zu Maria gekommen waren und sahen, was Jesus tat, glaubten an ihn.

Viel: Es folgt jetzt, was dieses Wunderwerk in den Herzen der Menschen, die ihm zugesehen hatten, für unterschiedliche Wirkungen gehabt hat.

Tat: Was er für ein herrliches Wunderwerk verrichtet hatte, indem er Lazarus von den Toten erweckte.

Glaubten: Dass er wahrhaftig der Messias und Sohn Gottes wäre, der den Patriarchen verheißen worden war. Und dies ist der vornehmste Brauch und Nutzen aller Wunderwerke Christi, dass wir glauben, Jesus sei Christus, der Sohn Gottes und wenn wir glauben, das Leben in seinem Namen zu haben {Joh 20}.

46. Etliche aber von ihnen gingen hin zu den Pharisäern und sagten ihnen, was Jesus getan hatte.

Getan hatte: Und wie es mit dem Wunderwerk der Auferweckung des verstorbenen Lazarus zugegangen war. Dieses zeigten sie jedoch nicht in dem Sinn an und brachten es so vor, dass die Pharisäer damit gereizt würden, den Glauben an Christus anzunehmen, sondern, dass sie ihnen Anlass gaben, Christus zu verfolgen. Solche Verräter finden sich überall, die das, das von reinen evangelischen Kirchenlehrern recht und gut gesagt oder gehandelt worden ist, den Feinden der Kirche verraten, damit sie diese gegen die Bekenner des Evangeliums aufbringen.

47. Da versammelten die Hohepriester und die Pharisäer einen Rat und sprachen: Was tun wir? Dieser Mensch tut viel Zeichen.

Rat: Sie beratschlagten miteinander, was mit Christus anzustellen wäre, weil sie sahen, dass sein Ansehen täglich größer wurde wegen seiner herrlichen Wunderwerke. Darum wollten sie beizeiten einen Entschluss darüber fassen, ob Christus länger zu dulden wäre, oder nicht? Es war aber ein solches Konzil von vortrefflichen Männern, wie Hohepriestern, Pharisäern, Schriftgelehrten und Ältesten, oder Ratsherren des Volkes zusammengetreten. Darum hatte es bei den Juden kein geringeres Ansehen, als das Konzil zu Trient bei den Päpstlichen.

Sprachen: Nachdem die Väter des Konzils zusammengekommen waren, wurde die Sache, worüber man zu beratschlagen hatte, vorgebracht.

Tun wir: Wie wollen wir es mit dem Jesus von Nazareth halten?

Viel Zeichen: Und je länger je mehr. Dazu auch größere Wunderwerke, weshalb der Zulauf des Volkes zu ihm von Tag zu Tag größer wurde und er hatte jetzt sogar einen größeren Anhang, als jemals zuvor.

48. Lassen wir ihn also, so werden sie alle an ihn glauben. So kommen dann die Römer und nehmen uns Land und Leute.

Also: Dass er frei und ungehindert weiter lehrt und seine Lehre mit Wunderzeichen glaubwürdig macht.

Glauben: Und sich an ihn halten, weil sie ihn für den Messias ansehen. Die Römer, die in dieser Zeit über uns herrschen, werden dies für einen Aufruhr deuten und es so ansehen, als wollten wir den Kaiser nicht mehr als unser Oberhaupt anerkennen und hätten einen neuen König gewählt, wodurch wir abzufallen begehren würden.

Und Leute: Dass sie unsere Stadt und das ganze Land verwüsten werden und unser Volk in eine elende Sklaverei weit außerhalb unseres Vaterlandes wegführen werden. Diese Leute bildeten sich ein, dass sie keinen schlechten Einfall hätten und hofften, wenn sie Christus mit seiner Lehre unterdrückt hätten, dass sie dann Frieden und Ruhe und alle glückliche Wohlfahrt haben und behalten würden. Hingegen sorgten sie sich aber, wenn sie Christus und sein Evangelium dulden würden, dass sie sich in Not und Gefahr begeben würden. Aber ihr Vorhaben hat einen bösen Ausgang genommen. Denn sie haben ihr Priestertum, Vaterland und alle Freiheit verloren, eben darum, weil sie den Lauf des Evangeliums Christi verhindern wollten. Solche Ratschläge finden sich auch heutzutage bei etlichen Weltweisen, die meinen, dass man die wahre und reine himmlische Lehre viel eher außer acht und fahren lassen sollte, als zuzulassen, dass die zeitliche Ruhe dieses Lebens in Gefahr gebracht und beunruhigt wird. Aber solche Ratschläge sind närrisch und haben kein Glück, weil sie für Gott ein Gräuel sind.

49. Einer aber unter ihnen, Kaiphas, der desselben Jahres Hohepriester war, sprach zu ihnen: Ihr wisst nichts,

Hohepriester: Der von Valerius Gratus, dem römischen Landpfleger diese Würde erlangt hatte, nachdem Simon, der vorige Hohepriester, verstoßen worden war. Und die Juden hatten aus Ehrgeiz Gottes Ordnung geändert, der befohlen hatte, dass das Amt des Hohepriesters nicht auf eine andere Person übertragen werden sollte, es sei denn, der vorige wäre gestorben.

Wisst nichts: Was zum Wohlstand unseres jüdischen Regiments dienlich ist.

50. bedenkt auch nichts; es ist uns besser, ein Mensch sterbe für das Volk, denn dass das ganze Volk verderbe.

Bedenkt auch nichts: Dass ihr mit Ernst danach trachtet, was ihr tun müsst, damit unser Regiment beständig bleibt, sondern ihr geht mit dieser wichtigen Sache sehr verschlafen um, worauf der Untergang unserer ganzen Religion erfolgen wird, wenn wir uns nicht selbst aufmuntern und die Sache mit größerem Ernst in die Hand nehmen. Obwohl nun dieser Vorschlag dieses Konzils scharf genug vorgebracht war und dadurch ausreichend zu verstehen gegeben war, man sollte Christus verhungern lassen und aus dem Weg räumen. Das genügte dem Hohepriestern jedoch nicht, und er sprach mit seinen Mitgesellen im Rat. Und die Beisitzer des Konzils gingen mit der Sache kälter um, als es sich wohl gebührte, darum gab er seine Stimme gegen Christus, um seine Mitkonsorten mehr gegen ihn aufbringen zu können.

Verderben: Denn ansonsten wird es um das ganze jüdische Volk geschehen sein, wenn dieser Jesus von Nazareth nicht ums Leben gebracht wird, den ihr bisher mit eurer großen Milde und langen Nachsicht gar zu lange geduldet habt. Ist es aber nicht besser, dass ein Mensch, wenn er auch unschuldig wäre, hingerichtet wird, als dass unser ganzes Volk zugrunde geht?

51. Solches aber redete er nicht von sich selbst, sondern, dieweil er desselben Jahres Hohepriester war, weissagte er. Denn Jesus sollte sterben für das Volk,

Sich selbst: Denn obwohl der Hohepriester Kaiphas die vorherigen Worte in dem Sinn vorgebracht hatte, dass Christus hingerichtet werden sollte, damit die Römer daraus nicht Anreiz und Gelegenheit ziehen würden, die Regierung und das Priestertum der Juden aufzugeben, führte doch in Wahrheit der Heilige Geist seine Zunge so, dass er wahrhafte und nützliche Dinge vorbrachte, obwohl er nichts Gutes im Sinn hatte und mit bösen Praktiken umging.

Weissagt er: Da er es doch selbst nicht wusste und viele andere Gedanken hatte.

Volk: Der Juden, auf dass ihre Sünden durch den Tod Christi abgebüßt und bezahlt würden.

52. und nicht für das Volk allein, sondern dass er die Kinder Gottes, die zerstreut waren, zusammenbrächte.

Zerstreut waren: Und wie die verirrten Schafe in höchster Gefahr um ihre Seelen standen.

Zusammenbrächte: Durch die Predigt des Evangeliums in den himmlischen Schafstall und also durch sein Verdienst und Leiden zum ewigen Leben erhalten würde, nicht allein die auserwählten Kinder Gottes im jüdischen Volk, sondern auch die Heiden. Hier hat man deswegen ein Zeugnis, das die Leiden und Verdienste Christi nicht nur die Juden, sondern auch die Heiden angeht. Die Katholiken aber geben sich hier bloß, dass sie aus dieser einzigen Weissagung, die doch Kaiphas unwissend und in einem deutlich anderen Sinn vorgebracht hatte, schließen, der Papst in Rom könnte sich nicht irren und seine Dekrete wären lauter göttliche Aussprüche. Sie bedenken aber nicht, dass Kaiphas ansonsten nirgends geweissagt hat, sondern vielmehr schreckliche Lästerung gegen den Sohn Gottes ausgestoßen hat, als er bei dem Leiden Christi seine Kleider zerrissen und von Christus gesagt hat: Er (Jesus) hat Gott gelästert. Was brauchen wir weitere Zeugnisse? Siehe, jetzt habt ihr seine Gotteslästerung gehört {Mt 26}. Waren diese Worte des Hohepriesters auch göttliche Aussagen? Jedoch, damit die Katholiken nicht meinen, wir wollen ihnen aus ihren Sachen gar nichts zugestehen, so wollen wir es ihnen doch zugeben, dass der römische Papst in seinem ganzen Leben einmal geweissagt hat und das jedoch unwissend und ohne Verstand, wenn sie uns wieder bekennen, dass der Papst in Rom ist, wie Kaiphas ein Feind von Jesus Christus und Verfolger seiner Kirche.

53. Von dem Tage an ratschlagten sie, wie sie ihn töteten.

Töteten: Denn die falsche Kirche ist grausam und blutdürstig.

54. Jesus aber wandelte nicht mehr frei unter den Juden, sondern ging von dort in eine Gegend nahe bei der Wüste in eine Stadt, genannt Ephrem, und hatte sein Wesen dort mit seinen Jüngern.

Nicht mehr: Er ging seinen Feinden nicht viel vor den Augen herum, sondern wich ihnen aus dem Weg und suchte abgesonderte Orte, weil er eine Zeit lang verborgen und sicher sein wollte, bis die Stunde seines Leidens heranrückte. Denn es war ihm nicht verborgen, was der Hohepriester und seine Ratsgesellen für blutige Anschläge gegen ihn machten.

Von dort: Nämlich, von Bethanien, wo er Lazarus von den Toten erweckt hatte.

dort: An einem unbeachteten und nicht sehr bekannten Ort. Denn, so oft wir ohne Versäumnis unserer Aufgabe der Gefahr entgehen können, sollen wir uns nicht mutwillig ins Unglück stürzen. Christus selbst hat die Furcht des Todes erfahren wollen, damit er mit uns Mitleid haben könnte und uns trösten und aufhelfen, wenn wir in Lebensgefahr geraten.

55. Es war aber nahe das Ostern der Juden; und es gingen viele hinauf gen Jerusalem aus der Gegend vor Ostern, dass sie sich reinigten.

Gegend: Aus der ganzen Landschaft, die um Jerusalem herum gelegen war.

Vor den Ostern: Bevor dieses Fest seinen Anfang nahm.

Reinigten: Dies war der Grund, weshalb sie sich zeitiger auf den Weg machten, damit sie die Gebräuche nach dem Gesetz Moses fleißiger befolgen könnten und mit den levitischen Zeremonien von allen Unreinheit gereinigt würden, auf dass sie das Osterlamm recht essen könnten. Denn diejenigen, die nach den levitischen Satzungen als unrein eingeschätzt wurden, die durften nicht von dem Osterlamm essen. Also kann niemand Christus und seine Guttaten genießen, es sei denn er habe sein Herz durch den Glauben gereinigt. Und es sollen sich auch solche Leute vom Abendmahl des Herrn enthalten, die noch mit einem Wust von Sünden besudelt sind und nicht Buße getan haben.

56. Da standen sie und fragten nach Jesu und redeten miteinander im Tempel: Was erscheint euch, dass er nicht kommt auf das Fest?

Nach Jesus: Mit Verwunderung, dass er nicht bereits in Jerusalem war, besonders bei einem solch hohen Fest, das nahte, da er sonst bei allen vornehmen Festen bisher sich zeitig einzustellen pflegte.

Nicht kommt: Meint ihr auch, dass der Jesus von Nazareth ein rechter Prophet und von Gott gesandt ist, weil er das Osterfest außer acht lässt, dass uns Gott so ernsthaft zu halten befohlen hat? Wenn er einen Toten auferwecken konnte, warum verkriecht er sich jetzt in einen Winkel? Warum scheut er das Licht? Wer könnte ihm schaden, wenn er das Leben anderer Menschen in seiner Hand hätte? Dies ist nicht nur ein verkehrtes, sondern auch ein viel zu schnelles Urteil gewesen. Denn Christus ist zur rechten Zeit zu diesem Fest gekommen, dazu zeitig genug, auch nicht heimlich, sondern öffentlich, dass er auf einem Esel geritten und mit einem großen Haufen des Volkes, das im Geleit gegeben hat und mit Freudenschreien Glück gewünscht hatte, in die Stadt Jerusalem eingezogen ist. Darum sollen wir von unserem Nächsten nicht frevelhaft und zu schnell urteilen.

57. Es hatten aber die Hohepriester und Pharisäer lassen ein Gebot ausgehen, so jemand wüsste, wo er wäre, dass er‘s anzeigte, dass sie ihn griffen.

Hohepriester: Sowohl der Oberste, als auch die Unteren, die vor der Zeit im Hohepriesteramt gesessen waren und jetzt gleichsam seine Beisitzer waren.

Pharisäer: Die dem Herrn Christus besonders feind waren.

Griffen: Weil demnach ihr blutdürstiger Plan und Anschlag jedermann bekannt war, so konnten es fromme und verständige Leute dem Herrn Christus nicht für übel halten, dass er dem Überfall seiner Feinde aus dem Weg ging. Weil auch diesen Befehl nicht nachgegangen wurde, bis die Stunde des Leidens Christi gekommen war, haben wir uns dabei zu erinnern, dass die blutigen Delikte keine Kraft oder keinen Nachdruck haben, bis die Zeit gekommen ist, da wir nach dem Willen Gottes ihm zu Ehren etwas leiden sollen. Darum sollen wir unser Amt mit unerschrockenem Herzen verrichten.


Das 12. Kapitel

  • Christus wird in Bethanien als Gast aufgenommen und seine Füße werden von Maria gesalbt.
  • Darüber erhebt sich ein Streit.
  • Die Priester beraten darüber, dass sie auch Lazarus töten wollen.
  • Christus zieht in Jerusalem ein, und man kommt ihm von dort entgegen.
  • Die Griechen möchten Christus sehen, was Christus zum Anlass nimmt, eine herrliche Predigt zu halten.
  • Endlich wird die schreckliche Blindheit und Verstocktheit des jüdischen Volkes beschrieben.

1. Sechs Tage vor Ostern kam Jesus gen Bethanien, da Lazarus war, der Verstorbene, welchen Jesus auferweckt hatte von den Toten.

Bethanien: In den Flecken, nicht weit von Jerusalem. Und obwohl Christus wusste, dass er in Jerusalem getötet werden würde, so ist er dennoch dahin gezogen. Denn er hat mit dem freiwilligen Opfer seines Todes unsere Sünden büßen wollen und zugleich anzeigen, wie sehr er uns liebt. Mit seinem Beispiel hat er uns auch gelehrt, dass wir unsere ordentliche Aufgabe wegen einer herannahenden Gefahr nicht verlassen und nicht darin aussetzen sollen.

2. dort machten sie ihm ein Abendmahl, und Martha diente; Lazarus aber war der einer, die mit ihm zu Tische saßen.

Diente: Sie war nach ihrer Gewohnheit sehr sorgfältig, damit alles recht zugerichtet und bereitet wurde.

Saßen: Was auch ein Zeugnis war, dass er lebte.

3. Da nahm Maria ein Pfund Salbe von ungefälschter, köstlicher Narde und salbte Jesu die Füße und trocknete mit ihrem Haar seine Füße. Das Haus aber ward voll vom Geruch der Salbe.

Narde: Denn die Völker pflegten gegen morgens bei einer wohl bestellten Mahlzeit köstliche und wohlriechende Öle oder Salben zu verwenden.

Füße Jesu: Es pflegten aber die Juden den Gästen und fremden Menschen, wenn sie zu Tisch saßen, vor dem Essen, die Füße zu waschen. Denn die Alten hatten einen anderen Brauch, mit dem zu Tisch sitzen, als wir, dass sie nämlich, sich um den Tisch herum lehnten. Darum, damit nicht einer dem anderen mit dem bösen Gestank der Füße eine Unlust machte, so wurden ihnen vor dem Essen die Füße gewaschen. Daher sagte Apostel Paulus von den Witwen: wenn sie die Füße der Heiligen gewaschen hat {1Tim 5}. Aber Maria hat hier anstatt des Wassers ein köstliches, wohlriechendes Oma oder eine dünne Salbe verwendet. Dies hat sie aus einer besonderen, gottseligen Zuneigung gegen den Herrn Christus getan, welchen sie, als dem Sohn Gottes und Messias große Ehre antun wollte, so viel sie immer konnte, weil sie viele und große Guttaten von ihm empfangen hatte. Es leistet aber diese Tat den selbst erwählten Gottesdiensten, die von den Katholiken, als Menschen, bedacht worden sind, keinen Vorschub. Denn Maria wollte an dieser Stelle nicht einen neuen Gottesdienst anrichten, sondern Ihrem Herrn und Meister eine besondere Ehre erweisen.

4. Da sprach seiner Jünger einer, Judas, Simons Sohn, Ischariot, der ihn hernach verriet:

5. Warum ist diese Salbe nicht verkauft um dreihundert Groschen und den Armen gegeben?

300 Groschen: Was 38 Goldgulden ausmacht.

Nach Luther: Ein Groschen hatte zu der Zeit etwa so viel wie 30 Löwenpfennige unserer Meissner Währung gegolten.

Anmerkung des Bearbeiters im Jahr 2017: Nach heutiger Währung entsprach der Wert der Salbe etwa 1.300 bis 1.600 Euro.

Gegeben: So wäre es viel besser angelegt.

6. Das sagte er aber nicht, dass er nach den Armen fragte, sondern er war ein Dieb und hatte den Beutel und trug, was gegeben ward.

Beutel: Den Christus ihm anvertraut hatte, um das Geld hineinzulegen, das von frommen Menschen zur Unterhaltung Christi und seiner Jünger gegeben worden war und in Notfällen wieder ausgegeben werden konnte, von dem er zuweilen heimlich etwas abzweigte und für sich allein zu seinem Nutzen einbehielt. Doch seine Sorge galt nicht den Armen. Seine Meinung war nämlich, wenn die Salbe verkauft und das Geld ihm anvertraut worden wäre, dass er dann einen Teil davon hätte an sich nehmen können. Ebenso glauben etliche, es sei alles verloren und verspielt, was man zur Erhaltung und zur Aufnahme des Predigtamtes des Evangeliums von Jesus Christus ausgibt und verwenden es jetzt für die Menge der Armen und rechnen deren geringes Einkommen vor. In Wahrheit jedoch sind es Diebe, die unter einem falschen Anschein die Kirchengüter oder was in den gemeinsamen Säckel gelegt werden sollte, gegen jedes Recht einen guten Teil davon zu ihrem eigenen Nutzen verwenden. Aber solche müssen wohl aufpassen, dass sie nicht einst mit dem Judas Ischariot gehenkt werden.

7. Da sprach Jesus: Lass sie mit Frieden! Solches hat sie behalten zum Tage meines Begräbnisses.

Mit Frieden: Betrüge das fromme und gottselige Weiblein nicht mit deinem Murren, denn sie ist nicht zu schelten, sondern vielmehr zu loben.

Begräbnis: Denn, weil man ansonsten ehrliche Leute, wenn sie gestorben sind, mit köstlichen Salben und ins Grab zu legen pflegt, aber die Zeit meines Todes und meines Begräbnis herannaht, so hat diese köstliche Salbe auf Anregung des Heiligen Geistes bis hierher gereicht und es hat die Ehre, die man ansonsten den Toten anzutun pflegt, mir noch zu meinen Lebzeiten geleistet.

8. Denn Arme habt ihr immer bei euch; mich aber habt ihr nicht immer.

Bei euch: Dass ihr ihnen wohl Gutes tun könntet, so oft und so viel ihr wollt. Und dennoch werden die Armen durch diesen Dienst, den man mir jetzt erwiesen hat, nicht vernachlässigt.

Nicht immer: Mit diesen Worten wollte Christus gar nicht zu verstehen geben, dass er von der Kirche abwesend ist und bleiben würde bis an den Jüngsten Tag, denn an einem anderen Ort sagt er: Siehe, ich bin bei euch, immer, bis an das Ende der Welt {Mt 28}, sondern er zeigt damit an, dass er bald danach durch den Tod in seine himmlische Herrlichkeit eingehen wird, wo er solche Dienste nicht mehr benötigen würde, die man ihm in diesem Leben erwies.

9. Da erfuhr viel Volks der Juden, dass er dort war, und kamen nicht um Jesu willen allein, sondern dass sie auch Lazarus sähen, welchen er von den Toten erweckt hatte.

Lazarus sehen: Denn gleich, wie viele von ihnen Christus zu sehen wünschten und zu hören, weil sie glaubten, dass er der Messias wäre, so drängten auch viele, dass sie Lazarus zu sehen wünschten, und wollten ihn hören, wie er Sachen aus einer anderen Welt reden sollte. Wir aber sollen hier die Heilige Schrift hören, nach dem Befehl Christi. Sie haben Moses und die Propheten, lass sie diese hören {Lk 16}. Denn die, die von den Propheten, von Christus und von den Aposteln früher wieder in dieses zeitliche Leben auferweckt worden sind, sich danach zu keiner anderen Lehre bekannt, als zu dir, diese von den Propheten, Christus und den anderen Aposteln gelernt hatten. Darum haben sie damit bezeugt, dass die Lehre der Propheten, christliche, und der Apostel die rechte und selig machende Lehre ist.

10. Aber die Hohepriester trachteten danach, dass sie auch Lazarus töteten.

11. Denn um seinetwillen gingen viel Juden hin und glaubten an Jesus.

Glaubten: Durch solche herrlichen Wunderwerke wurde verursacht, dass sie dahin bewegt worden sind, darauf zu schließen, er sei der Prophet, von Gott gesandt, von dem Moses geweissagt hatte {5Mos 18}. Bei den Feinden des Evangeliums besteht aber eine solch schreckliche Wut, dass sie diese auch mit Mord und Totschlag aus dem Weg räumen möchten, von denen sie doch wissen, dass sie allerdings unschuldig sind, nur dass sie das Reich Christi, so viel sie können, zugrunde richten wollen.

12. Des andern Tages, viel Volks, das aufs Fest kommen war, da es hörte, dass Jesus kommt gen Jerusalem,

Des: In den folgenden Zeilen beschreibt der Evangelist Johannes den königlichen Einzug des Herrn Christus in die Stadt Jerusalem, und zwar sehr kurz, weil die anderen Evangelisten dieses weitläufig und ausführlich genug geschrieben haben {Mt 21 Mk 11 Lk 19}. Und obwohl dieser Einzug vor der stolzen, menschlichen Vernunft lächerlich erscheint, so ist er jedoch vor den Augen Gottes ganz herrlich gewesen. Denn damals ist in Jerusalem der König aller Könige und der Herr aller Herren, der Schöpfer des Himmels und der Erde, eingezogen. Sein Geleit gaben ihm die Apostel, als geistliche Fürsten der ganzen Welt. Die Kinder aber, die in ihrem Lebenswandel unschuldig wie junge Böcklein sind und das einfache, gottselige Häuflein des anderen Volkes, sind für Gott und die Heiligen Engel in einem viel größeren Ansehen, als ein großer Haufen stattlicher, aber gottloser Leute, die mit Gold und Edelsteinen behängt sind. So haben auch die Propheten von diesem Einzug Christi geweissagt, wie wir an anderer Stelle hören werden.

13. nahmen sie Palmenzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, ein König von Israel!

Entgegen: Mit denselben Palmzweigen, voller Ehrfurcht, dass sie ihren König Christus damit empfangen und einholen wollten. Dies ist aus einer besonderen Anregung des Heiligen Geistes heraus geschehen. Denn die Palmzweige haben bedeutet, dass er ein Überwinder des Todes, des Teufels und der Hölle sein wird.

Hosianna: Das heißt: Hilf du uns, unser Gott.

Gelobt: Dieser, unser König Jesus von Nazareth, soll alles Glück und Heil haben.

Des Herrn: Den uns Gott, der Herr, gesandt hat.

Von Israel: Oder des Volkes Israel, der durch die Propheten vor langer Zeit verheißen worden ist. Dieser fröhliche Glückwunsch ist früher von dem königlichen Propheten Daniel ausgerichtet worden im 118. Psalm, der bereits damals im Geist sah, mit welchem Prunk und Geleit der Sohn Gottes in die königliche Stadt Jerusalem einziehen würde.

14. Jesus aber überkam eine Eselin und ritt darauf, wie denn geschrieben steht:

Eselin: Die er im Geist zuvor gesehen hatte, und der hatte seinen Jüngern befohlen, dass sie ihm diese zuführen sollten.

Reit darauf: Er ist also auf einer Eselin und nicht auf einem wohl geschmückten Hengst in die Stadt Jerusalem eingeritten. Auch die anderen Evangelisten berichten dies, und es ist zu vermuten, dass Christus zunächst sich auf die Eselin, danach sich aber auch auf das Fohlen gesetzt hat, so wie auch die Herren ihre Pferde bisweilen abwechseln.

Geschrieben steht: Im Propheten Zacharias, Kapitel 9. Diese Weissagung zählt der Evangelist an dieser Stelle auf.

15. Fürchte dich nicht, du Tochter Zion; siehe, dein König kommt reitend auf einem Eselsfüllen!

Tochter Zion: Du Kirche Gottes, sei fröhlich und wohlgemut. Die Worte des Propheten lauten so: Du Tochter Zion, freue dich sehr und du Tochter Jerusalem jauchze. Siehe, dein König kommt zu dir, ein gerechter und ein Helfer, arm, und er reitet auf einem Esel und auf einem jungen Füllen der Eselin. Es ist aber Christus auf zwei Eseln geritten, um anzuzeigen, dass er, als ein König über die Juden und dann auch über die Heiden, das bedeutete das Füllen, herrschen würde. Indem er in einer gar nicht weltlichen Pracht eingezogen ist, hat er damit lehren wollen, wie sein Reich nicht weltlich, sondern geistlich ist. Er wird auch ein Gerechter und Helfer genannt, damit wir wissen, er ist in diese Welt gekommen, damit wir durch den Glauben an ihn gerechtfertigt werden und die ewige Seligkeit erlangen. Dazu ist er, obwohl er reich gewesen ist, arm geworden um unseretwillen, damit wir durch seine Armut reich würden {2Kor 9}.

16. Solches aber verstanden seine Jünger zuvor nicht, sondern da Jesus verklärt ward, da dachten sie daran, dass solches war von ihm geschrieben, und sie solches ihm getan hatten.

Zuvor nicht: Was damit gemeint und worauf es abzielt, heißt, dass sie noch sehr unverständig waren und die vortrefflichen Gaben des Heiligen Geistes noch nicht empfangen hatten.

Verklärt: Nachdem er von den Toten wiederauferstanden war, die Knechtsgestalt abgelegt, zum Himmel gefahren, sich zur Rechten des Vaters gesetzt und den Heiligen Geist gesandt hat, und so, aus dem Stand seiner Erniedrigung, in die himmlische Herrlichkeit eingegangen war.

Geschrieben: Durch die Propheten, die dies alles vor langer Zeit von ihm geweissagt hatten.

Getan hatten: Nämlich, dass die Israeliten aus besonderer Eingebung des Heiligen Geistes, um dem Herrn Christus Ehre zu erweisen, ihm entgegengegangen sind, als ihrem König und ihn mit Freuden und Frohlocken in die Stadt Jerusalem begleitet hatten. Denn die Erkenntnis nimmt je länger je mehr zu.

17. Das Volk aber, das mit ihm war, da er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, rühmte die Tat.

Ihm war: Und gegenwärtig zugesehen hatte, was er für ein herrliches Wunderwerk getan hat.

Rühmte: Als sie nach Jerusalem kamen, und das war nicht unrecht. Denn man soll die großen Wunder und Taten Gottes preisen und den Ruhm unseres Heilands Jesus Christus ausbreiten.

18. Darum ging ihm auch das Volk entgegen, da sie hörten, er hätte solches Zeichen getan.

Hörten: Und glaubten an ihn. Denn dahin sind alle Wunderwerke des Herrn Christus vornehmlich ausgerichtet, dass wir glauben, Jesus ist Christus, der Sohn Gottes und durch den Glauben das Leben haben in seinem Namen {Joh 20}.

19. Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.

Alle Welt: Das ganze Volk wurde zu seinen Anhängern, auch die, die aus der Heidenschaft auf unsere Feste zu kommen pflegen. Darum, wenn wir ihm nicht je eher, umso lieber beikommen, dass wir ihn aus dem Weg räumen, so wird es um uns und unsere Religion geschehen sein. Es werden also die Pharisäer auch durch das allerherrlichste Wunderwerke Christi nicht bewegt, dass sie an ihn geglaubt hätten, sondern gehen vielmehr umso eifriger und ängstlicher darüber zu Rat, wie sie ihn umbringen könnten. Darum ist es kein Wunder, wenn auch noch heutzutage in dem allerhellsten Licht des Evangeliums Mitglieder des Satans an keine Buße denken, sondern nur darauf abzielen, wie sie das Evangelium Christi ausrotten können. Aber je heftiger die Verfolger das Evangelium Christi und seine Bekenner neiden und anfeinden, umso weiter breitet sich die Kirche Christi aus, wie wir aus dem Folgenden hören werden.

20. Es waren aber etliche Griechen unter denen, die hinaufkommen waren, dass sie anbeteten auf das Fest.

Griechen: Aus der Heidenschaft. Denn zur damaligen Zeit nannten die Hebräer alle Heiden Griechen, wie es in den Episteln der Evangelisten und des Paulus zu lesen ist. Und es sind viele Heiden auf das vornehmste Fest nach Jerusalem zum Tempel gekommen, die von dem wahren Gott und seinem herrlichen Namen gehört hatten, wodurch sie bewegt worden waren, dass sie die Lehre der Propheten angenommen und dem wahren Gott Opfer gebracht haben, obwohl sie sich nicht beschneiden ließen, weil die Beschneidung allein dem jüdischen Volk und den Nachkommen Abrahams gegeben war. Denn Gott hat unter mancherlei Völker seine Auserwählten hin und wieder verstreut. Das sind aber nicht die Abgöttischen, die bis an ihr Lebensende in der Abgötterei verharren, sondern die, die der Heiligen Schrift Glauben schenken, das Evangelium Christi annehmen und so Gott dem Herrn recht dienen.

21. Die traten zu Philippus, der von Bethsaida aus Galiläa war, baten ihn und sprachen: Herr, wir wollten Jesus gerne sehen.

Aus Galiläa: Und es ist zu vermuten, dass in derselben Gegend unter den Juden etliche Heiden gewohnt haben, daher hatten sie umso mehr Kundschaft zu den Juden.

Gerne sehen: Und ihn ansprechen, auch seine Predigten, als eines vortrefflichen Lehrers, anhören, auf dass wir die Kunde eines solch berühmten Mannes erlangen können, weil wir von ihm vernommen haben, dass er große Wunder und Zeichen tut. Dies war bereits damals ein Anzeichen, dass nicht nur die Juden, sondern auch die Heiden sich zu Christus bekehren und das ewige Leben erlangen würden.

22. Philippus kommt und sagt‘s Andreas, und Philippus und Andreas sagten‘s weiter Jesus.

Jesu: Ihren Herrn und Meister, dass etliche Griechen oder Heiden vorhanden wären, welche viel von ihm hielten, und auch begehrten, ihn zu sehen und zu hören, und sie wollten sich an ihn halten. Darüber haben sich zweifellos die Apostel herzlich gefreut, weil sie hofften, mit der Zeit würde sich eine große Menge der Heiden bei Christus versammeln, sodass er unüberwindlich werden würde. Denn es ist bekannt, dass die Jünger Christi vor der Sendung des Heiligen Geistes am Pfingsttag auf ein äußeres, weltliches und mächtiges Reich Christi gewartet haben, wie die ganze evangelische Geschichte bezeugt. Denn unser Fleisch strebt unter dem Reich Christi nach zeitlicher Glückseligkeit.

23. Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Zeit ist kommen, dass des Menschen Sohn verklärt werde.

Verklärt werde: Und meine Majestät und Herrlichkeit der Welt kundgetan wird, wie ich nämlich der ewige Sohn Gottes, ein ewiger und himmlische König, der Messias, Heiland und Erlöser der Welt bin. Dass sich nun auch die Griechen oder Heiden zu mir wenden ist gleichsam ein Vorlauf, dass nicht nur die rechten Israeliten, sondern auch die Heiden mich als waren Gott und Menschen als ihren Herrn erkennen werden. Aber ich muss zuvor leiden, gekreuzigt werden und sterben. Den auf solchem Weg werde ich zu meiner himmlischen Herrlichkeit eingehen.

24. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Es sei denn, dass das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt‘s alleine; wo es aber erstirbt, so bringt‘s viel Früchte {1Kor 15v36}.

Erstirbt: Nachdem es in die Erde gesät, mit Erde zugedeckt und verscharrt, es also gleichsam begraben ist.

Viele Früchte: Zu seiner Zeit. Ich aber (will Christus sagen) bin auch ein Korn, und wenn ich nicht mit meinem Tod der Welt die Seligkeit wiederbringen würde, so wäre ich zwar unter allen Menschen selig, bliebe aber allein, und würde kein Miterbe mehr am Himmelreich teilhaben. Wenn ich aber gestorben und begraben worden bin, auch von den Toten wiederauferstanden und mein Evangelium in der ganzen Welt verkündigen habe lassen, dann werden viele Tausend Menschen von Adamskindern zu Gottes Kindern werden und durch die Guttat meines Todes die ewige Seligkeit erlangen. Deswegen ist Christi Tod das Leben der Welt. Und gleich, wie das leiden Christi den Sohn Gottes nicht vertilgt, sondern viele angenommene Kinder Gottes geistlich gezeugt hat, so vertilgen auch die Verfolgungen die Kirche Gottes nicht, sondern bevorrechtigten und vermehren sie. So sind auch jedem Christen die Trübsal und der Tod nicht schädlich, sondern nützlich, und dieses Gleichnis von dem verstorbenen Korn, das wieder hervorwächst, erinnert uns, der seligen Auferstehung der Toten, die uns nicht elender und schlechter, sondern besser und glücklicher machen wird.

25. Wer sein Leben lieb hat, der wird‘s verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird‘s erhalten zum ewigen Leben.

Wer: Weil die geistlichen Glieder Christi in dieser Welt Trübsal haben, so ermahnt Christus in folgenden Worten nicht nur die Apostel, sondern alle Christen zu Geduld und Beständigkeit.

Lieb hat: Dass, der er um der zeitlichen Lebenserhaltung willen Christus und die Wahrheit des Evangeliums verleugnet, der wird trotzdem zeitlich sterben, zu der von Gott bestimmten Zeit und danach auch in den ewigen Tod und die Verdammnis fallen. Denn wer Christus vor den Menschen verleugnet, den wird auch er vor seinem himmlischen Vater verleugnen {Mt 10}. Und Petrus, der Christus verleugnet hat, wäre nicht selig geworden, wenn er nicht ernstlich Buße getan hätte.

Lasst: Und wer es viel eher begehrt, das Risiko auf sich zu nehmen, das Leben zu verlieren, als Christus und sein Evangelium zu verleugnen, der wird zwar vor dem menschlichen Verstand närrisch handeln, als ob er seinem eigenen Leben feind wäre und sich nicht darum kümmert, aber ihm wird der allerbeste Rat geschaffen, denn er wird, anstatt dieses zeitlichen, kurzen und mühseligen Lebens, die ewige und höchste Glückseligkeit empfangen. Denn wer Christus vor den Menschen bekennen wird, den wird er wiederum auch vor seinem himmlischen Vater bekennen {Mt 10}.

26. Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren {Mk 8v34 Lk 9v23}.

Folge mir: Denn wer Christus dienen will, der muss sich darauf gefasst machen, dass er allerlei Trübsal ausstehen muss, welche ihm Gott zu tragen, auferlegen und schicken wird, und also Christus, als dem Herzog des Lebens, tapfer folgen. Denn wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt (spricht Christus), der kann nicht mein Jünger sein {Lk 14}.

Auch sein: Dies ist der Trost, denn die, die Christus folgen, zu erwarten haben, denn (sagt Christus) durch mein Leiden und meinem Tod in die ewige himmlische Herrlichkeit eingehen, so werden auch die mit mir der ewigen Seligkeit teilhaftig werden, die mir dienen und in ihrer Aufgabe unter dem Kreuz mir folgen. Ich will kommen und euch zu mir nehmen, damit ihr da seid, wo ich bin {Joh 14}.

Dienen wird: Treu, mit wahrem Glauben und in der Gottseligkeit.

Ehren: Und mit ewiger Herrlichkeit und majestätisch wirken. Darum sollen wir unsere Augen nicht nur auf die Trübsal dieses Lebens, sondern auf die ewige Seligkeit, die für uns bereitet ist, richten. Denn diese Zeit des Leidens ist nichts im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll {Röm 6}.

27. Jetzt ist meine Seele betrübt. Und was soll ich sagen Vater, hilf mir aus dieser Stunde. Doch darum bin ich diese Stunde gekommen.

Jetzt: Indem Christus an seinen Tod und die herannahenden Leiden denkt, wird er sehr schwermütig, weshalb er sich mit seinem Gebet zum himmlischen Vater wendet.

:Betrübt: Ich bin sehr traurig und schwermütig, weil ich den so schändlichen und schmählichen Tod vor Augen sehe und betrachte, wie ich die Sünden und Laster der ganzen Welt auf mir liegen habe. Diese Meinung hat Christus danach mit etwas anderen Worten wiederholt, als er sagte: Meine Seele ist betrübt bis in den Tod. Und Christus verachtet den Tod nicht, wie es etliche, heidnische Leute weltweit getan haben, die mit Diskussionen allerlei Trost gegen den Schrecken des Todes gesucht haben, wovon sie jedoch im Tod keinen Trost empfangen haben. Und Christus stürzt sich nicht mutwillig in den Tod, wie die Straßenräuber und andere lasterhafte Menschen, die aus einer Verzweiflung und ohne recht beherzten Mut, den Tod verachten, sondern er hat den Tod angesehen, wie er an sich selbst ist, nämlich, als eine Strafe und als Lohn der Sünden und eine Tür zur Hölle. Er hat aber solche Schrecken des Todes wahrhaftig empfinden und leiden wollen, damit er mit uns in ähnlichen Schrecken ein Mitleid haben und uns herausreißen könnte. Und er lehrt uns auch, dass, solange unsere Herzen ruhig sind, wir uns mit dem Wort Gottes rüsten und wappnen sollen, damit wir in solchen Schrecken nicht untergehen.

Sagen: An wen soll ich mich wenden in meiner großen Angst des Herzens?

Vater: Zu dir will ich mich mit meinem Gebet wenden.

Stunde: Errette mich, mein himmlischer Vater, wenn es möglich ist aus dieser Not, dass ich den schmählichen und schmerzlichen Tod des Kreuzes nicht leiden muss. Und diese Worte hatten den gleichen Sinn, wie er bald danach sagt: Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber. Es bittet aber Christus vor den Tod, nicht, damit er sich seinem himmlischen Vater in der Erlösung des menschlichen Geschlechts zu gehorchen widersetzte, sondern um anzuzeigen, wie er ein wahrer Mensch ist und allen menschlichen Zufällen und Zuneigungen, die Sünde ausgenommen, unterworfen ist. Denn Gott will, dass wir für den Tod bitten und ihm fliehen sollen, sofern es ohne Versäumnis unserer Aufgaben möglich ist.

Kommen: Es sind sehr große und sehr wichtige Gründe, weshalb ich den bitteren und schändlichen Tod leiden muss. Darum will ich von meiner Aufgabe nicht aussetzen, sondern leiden, was mir mein himmlischer Vater zu leiden auferlegt. Denn da Christus über die Sachen weiter nachdenkt, wie er von Gott, seinem himmlischen Vater, dazu berufen ist, dass er den Tod leiden soll zur Erlösung des menschlichen Geschlechts, so kommt er mit seinem Gebet Gott wieder näher.

28. Vater verkläre deinen Namen. Da kam eine Stimme vom Himmel (das man sie hören konnte). Ich habe ihn (meinen Namen) verklärt, und will ihn wieder verklären.

Namen: Lass deine Herrlichkeit kundwerden, dass sie in allem den Vortritt hat, wenngleich ich darüber sterben muss, nur, damit deine Barmherzigkeit und Liebe gegen das menschliche Geschlecht in der ganzen Welt gerühmt und gepriesen wird, wie du, nämlich, wie er seinen eingeborenen Sohn in den allerschrecklichsten Tod dahin gibst, als dass du das ganze menschliche Geschlecht übergeben und verlassen wolltest. Der Sinn dieser Worte ist folgender: Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Auf die gleiche Weise, wenn wir um zeitliche Güter oder Erlösung aus leiblicher Trübsal bitten, sollen wir den Zusatz an unser Gebet anhängen, dass wir möchten, Gott, der himmlische Vater, sollte viel mehr seine Ehre, als unsere Bitte beachten.

Verklärt: Der Sinn ist dieser: Bisher habe ich die Majestät und Herrlichkeit meines Namens daran erwiesen, dass ich dich, den Messias, den ich vorzeiten verheißen habe, jetzt in die Welt gesandt habe und das Evangelium durch dich predigen lasse, von meinem allergnädigsten Willen gegen das menschliche Geschlecht, wie auch, indem ich durch dich ganz herrliche Wunderwerke verrichte.

Verklären: Ich will zukünftig und für immer meinen Namen noch herrlicher machen denn ich will auch mitten in deinem Leiden die ganze Natur bewegen, dich von den Toten auferwecken, sichtbar in den Himmel aufnehmen, den Heiligen Geist auf die Apostels Händen und das Evangelium in der Welt unter allen Völkern ausbreiten. Daher wird mein Name, als des allergnädigsten Gottes und gütigsten himmlischen Vaters hin und wieder gepriesen werden. Es gab aber der himmlische Vater dieser Stimme zu verstehen, dass er seinen eingeborenen Sohn erhört hatte. Und so will uns Gott auch in unserer Traurigkeit und Bekümmernis trösten, durch das geoffenbarte Wort, auch wenn er nicht vom Himmel mit uns redet. Und er hat zugleich lehren wollen, dass sein Name auch durch unser Kreuz und unsere Trübsal herrlicher gemacht wird, darum sollen wir die Widerwärtigkeiten desto geduldiger aufnehmen.

29. Da sprach das Volk, das dabeistand und zuhörte: Es donnerte! Die andern sprachen: Es redete ein Engel mit ihm.

Es donnerte: Denn sie hatten nicht fleißig genug darauf geachtet, dass sie die Stimme des himmlischen Vaters recht verstehen können.

Ein Engel: Diese hatten auch nicht recht acht auf die Worte gehabt. So groß war die Unachtsamkeit dieses Volkes in einer sehr wichtigen Sache. Wie Fahrlässigkeit wird es auch heutigen Tages gespürt, wenn sie die Predigten des göttlichen Wortes hören. Denn etliche dürfen sich hören lassen, sie hätten zwar die Stimme des Predigers gehört, aber seine Worte nicht unterscheiden können, andere geben vor, sie haben zwar die Worte des Predigers gehört, sie seien ihnen aber doch zu dunkel und zu hoch gewesen, als dass sie es verstehen können. Dagegen aber, wenn sie unnötiges Geschwätz hören oder über Sachen nachdenken sollen, die ihnen für ihre Küche dient, darauf achten sie sehr genau. Solche Undankbarkeit gegen das göttliche Wort wird Gott auf Ernsthafteste strafen.

30. Jesus antwortete und sprach: Diese Stimme ist nicht um meinetwillen geschehen, sondern um euretwillen.

Meinetwillen: Denn ich weiß ohnedies, und bin dessen gewiss, dass mein himmlischer Vater nicht immer und überall hört.

Euretwillen: Auf dass ihr glaubt, ich bin der geliebte und eingeborene Sohn Gottes, dessen Gebet der himmlische Vater immer erhört und, damit ihr erkennt, wie Gott, der himmlische Vater, bis hierher durch meine Wunderwerke seinen Namen herrlich gemacht hat, den er auch weiterhin durch mein Leiden, meinen Tod und die Auferstehung bekannt und berühmt machen wird. Denn aus solchen Zeugnissen, die der himmlische Vater von seinem eingeborenen Sohn am Jordan, auf dem Berg überall ausgesprochen hat, soll man lernen, dass dieser Jesus von Nazareth der ewige Sohn Gottes, wahrer Gott und eines Wesens mit dem Vater, der Messias und Heiland der Welt, ist.

31. Jetzt geht das Gericht über die Welt; nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden.

Die Welt: Jetzt ist die Zeit vorhanden, da der Welt zu ihrem Recht verholfen wird gegen den allergrausamsten Tyrannen, den Teufel, der gleichsam ins Elend gestoßen wird, damit die Welt seiner Tyrannei entkommt. Denn durch mein Leiden und meinen Tod wird er all seine Rechte verlieren, die er gegen die Sünder gehabt hat und die von mir, als einem Überwinder, vertrieben werden. Denn ich bin der Meinung, dass an dieser Stelle das Wort Welt in einen guten Sinn zu verstehen ist, wie bei Johannes 3. gesagt wird. So sehr hat Gott die Welt geliebt. Und dass das Gerichte die Errettung oder Rache bedeutet, wie im 72. Psalm zu lesen ist. Er (der Messias) wird das elende Volk bei ihm Recht erhalten und den Armen helfen, und die Lästerer zuschütten. Als wenn er sagt: Gott wird der armen, unterdrückten, geplagten Welt recht verschaffen, gegen dem leidigen Teufel und er wird diesen Tyrannen hinaus ins Elend verstoßen. Weil demnach der Satan verstoßen ist und im Elend herumzieht, so hat er vor Gottes Gericht keinen Anspruch darauf, uns zu verklagen, wenn wir nur an Jesus Christus glauben, gleich, wie aber ein Räuber oder Freibeuter, der vom Römischen Reich geächtet wurde, hin und wieder herumschweift und die, die sich nicht gut vorsehen, mit einer Tücke überrascht, bis er endlich gefasst und am Leben gestraft wird, so geht auch der Satan herum, wie ein brüllender Löwe und sucht, wenn er verschlingen kann. Dem sollen wir im Glauben fest widerstehen {1Petr 5}. Es wird aber die Zeit kommen, dass er ins ewige, höllische Feuer dermaßen verstoßen wird, dass er niemanden mehr schaden kann, sondern mit ewiger Pein für seine Bosheiten gestraft wird.

32. Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen.

Erhöht werde: Und man mich mit ausgestreckten Armen an das Kreuz nageln wird.

Ziehen: Dass ich die ganze Welt gleichsam in meine Arme nehmen will, auf dass, wer an mich glaubt, durch die Guttat meines Leidens und Todes in ewiger Glückseligkeit mit mir regiert. Darum werden alle, die an Christus glauben, egal, zu welcher Zeit sie gelebt haben und aus welchem Volk sie auch kommen mögen, von Christus auf das Freundlichste in die Arme genommen, damit sie mit ihm die ewige Seligkeit genießen. Sie werden aber zu Christus durch das Predigtamt des Evangeliums und die Mitwirkung des Heiligen Geistes gezogen. Darum, so oft wir an den gekreuzigten Christus denken, sollen wir uns erinnern, dass er uns mit seinen allerholdseligsten Armen umfasst hält.

33. Das sagte er aber, zu deuten, welches Todes er sterben würde.

34. Da antwortete ihm das Volk: Wir haben gehört im Gesetz, das Christus ewig bleibe; und wie sagst du denn, des Menschen Sohn muss erhöht werden? Wer ist dieser Menschensohn?

Gesetz: Nämlich aus den Schriften der Propheten. Denn die Hebräer nannten allgemein jede Lehre ein Gesetz.

ewig bleibe: Er wird ein ewiger König sein {Jes 9 2Sam 7}.

Erhöht werden: Denn wir vernehmen soviel aus deiner Rede, dass du auf deinen Tod hinweist, den du am Kreuz in der Höhe erleiden wirst. Wir aber hatten gemeint, du wärst der Messias und würdest nach der Weissagung der Propheten leben und herrschen in alle Ewigkeit. Bist du nun derselbe Menschensohn, von dem du redest, so wissen wir nicht, wie du der Messias sein könntest, weil dieser ewig bleiben soll. Redest du aber von eines anderen Menschen Sohn, so sage uns, wer er ist? Dies sprachen sie aus einem verbitterten Herzen und mit spöttischer Gesinnung, wie wir an anderer Stelle sehen werden. Und die Juden konnten sich die Leiden und das Reich des Messias nicht zusammenreimen, weil sie mit der Vorstellung eines weltlichen Reiches des Messias voreingenommen waren. Darum nahmen sie zwar die Weissagungen der Propheten von der Regierung des Messias mit gutem Willen an, was aber von seinem Leiden gesagt wird, das verstanden sie nicht und achteten auch nicht besonders darauf. Also suchen auch heutzutage noch viele Menschen einen solchen Christus, von dem sie viele und große zeitliche Guttaten empfangen mögen, ohne Kreuz oder Trübsal. Aber wir sollen in Christus himmlische und ewige Güter suchen. Denn was nutzt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und litt Schaden an seiner Seele?

35. Da sprach Jesus zu ihnen: Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. Wandelt, dieweil ihr das Licht habt, dass euch die Finsternisse nicht überfallen. Wer in Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht.

Licht habt: Und braucht es. Denn weil Christus merkte, dass seine Zuhörer größtenteils nur nach zeitlichen Sachen trachteten und sich wenig um ihre ewige Seligkeit bekümmerten, weshalb sie auch nicht ernsthaft begehrten, an ihn zu glauben, so ermahnt er sie, dass sie die Gelegenheit, die ewige Seligkeit zu erlangen, nicht versäumen sollen.

Überfalle: Und ihr ewig verloren werdet.

Hin geht: Darum stößt er sich und fällt.

36. Glaubt an das Licht, dieweil ihr‘s habt, auf dass ihr des Lichtes Kinder seid.

Das Licht: Nämlich, an mich, denn ich bin das Licht der Welt und bringe Frieden und Freude des Gewissens, zeige den Menschen das gnädige und versöhnte Angesicht des himmlischen Vaters und führe sie den richtigen Fußweg zum ewigen Leben.

Kinder seid: Und durch meine Erleuchtung einst das ewige Leben im immerwährenden Licht Freude und Herrlichkeit besitzt, auch in dieser Welt ein solches Leben führt, wie es den Kindern des Lichts gebührt und gut ansteht. Ich bringe und trage euch durch die Predigt meines Evangeliums die Rechteseligkeit auf und an. Eben das werden über eine kurze Weile meine Apostel auch tun darauf wird eine Verblendung des jüdischen Volkes geschehen, samt der Zerstörung des Tempels, der Stadt Jerusalem und eurer ganzen Polizei. Dies wird die allerdunkelste, traurigste und alles verderbende Finsternis sein. Darum verachtet meine Predigten nicht, weil ihr noch Zeit habt, und geht nicht nur mit fleischlichen Gedanken um, auf dass ihr nicht, wenn ihr einmal dieses Lichtes beraubt seid, in die äußerste Finsternis geratet, wo nichts als Heulen und Zähneklappern sein wird. Auch heutzutage leuchtet uns Christus in Deutschland durch die reine Predigt des Evangeliums vor, die wir mit dankbarem Herzen annehmen sollen, auf dass nicht wegen unserer Undankbarkeit mit der Zeit dicke Finsternis der Religion einfällt, wodurch die Seelen in ewigen Jammer geraten und die Regierungen zu Haufen fallen.

Redet Jesus: Zu den Juden, die größtenteils verstockt waren, weshalb ihnen diese Predigt nicht zusagte, sondern sie haben darüber ihrem Brauch nach angefangen zu murren und griesgrämig zu sein, wie aus den folgenden Worten leicht zu entnehmen sein wird.

Verbarg sich: eine Zeit lang, nicht nur darum, damit er der Gefahr entkam, bis die Zeit seines Leidens käme, sondern auch, dass er damit anzeigte, wie er das undankbare und halsstarrige Volk bald danach allerdings verlassen würde. Wir sollen durch den Glauben und das gottselige Gebet Christus bei uns behalten und Fleiß aufwenden, dass wir ihn nicht mit unserem verkehrten Wandel von uns treiben, oder etwas tun, dass wir von ihm verlassen werden.

37. Solches redete Jesus und ging weg und verbarg sich vor ihnen. Und ob er wohl solche Zeichen vor ihnen tat, glaubten sie doch nicht an ihn,

Doch nicht: Sondern es blieb der größere Haufen der Juden in seinem verstockten Unglauben. Darum sollen wir uns auch heutzutage nicht darüber ärgern, wenn der größere Teil des menschlichen Geschlechts nicht an Christus glaubt. Denn wenn sie alle an Christus glaubten, so wäre dies ein Zeichen dafür, dass er nicht der rechte Messias wäre, weil vom Messias geschrieben steht, dass nicht jedermann seinem Evangelium glauben wird.

38. auf dass erfüllt würde der Spruch des Propheten Jesaja, denn er sagt: Herr, wer glaubt unserm Predigen, und wem ist der Arm des Herrn offenbart {Röm 10v16}?

Sagt: Kapitel 53: Da er von dem Messias weissagt.

Offenbart: Wer achtet auf die herrlichen Wunderwerke Christi, in denen sich die göttliche Allmacht augenscheinlich sehen lässt? Freilich sind es nur wenige. Denn der größere Teil der Juden hält die Weissagung in den Propheten vom Messias nicht gegen die Person Christi, und die verstockten Leute lassen sich durch seine Wunderwerke nicht bewegen, dass sie an ihn glauben. Solches hatte Prophet Jesajas vom Unglauben der Juden schon damals geweissagt. Deshalb ist die Schuld des Unglaubens nicht dem Predigtamt zuzumessen, sondern der Verstockung der Menschen.

39. Darum konnten sie nicht glauben; denn Jesaja sagt abermal:

Nicht glauben: An Christus wegen ihrer Bosheit und Gottlosen Sicherheit willen, deswegen wurden sie in einem verkehrten Sinn gegeben.

Sagt abermals: Kapitel 6: Von solcher Verblendung des jüdischen Volkes.

40. Er hat ihre Augen verblendet und ihr Herz verstockt, dass sie mit den Augen nicht sehen, noch mit dem Herzen vernehmen und sich bekehren, und ich ihnen hülfe.

Nicht sehen: Dass sie mit sehenden Augen blind sind.

Vernehmen: Sondern zu allen Predigten und Wunderwerken unverständig und unwillig zu lernen sind.

Ihnen hülfe: Der Evangelist hat es dabei bewenden lassen, dass er den Sinn der göttlichen Weissagung angesprochen hat. Es wird aber dieser Spruch von der Verstockung und Verblendung der Juden in der Heiligen Schrift oft erwähnt, wie in Matth. 13, Mark. 14, Luk. 8, Act. 28, Röm. 11. Es ist nicht so gemeint, als ob Gott fromme, sehende und erleuchtete Menschen blenden würde, was eine gräuliche Gotteslästerung wäre, wenn man dem allmächtigen, ewigen und gütigen Gott so etwas zutrauen würde, sondern die Sache ist so beschaffen: Wenn die Menschen ohne Gottesfurcht dahinleben, sein Wort verachten oder auch gegen ihr Gewissen lästern und verfolgen und mit sicherem, ruhmlosem Herzen nur den zeitlichen und irdischen Gütern nachtrachten, diesen auch ergeben sind und ihre ewige Seligkeit ihnen am wenigsten angelegen ist, so zieht Gott seine gnädige Hand von solchen Menschen allerdings ab, dass sie, je länger je mehr in große Blindheit und Bosheit geraten, verstockt werden und täglich schlimmer und widerspenstiger, bis sie durch das gerechte Urteil Gottes zugrunde gehen. Denn so steht es geschrieben in 5. Mose 28. Wenn du nicht der Stimme des Herrn, deines Gottes gehorchen wirst usw., so wird der Herr dich schlagen mit Wahnsinn, Blindheit und Rasen des Herzens und du wirst auch bei Tag wie ein Blinder herumtappen im Dunkeln und wirst auf deinem Weg kein Glück haben. Und der Apostel Paulus spricht: Dafür, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, dass sie selig würden, darum wird ihnen Gott kräftige Irrtümer senden, dass sie die Lügen glauben, auf dass alle gerichtet werden, die die Wahrheit nicht glauben, sondern Lust an der Ungerechtigkeit haben {2Thes 2}. Dies sind Gottes gerechte Gerichte, die niemand wirklich schelten kann. In der Weise werden heutzutage die päpstlichen Lehrer geblendet, die die offenbare Wahrheit des Evangeliums verlassen und dieselbe viel lieber mit Schwert und Feuer verfolgen wollen, als in ihrem Ansehen und reichen Einkommen einen kleinen Verlust zu erleiden. So werden auch unter den Evangelischen diejenigen geblendet, die das heilige Evangelium Christi zur Freiheit des Fleisches schändlich missbraucht haben, denn weil sie das Wort Gottes nicht mit Fleiß gehört, und das Abendmahl des Herrn lange verachtet, unterdessen ein schändliches Leben geführt haben, so werden sie endlich in einen verkehrten Sinn gegeben, dass etliche zu Wiedertäufern, andere zu Schwenkfeldern oder Calvinisten werden. Und wenn sie sich in diese Irrtümer vertieft haben, so verharren sie halsstarrig darin und geraten ins ewige Verderben. Darum lasst uns in der wahren Furcht Gottes leben, auf dass uns nicht auch das Gleiche widerfährt.

41. Solches sagte Jesaja, da er seine Herrlichkeit sah, und redete von ihm.

Solches: Was von der Verblendung des jüdischen Volkes bisher erzählt worden ist.

Sah: Im Geist und in einem prophetischen Gesicht.

Von ihm: Von dem Herren, unserem Messias. Es ist aber nicht zu leugnen, dass Jesajas damals den Herrn, Jehova und Gott der Heerscharen, auf dem Stuhl der Majestät 17 gesehen hat, wie er, der Prophet selbst, es bezeugt. Weil nun der Evangelist hier sagt, der Prophet habe die Herrlichkeit Christi gesehen, so ist offenbar, dass Jesus Christus eben dieser Herr der Heerscharen, Jehova, wahrer, ewiger Gott und mit dem Vater eines Wesens ist.

42. Doch der Obersten glaubten viel an ihn; aber um der Pharisäer willen bekannten sie es nicht, dass sie nicht in den Bann getan würden;

An ihn: Dass sie ihn für einen großen Propheten, ja, für den Messias hielten, der von Gott gesandt wäre. Denn sie wurden durch seine herrlichen Wunderwerke, die er tat, dazu bewegt.

Pharisäer: Welche Christus spinnefeind waren und damals die obersten am Brett waren, die das größte Ansehen hatten.

Es nicht: Dass sie Jesus von Nazareth für den Messias hielten. Das ist kein wahrhafter und lebendige Glaube an Christus gewesen. Sie hatten kein rechtes Vertrauen auf den Mittler des menschlichen Geschlechts. Denn sonst wäre ein solcher Glaube durch die Bekenntnisse und andere guten Werke ausgebrochen und hätte gute Früchte gebracht. Denn wir müssen den rechten Glauben vor den Leuten bekennen. Aber etliche weltweise Leute halten es für eine besondere Klugheit, wenn sie verhehlen können, was sie von der Religion halten, so dass niemand wissen kann, was sie glauben. Solche sind Nikodemus und Joseph von Arimathia nicht gewesen. Denn obwohl sie furchtsam waren, so haben sie doch, wenn es darauf ankam, dass ihre Stimme erheben müssen, nicht verhielt, was sie von Christus gehalten haben und haben auch nicht in seinen Tod eingewilligt.

Bann getan: Dies war der Grund, warum diese Obersten Christus nicht kannten, weil sie nämlich sich darum gesorgt haben, dass sie von den Pharisäern, die damals die Gewalt hatten, in Religionssachen zu urteilen, nicht aus der Gemeinde des Volkes Gottes ausgeschlossen und verstoßen würden, als Ketzer, die von Gesetz des Moses abgefallen wären. Solch eine Schande haben sie sich nicht anhängen lassen wollen.

43. denn sie hatten lieber die Ehre bei den Menschen denn die Ehre bei Gott.

Ehre: Sie wollten lieber das Lob der Beständigkeit bei den Menschen hier auf Erden behalten, dass sie in der Religion ihrer Vorfahren verharrt, als, dass sie diese verlassen wollten und nach der rechten, ewigen Herrlichkeit zu erlangen strebten, womit sie Gott im Himmel beschenkt hatte. Ist das aber nicht ein unsinniges Wesen? Den sollte es nicht besser und vernünftiger sein, dass man sich hier auf Erden von den Päpsten und ihresgleichen Heuchler verdammen lässt, und eine kurze Zeit Schmach erleidet, danach aber vor Gott und den Heiligen Engeln, samt allen Auserwählten, in ewiger Ehre schwebend, als nur wenige Jahre vor der Welt im Ansehen stehen und danach in ewiger Schande und Schmach leben, oder vielmehr des ewigen Todes sterben?

44. Jesus aber rief und sprach: Wer an mich glaubt, der glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat.

Rief: Mit lauter Stimme, da er öffentlich lehrte in einer großen Versammlung des Volkes, nachdem er aus dem Ort, wo es sich verborgen hatte, wieder hervorgekommen war.

Nicht an mich: Denn er darf sich nicht sorgen, dass er von dem wahren und ewigen Gottheit fällt und an einen bloßen Menschen glaubt. Denn, indem er an mich glaubt, so glaubt er auch an den ewigen Gott, der mich, seinen eingeborenen Sohn, der ich mit ihm eines Wesens bin, in dieser Welt gesandt hat.

45. Und wer mich sieht, der sieht den, der mich gesandt hat.

Gesandt hat: Denn in mir wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig {Kol 2}, und ich und der Vater sind nach dem göttlichen, ewigen Wesen eins, obwohl die Personen in der Dreifaltigkeit unterschieden sind. Diese Sprüche Christi bestätigen seine ewige Gottheit auf das Sicherste gegen den Schwarm der Arianer.

46. Ich bin gekommen in die Welt ein Licht, auf dass, wer an mich glaubt, nicht in Finsternis bleibe.

Bleibe: Denn alle Menschen stecken von Natur aus in gräulicher und dicker Finsternis, das heißt, in großem Unglück, zumal sie unterdrückt sind von der Sünde, Gottes Zorn, unzähligen Trübsalen, dazu auch noch dem zeitlichen und ewigen Tod unterworfen. Darum hat der himmlische Vater mich in diese Welt gesandt, als ein hell scheinendes Licht, auf dass ich die schreckliche Finsternis vertreibe und allen, die an mich glauben, die ewige Seligkeit, Freude und Herrlichkeit gebe. Denn mit Finsternis wird in der Schrift größtenteils Jammer und Traurigkeit gemeint, das Licht aber bedeutet Freude und Herrlichkeit. Wir sollen uns diesen Trost zunutze machen, auf dass wir in der Finsternis der Trübsal auf das ewige Licht und Glück warten.

47. Und wer meine Worte hört und glaubt nicht, den werde ich nicht richten; denn ich bin nicht gekommen; dass ich die Welt richte, sondern dass ich die Welt selig mache.

Und: Zuvor hat Christus gesagt, was denen für eine Freude bereitet sein wird, die an ihn glauben. Jetzt lehrt er auch, was die für Strafen zu erwarten haben, die nicht an ihn glauben.

Nicht richten: Ich werde den nicht sogleich bestrafen, der mein Evangelium nicht annehmen wird, wie es die zu tun pflegen, die eine erlittene Boshaftigkeit sofort rächen.

Selig mache: Indem ich sie locke, dass sie den Glauben an mich annehmen und ich ihnen, wenn sie glauben, das ewige Leben geben. Wir sollen deswegen lernen, dass Christus der Heiland der Welt ist und mit Glauben zu ihm fliehen. Denn er wird uns nicht verderben, sondern erhalten, wenn nur wir nicht im Unglauben und gottlosen Wesen verharren. Und wir sollen auch die Langmütigkeit von Christus erlernen, dass er nicht ohne Verzug mit der Straße hinter den Bösen und Undankbaren her ist, sondern er gibt Zeit und Raum zur Buße, also sollen wir uns auch nicht aufbringen lassen, unsere erlittene Boshaftigkeit zu rächen, sondern sollen Gott die Rache anbefehlen.

48. Wer mich verachtet und nimmt meine Worte nicht auf, der hat schon, der ihn richtet: Das Wort, welches ich geredet habe, das wird ihn richten am Jüngsten Tage.

Ihn richtet: Denn es werden die Gottlosen, die mich und mein Evangelium verachten, darum nicht ungestraft bleiben, obwohl sie nicht sofort mit Donner und Blitz, oder auf eine andere Weise in die Hölle geworfen und verstoßen werden, weil sie am Jüngsten Tag öffentlich zur ewigen Pein des Leibes und der Seelen verurteilt und verdammt werden. Und dies wird so geschehen; glaubt nicht, dass ich meine Art nach ein so ernster und strenger Richter bin, oder dass sie Sünder gewesen sind, zumal die Auserwählten auch vorher Sünder gewesen sind, sondern weil sie das Evangelium verachtet und gleichsam mit Füßen getreten haben, in welchem ihnen doch ihre Seligkeit angeboten und aufgetragen wird. Darum wird mein Evangelium (gleichwohl in zufälliger Weise) das Urteil des ewigen Todes gegen sie fällen, weil sie nämlich die angebotene Gnade nicht annehmen wollen. Obwohl also die Ungläubigen nicht gleich zur Strafe herangezogen werden, so werden sie doch am Jüngsten Tag für ihre Bosheit ewige Strafe erleiden müssen. Gleichwohl auch noch in diesem Leben Gott manchmal eine Probe und einen Vorgeschmack des künftigen Gerichtes sehen lässt, wenn die Gottlosen in schreckliche Strafe geraten.

49. Denn ich habe nicht von mir selber geredet, sondern der Vater, der mich gesandt hat, der hat mir ein Gebot gegeben, was ich tun und reden soll.

Denn: Jetzt zeigt Christus den Grund an, warum die Ketzer des Evangeliums ewig gestraft werden müssen.

Reden soll: Darum, wer mein Evangelium verachtet, der verachtet nicht nur das Wort eines Menschen, wie es sich die Juden fälschlich einreden, sondern er widerstrebt dem Befehl des allmächtigen Gottes. Ich wäre nichts Weiteres, als was mir der Vater befohlen hat. Also auch, wer das Wort eines Kirchendieners, der die reine Lehre führt, verachtet, der verachtet nicht nur einen Menschen, sondern Christus selber und Gott den Vater auch.

50. Und ich weiß, dass sein Gebot ist das ewige Leben. Darum, was ich rede, das rede ich also, wie mir der Vater gegeben hat.

Sein Gebot: Welches mein Evangelium ist, das bietet den Menschen das ewige Leben an und schenkt es auch allen, die ihm glauben. Denn das Evangelium ist eine Kraft Gottes, selig zu machen alle, die daran glauben. Das bedeutet: Das Evangelium ist eine sehr kräftige Lehre, wodurch die Seligkeit denen angeboten und angetragen wird, die demselben Glauben angehören. Das Gesetz aber ist eine Lehre, die den Sündern die Seligkeit nicht anbietet, sondern die Verdammnis androht. Dieser Unterschied des Gesetzes und des Evangeliums ist wohl zu beachten.

Gesagt hat: Denn ich bringe keine andere Lehre, als die, die ich vom Vater empfangen habe. Und Christus misst alles dem Vater zu, weil er im Stand der Erniedrigung war. Es sollen aber auch alle Diener und Prediger des Evangeliums sich mit höchstem Fleiß darum bemühen, dass sie keine andere Lehre vorbringen, als die, die vom himmlischen Vater durch die Propheten, Christus und Apostel gegeben worden sind. Denn durch diese Lehre und durch keine andere will der Heilige Geist in den Herzen der Menschen kräftig sein.


Das 13. Kapitel

  • Christus steht vom Abendessen auf und wäscht den Jüngern die Füße, damit er ihnen ein Beispiel der Demut zeigt.
  • Er deutet mit einem Zeichen auf den Verräter Judas.
  • Er redet von seiner Verklärung, wie sie einander lieben sollen, und verkündigt Petrus seinen Fall zuvor.

1. Vor dem Fest aber der Ostern, da Jesus erkannte, dass seine Zeit kommen war, dass er aus dieser Welt ginge zum Vater: Wie er hatte geliebt die Seinen, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende.

Vor: Nachdem Christus mit einer besonderen Pracht in Jerusalem eingezogen war, hat er etliche herrliche Predigten gehalten. Weil diese aber von den anderen drei Evangelisten beschrieben worden sind, so übergeht sie Johannes mit Stillschweigen und wendet sich dem zu, was sich bei dem letzten Abendmahl zugetragen hat und von den anderen Evangelisten ausgelassen worden ist.

Fest: Nämlich der Abend vor dem Rüsttag des großen Festes, am Gründonnerstag.

Welt ginge: Er wusste, dass er zur Erlösung des menschlichen Geschlechts bald sterben musste, und es war ihm auch nicht verborgen, dass er durch den Tod aus diesem Jammertal in die himmlische Herrlichkeit eingehen würde. Aber wir sollen uns hierbei erinnern, dass derjenigen Tod, die durch den Glauben rechte Glieder Christi sind, kein Tod ist, sondern ein Durchgang aus der Welt zum himmlischen Vater und aus dem zeitlichen Leid in die ewige Freude. Es ist aber auch Christus so aus dieser Welt zum Vater gegangen, dass er dennoch und nichtsdestoweniger gesagt hat: Ich bin bei euch alle Tage, bis ans Ende der Welt {Mt 28}.

Ans Ende: Und er ließ sich von keiner Furcht oder Gefahr des Todes davon abschrecken, sondern hat zur Erlösung des menschlichen Geschlechts den Tod willig erlitten. Eben hiermit zeigt aber Gott seine Liebe zu uns, wie der Apostel Paulus in Römer, Kapitel 5, bezeugt, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Und hierin leuchtet die Liebe Christi besonders hervor, weil sonst niemand eine größere Liebe haben kann, als wenn er sein Leben lässt für seine Freunde. Darum sollen wir mit dieser überschwänglichen Liebe Gottes unseren Glauben in Anfechtungen stärken und um des Herrn Christi willen auch unseren Nächsten von Herzen lieben, für den er sein Blut ebenso vergossen hat, wie für uns.

2. Und nach dem Abendessen, da schon der Teufel hatte dem Judas, Simons Sohn, dem Ischariot, ins Herz gegeben, dass er ihn verriete,

Abendessen: Das noch nicht zu Ende gewesen ist. Es pflegten aber die Völker im Morgenland den Gästen die Füße zu waschen, damit keiner dem anderen mit schlechtem Geruch eine Unlust verursacht. Denn sie saßen auf eine andere Weise zu Tisch, als es bei uns üblich ist, wie schon oft berichtet. Dass aber der Evangelist Johannes von der Einsetzung des Heiligen Abendmahl nichts sagt, hat die Ursache, weil er wohl gewusst hat, dass es von den drei anderen Evangelisten und von dem Apostel Paulus ausführlich beschrieben wurde. Denn es besteht kein Zweifel, dass Johannes sein Evangelium zuletzt nach allen anderen Evangelisten und nach den Geschichten des Paulus geschrieben hat. Und er hat sich besonders bemüht, dass er die Sachen aufzeichnete, die von den anderen Evangelisten ausgelassen worden waren.

3. wusste Jesus, dass ihm der Vater hatte alles in seine Hände gegeben, und dass er von Gott kommen war und zu Gott ging:

Hände gegeben: Dennoch hat er dem schändlichsten Menschen und seinem ausgewiesenen Feind das Werk der Liebe erzeigen wollen, obwohl er wusste, dass er der ewige Sohn Gottes war, der vom Himmel gekommen Mensch war, und auch nach seiner menschlichen Natur ein Herr des Himmels und der Erde war, der alles in seiner Hand hatte, dass er auch zwar bald sterben müsste, aber dennoch, durch den Tod, in die himmlische, höchste Herrlichkeit eingehen würde und dann das völlige Regiment im Himmel und auf Erden verwalten würde. Nichtsdestoweniger hat dieser Herr Jesus sich so tief gedemütigt, dass er in Knechtsgestalt seinen Jüngern, ja auch seinem Verräter, die Füße gewaschen hat. Auch wenn Christus alle Gewalt im Himmel und auf Erden, auch damals bereits, als er noch in Knechtsgestalt war, hatte, ließ er diese Gewalt nicht immer sehen. Es ist hier auch besonders zu beachten, dass gesagt wird, der Teufel habe es dem Judas ins Herz gegeben, dass er Christus verraten sollte. Den auch wenn unser Fleisch an sich selbst zur Sünde geneigt und verderbt ist, so ist es doch gewiss, dass grobe Laster vornehmlich auf Anreiz und Antrieb des Teufels begangen werden. Darum sollen wir Gott bitten, dass er diesem bösen Geist keine Gewalt über uns lässt.

4. stand er vom Abendmahl auf, legte seine Kleider ab und nahm einen Schurz und umgürtete sich.

Auf: Einmal, da dieses noch nicht beendet, oder kaum angefangen war. Wie es fleißige Hausväter zu tun pflegen, wenn sie ehrliche und liebe Gäste haben, dass sie oft vom Tisch aufstehen und darauf achten, dass an den nötigen Sachen kein Mangel auftritt.

Kleider: Nämlich, die oberen Kleider, die er über die anderen anhatte.

Umgürtet sich: Damit, wie mit einem Gürtel, dass er beim Füße waschen besser zurechtkäme.

5. Danach goss er Wasser in ein Becken, hob an, den Jüngern die Füße zu waschen, und trocknete sie mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war.

Zu waschen: Was aber Christus damit gemeint hat, dass er, als ein Herr des Himmels und der Erde, den Jüngern die Füße gewaschen hat, werden wir bald hernach aus den eigenen Worten des Herrn Christus vernehmen.

6. Da kam er zu Simon Petrus; und derselbe sprach zu ihm: Herr, solltest du mir meine Füße waschen?

Petrus: Dass er ihm auch seine Füße waschen wollte.

Füße waschen: Was wäre das für eine ungereimte Sache? Meinst du, ich bin so unbescheiden, dass ich von dir, als meinem Herrn Messias und Heiland, mir die Füße waschen lassen will?

7. Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, das weißt du jetzt nicht; du wirst‘s aber hernach erfahren.

Jetzt nicht: Du verstehst in diesem Augenblick nicht, aus welchem Grund und zu welchem Zweck ich mich daran mache, deine und der anderen Jünger Füße zu waschen.

Erfahren: Wenn ich die Ursache dieses Handelns anzeigen werde, so sei mir in diesem, meinem Vorhaben, mit deiner Höflichkeit zum falschen Zeitpunkt nicht hinderlich. Hier hat man die Milde Christi wahrzunehmen, da wir auch von ihm lernen sollen, dass er Petrus zunächst vielmehr freundlich unterrichten möchte, als ihn hart anzufahren und zu schelten.

8. Da sprach Petrus zu ihm: Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen. Jesus antwortete ihm: Werde ich dich nicht waschen, so hast du kein Teil mit mir.

Nimmermehr: So lange ich lebe, will ich es nicht dazu kommen lassen, dass du die Arbeit eines Knechts an mir verrichten sollst. Obwohl nun diese Höflichkeit des Petrus bei etlichen das Ansehen haben könnte, als wäre sie zu loben, so ist es doch in Wahrheit die größte Unhöflichkeit und Bescheidenheit gewesen. Denn es bedeutet ebenso viel, als wenn er gesagt hätte, Christus wäre nicht recht bei sich selbst und verrückt geworden, er aber wäre ein sehr verständiger und seltsamer Mensch und würde besser verstehen, als Christus, was sich gebührt oder nicht gebührt. In dieser Sache sollen wir es ihm nicht nachmachen, denn das Ei soll nicht klüger sein als die Henne und die Kreatur ein Ding nicht besser wissen wollen als der Schöpfer.

Antwortet: Er musste das Raue herauskehren, da er sah, wie Petrus auf seinen widerspenstigen Kopf verharrte, und ihm die Meinung etwas deutlicher zu verstehen geben, warum es zu tun ist.

Kein Teil: Wenn du bei deiner halsstarrigen Widerspenstigkeit bleiben willst, dann wirst du meiner Guttaten nicht teilhaftig werden können, und ich werde dich, nicht als meinen Jünger erkennen. Denn wer sich Gott, dem Herren, in einer, auch dem Anschein nach, geringen Sache, halsstarrig widersetzt, der reizt ihn zum Zorn gegen sich. Es spricht aber hier Christus zugleich auch von einer geistlichen Wäsche und will zu verstehen geben, sofern wir nicht durch sein Blut von den Sünden gewaschen werden, so können wir des ewigen Lebens nicht teilhaftig sein. Wir werden aber heutzutage bereits mit dem Blut Christi gewaschen, wenn wir getauft werden und an Christus glauben, dass er sein Blut zur Reinigung unsere Sünden am Kreuz vergossen hat.

9. Spricht zu ihm Simon Petrus: Herr, nicht die Füße alleine, sondern auch die Hände und das Haupt.

Haupt: Das du mir auch waschen kannst, nur damit ich nicht von deiner Gemeinschaft ausgeschlossen werde, als Petrus hörte, dass er von der Gesellschaft Christi ausgemustert werden müsste, sofern er ihm die Füße nicht waschen ließ. Siehe, so will er jetzt ganz gewaschen werden und geht zu weit auf die andere Seite. So wissen auch heutzutage viele Menschen in den Dingen kein Maß zu halten, dass sie nicht entweder zur Rechten oder zur Linken ausweichen. Früher, im Papsttum, ist man mit einem vergeblichen Geschwätz mit langen Gebeten, die man ohne rechte Andacht herausgeplappert hat, und unseren Herren Gott erzählt hat, was ihm lästig war. Jetzt darf man wohl so gottlose Leute finden, die eine ganze Woche an einem Vater Unser genug zu tun haben, andere, die zuvor im Laster gelebt und getan haben, was der Weltbrief aufweist, dass sie in Sünden und Lastern bis über die Ohren stecken, wenn sie umkehren, und meinen, sie wollen Buße tun, so geraten sie in Heuchelei und werden zu Wiedertäufern, wie aus den päpstlichen Heuchlern etliche zu Epikureer oder rohen, sicheren Leuten werden, ebenso werden etliche rohe, sichere Herzen zu Heuchlern und Wiedertäufern.

10. Spricht Jesus zu ihm: Wer gewaschen ist, der bedarf nichts denn die Füße waschen, sondern er ist ganz rein. Und ihr seid rein, aber nicht alle.

Ganz rein: Denn du weißt, dass nach der Gewohnheit der Israeliten, die zu einem herrlichen Gastmahl gehen wollen, besonders zu einer geistlichen Mahlzeit, wie es das Osterlamm ist, die pflegen sich zuvor am ganzen Leib zu waschen und zu reinigen. Darum benötigen sie danach kein anderes Waschen, als das der Füße, ehe sie bei Tisch sitzen, damit sie anderen Leuten keine Unlust machen. Darum, weil du bereits zuvor, ehe du dich an den Tisch gesetzt hast, den ganzen Leib gewaschen hast, so brauchst du jetzt nichts weiter, als die Füße zu waschen. Mit diesen Worten wollte Christus zugleich lehren, dass die, die an Christus glauben und getauft werden, vor Gott rein sind und nicht mehr für Sünder, sondern für Gerechte gehalten werden. Weil aber dennoch im täglichen Lebenswandel viele Schwächen unterlaufen, so ist es wichtig, dass sie den alten Adam töten, damit sie dem Nächsten nicht etwa ein Ärgernis geben oder ihm ansonsten eine Unlust bereiten, und sie müssen täglich bitten: Vergib uns unsere Schuld.

Seid rein: Für Gott, dass euch eure Sünden nicht mehr zugerechnet werden, weil ihr an mich glaubt und getauft seid.

Nicht alle: Denn ich weiß, dass ein böser Mensch und gottlose Geselle unter euch ist, der nicht an mich glaubt, sondern mit den Gedanken umgeht, wie er mich verraten kann. Denn diejenigen, die noch einen weiteren Vorsatz zu sündigen haben, die sind für Gott nicht rein, obwohl sie vor den Leuten ein unsträfliches Leben führen. Und es sind dem Herren, Christus, auch die heimlichsten Gedanken im Herzen eines Menschen nicht verborgen.

11. Denn er wusste seinen Verräter wohl; darum sprach er: Ihr seid nicht alle rein.

12. Da er nun ihre Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und setzte sich wieder nieder und sprach abermal zu ihnen: Wisst ihr, was ich euch getan habe?

Da er: Bis hierhin haben wir gehört, wie Christus, der Herr des Himmels und der Erde, den Jüngern die Füße gewaschen hat. Es folgt jetzt die Auslegung und was er damit gemeint hat, dass er eine solche Arbeit verrichtete, die ansonsten einem Knecht gebührt hätte.

Seine Kleider: Nämlich seine Oberkleider und den langen Rock, den er vor dem Waschen abgelegt hatte.

Getan habe: Versteht ihr auch, aus welchem Grund ich euch die Füße gewaschen habe? Jetzt will ich es euch sagen.

13. Ihr heißt mich Meister und Herr und sagt recht daran; denn ich bin‘s auch.

Und Herr: So pflegt ihr mich ehrenhalber zu nennen.

Bin es auch: Ich bin wahrhaftig euer Herr und Meister. Dies war aber kein nichtiger Ruhm, sondern ein Bekenntnis der Wahrheit, die wir wissen müssen, damit wir Christus, unseren einzigen Lehrmeister hören und ihm, als unseren Herren, gehorchen.

14. So nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt ihr auch euch untereinander die Füße waschen.

Untereinander: Darum soll keiner über dem anderen im evangelischen Predigtamt mit Gewalt herrschen und regieren. Es will aber der Herr Christus hiermit den Unterschied der Menschen, wie auch die weltlichen Regierungen und Herrschaften, keineswegs aufheben, sondern er gibt zu verstehen, dass das Predigtamt kein weltliches Regiment ist, wie der römische Papst sich selbst die Gewalt über alle anderen Kirchendiener angemaßt hat, und er erinnert daneben alle Christen, dass durch die Liebe ein jeder dem anderen nach Gelegenheit seine Aufgabe und seines Standes zu dienen, willig und bereit sein soll. In diesem Sinn wäscht auch eine weltliche Obrigkeit den Untertanen die Füße, wenn sie ihre Klagen anhört und ihnen zu ihrem Recht verhilft. Eine Heuchelei ist es aber, wenn man einmal im Jahr diese äußerliche Zeremonie nachmacht und danach das ganze Jahr über seinen Nächsten in vielerlei Dingen lästig und beschwerlich ist.

15. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, dass ihr tut, wie ich euch getan habe.

Beispiel: Denn auch, wenn wir nicht alle Taten Christi im Allgemeinen nachmachen können, insbesondere seine Wunderwerke, so sollen wir uns jedoch bemühen, dass wir mit heiligem und unsträflichem Wandel und mit Wohltaten gegen den Nächsten ihm nachfolgen.

16. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, der Knecht ist nicht größer denn sein Herr noch der Apostel größer, denn der ihn gesandt hat {Mt 10v24 Lk 6v40}.

Nicht größer: Darum dürft ihr euch nicht sorgen, dass euch etwas an eurer Ehre abgehen wird, wenn ihr euch untereinander in der Demut alle Liebe und Dienste erweist. Denn, was ich euch, meinen Knechten und Gesandten zu tun heiße, das tue ich, der Herr des Himmels und der Erde, euch selbst auch. Und ihr dürft euch solcher Sachen nicht schämen, derer ich mich selbst auch nicht schäme, da ihr mir doch im Wenigsten nicht zu vergleichen seid. Wir sollen deswegen von Christus die wahre Demut lernen.

Apostel: (Nach Luther) Das heißt: der Gesandte oder Bote.

17. So ihr solches Wisst, selig seid ihr, so ihr‘s tut.

Tut: Wenn ihr euch bemüht, euch ins Werk zu richten und in der Tat zu leisten, was ihr von mir gehört habt, so seid ihr rechte, selige Leute. Es wird aber an diesem Ort unseren Werken nicht zugemessen, dass wir durch deren Verdienst die Seligkeit und das ewige Leben erwerben könnte. Sondern wir werden erinnert, dass wir es bei dem bloßen Wissen nicht bewenden lassen und zu wenig darauf achten, es ins Werk zu richten, wie es die tun, die zwar wissen, was recht ist, es aber nicht tun wollen.

18. Nicht sage ich von euch allen, (ich weiß, welche ich erwählt habe), sondern dass die Schrift erfüllt werde: Der mein Brot isst, der tritt mich mit Füßen.

Erwählt habe: Unter euch, die ihre Aufgabe im Apostelamt treu verrichten und tun werden, was ich lehre, weshalb sie auch durch meine Guttat das ewige Leben erlangen werden. Ich weiß aber auch, wer unter euch an mir treulos und zum Mamelucken werden wird, der meinen treuen Warnungen nicht gehorchen mag, sondern mir vielmehr nach dem Leben trachtet.

Schrift: Welche im 41. Psalm vom Verrat des Judas Ischariot im folgenden Sinn redet, damit es uns nicht so ergehen wird.

Brot isst: Mein Hausgenosse und Tischgeselle, der täglich von mir viele Guttaten empfängt, der auch noch mein Mus und mein Brot im Bauch hat, der erhebt sich gegen mich und trachtet mir nach Leib und Leben. Diese schwere Strafe der Sünde hat Christus um unserer Sünden erlitten. Und den Frommen widerfährt bisweilen dasselbe, dass ihnen von denen, denen sie viele gut Taten erzeigt haben, übel entlohnt wird und sie von diesen verraten und auf die Fleischbank ausgeliefert werden, die für ihre Wohlfahrt Leib und Leben wagen und vorstrecken sollten.

19. Jetzt sage ich‘s euch, ehe denn es geschieht, auf dass, wenn es geschehen ist, dass ihr glaubt, dass ich‘s bin.

Sage ich es euch: Bei guter Zeit, was sich mit mir begeben wird.

Geschehen ist: Dass ich von meinem Jünger, nach Weissagung der Schrift, verraten worden bin.

Ich es bin: Der Sohn Gottes, dem auch die allergeheimsten Sachen unverborgen sind, und von dem die Propheten solche Dinge vor langer Zeit geweissagt haben, die ihr sehen werdet, dass sie an mir erfüllt werden. Denn man soll die Weissagungen des Alten Testaments von Christus der evangelischen Geschichte entgegenstellen, damit aus beider Übereinstimmung unser christlicher Glaube desto mehr gestärkt wird.

20. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer aufnimmt, so ich jemand senden werde, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat {Mt 10v40 Lk 10v16}.

Wahrlich: Damit die Jünger nicht denken sollten, Christus würde um des Verrats von Judas auch die anderen Apostel verstoßen, oder dass sie seinetwegen von jedermann verachtet und gehasst würden, so setzt Christus einen Trost hinzu, womit er anzeigt, wie hoch er sich das Predigtamt angelegen sein lässt, und dass der himmlische Vater es dem vergelten werde, der die Kirchendiener wegen ihres Predigtamts in gebührenden Ehren hält.

Gesandt: Also, dass er solche gut Tat nicht nur den Aposteln oder ihren Nachkommen erzeigen wird, sondern mir selber, und nicht allein nur mir, sondern auch mit meinem himmlischen Vater, der es mir befohlen hat, dass ich als Prediger des Evangeliums in die Welt ausschicken soll. Denn Gott erweckt immerzu etliche fromme Männer, die das Predigtamt und die Kirchendiener lieb haben. Die aber, die fromme und reine Kirchendiener, sofern sie unsträflich leben und ihr Amt verrichten, anfeinden oder verachten, die sind ohne jeden Zweifel in ihrem Herzen Christus selber Feind und lieben den himmlischen Vater auch nicht.

21. Da solches Jesus gesagt hatte, ward er betrübt im Geist und zeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, einer unter euch wird mich verraten.

Da: Was jetzt folgt, gehört vornehmlich zum Leiden Christi, darum ist es auch zum größten Teil von den anderen drei Evangelisten beschrieben worden, Matthäus 26, Markus 14, Lukas 22.

Zeugte: Dass er mit einem großen Ernst redete.

Verraten: Und meinen Feinden ausgeliefert. Es ist aber eine Strafe der Sünden, den Feinden verraten zu werden. Diese Strafe hat Christus gelitten, damit wir nicht den Teufel übergeben werden, der uns ewig peinigen wird. Wenn es aber jetzt bisweilen vorkommt, dass wir von denen verraten oder beschädigt werden, denen wir viele Guttaten erzeigt haben, so sollen wir uns erinnern, dass wir dergestalt in die Gesellschaft Christi aufgenommen werden, der auch von seinem Jünger und falschen Apostel verraten worden ist.

22. Da sahen sich die Jünger untereinander an, und ward ihnen bange, von welchem er redete.

Die Jünger: Die sich unschuldig wussten, dass sie sich heftig darüber entsetzten, als sie von einer solch gräulichen Tat reden hörten.

Er redete: Dass er ihn verraten würde. Denn keiner von ihnen war sich solch einer Übeltat bewusst, allein Judas ausgenommen. Und oft werden unschuldige Menschen darüber irregemacht, wenn sie glauben, dass man sie wegen einer bösen Tat im Verdacht hat.

23. Es war aber einer unter seinen Jüngern, der zu Tische saß an der Brust Jesu, welchen Jesus lieb hatte.

Brust Jesu: Denn früher saßen die Menschen anders bei Tisch, als heutzutage.

Lieb hatte: Vor anderen. Es ist aber dieser Jünger Johannes der Evangelist gewesen, der dies geschrieben hat. Gleichwohl nun Christus alle seine Jünger geliebt hat, so hat er doch diesen besonders lieb gehabt. Und so sollen wir zwar alle Menschen lieben, es soll uns aber auch nicht daran hindern, dass wir nicht einen mehr und herzlicher lieben dürfen, als den anderen.

24. Dem winkte Simon Petrus, dass er forschen sollte, wer es wäre, von dem er sagte.

Es wäre: Denn jeder Jünger wünschte sich, dass er eines solchen bösen Verdachts und Argwohns enthoben sein soll. Es ist aber an dieser Stelle auch die Bescheidenheit der Jünger zu loben, dass sie durch eine taugliche Person erkunden möchten, was sie gerne gewusst hätten.

25. Denn derselbe lag an der Brust Jesu und sprach zu ihm: Herr, wer ist‘s?

Wer ist es: Von dem du sagst, dass sie eine solch böse Tat begehen und dich verraten wird.

26. Jesus antwortete: Der ist‘s, dem ich den Bissen eintauche und gebe. Und er tauchte den Bissen ein und gab ihn Judas, Simons Sohn, dem Ischariot.

Antwortet: Doch nicht so laut, dass es nur Johannes allein hören konnte.

Und gebe: Denn es hat Christus den Judas nicht vor allen andern Jüngern in Schande bringen wollen, damit dieser noch umkehren könnte, wenn er wollte. Denn man muss mit den Sündern so umgehen, dass ihnen Raum und Platz zur Buße gelassen wird.

27. Und nach dem Bissen fuhr der Satan in ihn. Da sprach Jesus zu ihm: Was du tust, das tue bald.

Bissen: Der doch nicht der Grund dafür gewesen ist, dass der Teufel den Judas ganz und gar besessen hat, sondern, weil er nach so vielen treuherzigen Erinnerungen Christi und anderer großen Guttaten, die er von ihm empfangen hatte, dennoch auf seinem gottlosen Vorhaben beharrte, dass er ihn verraten wollte, so ist der aus gerechtem Urteil Gottes dem Satan allerdings in seine Gewalt übergeben worden, dass er nichts Gutes oder Rechtes mehr tun konnte, bis er allerdings mit Leib und Seele zugrunde gegangen war. Denn es sind nicht nur die vom Teufel besessen, die man mit Ketten binden und anleinen muss, sondern auch die, deren Herzen der Teufel so eingenommen hat, dass sie nichts anderes tun möchten und im Sinn haben, als, was ihm gefällt, obwohl sie vor der Welt für weise und verständig gehalten werden.

Zu ihm: Nachdem er sah, dass alle Ermahnungen an ihn verspielt und verloren waren und er sich keines Besseren besinnen würde.

Tue bald: Weil du es dir eigentlich so vorstellst und in den Sinn genommen hast, dass du mich den Feinden verraten willst und meine gutherzigen Ermahnungen bei dir nicht verfangen, wohl an, so verrichte, was du dir vorgenommen hast, denn ich bin bereit, meinem himmlischen Vater Gehorsam zu leisten und, je eher, je lieber, den Tod zu erleiden. Denn diejenigen, die Gott dem Herren nicht folgen wollen, wenn er sie zur Buße und Besserung ermahnen lässt, die werden in ihre bösen Gelüste dahingegeben, bis sie zugrunde gehen.

28. Dasselbe aber wusste niemand über dem Tische, wozu er‘s ihm sagte.

Wusste niemand: Von den anderen Aposteln verstand es keiner, was Christus mit diesen Worten meinte.

29. Etliche meinten, dieweil Judas den Beutel hatte, Jesus spräche zu ihm: Kaufe, was uns Not ist auf das Fest; oder dass er den Armen etwas gäbe.

Beutel hatte: Und das Geld trug, das von frommen und gottseligen Leuten zur Unterhaltung des Herrn Christus und seiner Jünger ihnen gegeben und mitgeteilt worden war, womit er jedoch nicht immer sorgsam umging. Denn es sind nicht immer treue Haushälter, die fremdes Geld verwalten, doch mag ein frommer Christ nach dem Beispiel des Herrn Christus eigenes Geld in der Tasche haben, desgleichen ist es ihm erlaubt, zu kaufen oder zu verkaufen. Und weil Christus, obwohl er selbst arm war, den bedürftigen Almosen zu geben gepflegt hat, werden wir dabei erinnert, dass wir auch den Armen nach unserem Vermögen zu Hilfe kommen sollen, obwohl wir selbst nicht übermäßig reich sind.

30. Da er nun den Bissen genommen hatte, ging er sobald hinaus. Und es war Nacht.

Hinaus: Dass er seine Verräterei, die er sich einmal steif in den Sinn genommen hatte, zu Ende bringen könnte.

War Nacht: Es hat also der Fürst der Finsternis, der Judas dahin getrieben, dass er die finstere Nacht, die sonst dem Menschen zur Ruhe gegeben ist, missbraucht hat, um ein gräuliches Bubenstück zu begehen. Denn die Gottlosen verrichten ihre bösen Sachen und Bubenstücke im Allgemeinen in der Dunkelheit, oder doch insgeheim. Denn wer Böses tut, der hasst das Licht {Joh 3}.

31. Da er aber hinausgegangen war, sprach Jesus: Nun ist des Menschen Sohn verklärt, und Gott ist verklärt in ihm.

Verklärt: Jetzt empfindet Christus mitten in seiner Bekümmernis und Herzensangst einen inneren Trost, den er vom Vater bekommt, denn er wendet seine Augen von den bevorstehenden Leiden ab zur Betrachtung der himmlischen Herrlichkeit, worin er bald danach eingehen würde, als wollte er sagen: Meine Verklärung, das heißt, Offenbarung meiner Majestät und Herrlichkeit, naht heran, welche so gewiss ist, dass es mir scheint, ich sei bereits in diese eingegangen. Denn es redet Christus von Zukünftigem, als wenn es bereits geschehen wäre, wie es die Propheten auch oft getan haben, um die Gewissheit einer Sache anzuzeigen. Wir, die wir durch den Glauben Glieder Christi geworden sind, sollen in Trübsal die Augen unseres Gemüts auf die künftige Erlösung werfen und diese für so gewiss halten, als wenn wir bereits erlöst wären. Denn Gott, der in allen Anfechtungen einen glücklichen Ausgang versprochen hat {1Kor 10}, kann nicht lügen {Tit 1}.

In ihm: Oder durch ihn. Das will so viel sagen: Ich habe die Ehre und Herrlichkeit meines himmlischen Vaters an den Tag gebracht und offenbar gemacht im Predigen, Wunderzeichen tun und indem ich ihm den allervollkommensten Gehorsam geleistet habe. Darum wird der himmlische Vater mich wiederum herrlich und berühmt machen. Denn er wird mich von den Toten auferwecken, in den Himmel nehmen und zu seiner Rechten in unendliche Macht und Majestät setzen, von wo aus ich den Heiligen Geist senden werde. Und es wird sich die Sache in sich selbst erklären, dass ich der ewige Gott und Herr des Himmels und der Erde bin. Dies alles hat der Ausgang danach wahr gemacht. Gleich, wie aber Christus, der die Ehre des himmlischen Vaters gefördert hat, wodurch er die höchste Ehre und Seligkeit erlangt hat, so werden wir, wenn wir uns von Herzen bemühen, die Ehre Gottes zu fördern, wiederum mit rechter und ewiger Herrlichkeit beschenkt werden.

32. Ist Gott verklärt in ihm, wird ihn auch Gott verklären in ihm selbst und wird ihn bald verklären.

33. Liebe Kindlein, ich bin noch eine kleine Weile bei euch. Ihr werdet mich suchen; und wie ich zu den Juden sagte: Wo ich hingehe; da könnt ihr nicht hinkommen.

Lieben: Jetzt fängt Christus wiederum an, von seinen Leiden zu reden, damit er seinen Jüngern das Ärgernis etwas abnimmt. Denn was einer vorher weiß, das kommt ihm nicht so sauer an. Und auch hier erkennt man die Liebe Christi gegen seine Jünger.

Kleine Weile: Denn die Zeit ist vorhanden, dass ich von euch weggerissen und zum Spott meiner Feinde werde, aber das wird nur eine kleine Weile andauern.

Suchen: Mit großem Verlangen, dass ihr nach mir haben werdet, als euren getreuen Lehrmeister.

Juden sagte: Aber in einem anderen Sinn, als ich es jetzt zu euch sage.

Nicht hinkommen: Denn ich muss und will allein in mein Leiden gehen, da ich mit der Welt, dem Teufel und der Hölle streiten werde. In dieser Sache will ich euch nicht zu meinen Mitgesellen haben. Nachdem ich aber, mit meinem Leiden und Tod, euch von der ewigen Verdammnis erlöst habe und euch den Heiligen Geist senden werde, so werdet ihr mein Evangelium in der ganzen Welt unerschrocken lehren und euch auch nicht scheuen, euer Leben zur Ehre meines Namens hinzugeben. Wenn ihr auch den Lauf eures Berufs vollendet habt, so werdet ihr ebenso in die himmlische Herrlichkeit eingehen, in die ich jetzt bald kommen werde. Gemeinhin ist es aber so, dass, wenn wir meinen, wir seien jetzt bereit und in froher Erwartung, den Tod zu erleiden, dann ist oft die Zeit des Sterbens noch nicht gekommen. Wenn aber unser alter Adam sich am allermeisten vor dem Tod fürchtet und darüber entsetzt ist, so werden wir aus diesem Leben abberufen. Aber egal, zu welcher Zeit es geschieht, wenn wir nur Christus im Leiden und gottseligen Sterben folgen, so ist es gewiss, dass wir ihn auch in der Auferstehung und Triumphierend folgen werden.

34. Und ich sage euch nun: Ein neu Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, auf dass auch ihr einander lieb habet.

Und: Weil Christus bald von seinen Jüngern scheiden sollte, so befahl er ihnen zuletzt die Liebe und Einigkeit und wollte, dass sie sich vor Zank und Zwietracht aufs Fleißigste hüten sollen, sich aber mit rechtschaffener Liebe einander immer gewogen bleiben.

Neu Gebot: (Nach Luther) Ich will euch nicht mit vielen Gesetzen beschweren, wie Moses im Alten Testament, sondern das sollen alle Gesetze im Neuen Testaments sein, dass ihr euch untereinander liebt. Darum ist es ein neues Gebot, und dieses Gebot des Neuen Testaments ist von allen anderen abgesondert.

Geliebt habe: Und aus herzlicher Liebe freundlich mit euch umgegangen bin. Denn ich habe euch die Gabe mitgegeben, Wunderzeichen zu tun, habe auch eure vielfältige und große Schwäche als gut aufgefasst und an euch geduldet, ja, ich leide auch den Tod für eure Erlösung willig. Diesem, meinem Beispiel, sollt ihr Folgen, damit einer die Schwachheiten des anderen trägt und ihr euch mit rechtschaffenen Werken der Liebe untereinander ratet und behilflich seid. Dieses Gebot von der Liebe sollt ihr euch also so vorstellen und in euch erneuern, als wenn es neu wäre, und ich will, dass ihr auf dieses Gebot stets eure Augen und Gedanken habt und kein Haarbreit davon abweicht. Es ist aber die rechte, brüderliche Liebe das Gesetz von allen, den Nächsten betreffend, Regel und Richtschnur. Und wer in all seinem Tun, wenn er mit dem Nächsten zu handeln hat, der Richtschnur der Liebe folgen wird, der wird niemals irre gehen.

35. Dabei wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe untereinander habt.

Jünger seid: Wer also keine Liebe gegen den nächsten beweist, der ist kein Jünger Christi, auch wenn er mit den vortrefflichen Gaben des Heiligen Geistes geschmückt sein mag. Daher spricht Paulus: Wenn ich mit Menschen oder mit Engelszungen rede und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz, oder eine klingende Schelle, und wenn ich weissagen könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnisse und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts {1Kor 13}.

36. Spricht Simon Petrus zu ihm: Herr, wo gehst du hin? Jesus antwortete ihm: Da ich hingehe, kannst du mir diesmal nicht folgen; aber du wirst mir hernach folgen.

Gehst du hin: Denn Petrus verstand aus diesen Worten Christi so viel, dass er von ihnen scheiden würde, weil er ein Gebot hinter sich ließe, bis sie untereinander eine gegen den anderen, sich verhalten sollten. Darum wollte er ihm folgen, wo immer er nur könnte.

Folgen: Denn ich gehe jetzt durch mein Leiden und meinen Tod in den Himmel und in die ewige Freude und Herrlichkeit ein. Und auch du wirst einmal diesen Gang antreten, aber nicht jetzt, sondern zu einer anderen Zeit musst du auch durch viele Trübsal ins Himmelreich eingehen. Und jedem Frommen ist eine gewisse Zeit der Trübsal und des Todes von Gott bestimmt. Wenn nun diese kommen wird, so sollen wir die Trübsal mit der Hoffnung überwinden und sicher wissen, dass wir Christus folgen und zur ewigen Seligkeit durchdringen werden.

37. Petrus sprach zu ihm: Herr, warum kann ich dir diesmal nicht folgen? Ich will mein Leben für dich lassen.

Nicht folgen: Was sollte es verhindern, dass ich dir nicht folgen könnte über Wasser und Land?

Lassen: Und keine Gefahr, wie sie auch sein mag, von dir mich trennen kann, auch wenn ich tausendmal sterben müsste, und ich bin bereit, für dich zu kämpfen, solange ich einen Muskel an meinem Körper bewegen kann. Hier hat Petrus eine zweifache Sünde begangen. Erstens, dass er meinte, das Reich Christi müsse mit leiblichen Waffen geschützt werden, danach, dass er sich auf seine menschlichen Kräfte verließ und seiner Schwachheit nicht gedachte. In diesem Handeln sollen wir Petrus nicht folgen, sondern bei seinem Irrtum und Fall lernen, schlau zu werden.

38. Jesus antwortete ihm: Solltest du dein Leben für mich lassen? Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal habest verleugnet {Mk 14v30 Lk 22v34}!

Verleugnet: Die Güte Christi ist aber überaus und überschwänglich, dass er einen solch frechen und wankelmütigen Jüngern nicht verstoßen hat. Darum sollen auch wir die Brüder wegen ihrer menschlichen Schwachheit nicht verwerfen. So oft wir aber den Hahnenschrei in der Nacht oder beim Tag hören, sollen wir uns der Schwachheit unseres Fleisches erinnern und der Gnade und Barmherzigkeit Gottes eingedenk sein, dass wir ihm Lob und Dank dafür sagen, dass er uns nach seiner unaussprechlichen Güte unsere Schwachheiten zugutehält und verzeiht.


Das 14. Kapitel

  • Christus setzt dem Schrecken der Jünger einen herrlichen Trost entgegen.
  • Er redet mit ihnen von der wahren Erkenntnis Gottes, des himmlischen Vaters.
  • Er verheißt die Erhörung ihres Gebets und den Heiligen Geist.
  • Und mahnt, dass man seine Gebote halten soll.

1. Und er sprach zu seinen Jüngern: Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt ihr an Gott, so glaubt ihr auch an mich.

Und: Es folgen jetzt zwei sehr holdselige und liebliche Predigten Christi, womit er die Herzen nicht nur der Apostel, sondern auch aller Christen, gegen die Trübsal und Verfolgung wappnen will. Denn er ermahnt uns, dass wir Gott, dem Vater und seinem eingeborenen Sohn trauen sollen, bringt auch allerlei Trost vor, damit sich das Herz eines Christenmenschen auch in Widerwärtigkeiten aufhalten kann.

Erschrecke nicht: Vor den zukünftigen Unfällen, dass ihr deswegen kleinmütig und verzagt werdet, wenn euch etwas Widriges begegnet. Denn er lehrt uns, dass wir uns auf die Gefahr gefasst machen sollen und uns mit Trost aus Gottes Wort, wie mit Waffen, gut versehen und wehren.

An mich: Als seinen eingeborenen Sohn. So wird eure Sache wohl gut stehen und ihr werdet keine Not haben, wenn ihr alle euer Vertrauen auf Gott, den Vater und mich, seinen eingeborenen Sohn, stellt. Denn wir wollen euch treu beistehen und erhalten, dass ihr keinen Schaden an der Seele erleiden sollt, auch wenn ihr noch so vielen Unfällen unterworfen werdet. Wir sollen auch Gott, dem Vater, und seinem Sohn, Jesus Christus, der uns erlöst hat, vertrauen. So werden uns keine Verfolgungen oder Trübsal schaden können, sondern sie müssen uns vielmehr zur Seligkeit dienen.

2. In meines Vaters Hause sind viel Wohnungen. Wenn‘s nicht so wäre, so wollt‘ ich zu euch sagen; ich gehe hin euch die Stätte zu bereiten.

Viele Wohnungen: Denn weil die Jünger ihre Einrede dagegen hätten vorbringen können: Oh Herr, wenn wir um deinetwillen ins Elend getrieben werden sollen, wie wird es dann mit uns zugehen und wo werden wir bleiben? Siehe, so kam ihnen Christus zuvor und sagte: Wenn auch die Feinde der himmlischen Lehre euch aus euren Hütten vertreiben oder euch gar aus der Welt verstoßen werden, so wollen doch mein himmlischer Vater und ich dafür sorgen, dass ihr bleiben könnt. Denn mein Vater ist der größte und reichste Hausherr, dessen Stuhl der Himmel ist und die Erde ist der Schemel seiner Füße {Jes 66}. Darum, wenn euch irgendeine einzige Behausung auf Erden genommen wird, so wird euch mein himmlischer Vater eine andere, oder auch mehr an dessen stattgeben. Denn wer um meinetwillen sein Haus, seine Brüder, seine Schwestern, seinen Vater, seine Mutter, seine Frau, seine Kinder, oder seine Äcker verlassen wird, der wird es hundertfach wieder empfangen {Mt 19}. Ja, auch wenn sie euch ganz aus der Welt weggeräumt haben, so werden sie euch dennoch aus dem Himmel nicht vertreiben können. Denn dieser ist noch nicht so sehr mit Leuten überfüllt, dass ihr keinen Platz darinnen finden werdet. Die ewige Wohnung im Himmel bleibt euch unverrückt. Dies ist gewiss und unfehlbar, denn wenn euch in jener Welt keine Wohnung bereitstehen würde, so wollte ich es euch wegen meiner großen Liebe, die ich zu euch empfinde, sagen, dass ich hingehen wollte, um euch die ewige Stätte im Himmel vorzubereiten. Aber euch ist das Reich schon längst bereitet, vom Anfang der Welt her {Mt 25}. Darum, wenn wir auch auf Erden im Elend herumziehen, so sollen wir doch ein rechtes Vertrauen schöpfen, denn die Feinde können uns das himmlische Vaterland nicht nehmen, obwohl sie uns aller zeitlichen Güter berauben.

3. Und ob ich hinginge, euch die Stätte zu bereiten, will ich doch wiederkommen und euch zu mir nehmen, auf dass ihr seid, wo ich bin.

Hinginge: Von euch, eine Zeit lang, durch meinen Tod.

: Im Himmel, damit ihr durch die Kraft meines Leidens einst in die ewige Herrlichkeit kommen.

Zu bereiten: Im Himmel, damit ihr durch die Kraft meines Leidens dermal einst, in die ewige Herrlichkeit kommen könnt.

Wiederkommen: Am Jüngsten Tag, in sichtbarer Gestalt, mit großer Majestät und Herrlichkeit.

Ich bin: Denn, obwohl ich bei euch bleiben werde, alle Tage, bis ans Ende der Welt, auch eure Seelen von euch zu mir nehmen werde, dass sie, wenn sie vom Leib abgesondert sind, die ewige Seligkeit genießen. Jedoch wird die Zeit kommen, da ich eure Leiber zur ewigen Unsterblichkeit auferwecken werde, auf dass ihr die vollkommene Seligkeit in alle Ewigkeit besitzt. Weil deswegen Christus mit seinem Leiden uns den Zugang zu den himmlischen Wohnungen geöffnet hat und uns in den Himmel aufnehmen will, warum fürchten wir uns denn vor dem Tod, der der rechte Weg zur ewigen Seligkeit ist? Wer nun aber aus diesen Worten Christi schließt, dass im Himmel leibliche Wohnungen vorhanden sind, wo ein jeder die seine insbesondere besitzt, der ist nicht recht daran, weil es mit den verklärten Leuten so beschaffen ist, dass sie solche Orte nicht brauchen. Einmal ist es gewiss, dass die auserwählten und gläubigen Kinder Gottes im Himmel die ewige Seligkeit genießen werden, unter welchen Umständen aber diese beschrieben wird, das hat die Schrift nirgends ausdrücklich berichtet, es ist auch unnötig, es in diesem Leben zu wissen.

4. Und wo ich hingehe, das wisst ihr, und den Weg wisst ihr auch.

Und: Damit wir von der Person Christi Trost nehmen können, fängt Christus jetzt an, von sich selbst und von seiner Majestät zu reden, doch mit etwas dunklen Worten, auf dass er den Jüngern Anlass gibt, ihn zu fragen, und er so die Gelegenheit hat, die Sache deutlicher zu erklären.

Wisst ihr: Denn wenn ihr meine Predigten bisher nicht ganz außer acht gelassen habt, so werdet ihr freilich verstehen, dass ich nicht zu Grunde gehe, wenn ich um euretwillen den Tod erleide, sondern vielmehr durch den Tod zum Vater in die himmlische Herrlichkeit eingehen und darum dürft ihr meinethalben nicht traurig sein, weil es mir nicht übel gehen wird. Was euch betrifft, die ich auf dieser Erde hinterlasse, so werdet auch ihr keine Not haben. Denn ihr habt mich, den Heiland der Welt, erkannt und gelernt, dass all denen, die an mich glauben, durch meine Guttat der Zutritt zur ewigen Seligkeit offen steht. Darum, weil euch der Weg zum ewigen Leben durch mich schon längst gezeigt ist, so sollt ihr mit beherztem Mut aufnehmen, was euch auf dieser Erde begegnet, weil ihr der ewigen Seligkeit nach diesem Leben ausreichend versichert und gewiss seid. Und wir, die wir an Christus glauben, reisen durch den zeitlichen Tod zum himmlischen Vater und aus diesem Jammertal zur ewigen Freude und Herrlichkeit.

5. Spricht zu ihm Thomas: Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; und wie können wir den Weg wissen?

Weg wissen: Denn wir noch viel weniger wissen, weil wir nicht wissen, was du für einen Weg vor dir hast, auf dem du gehen willst. Es waren aber die Apostel noch sehr unverständig, dass sie die Worte des Herrn Christus nicht recht verstehen konnten. Diesen groben Unverstand seiner Jünger hat Christus geduldet, auf dass er seine große Liebe zu uns zu erkennen gibt und uns mit seinem Beispiel zur Sanftmut gegen unsere Mitbrüder bewegt.

6. Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.

Spricht: Und erklärt ihnen deutlicher, was er zuvor angedeutet hatte.

Weg: Zum ewigen Leben. Und zwar wegen meiner Verdienste, denn wer an mich glaubt, der ist auf den Weg, der zum Himmel führt. Dazu bin ich auch die Wahrheit und ein treuer, wahrhaftiger Lehrer, der niemanden betrügt. Ich bin auch das Leben und ein Urheber des rechten, ewigen Lebens, dass, wer sein Vertrauen auf mich setzt, nicht verloren werden wird, sondern Vergebung der Sünden und Frieden seines Gewissens haben wird (was ein guter Teil des rechten Lebens ist). Wenn auch er von den Toten auferweckt worden ist, so soll er mit mir ewig leben. Wer deswegen Christus mit Glauben ergreift, der wird den Himmel nicht verfehlen, noch verführt werden, auch nicht in den ewigen Tod geraten.

Durch mich: Wer allerdings einen anderen Weg in den Himmel sucht, als durch mich allein, der geht auf den Irrweg, der nicht zum Himmel, sondern zur Hölle führt darum, die nicht durch Christus allein, sondern durch das Werk des Gesetzes nach dem Weg zum Vater im Himmel trachten, die werden sich vergebens bemühen {Gal 5}, denn niemand tut dem Gesetz in diesem Leben vollkommen genug. So verheißt das also wohl denen das Leben, die den Geboten Gottes vollkommenen Gehorsam leisten. Viel weniger werden die in den Himmel kommen, die auf den Weg der Menschensatzungen, Messen, Wallfahrten oder Anrufung der Heiligen gehen, womit Gott vergeblich geehrt wird, wie Christus vorher ausdrücklich bezeugt hat.

7. Wenn ihr mich kennt, so kennt ihr auch meinen Vater. Und von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.

Kennt: Wenn ihr in meiner wahren Erkenntnis so weit gekommen wäret, wie ihr in einer so langen Zeit hättet eigentlich kommen sollen, so würdet ihr freilich aus meinen Worten und aus meinem geneigten Gemüt gegen euch auch den allergnädigsten Willen meines himmlischen Vaters gegen euch bereits längst erkannt haben und hättet keinen Grund, euch zu fürchten oder kleinmütig und traurig zu sein. Denn die Erkenntnis Christi in uns ist nicht gleich vollkommen, sondern nimmt nach und nach zu, so dass der Anfang wie Unverstand oder Unwissen aussieht, wenn er der völligen Erkenntnis gegenübergestellt wird.

Kennt ihr ihn: Mit diesen Worten mildert Christus den vorigen Verweis und weist den Jüngern eine Erkenntnis Gottes zu, damit sie sich keine Gedanken machen mussten, als ob sie bisher gar nichts von ihm, ihrem Lehrmeister, gelernt hätten. Darum sagte er, dass der wahre, ewige Gott, ihnen einigermaßen bekannt ist, weil sie ihn (Christus) kennen, an den sie sich die Zeit über gehalten haben und täglich mit ihm umgegangen waren. Sie haben auch Gott gesehen, da sie ihn gesehen haben, besonders aber in seinen Wunderwerken, wodurch er seine Gottheit zu erkennen gegeben hat, dass er nämlich nicht nur ein schlichter Mensch, sondern auch wahrer, ewiger Gott ist. Denn wer Christus erkennt, der erkennt Gott, und wer Christus anbetet, der betet Gott an. Zumal die göttliche und menschliche Natur in Christus in alle Ewigkeit nicht mehr getrennt werden kann.

8. Spricht zu ihm Philippus: Herr, zeige uns den Vater, so genügt es uns.

Philippus: Der nicht verstand, was Christus mit diesen Worten meinte, obwohl er nicht daran zweifelte, Jesus von Nazareth wäre der ewige und eingeborenen Sohn Gottes.

Genügt uns: Dieses wird uns angenehm und heilsam sein, wenn du uns deinen und unseren himmlischen Vater vor unseren Augen darstellst, dass wir ihn sehen können. Denn alle frommen Menschen begehren, dass sie Gott erkennen möchten und sich seines Willens vergewissern, sie meinen auch, sie wären selige Menschen, wenn sie Gott sehen und hören könnten. Darum sind den Heiligen, in ihrer Begierde, Gott zu sehen und seinen Willen zu erkennen, dahin geraten, dass sie Säulen und Bilder gemacht und diese verehrt haben. Denn sie bilden sich ein, dass sie Gott sehen würden, wenn sie vor dem Bildnis des Jupiter niederfielen, meinten, sie würden Gott hören, dass er von seinem Willen zeugte, wenn sie eine Weissagung hörten, aber sie haben sich selbst betrogen. Denn, wie Gott sich in den Bildern nicht sehen lassen will, so hat er auch seinen Willen nicht durch die heidnische Weissagung geoffenbart. Aber von den heiligen Erzvätern Propheten wird gemeldet, dass sie Gott, oder Gottes Angesicht, gesehen haben, wenn sie eine, von Gott angenommene, menschliche Gestalt, gesehen haben, woraus sie die wahre Gegenwart Gottes spüren konnten.

9. Jesus spricht zu ihm: So lange bin ich bei euch und du kennst mich nicht? Philippus, wer mich sieht, der sieht den Vater. Wie sprichst du denn: Zeige uns den Vater?

Bei euch: Dass ich euch auf das Treulichste gelehrt und unterwiesen habe und meine göttliche Allmacht mit herrlichen Wunderwerken habe sehen lassen.

Den Vater: Der kein anderer Gott ist, als ich. Obwohl wir zwei unterschiedliche Personen sind, so sind wir doch nur ein einziger, wahrer Gott. Wer also mich sieht, der sieht auch den ewigen Gott und Vater. Denn wir sind nicht nur eins in der Meinung und nach dem Willen, sondern auch im Wesen.

Zeige uns: Gerade so, als ob ihr nicht die ganze Zeit über, die ihr bei mir gewesen und mir nachgefolgt seid, den Vater gesehen hättet, so oft ihr mich angesehen habt?

10. Glaubst du nicht, dass ich im Vater und der Vater in mir ist? Die Worte, die zu euch rede, die rede ich nicht von mir selbst. Der Vater aber, der in mir wohnt, derselbe tut die Werke.

In mir ist: Denn ich und der Vater sind so stark miteinander vereinigt, dass mich niemand sehen kann, der nicht auch den Vater sieht. Wenn du das noch nicht mit Glauben ergriffen hast, so hast du bisher in meiner Schule nicht viel gelernt. Dieser Spruch Christi ist ein starkes Zeugnis gegen die Arianer, die die ewige Gottheit Christi, nach der er mit dem Vater eines Wesens ist, verleugnen. Es werden auch zugleich die Sabulianer damit widerlegt und verworfen. Denn Christus vereinigt sich und den Vater so unzertrennlich miteinander unterhält dennoch den Unterschied der Personen. Und er sagt nicht: ich bin der Vater, oder der Vater ist der Sohn. Sondern er sagt: ich bin im Vater und der Vater ist in mir.

Mir selbst: Es ist nicht nur mein Wort, oder eine kleine Menschensünde, sondern es ist auch das Wort meines himmlischen Vaters, das ich euch vorhalte. Und die Werke, die ich tue, tue ich auch nicht allein, sondern mein himmlischer Vater mit mir, der von aller Ewigkeit her gewesen ist und mit dem ich eines Wesens bin. Darum, wenn wir den Willen des himmlischen Vaters gegen uns erkennen wollen, so lasst uns Christus hören. Der spricht aber so: So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben {Joh 3}. Und lasst uns die Wunderwerke Christi wohl beachten, die er getan hat, denn daraus wird auch die Güte des himmlischen Vaters hervorleuchteten, zumal alle seine Wunderwerke lauter Guttaten gewesen sind. Weil demnach die Werke des Sohnes auch die Werke des Vaters sind, so folgt daraus, dass der Vater und der Sohn, mit denen der Heilige Geist auch übereinstimmt, das menschliche Geschlecht selig machen möchte und die nicht verlassen will, die auf sie hoffen.

11. Glaubt mir, dass ich im Vater und der Vater in mir ist; wo nicht, so glaubt mir doch um der Werke willen.

In mir ist: Dass ich und der Vater eines Wesens sind.

Werk willen: Wenn es euch wegen der äußeren, geringen Gestalt meiner Person unglaublich erscheint, so lasst doch meine herrlichen Wunderwerke so viel Platz bei euch finden, dass ihr meinen Worten glaubt, indem ich sage, dass ich mit dem Vater wahrer Gott bin. Denn die Wunderzeichen bestätigen die Lehre eines Predigers und sofern sie der alten Lehre nicht zuwiderläuft, ist sie auch mit göttlichen Wunderwerken bestätigt worden. Die päpstlichen Wunderwerke aber, die da geschehen sind zur Bestätigung solcher Artikel, die der prophetischen und apostolischen Lehre widerstreben, komme nicht von Gott, sondern vom Teufel her {2Thes 2}. Weil demnach (wie Christus sagt) ich mit dem Vater ewiger und wahrer Gott bin, so sollt ihr nicht zuschanden werden, wenn ihr alle euer Vertrauen auf mich setzen werdet.

12. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und wird größere denn diese tun; denn ich gehe zum Vater.

Auch tun: Was euch zu Recht ein großer Trost sein soll, dass ihr Apostel, die ihr an mich glaubt, eben dieselben Wunderwerke tun werdet, die ich getan habe, oder auch noch viel größere, denn, nachdem ich durch mein Leiden in die himmlische Herrlichkeit eingehen und zur Rechten meines Vaters sitzen werde, so will ich euch den Heiligen Geist senden, der seine wunderbaren Gaben über euch ausschütten wird. Dies alles ist an den Jüngern Christi erfüllt worden. Denn sie haben Teufel ausgetrieben, allerlei Krankheiten geheilt und Tote auferweckt. Ja, es hat auch der Schatten des Apostels Petrus die Kranken gesund gemacht {Apg 4}. So haben die Apostel auch mit mancherlei Sprachen geredet, die sie zuvor nie gelernt haben, was von Christus nirgends gelesen wird, dass er es auch getan hätte. Nicht, dass er es nicht hätte tun können, sondern weil er es nicht tun wollte. Christus hat nur wenige Juden zum rechten Glauben bekehrt, der Apostel Paulus aber hat mit einem Predigtamt an einem Tag dreitausend Menschen dem Herrn Christus zugeführt {Apg 2}. Christus hat sein Evangelium in Judäa und Galiläa gepredigt, die Apostel aber haben in kurzer Zeit das Evangelium in der ganzen Welt ausgebreitet. Die Gabe, Wunderzeichen zu tun, hat in der Kirche solange gewährt, bis die evangelische Lehre dadurch ausreichend bestätigt worden ist. Und es ist nicht nötig, dass alle, die an Christus glauben, Wunderwerke tun müssen. Denn auch zu den Lebzeiten des Herrn Christus auf Erden haben nicht alle, die an Christus geglaubt haben, Wunderwerke getan. Es ist schon allein ein Wunderwerk, wenn ein frommer Mensch Christus glaubt, was seiner Natur zuwider ist, wenn er Gott und den Nächsten, auch wenn dieser sein Feind ist, liebt und alle Trübsal, ja, auch endlich den Tod selber, in Hoffnung überwindet. Denn dies alles geschieht gegen die Natur und Beschaffenheit unseres verderbten Fleisches, darum sind es in Wahrheit lauter Wunderzeichen. Und dies wurde damals von Christus den Jüngern zum Trost gesagt, damit sie wüssten, sie würden von Christus nicht verlassen werden. Es will aber auch heutzutage Christus die Seinen nicht verlassen, sondern ihnen beistehen, damit sie den Lauf ihre Aufgabe glücklich zu Ende bringen.

13. Und was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, auf dass der Vater geehrt werde in dem Sohne {Mt 7v13 21v22 Mk 11v24 Joh 15v7}.

Und: Es folgt ein anderer Trost, der genauso und nicht weniger allen Formen und gottseligen Christen, als den Aposteln, zugehört.

Ich tun: Wenn denn Christus uns all unsere Bitten gewähren kann, so muss er wahrer Gott sein. Es bitten aber im Namen Christi, die begehren, dass sie um des Mittlers Christi willen, der sie geheißen hat zu beten, erhört werden.

Geehrt werde: Und durch meine Wohltat gegen euch die Güte und Gnade meines Vaters dem menschlichen Geschlecht kundtun werde. Denn aus den Guttaten, die uns Christus reichlich mitteilt, erscheint, wie gnädig und barmherzig Gott, der himmlische Vater, ist, weil der Vater nicht anders gesinnt ist als der Sohn.

14. Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun.

Bitten werdet: Christus wiederholte die liebliche Verheißung erneut, damit wir ihrer umso mehr versichert sind. Deshalb sollen uns diese ganzen lieblichen Verheißungen aufmuntern, dass wir oft und eifrig beten und nicht zweifeln, dass wir erlangen werden, worum wir bitten. Denn obwohl Gott nicht immer auf die Weise hilft, wie wir es uns wünschen, so hilft er doch auf die Weise, wie er weiß, dass es am besten ist.

15. Liebt ihr mich, so haltet meine Gebote.

Gebote: Dies ist eine kurze Ermahnung von Christus, die er neben dem Trost mit darunter streut und uns an unser Amt erinnert. Denn, die mutwillig und mit Fleiß die Gebote Christi nicht achten, die lieben ihn auch nicht. Die Gebote Christi aber sind: 1. Tut Buße. 2. Glaubt dem Evangelium. 3. Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt. 4. und wenn jemand mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.

16. Und ich will den Vater bitten, und er soll euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch bleibe ewig,

Und: Und Christus wandte sich bald wieder um, um die Jünger zu trösten.

Andern Tröster: Denn solange ich sichtbar auf Erden mit euch umgegangen bin, habe ich euch erhalten, geschützt und ernährt und nicht zugelassen, dass euch an den nötigen Sachen etwas abgeht. Darum bin ich bisher euer einziger Trost gewesen. Wenn ich aber meine sichtbare und greifbare Gegenwart euch entziehen werde, so will ich euch einen anderen Tröster senden, nämlich, den Heiligen Geist, den ich am Pfingsttag reichlich über euch ausgießen werden. Der wird euch beherzt und mutig machen und euch in all euren Widerwärtigkeiten Rat und Trost erteilen, auch nicht mehr von euch weichen, euch auch nicht verlassen, bis er euch zum erwünschten Zweck der ewigen Seligkeit gebracht hat. Auch wenn nun heutzutage die wunderbaren Gaben des Heiligen Geistes über die Christen nicht ausgegossen werden (denn das ist, nachdem sie durch das Evangelium Christi ausreichend bestätigt worden sind, nicht mehr nötig), so bezeugt doch die Sendung des Heiligen Geistes am Pfingsttag, dass durch das Predigtamt des Evangeliums der Heilige Geist gegeben wird all denen, die an Christus glauben. Denn wer den Geist Christi nicht hat, der ist nicht sein {Röm 8}. Dass aber Christus sagte, er wolle den Vater bitten, nimmt dies seiner Gottheit nichts, sondern geht auf die angenommene menschliche Natur zurück, nachdem er geringer war als der Vater. Weil demnach Christus auch noch heutzutage zur Rechten Gottes für uns bittet und uns vertritt {Röm 8}, wer will dann daran zweifeln, ob er auch erhört wird, und will verlangen, was zu unserer wahren und ewigen Seligkeit nötig ist?

Tröster: (Nach Luther) Paracelsus heißt ein Advokat, Fürsprecher, oder Beistand vor Gericht, der den Schuldigen tröstet, stärkt und hilft. So tut es auch der Heilige Geist uns im Gewissen vor Gottes Gericht gegen die Sünde und die Anklage des Teufels.

17. den Geist der Wahrheit, welchen die Welt nicht kann empfangen; denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr aber kennt ihn; denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.

Der Wahrheit: Der euch die Wahrheit lehren wird. Denn der Geist Christi ist ein Geist der Wahrheit, der die Wahrheit vorbringt und die Menschen wahrhaft macht, dass sie zur Wahrheit Lust haben. Aber der böse Geist ist ein Lügengeist, der die Menschen verführt und sie leichtfertig und lügenhaft macht.

Ihn nicht: Darum achtet sie sich auch seiner nicht und fragt ihm nicht nach, weil sie nicht weiß, was für himmlische Gaben und Guttaten durch den Heiligen Geist den Gläubigen mitgeteilt wird. Was man nun nicht weiß, das begehrt man nicht. Darum wird den gottlosen Menschen, die sich die rechte Religion und ewige Seligkeit nicht angelegen sein lassen, der Heilige Geist auch nicht gegeben. Die also nur fleischliche Gedanken haben, die empfangen auch nur fleischliche Sachen.

Kennt ihn: Und habt sozusagen einen Geschmack vom Heiligen Geist empfunden, dass ihr auf seine Gaben und Guttaten mit Verlangen wartet. Darum wird der Heilige Geist reichlich über euch ausgegossen werden, er wird in euch wohnen, euch regieren, führen, erleuchten und trösten und euch herrliche Gaben mitteilen, euch auch nicht mehr verlassen, bis er euch zur ewigen Seligkeit gebracht hat. Darum, die mit emsigem Gebet den Heiligen Geist begehren, die empfangen seine geistlichen und heilsamen Gaben {Lk 11}.

18. Ich will euch nicht Waisen lassen; ich komme zu euch.

Waisen lassen: Dies ist aber ein anderer Trost. Denn ich weiß (will Christus sagen), dass ihr in dieser Welt Elend und manchem Jammer unterworfen sein werdet, wie arme Waisen. Aber ich will euch darum nicht verlassen, sondern treu und fürsorglich für euch sorgen. Denn die elenden Leute, wenn sie nur fromm sind, werden von Christus versorgt.

Zu euch: Da ihr mich allerdings durch den Tod – eurer Meinung nach – verloren haben werdet, so will ich, nachdem ich von den Toten auferstanden bin, mich viele Tage wiederum von euch sehen lassen und mich auf das Freundlichste mit euch über das Reich Gottes unterhalten. Und obwohl ich in den Himmel fahren werde und euch also meine sichtbare Gestalt entziehen werde, so will ich dennoch nichtsdestoweniger bei euch sein in unsichtbarerweise, bis an das Ende der Welt {Mt 28}, und will euch helfen und erhalten. Wir sollen auch glauben, dass Christus in all unserer Trübsal wahrhaftig gegenwärtig und bei uns ist, damit er uns hilft.

19. Es ist noch um ein kleines, so wird mich die Welt nicht mehr sehen; ihr aber sollt mich sehen: Denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.

Nicht mehr sehen: Denn ich werde bald sterben, und obwohl ich von den Toten wiederauferstehen werde, so will ich mich doch den Gottlosen und verstockten Juden nicht mehr lebendig zeigen, wie ich mich vor meinem Leiden bisher habe von ihnen sehen und hören lassen. Sondern nur den Gläubigen und Frommen will ich mich lebendig darstellen. Und ihr sollt mich wieder sehen, denn ich werde sicher von den Toten wiederauferstehen und in einem unsterblichen Leben bleiben. Und weil ihr an mich glaubt, so werdet ihr durch den Tod in das rechte und selige Leben eingehen. So gewiss es nun ist, dass Christus jetzt ewig lebt, so wenig sollen wir auch daran zweifeln, dass wir mit ihm in höchster Seligkeit, in alle Ewigkeit, leben werden.

20. An demselben Tage werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin und ihr in mir und ich in euch.

Tage: Oder zur selben Zeit, wenn ihr mich sehen werdet, dass ich von den Toten wiederum auferstanden bin und danach am Pfingsttag auch den Heiligen Geist empfangen habt.

Vater bin: Und dass ich und der Vater eines Wesens sind. Dieser Spruch ist auch zu beachten gegen die Arianer, die die Gottheit Christi leugnen.

In mir: Solches werdet ihr dann auch vollständiger und besser erkennen, dass ihr durch eine geistliche Vereinigung mir einverleibt seid, gleichwie die Glieder an einem Leib zusammen und sehr nahe beieinanderstehen. Und dass ich mit euch dermaßen auch vereinigt bin, dass ich euch allen meiner Guttaten teilhaftig machen will. Deswegen wird Christus uns nicht verderben lassen, weil er uns mit einem geistlichen Band fest mit sich verknüpft und vereinigt hat.

21. Wer meine Gebote hat und hält sie, der ist‘s, der mich liebt. Wer mich aber liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden, und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.

Wer: Jetzt lehrte Christus, wer diese sind, die seine Guttaten genießen werden, nämlich die, die ihn lieben.

Gebot hat: Oder weiß. Die Gebote Christi aber sind: Buße tun, dem Evangelium glauben, dieses auch vor der Welt bekennen, einander lieben und das Kreuz Christi geduldig tragen. Wer das tut, der erklärt mit seinem Handeln, dass er Christus, seinen Heiland, liebt.

Vater: Der ihm mit väterlicher Zuneigung sehr geneigt und gewogen sein wird, mehr als zuvor.

Lieben: Als meine frommen und treuen Brüder.

Offenbaren: Dass ihr mich nach und nach besser und vollständiger erkennen werdet und aus solcher Erkenntnis herrlichen und lieblichen Trost empfangt. Denn die Erkenntnis Christi nimmt je länger je mehr zu. Dass aber Christus sagt, wer seine Gebote hat oder hält, der wird vom Vater und von ihm geliebt werden, das muss man nicht so verstehen, als ob wir die Liebe des Vaters und des Sohnes verdienen würden, also durch unsere Verdienste die ewige Seligkeit erlangen würden. Denn Gott preist seine Liebe gegen uns (spricht der Apostel Paulus), dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder gewesen sind. Und bald danach, wenn wir mit Gott versöhnt sind durch den Tod seines Sohnes, da wir noch Feinde waren, wie viel mehr werden wir selig werden durch sein Leben, wie wir nun versöhnt sind {Röm 5}? Und der Apostel Johannes sagt: Darin besteht die Liebe, nicht dass sie Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und seinen Sohn gesandt zur Versöhnung für unsere Sünden, und viele Zeilen weiter: Wir sollen Gott lieben, weil er uns zuvor geliebt hat {1Joh 4}.

22. Sprach zu ihm Judas, nicht der Ischariot: Herr, was ist‘s, dass du uns willst dich offenbaren und nicht der Welt?

Ischariot: Der Verräter. Sondern ein anderer unter den Aposteln, der mit dem Nachnamen Lebbeus geheißen hat.

Was ist es: Was willst oder meinst du damit, dass du sagst, du wolltest dich uns offenbaren? Denn ich verstehe aus deinen Worten so viel, dass du dich der ganzen Welt nicht offenbaren wirst. Ich aber hätte gemeint, du würdest deine königliche Majestät einmal der ganzen Welt so offenbaren, dass sie alle an dich glauben und dich für ihren Messias, Herrn und König erkennen werden. Wenn du dich aber nur uns und wenigen anderen zu erkennen geben willst, so wird deine Kirche nicht groß und bald ausgezählt sein. Denn die Apostel bildeten sich immer noch ein zeitliches Reich Christi ein. Und das Fleisch sucht bei Christus nur leibliche Güter, aber man muss die geistlichen und ewigen suchen. (Nach Luther) Wie geht das zu? Was soll das sein?

23. Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.

Antwortete: Und lehrte, welche zu seiner Kirche gehören.

Liebt: Dass er mein rechtschaffener Jünger und ein Glied meiner Kirche sein will.

Wort halten: Dass er mein Evangelium mit wahrem Glauben annehmen und behalten und auf solchem Glauben auch den Nächsten lieben wird. Denn dies sind rechte Glieder Christi.

Ihn lieben: Mehr als zuvor. Wenn du nun von dem himmlischen Vater geliebt werden willst, so liebe Christus, glaube dem Evangelium und liebe den Nächsten.

Machen: Dies sind die Guttaten, die denen widerfahren, die mich lieben und von dem himmlischen Vater wiederum geliebt werden, dass wir beständig bei ihnen bleiben werden, dazu keine beschwerlichen oder unnützen Gäste sein werden, sondern ihnen himmlische und geistliche Gaben und Guttaten mitbringen, sie auch beschützen und erhalten in allen Trübsalen, besonders aber mitten im Tod und schließlich ins himmlische Vaterland einführen. Weil wir demnach Tempel und Wohnung Gottes sind (wie Paulus bezeugt), so sollen wir uns hüten, dass wir diesen nicht verunreinigen oder ihn beflecken mit Gottlosen Herzen oder lasterhaftem Leib, damit wir solche herrlichen und holdseligen Gäste nicht von uns treiben.

24. Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein, sondern des Vaters, der mich gesandt hat.

Wort nicht: Denn der nimmt das Evangelium Christi nicht mit Ernst an, liebt auch den Nächsten nicht, der für sich selbst Christus nicht achtet. Darum gehören solche nicht zu der Kirche Christi, die das Evangelium Christi verachten und dem Nächsten die Werke der Liebe nicht erweisen, obwohl sie es doch könnten.

Nicht mein: Dass ich bisher gelehrt habe, dass ich der Messias und Sohn Gottes bin, das habe ich mir nicht selbst ausgedacht, sondern es ist das Wort des Vaters, der zu mir gesagt hat, du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt {Ps 2}. So habe ich bisher mit herrlichen Wunderwerken erwiesen, dass ich keine menschlichen Träume, sondern Gottes Wort und Weissagung vorbringe. Darum fahrt fort, an mich zu glauben und mein Gebot von der Liebe gegeneinander zu halten. Denn dergestalt werden ich und der Vater euch herrliche Guttaten erweisen. So oft wir deswegen einen Spruch Christi erzählen hören, sollen wir wissen, dass wir nicht das Wort eines Menschen, sondern die Stimme des himmlischen Vaters hören. Darum sollen wir glauben und folgen.

25. Solches hab‘ ich zu euch geredet, weil ich bei euch gewesen bin.

Gewesen bin: Dass ich mit euch umgegangen und euch mit Predigen und Wunderwerken gelehrt habe, ich sei der einzige Heiland der Welt und eingeborene Sohn Gottes. Aber ihr habt in meiner Erkenntnis noch nicht so viel zugenommen, wie ihr es unter einem solchen Lehrmeister hättet tun sollen.

26. Aber der Tröster, der Heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, derselbe wird‘s euch alles lehren und euch erinnern alles des, das ich euch gesagt habe.

Gesagt habe: Und ihr zwar von mir gehört, aber nicht verstanden habt, dessen wird er euch wiederum erinnern und euch den rechten Sinn erklären. Die päpstlichen Schriften geben sich an dieser Stelle eine Blöße, wenn sie aus diesem und dergleichen Sprüchen Christi schließen, der Heilige Geist sei der Kirche deswegen gegeben worden, dass sie in keinem Stück irren könnte. Und dass alle Dekrete der römischen Päpste oder Konzile irren, die unter dem Namen der Kirche dieser aufgezwungen werden, lauter göttliche Aussprüche sind, die vom Heiligen Geist herkommen, wo man doch gründlich darstellen und beweisen kann, dass solch päpstliche Satzungen mit der Lehre Christi nicht übereinstimmen, sondern dieser sogar widersprechen. Und es haben die unbesonnenen Leute nicht Acht darauf, dass Christus vom Heiligen Geist sagt: Er wird euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Man hat hier auch zu bemerken, dass der Geist Gottes der Heilige Geist genannt wird. Darum wird er nicht in denen bleiben, die mit Schande und Lastern Leib und Seele beflecken. Derselbe Geist wird auch ein Tröster genannt. Darum: Ein Geist, der die erschrockenen und furchtsamen Gewissen, die vor Gott wahrhaft demütig sind, noch mehr erschreckt, ein solcher ist nicht der Heilige Geist, sondern der böse Geist, den man nicht hören soll, sondern von sich treiben und zur Hölle schicken. Man hört auch in diesen Worten Christus die Heilige Dreifaltigkeit nennen. Denn der Tröster, der gesandt wird, ist die dritte Person. Der Vater, der den Trost sendet, ist die erste Person. Christus, in dessen Namen der Tröster gesandt wird, ist die andere Person in der Heiligen Dreifaltigkeit.

27. Den Frieden lasse ich euch; meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht!

Gebe ich euch: Dies ist noch ein anderer und neuer Trost. Ich scheide zwar, sprach Christus, von euch hinweg, was den äußerlichen Wandel betrifft. Aber ich will euch in der Welt ein ruhiges und friedliches Gewissen hinterlassen und euch die rechte Glückseligkeit schenken. Denn es wird beides unter dem Namen des Friedens begriffen. Ein rechter Frieden und beständige Glückseligkeit aber ist, wenn einer in seinem Herz sicher ist, dass er um Christi willen einen gnädigen Gott hat.

Welt gibt: Ihr solltet es aber nicht so verstehen, dass ihr in dieser Welt immerzu äußeren Frieden und gute Ruhe haben werdet, samt zeitlicher Wohlfahrt und allem Überfluss der Dinge, die das Fleisch begehrt. Denn einen solchen Frieden und glückseligen Zustand sucht die Welt und hält viel davon, pflegt auch denen solche Güter zu schenken, denen sie gewogen ist. Aber die sind vergänglich und nichts wert, nutzen auch nichts zur ewigen Seligkeit. Ich aber will euch den Frieden geben, der euer Herz ruhig machen soll und will euch endlich mit ewiger Herrlichkeit beschenken. Dies sind die rechten und viel besseren Güter, denen man nachtrachten soll. Wir finden solch einen rechten Frieden und beständige Glückseligkeit, wenn wir an den Erlöser Christus glauben. Wenn uns Gott nach seiner unendlichen Güte auch eine Zeit lang äußeren Frieden und Ruhe gibt, so sollen wir ihm von Herzen dafür danken und solche Guttaten nicht zur Freiheit des Fleisches missbrauchen.

Erschrecke nicht: Fasst ein Herz und lasst euch nicht dadurch bekehren, dass ich gesagt habe, ich werde von euch scheiden. Denn ihr dürft euch vor keiner Gefahr sorgen und es wird euer Schaden nicht sein. Am Ende seiner Predigt wiederholte Christus also den Inhalt, den er auch an den Anfang gesetzt hat.

28. Ihr habt gehört, dass ich euch gesagt habe: Ich gehe hin und komme wieder zu euch. Hättet ihr mich lieb, so würdet ihr euch freuen, dass ich gesagt habe: Ich gehe zum Vater; denn der Vater ist größer denn ich.

Gehe hin: Zum Vater durch mein Leiden und Sterben, auf dass ich euch und das ganze menschliche Geschlecht dem Vater wiederum versöhne. Darum wird es euer großer Nutzen sein.

Wieder zu euch: Wenn ich von den Toten wiederauferstanden sein werde und eine Zeit lang mit euch umgehe und euch auch den Heiligen Geist sende. Und obwohl ich in den Himmel fahren werde, so will ich dennoch nichtsdestoweniger bei euch sein bis zum Ende der Welt. Ja, ich will auch am Jüngsten Tag wiederkommen in unaussprechlicher Herrlichkeit, um euch zu mir zu nehmen. Wir wollen uns auch gefasst machen und unser Herz gegen alle Gefahr und Trübsal stärken und sicher wissen, dass unser Herr Jesus Christus uns nie mehr verlassen wird.

Mich lieb: Nämlich, so wie ihr es richtig solltet, wenn ihr verstehen würdet, wohin ich durch mein Leiden gehen.

Freuen: Und es von Herzen wünschen. Denn weil ich jetzt in der Knechtsgestalt und im Stande meiner Erniedrigung herumgehe, so werde ich von viel Jammer und Trübsal überfallen, in denen ich weiß, dass ihr ein herzliches Mitleid mit mir habt. Aber weil ich zum Vater gehe, auf dass ich durch den Tod in die Herrlichkeit und Majestät des himmlischen Vaters eingehen, so solltet ihr euch zurecht mit mir freuen.

Größer: Gegen meine Menschheit zu rechnen. Denn er ist der ewige Gott und lebt immerdar in höchster Herrlichkeit und Seligkeit. Wenn ich also den Lauf meiner Aufgabe auf Erden vollendet haben, so wird der himmlische Vater mich nach meiner Menschheit zu seiner Rechten setzen und mich so erhöhen, dass mir die völlige Regierung des Himmels und der Erde anbefohlen werden wird. Darum solltet ihr über meinen Hingang zum Vater nicht traurig, sondern vielmehr fröhlich werden. Wir sollen uns auch über die freuen und getröstet sein, die aus diesem Leben gottselig abgeschieden sind, weil sie das Jammertal mit der ewigen Seligkeit eintauschen. Die Arianer haben diesen Spruch Christi, als er sagte, der Vater ist größer als ich, hässlich missbraucht, um die Gottheit Christi damit zu verneinen. Denn Christus sprach hier nicht von der göttlichen, sondern von seiner menschlichen Natur, nach der er zur Rechten des Vaters gesetzt werden soll. Und nach seiner menschlichen Natur ist Christus und bleibt es auch immer, kleiner und geringer als der Vater. Wenn aber Christus von seiner göttlichen Natur spricht, so pflegte er zu sagen: Ich und der Vater sind eins.

29. Und nun hab‘ ich‘s euch gesagt, ehe denn es geschieht, auf dass, wenn es nun geschehen wird, dass ihr glaubt.

Gesagt: Dass mein Leiden herangerückt und dass sich von den Toten wiederum auferstehen, auch zum Himmel fahren und zur Rechten des Vaters sitzen werde, von wo ich euch den Heiligen Geist senden will. Dies alles habe ich euch mehrmals vorgehalten und dargestellt.

Geschehen wird: Und der Ausgang all meine Weissagungen wahr macht.

Glaubt: Meinem Evangelium und in solchem Glauben, den ihr an mich habt, gestärkt werdet. Denn obwohl die Christen dem Wort Gottes glauben, bevor sie den Ausgang sehen, jedoch, wenn es in der Tat erfüllt ist, was zuvor verkündigt worden ist, so bekommt unser Glaube eine große Kraft.

30. Ich werde künftig nicht mehr viel mit euch reden; denn es kommt der Fürst dieser Welt und hat nichts an mir.

Reden: Wie ich es bisher zu tun pflegte. Und ihr werdet mich nicht mehr so oft predigen hören, wie vor der Zeit. Weil es bisweilen geschieht, dass das öffentliche Predigtamt des reinen göttlichen Wortes, von einem Ort weggenommen oder behindert wird wegen der Undankbarkeit der Menschen, so wollen wir das Wort Gottes fleißig und gern hören, weil wir es haben können.

Fürst: Mit seinen Dienern, den Hohepriestern und Schriftgelehrten. Und er wird mich mit bewaffneter Hand anfallen und mich in den schmählichsten Tod reißen.

An mir: Denn ich bin kein Sünder, wie andere Menschen und so wird mir sein Angriff nichts schaden, sondern zur größeren Ehre gereichen. Es wird aber der Teufel ein Fürst dieser Welt genannt, nicht, dass er die Welt geschaffen hat, oder irgendetwas, das in der Welt ist, auch nicht, dass er die Welt nach seinem Gefallen, auch gegen Gottes Willen, regiert, sondern, dass er durch die Sünde die Herrschaft, oder vielmehr die Tyrannei über das menschliche Geschlecht erlangt hat, dass er die Herzen der Menschen durch Gottes Verhängnis blendet und sie zu allerhand Sünden und Laster antreibt. Ja, er kann auch die Geschöpfe Gottes (jedoch nicht ohne die Billigung des Schöpfers) missbrauchen, um die Menschen zu plagen. Und es wird recht gesagt, dass der Satan selbst kommt, wenn ein gottloser Haufen auf Anstiftung des Satans aufzieht, dass er die Gottseligen verfolgt.

31. Aber dass die Welt erkenne, dass ich den Vater liebe, und ich also tue, wie mir der Vater geboten hat, steht auf und lasst uns von hinnen gehen!

Liebe: Und ich will eher die größten Qualen erleiden, als dass ich in der Erlösung des menschlichen Geschlechts ihm nicht gehorsam sein möchte. Denn obwohl der Satan keinen Anspruch oder ein Recht an mir hat, so will ich mich dennoch zum Tode hinreißen lassen und mich nicht widersetzen, obwohl ich es gut und leicht könnte.

Also tue: Die Welt muss lernen, dass allein Christus für uns den Willen des Vaters tut {Röm 5v19}.

Geboten hat: Dass ich zur Erlösung des menschlichen Geschlechts auch den allerschmählichsten Tod nicht scheuen will, sondern meinem Vater Gehorsam leisten bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz {Phil 2}. Wir sollen die große Liebe Christi gegen uns erkennen, dass er den Tod unschuldig leiden wollte, damit er uns erlöst. Darum sollen wir unserem Erlöser vertrauen in allen Anfechtungen und aller Trübsal. Denn er wird diese, seine Zuneigung gegen uns nie mehr aufgeben. Und wir sollen einen solch gütigen Bruder wiederum lieben, lieber auch alles erleiden, als von dem Gehorsam seiner Gebote abzuweichen. Denn es wird uns in der künftigen Welt reichlich erstattet werden, was die in dieser Welt an Gütern oder auch zeitlichem Leben verlieren.

Hinnen gehen: Denn es eilte Christus zu dem Ort, von welchem er wusste, dass er gefangen werden sollte, weil seine Aufgabe dies erforderte. Obwohl es nun nicht nötig ist, dass wir uns freiwillig in eine Gefahr des Leibes oder der Güter begeben, wenn wir jedoch spüren, dass es unsere Aufgabe erfordert, irgendeine Gefahr auszustehen, so sollen wir in Verrichtung unserer Arbeit tapfer fortfahren und den Ausgang Gott anbefehlen.


Das 15. Kapitel

  • Christus mahnt die Jünger und insgesamt alle Gläubigen, dass sie an ihm, als dem rechten Weinstock, bleiben sollen.
  • Danach wiederholt er das Gebot von der Liebe, die sie gegeneinander haben sollen.
  • Ferner lehrt er, wie man den Hass der Welt überwinden soll.
  • Und er verheißt abermals die Sendung des Heiligen Geistes.

1. Ich bin ein rechter Weinstock und mein Vater ein Weingärtner.

Weingärtner: Der den geistlichen Weinberg pflanzt und anbaut. Christus vergleicht sich selbst also gleich zu Anfang dieses Kapitels mit einem Weinstock, die Christen mit den Reben und den himmlischen Vater mit einem Weingärtner. So wie auch die Schrift die Kirche oft als einen Weinberg zu vergleichen pflegt, wie in Psalm 79 und Jes. 5. Und Christus hat diese holdselige Predigt, wie sie in diesem und dem folgenden Kapitel beschrieben wird, seinen Jüngern auf den Weg gegeben, nachdem er vom Abendmahl aufgestanden war und über den Bach Kidron zu dem Garten gegangen war, der am Ölberg lag, worin er bald danach gefangen wurde. Er ermahnte aber in dieser Predigt seine Jünger und alle Christen, dass sie beständig bei ihm bleiben sollen und sich durch keine Gefahr von ihm abspenstig machen lassen, sondern ihm mit wahrem Glauben anhängen. Hier mengte er auch allerlei herrlichen Trost mit unter.

2. Eine jegliche Rebe an mir, die nicht Frucht bringt, wird er wegnehmen, und eine jegliche, die da Frucht bringt, wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringe.

Reben: Es sind aber alle, die sich zu Christus bekennen, Reben. Unter denen sind etliche rechtschaffene Christen, andere aber sind Heuchler, die darum Reben genannt werden, weil sie mit in der äußerlichen Versammlung der Kirche sind. Gleich, wie nun ein Weingärtner die dürren oder ansonsten unfruchtbaren Reben wegschneidet, so nimmt und schneidet auch der himmlische Vater die Reben weg, die unfruchtbar sind. Bis das jedoch geschieht, bleiben sie neben den anderen in der äußeren Versammlung der Kirche. Und es ist nirgends eine Kirche Christi zu finden, die nicht etliche solche unfruchtbaren Reben hat. Sie werden aber abgeschnitten und weggenommen, wenn sie entweder durch einen öffentlichen Abfall von der Kirche abweichen oder durch den Tod hingerissen werden und zur Hölle fahren. Denn der Weinberg des Herrn wird nicht darum angebaut, dass er Disteln und Dornen trägt, sondern dass er fruchtbares Leben hervorbringt.

Reinigen: Wie es die Weingärtner zu tun pflegen. Denn, die dem Evangelium glauben und durch solchen Glauben Christus eingepflanzt sind, die achtet Gott für rein und sauber, durch den Glauben. Er reinigt sie auch mit dem Heiligen Geist und säubert sie mit Kreuz und Trübsal, wie mit Rebmessern in dieser Welt, dass sie die fleischlichen Gelüste und bösen Begierden töten und viel herrliche Früchte guter Werke bringen. Denn wer am Fleisch leidet, der hört auf mit den Sünden, dass er zukünftig, was noch von der früheren Zeit im Fleisch ist, nicht der Menschen Lüste, sondern den Willen Gottes lebt {1Petr 4}. Darum ist das Kreuz den Auserwählten sehr nützlich und heilsam. Wenn uns deswegen Gott, der Herr, durch die Trübsal reinigt, sollen wir nicht ungeduldig darüber werden, oder uns einbilden, als ob wir von Gott nicht mir geliebt würden.

3. Ihr seid jetzt rein um des Worts willen, das ich zu euch geredet habe.

Geredet habe: Denn weil ihr mein Evangelium gehört und an mich geglaubt habt, so werdet ihr für rein und sauber von Gott geachtet, und es ist die Wiedergeburt durch den Heiligen Geist in euch angefangen worden, der täglich etwas vom alten Adam in euch ausfegt. Denn die das Evangelium Christi mit Glauben annehmen, die werden vor Gott gerecht und heilig geschätzt, und es wird ihnen der Heilige Geist gegeben, der den alten Adam tötet.

4. Bleibt in mir und ich in euch. Gleichwie die Rebe kann keine Frucht bringen von ihr selber, sie bleibe denn am Weinstock, also auch ihr nicht, ihr bleibt denn an mir.

In mir: Damit ihr die Güter behaltet, die euch bereits geschenkt sind. Es bleiben aber die in Christus, die im wahren Glauben beharren.

In euch: Denn ich will euch nicht verlassen, sondern mit allgemeinen geistlichen Gütern bei euch bleiben, und es wird unter uns eine heilige Einigkeit sein. Denn solange wir im Glauben beharren, so ist Christus unser, mit all seinen Guttaten.

Am Weinstock: Dass er von diesem Saft und Kraft empfängt, um Frucht zu bringen.

Ihr nicht: Ihr könnt keine guten Früchte bringen. Kann deswegen niemand etwas Gutes bewirken, es sei denn, er sei zuvor Christus durch den Glauben eingepflanzt worden. Darum können auch vor der Rechtfertigung keine guten Werke geschehen und es muss notwendigerweise daraus folgen, dass niemand durch seine guten Werke gerecht werden kann. Denn die Werke, die vor der Rechtfertigung geschehen, sind für Gott keine rechten guten Werke, weil sie nicht aus Glauben geschehen. Und weil die Person, die sie bewirkt, Gott nicht gefällt, darum können ihm auch ihre Werke nicht gefallen. Dennoch werden solche äußerlichen Werke manchmal mit zeitlichen Belohnungen von Gott vergolten, damit in der Welt nicht alles ohne Ordnung durcheinandergeht.

5. Ich bin der Weinstock; ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.

Reben: Ist aber das nicht eine große Ehre und ein herrlicher Trost, eine Rebe an dem Weinstock Christus zu sein? Wer kann denn einer solchen Rebe schaden, die wahrhaftig durch den Glauben dem Weinstock Christus eingepflanzt und einverleibt ist?

Viel Frucht: Der guten Werke. Deswegen sind die, die keine guten Werke tun, sondern dauernd den fleischlichen Begierden nachhängen, keine Reben, die durch den Glauben Christus eingepflanzt sind, obwohl sie mit Worten viel vom Glauben rühmen.

Nichts tun: Also, wo ihr nicht an mir bleibt, wie eine Rebe am Weinstock, könnt ihr nichts Gutes verrichten. Darum bemüht euch fleißig, dass ihr an mir bleibt. Deswegen sollen wir uns hüten, dass wir den Glauben und den Heiligen Geist nicht mit einem lasterhaften Leben von uns treiben. Denn es kann nicht beides zugleich in einem Menschen sein, nämlich, der Glaube an Christus und ein Laster, das gegen das Gewissen begangen wird, wo man nicht Buße tut und zum Glauben wieder umgekehrt.

6. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und muss brennen.

Wer: Bisher haben wir gehört, was die für Guttaten erlangen, die durch den Glauben Christus einverleibt sind und bleiben. Jetzt lasst uns auch vernehmen, was für Böses die zu erwarten haben, die von Christus, als dem Weinstock, abgerissen werden.

Rebe: Die unnütz ist und vom Weingärtner abgeschnitten wird.

Muss brennen: Denn, so wie die untüchtigen Reben, die vom Weingärtner abgeschnitten worden sind, verdorren, in ein Bündel geschnürt und danach verbrannt werden, weil man aus solchem Holz nichts machen kann, wie der Prophet Nehm. auch bezeugt, Kapitel 15. Man könnte nicht einmal einen Holznagel für eine Wand daraus machen. Darum ist der zu nichts nütze, als für das Feuer. Also: Die nicht an Christus glauben und von ihm abgerissen werden, die werden, je länger je ärger, bis sie ins ewige Feuer geworfen werden, wo ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht verlöscht {Jes 66}. Es werden aber die Menschen auf dreierlei Weise von Christus abgerissen. Erstens, wenn sie die ganze christliche Religion verleugnen, so, wie wenn ein Christ zu einem Türken wird. Danach, wenn jemand zum Heuchler wird, dass er meint, er könne durch den Verdienst seiner Werke vor Gott gerecht werden. Denn diejenigen sind von der Gnade gefallen und haben Christus verloren, die durch des Gesetzes Werk gerecht werden wollen {Gal 5}. Ferner und drittens: Wenn jemand ein gottloses, viehisches Leben führt und sich in eine rohe Sicherheit vertieft. Für diese alle, sofern sie nicht Buße tun, wäre es besser gewesen, dass sie den Weg der Gerechtigkeit nicht erkannt hätten, wie Petrus sagt. Darum sollen wir uns vor Abfall, Heuchelei und Sicherheit hüten, auf dass wir in unserem Heiland Christus bleiben.

7. So ihr in mir bleibt, und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren {Mt 7v7 21v22 Lk 11v9}.

So: Es folgt ein neuer Trost.

Bleiben: Dass ihr mein Evangelium mit Glauben in euren Herzen behaltet.

Widerfahren: Ihr sollt in erster Linie darum bitten, dass Gott euer Predigtamt segnet und euch in all eurem Tun mit seinem Heiligen Geist regiert. So wird euch mein Vater eure Bitte gewähren. Denn wenn wir solche Dinge aus Glauben bitten, die uns zu bitten gebühren, die auch vielfach im Vater Unser beinhaltet sind, so sollen wir gewiss wissen, dass wir erhört werden. Und obwohl Gott nicht immer in dem Moment oder auf diese Weise uns hilft, wie wir es begehren, so hilft er uns doch auf die Weise, die am allerbesten ist.

8. Darinnen wird mein Vater geehrt, dass ihr viel Frucht bringt, und werdet meine Jünger.

Meine Jünger: Also, dass ihr nicht nur in eurem Aufgabengebiet treulich seid und mein Evangelium recht lehrt, sondern auch, dass ihr mir, eurem Lehrmeister, folgt und mit einem heiligen Wandel anderen vorleuchtet. Denn das gereicht dem göttlichen Namen zu Lob und Ehre, wenn seine Güte durch das Predigtamt des Evangeliums gepriesen und die Bekenntnisse des christlichen Glaubens mit einem gottseligen Wandel geschmückt werden.

9. Gleichwie mich mein Vater liebt, also liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe!

Euch auch: Denn ihr sollt nicht glauben, dass ich euch wegen eurer Schwachheit verwerfen werde, sondern, wie mein himmlischer Vater mich, als seinen eingeborenen Sohn, in Ewigkeit liebt, so bin und bleibe ich euch auch mit meiner reinen und beständigen Liebe gewogen. Ist dies nicht abermals ein großer Trost, dass Christus uns so liebt, wie er von seinem Vater geliebt wird?

Bleibt: Und hütet euch fleißig, dass ihr nicht herausfallt. Denn es genügt nicht, dass wir von Christus geliebt werden, wenn wir nicht auch seine Gunst und seine Gnade behalten.

In meiner Liebe: (Nach Luther) Dass ihr fühlt, wie lieb ich euch habe. Das geschieht, wo ihr in mir bleibt, und mein Wort haltet, wie schlecht es auch gehen mag.

10. So ihr meine Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe, gleichwie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe.

Seiner Liebe: Denn wie sollte der Vater nicht seinen eingeborenen, gehorsamen Sohn lieben? Es halten aber die Gebote Christi, die seinem Evangelium glauben und den Nächsten aus Glauben recht lieben. Denn so spricht unser Evangelist {1Joh 3}. Dies ist sein Gebot, dass wir an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben und uns untereinander lieben. Die deswegen dem Evangelium Christi glauben und den Nächsten lieben, die bleiben in der Liebe Christi und behalten seine Gunst und Gnade immerzu, obwohl unsere Liebe in diesem Leben nicht vollkommen, sondern kaum angefangen ist.

11. Solches rede ich zu euch, auf dass meine Freude in euch bleibe, und eure Freude vollkommen werde.

Vollkommen werde: Und ihr versteht, mit welcher herzlichen Liebe ich euch gewogen bin, auf dass ihr euch über solch eine Liebe freut und diese Freude täglich in euch gemehrt und gestärkt wird. Denn wenn das Wort Christi mit Glauben ergriffen wird, so bringt es innerlich Freude des Herzens. Darum, was einen gottseligen und bußfertigen Sünder in seinem Gewissen erschreckt und verzagt macht, das ist nicht Christi Wort, oder nicht in seinem rechten und eigentlichen Sinn vorgebracht. Denn Christus ist gekommen, dass er die zerschlagenen Herzen heilt, aber nicht, dass er diese noch mehr plagt und betrübt {Jes 61}.

12. Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, gleichwie ich euch liebe {Joh 13v34 1Thes 4v9}.

Liebt: Weil Christus seine Liebe gegen uns bisher ausführlich bezeugt hat, so ermahnt er uns jetzt, dass auch wir, seinem Beispiel nach, uns untereinander lieben sollen. Darum sollen wir, Christus zuliebe, der uns das gebietet, nicht nur die Brüder und Freunde, sondern auch unsere Feinde lieben {Mt 5 Röm 12}.

13. Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.

Freunde: Ich lasse aber mein Leben für euch. Daran könnt ihr sehen, wie lieb ich euch habe. Wir sollen aber Christus auch wiederum lieben, weil wir so hoch von ihm geliebt werden, damit wir tun, was ihm gefällt und meiden, was ihm missfällt, auch leiden, was er uns zu leiden auferlegt.

14. Ihr seid meine Freunde, so ihr tut, was ich euch gebiete.

Gebiete: Weil Christus gesagt hat, dass wir seine Freunde sind (denn er hat das nicht nur zu den Aposteln, sondern auch von allen Gläubigen gesagt), so lehrt er jetzt auch, was wir tun sollen, damit wir seine Freunde bleiben. Denn obwohl wir von Natur aus Kinder des Zorns und Feinde Gottes waren, so hat er uns doch, als seine Geschöpfe, so hoch geliebt, dass er uns seinen eingeborenen Sohn gegeben hat, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben {Joh 3}. Auf diese Weise sind wir Kinder Gottes und Freunde Christi geworden. Wir bleiben aber nur dann seine Freunde, wenn wir im wahren Glauben ausharren, den Nächsten lieben und unsere Aufgabe nicht vernachlässigen, auch unser Kreuz auf uns nehmen und ihm nachfolgen. Denn das heißt tun, was Christus gebietet. Obwohl nun dies alles in uns unvollkommen ist, jedoch, weil wir durch den Glauben vor Gott gerecht sind, so wird unser Gehorsam, der noch sehr mangelhaft ist, als vollkommen eingeschätzt.

15. Ich sage künftig nicht, dass ihr Knechte seid; denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich gesagt, dass ihr Freunde seid; denn alles, was ich habe von meinem Vater gehört, hab‘ ich euch kundgetan.

Knechte seid: Man soll euch künftig keine Knechte mehr nennen, weil die Knechte kein Wissen davon haben, was ihr Herr insgeheim für Sachen zu tun sich vornimmt. Aber ich habe euch den himmlischen Rat meines himmlischen Vaters geoffenbart, gleich, wie ein Freund dem anderen seine Heimlichkeiten mitteilt. Es sind aber solche geheime Sachen, die Christus den Aposteln und durch ihr Predigtamt auch uns, geoffenbart hat, keine vorwitzigen Gedanken von Sachen, die zu unserer Seligkeit nichts nützen, sondern es sind die holdseligsten Verheißungen Christi, in denen er uns das ganze Herz seines himmlischen Vaters gleichsam geöffnet hat. Dass nämlich der himmlische Vater allen bußfertigen Sündern und die an Christus glauben, alle Sünden verzeihen will und er sie für das Erbe des Himmelreichs anerkennt {Joh 3}. Wenn also Christus uns den allergnädigsten Willen seines himmlischen Vaters geoffenbart hat, so ist die Lehre der Katholiken unrecht und gottlos, dass sie vorgeben, wir müssen zweifeln, ob wir auch bei Gott in Gnade sind oder nicht.

16. Ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch erwählt und gesetzt, dass ihr hingeht und Frucht bringt, und eure Frucht bleibe, auf dass, so ihr den Vater bittet in meinem Namen, dass er‘s euch gebe.

Erwählt: Mit diesen Worten lehrt Christus, woher wir solche Guttat empfangen hatten, nämlich nicht durch unseren Verdienst oder mit unserem Fleiß, sondern aus seiner Gnade. Denn, dass wir zum ewigen Leben erwählt sind und dass wir zu nützlichen und ehrlichen Ämtern in der Kirche und dem weltlichen Regiment berufen und gefordert werden, ist nicht unser Verdienst, sondern der göttlichen Guttat zuzumessen. Darum sollen wir unsere Dankbarkeit gegen Gott mit Worten und mit Taten zeigen und in wahrer Demut beharren.

Frucht bringt: Nicht allein in eurem Christentum, sondern dass ihr auch in eurem apostolischen Amt eure Aufgaben erledigt und mein Evangelium mit großem Nutzen lehrt, auf dass die, die durch euer Predigtamt bekehrt worden sind, die wahre und beständige Seligkeit erlangen. Denn Gott hat uns nicht erwählt, dass wir uns in ungebührlichen Wolllüsten vertiefen, oder nur unsere eigenen Sachen wahrnehmen und unsere Aufgabe außer acht lassen, sondern, damit das Evangelium Christi rein gepredigt wird und in der Welt Frucht schafft, damit die Menschen nicht vergängliche, sondern ewige Güter bekommen.

Frucht bleibe: Denn alle guten Werke jedes Christen, die aus Glauben geschehen, sind nicht verloren, sondern werden ihre himmlische Belohnung empfangen, die uns niemand mehr wegnehmen kann.

Euch gebe: Darum sollen wir aus Vertrauen zum Mittler Christus von dem himmlischen Vater erbitten und begehren, was uns im Vaterunser zu beten vorgeschrieben wurde und nicht daran zweifeln, dass wir erhört werden, wenn es sich auch eine Zeit lang hinzieht.

17. Das gebiete ich euch, dass ihr euch untereinander liebt.

Das: Christus wiederholt das Gebot von der Liebe gegeneinander, damit nicht jemand meint, es steht in unserer Willkür, ob wir den Nächsten lieben wollen oder nicht. Und er ermahnt uns, dass wir den Hass der Welt mit beherztem Gemüt erdulden, oder vielmehr verachten sollen.

Liebt: Wenn also ein Missverständnis zwischen uns und unserem Nächsten entstanden ist, so sollen wir an dieses Gebot denken und danach trachten, wie wir uns wiederum miteinander vereinigen können. Die brüderliche Liebe soll aber nicht nur aufgemalt sein, oder nur in Worten bestehen, sondern auch durch die Tat erklärt werden.

18. So euch die Welt hasst, so wisst, dass sie mich vor euch gehasst hat.

Gehasst hat: Ihr dürft euch keineswegs darüber wundern und es nicht für ungewöhnlich halten, als würde euch etwas Neues widerfahren, wenn euch die Welt hasst, weil ihr meine Jünger und geistlichen Glieder seid. Die ganze Sache an sich hat bisher genügend zu verstehen gegeben, dass die Welt mich, euer Haupt und euren Lehrmeister, auch gehasst hat. Durch die Welt werden die Mächtigen, Weisen und die große Masse der Leute in der Welt, die keine wahre Erkenntnis Christi haben und deshalb auch nicht vom Heiligen Geist regiert werden, verstanden, sondern, die vom Satan angetrieben werden, der ein Lügen- und Mordgeist ist, dass sie die Christen hassen und auf das Gräulichste verfolgen. Und obwohl es sonst in dieser Welt viel Uneinigkeit und Spaltungen gibt, wenn es jedoch gegen die Christen geht und diese herhalten sollen, so ist sich in solcher Sache die Welt sehr einig. Und es kann der Christus nicht lieben, der einen frommen und gottseligen Menschen plagt.

19. Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das ihre lieb; dieweil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich habe euch von der Welt erwählt, darum hasst euch die Welt.

Wäret: Jetzt zeigt Christus Gründe an, warum die Welt gegen die Frommen einen solchen Hass in sich trägt. Als wollte er sagen, wenn ihr mit der Welt gleich gesinnt werdet und mit den gleichen Sachen umgehen würdet, so wärt ihr der Welt lieb und angenehm. Denn Gleich und Gleich gesellt sich gern, wie man im Sprichwort sagt. Aber weil ihr ganz anders gesinnt seid, als die Welt, denn ich habe euch zu meiner Erkenntnis berufen und dass ihr ein gottseliges Leben führen sollt, aus diesem Grund hasst, scheut und verflucht euch die Welt. Von der Welt sein, heißt aber nicht, ein bürgerliches Leben führen oder mit weltlichen Sachen umgehen, welches an sich selbst nicht Sünde ist, sondern es heißt, entweder in der Finsternis der Religion stecken oder ein gottloses Leben führen. Ebenso heißt, nicht von der Welt sein, auch nicht, in die Einöde, oder in ein Kloster zu gehen und dort ein besonderes Leben zu führen, dass dem Tun und dem Wandel anderer Leute nicht gleich sieht, sondern es heißt, Christus erkennen und sich bemühen, ein heiliges Leben und einem unsträflichen Lebenswandel zu führen, was mithilfe und Beistand des Heiligen Geistes wohl geschehen kann, auch wenn wir mitten unter den Menschen sind. Denn die Apostel haben sich nicht in einen Winkel verkrochen, sondern sind unter vielen Leuten gewandelt und haben das Evangelium öffentlich im Allgemeinen und im Besonderen gelehrt, haben auch den Christen nicht angeschafft, sich in Wüsten oder Einöden zu begeben, sondern ihnen befohlen, dass sie, des Evangeliums würdig, wandeln sollen. Ferner hat man hier zu beachten, dass die Welt die Frommen hasst, nicht weil sie auch manchmal in Sünde geraten, denn in dem Fall sind sie der Welt gleich, sondern, dass sie sich an die rechte Erkenntnis Christi halten und sich um wahre Gottseligkeit bemühen, auch mit Worten und mit Taten die Bosheit der Welt verwerfen und verdammen. Dennoch, damit die Welt den Anschein einer Ursache für ihren Hass und Neid vorweisen kann, so forscht sie sehr genau und fleißig nach dem Lebenswandel der Frommen. Und wenn sie den geringsten Mangel findet, so macht sie ein großes Geschrei davon und verwendete es zum Anschein und zur Bemäntelung ihres Hasses, damit es den Eindruck vermittelt, als würden sie die Frommen nicht ohne Grund verfolgen.

20. Gedenkt an mein Wort, das ich euch gesagt habe: Der Knecht ist nicht größer denn sein Herr. Haben sie mich verfolgt, sie werden euch auch verfolgen; haben sie mein Wort gehalten, so werden sie eures auch halten {Mt 10v24 Lk 6v40 Joh 13v16}.

Nicht größer: Es ist nicht der Brauch, dass man den Knecht seinem Herrn vorzieht und ihn nicht zarter und besser behandelt, als seinen Herrn. Darum, was dem Herrn an Schmach und Unbilligkeit erwiesen wird, darüber hat sich der Knecht auch nicht zu beschweren. So oft uns deswegen ein Kreuz auferlegt wird und drückt, sollen wir uns der Trübsal unseres Herrn Jesus Christus erinnern und sagen, der Knecht ist nicht größer als sein Herr.

Auch halten: Sie werden weder meinen noch euren Predigten glauben, noch euren Erinnerungen folgen. Darum sollen die Kirchendiener sich darauf gefasst machen, dass sie Verfolgung und Schmach erleiden werden und von ihrem Beruf nicht aussetzen, obgleich das Predigtamt von vielen verachtet wird.

21. Aber das alles werden sie euch tun um meines Namens willen; denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat.

Namens willen: Denn sie werden euch nicht darum anfallen, schmähen und verfolgen, weil ihr von Natur aus Sünder seid, wie alle anderen Menschen, sondern weil ihr meinen Namen bekennt und mein Evangelium predigen werdet. Denn die Welt kann gräuliche Laster übersehen und sie ungestraft hingehen lassen, aber die reine Predigt des Evangeliums will sie nicht leiden.

Den nicht: Es soll sich niemand darüber wundern und darüber nachdenken, wie es doch immer mehr dazu kommt, dass die Welt die Ausbreitung des Namens Christi sogar nicht leiden will? Hier zeigt Christus nun allein die Ursache an und sagt: Es kommt daher, dass sie den wahren Gott und himmlischen Vater nicht erkennen, von dem er, Christus, in dieser Welt gesandt worden ist, zur Wohlfahrt und Seligkeit des menschlichen Geschlechts. Denn, die den ewigen Gott und Vater nicht erkennen und seinen Willen aus seinem Wort nicht gelernt haben, die können weder Christus noch sein Evangelium hassen. Jene aber, die das Evangelium, wenn es rein und lauter gepredigt wird, verachten oder auch verfolgen, die kennen Gott, den Vater und Schöpfer der Welt nicht, lieben ihn auch nicht, egal ob es Türken, Juden oder papistische Heuchler sind.

22. Wenn ich nicht gekommen wäre und hätte es ihnen gesagt, hätten sie keine Sünde; nun aber können sie nichts vorwenden, ihre Sünde zu entschuldigen.

Wenn: Jetzt zeigt Christus an, was es für ein ungerechter und unverschuldeter Hass ist, womit die Welt sich gegen ihn stellt und auflehnt.

Keine Sünde: Sie möchten irgend eine Entschuldigung ihrer Blindheit und ihres Unglaubens vorzubringen haben, wenn ich nicht ihretwegen in die Welt gekommen wäre und ihnen mein Evangelium nicht auf das Deutlichste vorgelegt hätte. Denn es sündigen die nicht so schwer gegen Gott, die aus Unwissenheit sündigen.

Nach Luther: Das ist gesagt auf die Weise, wie es Hesekiel 18.V.4 sagt, dass jeder um seiner eigenen Sünden willen sterben wird. Denn durch Christus ist die Erbsünde aufgehoben und verdammt.

Nichts vorwenden: Denn, dass sie mich verachten und nicht an mich glauben, deshalb können sie keine eigene Ursache ihrer Unwissenheit vorbringen, weil sie mich predigen gehört haben und gehört haben, wie ich solche Predigten aus dem Alten Testament bekräftigt und bewiesen habe. Also, die auch heutigen Tages das Wort des Evangeliums hören und sich dennoch nicht bekehren, die haben keine Entschuldigung und werden härter bestraft werden, wie die Knechte, die den Willen ihres Herrn wissen und ihn nicht tun.

23. Wer mich hasst, der hasst auch meinen Vater.

Vater: Denn wie wollte jemand den Vater lieben, der seinen eingeborenen Sohn schmäht und lästert? Darum schmähen und verlästern auch alle Arianer, die die ewige Gottheit Christi leugnen, auch den ewigen Vater.

24. Hätte ich nicht die Werke getan unter ihnen, die kein anderer getan hat, so hätten sie keine Sünde; nun aber haben sie es gesehen und hassen doch beide, mich und meinen Vater.

Keine Sünde: Wenn ich nicht so viele und große Wunderwerke in kurzer Zeit getan hätte, was kein anderer Prophet jemals getan hat, so wäre es kein so großes Wunder und sie könnten es dem äußeren Anschein nach für irgend eine Entschuldigung verwenden, dass sie nicht an mich glauben. Aber nun, weil ich solche Wunderwerke getan habe, wovon die Propheten geweissagt haben, dass sie der Messias tun wird, so ist ihnen alle Entschuldigung genommen. Denn der Herr Christus hat noch viel mehr Wunderwerke getan, die von den Evangelisten nicht aufgeschrieben worden sind. Die aber, die man beschrieben hat, die hat man darum aufgezeichnet, damit wir glauben, Jesus sei Christus, der Messias und Heiland der Welt und dass wir durch den Glauben das Leben haben in seinem Namen {Joh 20}.

Gesehen: Was ich für herrliche Wunderwerke getan habe.

Mich: Der ich ihnen viele und große Guttaten erwiesen habe.

Meinen Vater: Der mich zur Erhaltung des menschlichen Geschlechts in dieser Welt gesandt hat. Denn wer Christus und sein Evangelium hasst, der kann Gott, den Vater, nicht lieben. Darum hassen auch die päpstlichen Heuchler, die das Evangelium Christi, wenn es rein gepredigt wird, verfolgen, beide, Christus und den Vater.

25. Doch dass erfüllt werde der Spruch, in ihrem Gesetz geschrieben: Sie hassen mich ohne Ursache {Ps 35v19 69v5}.

Ohne Ursache: Ich habe ihnen nicht nur keine Ursache zu ihrem Neid und Hass gegen mich gegeben, sondern mich vielmehr um sie verdient gemacht. Dieser Spruch ist aus dem 35. Psalm genommen, wie auch im 69. Psalm diese Worte in der Person Christi so gesagt und ausgesprochen werden: Die mich ohne Ursache hassen sind mehr, als ich Haare auf dem Kopf habe. Darum sollen wir nicht ungeduldig darüber werden, wenn uns die Welt für unsere Guttaten bösen Dank erweist, weil dies auch unserem Haupt, Christus, so widerfahren ist.

26. Wenn aber der Tröster kommen wird, welchen ich euch senden werde vom Vater, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird zeugen von mir.

Wenn: Jetzt hängte Christus einen Trost daran, damit die Apostel nicht meinten, die Welt würde den Namen Christi ganz und gar vertilgen.

Tröster: Nämlich der Heilige Geist, der meinen Namen verklären wird und sollte die Welt gleich noch so unsinnig darüber werden.

Vom Vater: Hier hat man das Zeugnis der Heiligen Dreifaltigkeit zu beachten. Denn der Tröster ist die dritte Person, die gesendet wird. Der Sohn ist die andere Person, die den Tröster sendet. Dieser aber wird vom Vater, als von der ersten Person, gesandt. Solche Sprüche der Heiligen Schrift muss man beachten gegen die Sabullianer, die in dem göttlichen Wesen nur eine Person erdichtet haben und auch noch heutzutage viel erdichten.

Der Wahrheit: Der euch die Wahrheit lehren wird. Dieser Geist der Wahrheit regiert die Auserwählten, dass sie in der himmlischen Wahrheit des göttlichen Wortes bis an das Ende des Lebens beharren. Für diese göttliche Guttat sollen wir Gott eifrig beten und anrufen. Die Verkehrten aber werden vom Irrgeist und Geist der Lügen umgetrieben, dass sie anstatt der Wahrheit die Lügen annehmen.

Zeugen: Denn die Sendung des Heiligen Geistes am Pfingstsonntag wird öffentlich bezeugen, dass ich der Welt Heiland bin, von dem die wunderbaren Gaben über euch ausgegossen werden.

27. Und ihr werdet auch zeugen; denn ihr seid von Anfang bei mir gewesen.

Auch zeugen: Später einmal, mit großer Kraft und Freude, dass ihr von meiner Person, Lehre und den Wunderwerken einhellig lehren und predigen werdet, weil der Heilige Geist durch euch reden wird.

Von Anfang: Die ganze Zeit über, die ich im Lehr- oder Predigtamt gewesen bin, seid ihr als meine stetigen Gefährten und mit Genossen bei mir beharrt. Darum könnt ihr als Augenzeugen ein wahres und dauerhaftes Zeugnis von mir geben. Wir aber sollen dem Zeugnis der zwölf Apostel glauben, als unzweifelhaften und glaubwürdigen Zeugen, damit wir durch den Glauben an Christus das ewige Leben erlangen.


Das 16. Kapitel

  • Erst nennt Christus Ursachen, warum er seine Jünger an das zukünftige Unglück so eingehend erinnert.
  • Er erklärt den Nutzen seines Hingangs zum Vater, verheißt auch den Heiligen Geist und beschreibt sein Amt.
  • Danach tröstet er die Jünger, dass ihre Trübsal einen erwünschten Ausgang nehmen wird.
  • Christus beschließt endlich die ganze Predigt mit einer kurzen Zusammenfassung.

1. Solches habe ich zu euch geredet, dass ihr euch nicht ärgert.

Geredet: Dass euch die Welt hassen wird. Und Christus erklärt im Folgenden, mit welchem grausamen und unmenschlichen Hass die Welt seine Jünger verfolgen wird. Dies tut er aber nicht darum, dass er sie erschrecken möchte, sondern damit sie diesen Verfolgungen mit desto größerer Standfestigkeit widerstehen und sie überwinden.

Nicht ärgert: Noch in eurem Glauben wankt, oder gar davon abweicht, wenn euch etwas Widerwärtiges begegnet, wo ihr meint, es würde lauter Glück schneien. Denn, die es sich bei der Religion vom großen Glück träumen lassen und sich nicht darauf gefasst machen, dass sie Kreuz und Trübsal ausstehen müssen, die werden sehr irregemacht, wenn ihnen etwas Widerwärtiges begegnet, und fangen an zu zweifeln, ob ihre Lehre und Religion auch recht sei oder nicht?

2. Sie werden euch in den Bann tun. Es kommt aber die Zeit, dass, wer euch tötet, wird meinen, er tue Gott einen Dienst daran {Mt 24v9 Mk 13v9 Lk 21v12}

Bann tun: Und euch als Ketzer von euren geistlichen Versammlungen ausschließen. Es ist aber der Bann ein sehr beschwerliches und schreckliches Ding, wenn er recht gebraucht wird. Denn ein Mensch wird dadurch nicht allein von der äußerlichen und sichtbaren Versammlung der Kirche abgetrieben, sondern auch vom Himmelreich ausgeschlossen und die Verbannten werden dem Satan übergeben {1Kor 5}. Man soll aber den Bann gegen die brauchen, die die Wahrheit der göttlichen Lehre verfälschen und verlästern {1Tim 1} und die mit abscheulichen Lastern der Kirche einen Schandfleck anhängen {1Kor 5}. Wenn aber unschuldige Leute in einen Bann getan werden, wie wenn der römische Papst uns verbannt, so haftet ein solcher Bann nicht und er soll uns auch nicht schrecken. Von dem steht geschrieben im 109. Psalm: Fluchen sie (die Gottlosen), so segne du (uns, unser Gott:

Dienst daran: Denn wenn die Welt gegen fromme Leute wütet und tobt, so meint sie, die Erde werde von solchen lasterhaften Menschen gereinigt und der Zorn Gottes dadurch versöhnt, weil sie sich einredet, sie räume die schändlichen Leute hinweg, die es nicht wert sind, dass die Erde sie trägt, und wenn solche aus dem Weg sind, dann werde es glücklich und wohl zugehen.

3. Und solches werden sie euch darum tun, dass sie weder meinen Vater noch mich erkennen.

Erkennen: Darum wird kein rechter und gottseliger Eifer an ihnen sein. Denn wer die rechte Erkenntnis des himmlischen Vaters und seines eingeborene Sohnes hat, der wird keinen frommen und unschuldigen Menschen verfolgen. Die kennen aber Gott den Vater und seinen Sohn nicht, die entweder sich in den Personen der Heiligen Dreifaltigkeit ihren oder den Willen des Vaters und das Amt Christi nicht kennen. Die Arianer erkennen die Person Christi nicht, so kennen die Romanisten sein Amt nicht recht. Daher sind sie beide blutdürstige und grausame Verfolger der Kirchen gewesen.

4. Aber solches habe ich zu euch geredet, auf dass, wenn die Zeit kommen wird, dass ihr daran gedenkt, dass ich‘s euch gesagt habe. Solches aber habe ich euch von Anfang nicht gesagt; denn ich war bei euch.

Gesagt habe: Wie euch dieses alles begegnen werde, auf dass ihr nicht aus Furcht vor der Verfolgung erschreckt und euren Beruf fahren lasst. Denn wenn wir von künftigem Unglück beizeiten aus der Heiligen Schrift erinnert werden, so kommt es uns nicht allein so fremd vor und es tut uns desto weniger weh, sondern es stärkt auch einigermaßen unseren Glauben, weil wir sehen, dass das erfüllt wird, was Christus und die Apostel uns zuvor verkündigt haben.

Von Anfang: Als ich euch zu meinen Jüngern aufnahm und ihr noch neue Schüler ward.

Bei euch: Darum war es unnötig, dass ich euch damals an solche Sachen erinnert habe, weil ich euch beschützt habe und mich darum kümmerte, dass ihr euch um keine Gefahr sorgen musstet, darum wollte ich euch nicht vor der Zeit mit traurigen Gedanken beschweren. Wenn wir deswegen etwas Trauriges verkünden müssen, so sollen wir es aufschieben, solange es möglich ist, damit wir die Leute nicht vor der Zeit bekümmert machen. So verhehlte auch Abraham dem Isaak, seinem Sohn, was er vorhatte, mit seinem Schlachten und Opfern, solange er immer konnte.

5. Nun aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand unter euch fragt mich: Wo gehst du hin?

Gesandt hat: Auf dass ich mit meinem Tod genug tue für die Sünden des ganzen menschlichen Geschlechts, und dieses bei meinem himmlischen Vater wiederum aussöhne. Dieses kann ich euch nicht länger verbergen, es euch anzeigen, was euch bald danach begegnen wird, damit ihr nicht unversehens mit Unglück überfallen werdet und darunter erliegt.

Fragt mich: Dass er zu mir sagte, aus welchen Ursachen gehst du denn zu deinem Vater?

6. sondern dieweil ich solches zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauerns worden.

Solches: Von meinem Hingang zum Vater.

Voll Trauerns: Euer Herz ist mit Traurigkeit dermaßen umfangen und eingenommen worden, dass ihr nicht fragt, warum und zu welchem Ende ich von euch weggehe. Denn wenn wir die Ursache und Nutzen meines Hingangs wüsstet, so würdet ihr nicht so sehr erschrecken. Eben das pflegt uns auch zu widerfahren. Denn wenn uns Gott eine Trübsal schickt, so entsetzen wir uns darüber. Wenn wir aber bedenken würden, aus welcher Ursache und zu welchem Ziel solches von Gott über uns beschlossen wurde, so würden wir das Unglück viel geduldiger auf uns nehmen und leichter tragen.

7. Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist euch gut, dass ich hingehe. Denn so ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch; so ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.

Aber: Jetzt erzählt Christus den Nutzen seines Hingangs, auf dass er den Jüngern ihr Herzeleid mildert und uns zugleich lehrt, welches Amt der Heilige Geist hat, wenn er durch das Predigtamt das göttliche Wort führt.

Euch gut: Auf dass ich euch und das ganze menschliche Geschlecht mit meinem Tod erlöse.

Senden: Denn vor der Sendung des Heiligen Geistes muss mein Leiden, Sterben, Auferstehung und Himmelfahrt vorhergehen, weil sonst der Heilige Geist nichts zu lehren hätte, wenn ich nicht zuvor alles leiste und verrichte, was ich meines tragenden Amtes halber zu verrichten befohlen bekommen habe. Darum wird euch in Zukunft meine sichtbare Gegenwart entzogen werden, stattdessen will ich euch den Heiligen Geist senden, der euch seine wunderbaren Gaben mitteilen und durch euer Predigtamt große Dinge zum Nutzen und zur Wohlfahrt des menschlichen Geschlechtes ausrichten wird. Denn es nimmt Gott oft eine Gabe von uns und vergilt sie danach mit einer viel größeren Guttat.

8. Und wenn derselbe kommt, der wird die Welt strafen um die Sünde und um die Gerechtigkeit und um das Gericht:

Der Selige: Nämlich der Tröster oder Heilige Geist.

Strafen: Das heißt, lehren, ermahnen, erinnern und unterrichten, welches die Hauptsünden, die wahre Gerechtigkeit und Gottes strenges Gericht sind.

9. um die Sünde, dass sie nicht glauben an mich;

Um die Sünde: (Nach Luther) Die Welt, Natur, Vernunft usw. weiß nicht, dass Unglaube Sünde und Glaube Gerechtigkeit ist und Gottes Gericht verdammt alles, was sie und der Teufel gegen die Christen urteilen unter dem Schein göttlichen Dienstes und Namens. Darum straft der Heilige Geist gemäß dem Evangelium, es sei alles Sünde, was nicht Glaube ist.

Nicht glauben: Denn der Heilige Geist wird durch euer Predigtamt lehren, dass dies die allergrößte Sünde ist, wenn jemand nicht an mich glaubt. Denn alle anderen Sünden, wie Sie auch immer sein mögen, verdammen einen Menschen nicht, wenn er wahrhaftig Buße tut und an Christus glaubt. Die aber den Erlöser Christus, wenn er ihnen angeboten wird, aus Mutwillen von sich stoßen und nicht an ihn glauben, denen werden auch alle anderen Sünden nicht verziehen, sondern zur Verdammnis zugerechnet. Darum ist in Wahrheit der Unglaube die größte Sünde.

10. um die Gerechtigkeit aber, dass ich zum Vater gehe, und ihr mich künftig nicht seht;

Gerechtigkeit: Der Heilige Geist wird die Welt auch strafen und sie lehren, welches die wahre Gerechtigkeit ist, die vor Gott gilt. Denn die Welt und die Heuchler meinen, die Menschen könnten mit der Gerechtigkeit vor dem Gericht Gottes bestehen, wenn sie ein ehrbares und äußerlich andächtiges Leben führen. Aber der Heilige Geist wird solche Gerechtigkeit verwerfen und etwas anderes lehren, nämlich, dass ich bald von euch hingerissen, leiden, sterben, zur Hölle fahren, von den Toten auferstehen und in den Himmel fahren werde. Dieser, mein Hingang zum Vater, ist die wahre Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Denn wem die Genugtuung und das Leiden und also der ganze Verdienst Christi zugerechnet werden, der ist vor Gott gerecht. Christi Verdienst ist unsere Gerechtigkeit. Daher sagt Paulus, Christus ist uns von Gott gemacht zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligkeit und Erlösung, auf dass, wie geschrieben steht: Wer sich rühmen will, der rühme sich des Herrn {1Kor 1}.

11. um das Gericht, dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.

Gerichtet ist: Dieses wird der Heilige Geist durch das Predigtamt des göttlichen Wortes den Menschen mit allem Fleiß auch einbilden, dass nämlich der Satan (der hier ein Fürst dieser Welt genannt wird, weil er die ungläubigen Menschen regiert und durch sie viel Unglück in der Welt anrichtet) von Gott zum ewigen, höllischen Feuer verurteilt und verdammt ist. Darum, wer nicht mit ihm das gleiche Urteil erhalten will, der soll sich von ihm losreißen und alle seine Werke meiden und fliehen. Den Frommen aber dient dies auch zum Trost, dass, weil der Satan von Gott verworfen und verstoßen ist, Gott seine Anklagen gegen die Auserwählten nicht hören wird, wie geschrieben steht. Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich und die Macht unseres Gottes seines Christus geworden, weil er (der Teufel) verworfen ist, der sie (die Auserwählten) verklagt Tag und Nacht vor Gott {Apg 12}. Darum sollen wir getrost sein. Denn obwohl wir gesündigt haben, aber wenn wir wahrhaftig an Christus glauben, so will Gott die Anklage des Satans nicht annehmen, Gott ist der, der uns gerecht macht, wer will es verdammen {Röm 8}? Auch sollen wir uns vor anderen Wütereien des Teufels nicht zu sehr fürchten, weil das Urteil im Himmel bereits gegen ihn ausgesprochen ist. Darum wird er nicht gegen uns wüten können, wie es ihm gefällt, sondern Gott wird ihm ein Gebiss einlegen und ein Ziel setzen, dass er nicht überschreiten können wird, bis er endlich in den ewigen Abgrund verstoßen wird.

12. Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt‘s jetzt nicht tragen.

Nicht tragen: Ich sehe, dass ich mich jetzt vergeblich bemühen würde, wenn ich auch euch noch so viel sagen und unterrichten würde, weil ihr es nicht versteht, was ich sage.

13. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht von ihm selber reden, sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.

Leiten: Und euch alles das offenbaren und erklären, was ihr jetzt nicht verstehen oder fassen könnt. Denn obwohl Christus die Apostel bereits viele Dinge gelehrt und unterrichtet hatte, zu behielten und verstanden sie doch den wenigsten Teil davon, weil sie zum Teil die Gedanken, die sie von dem äußerlichen und weltlichen Reich Christi hatten, zum Teil auch durch Traurigkeit daran gehindert wurden, als sie gehört hatten, dass Christus von ihnen scheiden wollte. Darum verheißt er ihnen abermals einen anderen Lehrer, nämlich den Heiligen Geist, durch dessen Erleuchtung sie verstehen würden, was sie damals noch nicht fassen konnten.

Hören wird: Von meinem Vater. Denn es ist nicht die Art des Heiligen Geistes, dass er Sachen erdichtet, an denen nichts ist, wie es der böse Feind, der Teufel, zu tun pflegt. Sondern derselbe, allerwahrhaftigste Geist wird euch solche Sachen offenbaren, die er von meinem himmlischen Vater und von mir hat. Und was in der Kirche zukünftig sein wird, das wird er euch zeitig kundtun, auf dass ihr die Kirche vor ihrer Gefahr warnen könnt und sie dem Unglück entgeht. Die Katholiken missbrauchen diesen Spruch schändlich, um alle ihre falschen Gottesdienste und Gottlosen Lehren damit zu beschönigen, die sie mit Zeugnissen aus der Heiligen Schrift nicht beweisen können. Denn sie sagen, so etwas steht zwar nicht in der Bibel, aber doch habe es der Heilige Geist in folgenden Zeiten der Kirche geoffenbart. Aber Christus redet hier allein von der Person der Apostel und von der Sendung des Heiligen Geistes am Pfingstsonntag und zeigt deutlich an, dass die Apostel dann mit dem Heiligen Geist so erleuchtet werden, dass sie alles wissen und verstehen werden, was sie zu der Wohlfahrt der Kirche benötigen. Dieses ist auch am Pfingstsonntag erfüllt worden. Denn sie haben damals eine viel herrlichere Erkenntnis Christi und der ganzen christlichen Religion aus Erleuchtung des Heiligen Geistes empfangen, als sie zuvor jemals gehabt hatten; und der Heilige Geist hat sie wahrhaftig in alle Wahrheit geleitet, ihnen auch zukünftige Sachen geoffenbart, sodass sie in ihren Schriften die Kirche gewarnt haben vor dem zukünftigen Antichristen, vor den Ketzereien, die in der Kirche entstehen werden, vor der Sicherheit, die am Ende der Welt bestehen wird, von der letzten Zukunft Christi und dergleichen. Aber die päpstlichen Fantasien und deren Aberglaube hat der Heilige Geist nirgends gelehrt; und wenn dergleichen etwas den Apostel am Pfingsttag geoffenbart worden wäre, so wären sie gewiss nicht so neidische oder untreue Prediger gewesen, dass sie das in ihren Schriften verhehlt oder verborgen hätten, besonders, da sie zur Wohlfahrt der Kirche so sehr nötig gewesen wären, wie die Romanisten meinen. Da die päpstlichen Satzungen zuerst nach dem Tod der Apostel der Kirche geoffenbart worden wären und die erste Kirche ohne diese hat selig werden können, so können wir auch ohne sie in den Himmel kommen. Aber weil die Katholiken sehen, dass sie kein Zeugnis der Schrift zur Verteidigung ihres Aberglaubens vorbringen können, so suchen sie in diesem Spruch Christi ihren Schlupfwinkel, den sie jedoch nicht finden. Weil demnach der Heilige Geist die Menschen in alle Wahrheit zu leiten pflegt, so sollen wir ihn bitten, dass er uns auch die Wahrheit lehrt und sie dabei beständig bis an unser Ende erhält. Denn Gott wird denen den Heiligen Geist geben, die ihn darum bitten {Lk 2}.

14. Derselbe wird mich verklären; denn von dem Meinen wird er‘s nehmen und euch verkündigen.

Verklären: Dass er meinen Namen herrlich und berühmt machen wird, indem er von meiner Person und von meinem Amt lehren wird, auf dass die Kirche versteht, wie ich nicht nur ein bloßer Mensch, sondern auch der ewige und wesentliche Sohn Gottes bin und dass ich auch nach der Menschheit zur Rechten Gottes sitze und ein Herr des Himmels und der Erde bin. Er wird auch lehren, wie ich das Gesetz Gottes vollkommen erfülle und mit meinem bittersten Leiden und Tod die Sünde des ganzen menschlichen Geschlechts gebüßt habe, sodass, wer an mich glaubt, nicht verloren wird, sondern das ewige Leben hat {Joh 3}. Die deswegen die Person Christi nicht herrlich machen, sondern verringern, indem sie entweder seine ewige Gottheit oder die Majestät seiner Menschheit leugnen und die sein Amt so verächtlich schätzen, dass sie uns heißen, mit unseren Werken für die Sünden genug zu tun, die werden nicht vom Geist Gottes getrieben, sondern von dem Geist, der uns Christus zu verdunkeln begehrt.

15. Alles, was der Vater hat, das ist mein; darum hab‘ ich gesagt: Er wird‘s von dem Meinen nehmen und euch verkündigen.

Verkündigen: Er wird euch von meiner Herrlichkeit und Majestät unterrichten, von der er weiß, dass ich sie mit dem Vater gemein habe. Denn der Vater hat nichts an Majestät, Herrlichkeit und Macht, was nicht sowohl von mir, als auch von meinem Vater gesagt werden könnte. Was aber der Sohn Gottes an Majestät und Macht von Natur aus hat, das hat des Menschen Sohn aus Gnade. Darum ist Christus, auch als einem Menschen, nichts unmöglich.

16. Über ein kleines, so werdet ihr mich nicht sehen, und aber über ein kleines, so werdet ihr mich sehen; denn ich gehe zum Vater.

Nicht sehen: eine Zeit lang. Denn es werden mich meine Feinde niederreißen, mich anspucken, geißeln, kreuzigen und töten. Christus wiederholt also, was er zuvor etliche Male gesagt hat, dass er weggehen und wiederkommen wird. Und er setzt einen sehr lieblichen Trost hinzu, nicht nur um der Apostel willen, sondern auch wegen der ganzen Kirche, auf dass wir wissen, es wird auf unsere Trübsal auch eine Freude folgen und unsere Traurigkeit wird sich in ewige Freude verändern.

Mich sehen: Denn ich werde am dritten Tage auferstehen und mich lebendig vor euch sehen lassen.

Zum Vater: Durch mein Leiden und meinen Tod, als ein Hohepriester, auf dass ich mit dem Opfer meines Todes die Sünden des menschlichen Geschlechts büße und bezahle. Denn wenn wir oft sicher sind, so steht ein großes Unglück vor der Tür und wiederum, wenn wir in Ängsten schweben, und keinen Ausweg sehen können, ist die Erlösung am allernächsten.

17. Da sprachen etliche unter seinen Jüngern untereinander: Was ist das, was er sagt zu uns: Über ein so werdet ihr mich nicht sehen, und aber über ein kleines, so werdet ihr mich sehen, und dass ich zum Vater gehe?

18. Da sprachen sie: Was ist das, was er sagt: Über ein kleines? Wir wissen nicht, was er redet.

Wissen nicht: Und können es mit unserem Verstand nicht begreifen, was er mit solchen Worten meint. Denn obwohl die Jünger die Rede ihres Lehrmeisters hätten gut verstehen sollen, besonders, weil er es ihnen auch schon lange vorher deutlich gesagt hatte, dass er gefangen, gegeißelt, gekreuzigt werden würde und am dritten Tage von den Toten wiederauferstehen würde. Jedoch, weil ihr Gemüt zum Teil mit Traurigkeit eingenommen war, zum Teil durch die Einbildung von dem zukünftigen weltlichen Reich Christi auf andere Dinge gerichtet war, so haben sie nicht verstanden, was Christus sagte. Wo auch der Heilige Geist unsere Herzen nicht erleuchtet, da verstehen wir das Wort Gottes nicht, wenn es uns auch sehr deutlich gepredigt wird. Darum, wenn wir die Predigt des göttlichen Wortes hören wollen, so sollen wir Gott bitten, dass er die Augen unseres Herzens öffnet. Wenn aber ein Gemüt mit einem verkehrten Wahn eingenommen ist, so versteht es nicht so schnell, was ihm aus dem Worte Gottes vorgehalten wird.

19. Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Davon fragt ihr untereinander, dass ich gesagt habe: Über ein kleines, so werdet ihr mich nicht sehen, und aber über ein kleines, so werdet ihr mich sehen.

Fragen wollten: Denn obwohl die Jünger noch nicht laut davon redeten, sondern es heimlich untereinander murmelten, so war doch dem Herrn Christus ihr Vorhaben nicht verborgen. Denn Christus sieht und kennt auch alle unsere Gedanken, die noch in unserem Herzen verborgen sind. Und er ist viel williger zu lehren, als wir, zu lernen.

20. Wahrlich, wahrlich, ich, sage euch: Ihr werdet weinen und heulen; aber die Welt wird sich freuen. Ihr aber werdet traurig sein; doch eure Traurigkeit soll in Freude verkehrt werden.

Sage euch: Und will es euch noch deutlicher erklären.

Heulen: Wenn ihr sehen werdet, wie ich zum Kreuz gehe.

Freuen: Die gottlosen Menschen werden von Herzen darüber froh sein, dass ich ihnen einmal in die Hände gekommen bin.

Verkehrt werden: Wenn ihr nämlich sehen werdet, dass ich den Tod überwunden habe und nach meiner Auferstehung lebendig mit euch umgehen werde. Denn die Kirche Christi ist in dieser Welt oft heftig geplagt und betrübt, worüber die gottlose Welt frohlockt und die Frommen noch dazu verspottet, aber wir sollen solche Trübsal und die Bosheiten der Welt mit Geduld ertragen und überwinden. Denn, so sicher wie es ist, dass Christus vom Tod auferstanden ist, so sicher ist es auch, dass unsere Traurigkeit in Freude umgewandelt wird.

21. Ein Weib, wenn sie gebiert, so hat sie Traurigkeit; denn ihre Stunde ist kommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denke sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass der Mensch zur Welt geboren ist.

Ein: Christus erklärt die Veränderung der Traurigkeit und Freude, Trübsal und Errettung mit einem Gleichnis von einer schwangeren Frau, dass wir, so oft wir von einer Frau hören, die in den Wehen liegt, wir daher Trost nehmen sollen.

Stunde: Da sie die Geburt mit großen Schmerzen in die Welt bringen muss und in solchem Kampf nicht nur das Leben der Mutter, sondern auch das des Kindes in Gefahr schwebt. Obwohl nun die Schmerzen der Geburt für sich selbst Strafen der Sünden sind, die Gott der Herr dem weiblichen Geschlecht auferlegt hat, so wird doch, wenn die schwangeren Frauen fromm und gottesfürchtig sind und an Christus glauben, diese Schmerzen und Gefährlichkeit in ein heiliges Kreuz, nach dem Spruch des Apostel Paulus, das Weib wird selig durch Kinder gebären, wenn sie bleibt im Glauben, in der Liebe und in der Heiligung, samt der Zucht {1Tim 2}.

Geboren ist: Solche Freude macht, dass die Mutter alle ihre vorherigen Schmerzen vergisst. Also gibt Gott den Seinen größere Freude wieder, als die vorige Traurigkeit gewesen ist.

22. Und ihr habt auch nun Traurigkeit, aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.

Traurigkeit: Weil ihr hört, dass ich von euch scheiden werde. Und es wird diese Traurigkeit zunehmen, wie die Schmerzen der Geburt.

Wiedersehen: Nachdem ich am dritten Tag vom Tode wiederauferstanden bin.

Nehmen: Denn wenn ich den Tod einmal überwunden habe, so wird er nicht mehr über mich herrschen. Und ihr werdet aus meiner und aus meines Evangeliums rechter Erkenntnis eine solche beständige Freude empfinden, dass keine äußere Trübsal oder Verfolgung sie aus eurem Herzen treiben kann. Denn, die Christus erkennen, die haben auch in der Trübsal eine innerliche Freude und sagen mit dem frommen Hiob: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt und er wird mich am Jüngsten Tage auferwecken und ich werde mit dieser, meiner Haut, umgeben werden und werde in meinem Fleisch Gott sehen {Hi 19}. Obwohl es manchmal geschieht, dass etliche Frauen in der Geburt sterben und eine solche zeitliche Freude nicht erlangen. Jedoch, wenn sie gottselig und fromm sind, so erlangen sie die ewige Freude. So auch die Christen, wenn sie aus der zeitlichen Trübsal nicht erlöst werden, so werden sie doch durch den Tod von allem Übel befreit und darauf folgt die Freude, die nicht vergänglich, sondern ewig ist.

23. Und an demselben Tage werdet ihr mich nichts fragen. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: So ihr den Vater etwas bitten werdet in meinen Namen, so wird er‘s euch geben.

Und: Christus fährt noch weiter fort, seine Jünger zu trösten, und verspricht ihnen herrliche Güter und Gaben, die sie nach der Traurigkeit empfangen werden.

Nichts fragen: Denn wenn ich von den Toten wiederauferstanden und in den Himmel gefahren bin, und ihr den Heiligen Geist am Pfingstsonntag empfangen habt, so werdet ihr nicht mehr so ungelehrig und unverständig sein, wie ihr es jetzt und bisher gewesen seid, wo ihr schier gar nichts verstanden habt, von alldem, was ich euch gesagt habe. Ja, auch wenn ihr mich etwas gefragt habt und ich euch darauf geantwortet habe, so habt ihr es doch nicht recht verstanden, was ich euch gelehrt habe. Aber wenn ihr den Heiligen Geist empfangen habt, so werdet ihr eine herrliche Erkenntnis in göttlichen Sachen bekommen. Und obwohl nun die Erzväter und Apostel vor dem Pfingsttag auch die rechte Erkenntnis Gottes gehabt haben, so ist sie doch sehr schlecht gewesen, wenn man sie mit dem hellen Licht vergleicht, dass später einmal folgt, und es ist gewesen wie ein Licht, das in der Nacht brennt, gegen den hellen Schein der Sonne. Darum sollen wir Gott, dem Herrn, für solch ein helles Licht, dass wir im Neuen Testament haben, Lob und Dank sagen. Denn wir können heutzutage durch Gottes Gnade aus den apostolischen Schriften Christus mit all seinen Gütern erkennen, der früher in dunklen Weissagungen und Schatten der Vorbilder und Opfer, den Vätern zu erkennen, vorgelegt war.

Wahrlich: Christus setzt noch einen Trost hinzu, der nicht nur die Jünger, sondern auch alle Christen angeht.

Meinem Namen: Im Namen Christi beten aber heißt, wenn wir begehren, dass wir um des Mittlers Christi und um seines Verdienstes willen erhört werden. Man soll aber solche Dinge erbitten, die dem göttlichen Willen nicht widerstreben. Was aber zu bitten erlaubt und zugelassen ist, das findet man im Vater Unser, sofern man es recht versteht. Und zwar, was zur Seligkeit der Seelen gehört, das soll man ohne Bedingungen fordern, was aber dieses zeitliche Leben betrifft, da muss man immer eine Bedingung daran hängen und mit Christus sagen: nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Weil wir also so herrliche Verheißungen haben, so sollen wir viel und oft beten und nicht zweifeln, dass wir erhört werden, obwohl wir es nicht sofort spüren oder empfinden.

24. Bisher habt ihr nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, so werdet ihr nehmen, dass eure Freude vollkommen sei.

Nichts gebeten: Denn, obwohl ihr gebetet hat, so habt ihr doch nicht mit so heller Erkenntnis meines Amtes gebetet, dass ihr gewusst oder verstanden hättet, wie euer Gebet um meines, des Mittlers willen, erhört wurde. Darum werdet ihr einmal den himmlischen Vater mit einer viel größeren Zuversicht anrufen und wissen, dass er um meinen, als seines eingeborenen, liebsten Sohnes willen, der euch aufgefordert hat, zu beten, euch nichts abschlagen wird. Die Erkenntnis Christi im Neuen Testament ist viel größer und herrlicher als im Alten Testament. Darum ist uns das Heil jetzt näher, wie es der Apostel Paulus sagt {Röm 13}.

Vollkommen sei: Und euch recht freuen könnt. Ihr sollt aber vornehmlich um Vergebung der Sünden und die ewige Seligkeit, auch um glücklichen Fortgang meines Reiches und dergleichen geistliche Güter beten, die in den Herzen der Menschen eine rechtschaffene Freude erwecken. Denn die zeitlichen Güter sind vergänglich, die verbotenen Wollüste verletzen das Gewissen, weshalb keine vollkommene und beständige Freude dabei sein kann. Wer aber weiß, dass er Vergebung der Sünden hat und vom himmlischen Vater an Kindes statt angenommen worden ist und auch von ihm geliebt wird, der kann sich recht freuen, obwohl er in der Welt mit vielen Beschwerden geplagt wird.

25. Solches hab‘ ich zu euch durch Sprichwörter geredet. Es kommt aber die Zeit, dass ich nicht mehr durch Sprichwörter mit euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündigen von meinem Vater.

Solches: Christus verheißt den Jüngern abermals einen besseren und klareren Verstand der göttlichen Sachen, weil er sah, dass er mit Lehren bisher wenig bei ihnen ausgerichtet hatte.

Zeit: Nämlich, am Pfingsttag, wohin es nicht mehr lange ist, will ich euch durch den Heiligen Geist, den Willen meines himmlischen Vaters auf das Klarste offenbaren. Zwar habe ich bisher auch deutlich genug gesprochen, aber ihr habt es größtenteils nicht genug verstanden, sondern es sind euch gleichsam lauter Sprichwörter gewesen. Aber später einmal werdet ihr verstehen, als ob ich von Neuem begonnen hätte, euch zu unterrichten. Gleichwie die Erkenntnis der Jünger Christi zu unterschiedlichen Zeiten zugenommen hat, so nimmt auch der gottseligen Glaube nach und nach zu. Darum sollen wir uns nicht mehr verdrießen lassen, das Wort Gottes zu hören.

26. An demselben Tage werdet ihr bitten in meinem Namen. Und ich sage euch nicht, dass ich den Vater für euch bitten will;

Tage: Nämlich am Pfingsttag, wenn ihr den Heiligen Geist empfangen habt, werdet ihr mich recht erkennen lernen. Darum werdet ihr auf das Vertrauen meines Verdienstes mit großer Freude aus Glauben vor meinen himmlischen Vater treten und ihn anrufen, der auch euer Gebet willig erhören wird.

27. denn er selbst, der Vater, hat euch lieb, darum dass ihr mich liebt und glaubt, dass ich von Gott ausgegangen bin.

Mich liebt: Als seinen eingeborenen Sohn und an mich glaubt. Darum will ich nicht allein für euch bitten, sondern ihr werdet zugleich mit mir vor den himmlischen Vater treten und in meinem Namen, oder auf meinen Befehl und Vertrauen meines Verdienstes werdet ihr bitten, was euch nottut, und ihr werdet den allergnädigsten Willen meines himmlischen Vaters gegen euch spüren. Denn Christus bittet zwar ständig für uns, da er zur Rechten Gottes sitzt {Röm 8}, aber nicht so, dass wir unterdessen nicht vor das Angesicht Gottes kommen dürften. Und der himmlische Vater liebt alle diejenigen, die Christus lieb haben. Aber doch ist unsere Liebe nicht der Grund dafür, dass uns deshalb Gott liebt, denn er hat uns erst geliebt, wie Johannes bezeugt in seiner ersten Epistel im vierten Kapitel, wo er spricht: Darin besteht die Liebe, nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat, und seinen Sohn gesandt hat, zur Versöhnung für unsere Sünden.

28. Ich bin vom Vater ausgegangen und kommen in die Welt; wiederum verlasse ich die Welt und gehe zum Vater.

Welt: Also, dass ich menschliche Natur angenommen habe und nicht nur sie, sondern auch Knechtsgestalt, dass ich allen menschlichen Schwachheiten und allem Jammer, was einem Menschen begegnen kann, teilhaftig geworden bin, jedoch die Sünde ausgenommen. Und ich habe dies getan, auf dass sich in der Knechtsgestalt mit meinem Leiden das menschliche Geschlecht erlöse.

Wiederum: Wenn ich das Amt eines Mittlers auf Erden völlig verrichtet haben werde.

Zum Vater: Nicht, dass ich die menschliche Natur ablegen werde, die ich in Einigkeit der Person angenommen habe, sondern die menschlichen Schwachheiten und Gebrechlichkeiten will ich ablegen und nicht mehr sichtbar unter den Leuten umgehen, wie ich es bisher getan habe. Denn ich will auch nach meiner menschlichen Natur in die himmlische Herrlichkeit und vollkommene Glückseligkeit eingehen. Gleichwie aber Christus, indem er vom Vater ausgegangen und menschliche Natur an sich genommen hat, samt dem menschlichen Schwachheiten, darum den Vater nicht verlassen hat, so hatte eben derselbe Christus, indem er die Schwachheiten und Gebrechlichkeit abgelegt hat und in völlige Majestät eingegangen ist, seine Kirche nicht verlassen, die noch auf Erden ist. Denn er hat gesagt: Ich bin bei euch, alle Tage, bis ans Ende der Welt, Matthäus im 28. Kapitel. Es hat aber Christus auch verheißen, dass er seine Kirche einmal zu der rechten Glückseligkeit führen will, wenn er sagt: Wenn ich hingehe und euch den Ort bereite, so will ich doch wiederkommen und euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seid {Joh 14}.

29. Sprechen zu ihm seine Jünger: Siehe, nun redest du frei heraus und sagst kein Sprichwort.

Seine Jünger: Dass sie auf die Rede Christi eine närrische und ungereimte Antwort geben.

Frei heraus: Dass wir keine Dunkelheit in deiner Rede spüren.

Kein Sprichwort: Deine Worte sind uns keine dunklen Sprichwörter, die wir nicht verstehen können, darum brauchen wir keine neuen Lehrmeister.

30. Nun wissen wir, dass du alle Dinge weißt und bedarfst nicht, dass dich jemand frage. Darum glauben wir, dass du von Gott ausgegangen bist.

Weißt: Wir spüren und merken, dass dir auch die Gedanken der Menschen bekannt sind, darum ist es unnötig, dass du aus einer Rede oder einer Frage seine Meinung erkundest. Daher glauben wir, dass du ein Prophet, ja unser Messias bist, der von Gott gesandt ist. Was soll uns also an unserer Wissenschaft noch weiter fehlen? Meinst du nicht, wir sind in deiner Erkenntnis weit genug gekommen? Die menschliche Natur ist so geartet, dass sie sich ungern der Torheit und Unwissenheit beschuldigen lässt, sondern sie meint, sie sei sehr schlau, auch wenn sie kaum den zehnten Teil von einer Sache versteht?

Jemand frage: (Nach Luther) Das heißt: Man darf dich nicht fragen, denn du kommst als der, der das Herz und alles heimlich sieht, mit deiner Antwort zuvor.

31. Jesus antwortete ihnen: Jetzt glaubt ihr.

32. Siehe, es kommt die Stunde und ist schon kommen, dass ihr zerstreut werdet, ein jeglicher in das Seine, und mich alleine lasst. Aber ich bin nicht alleine; denn der Vater ist bei mir {Mt 26v31 Mk 14v27}.

Schon kommen: Die Zeit ist bereits da, wo ihr euch an meinem Leiden sehr ärgern und stoßen werdet und ein jeder seine Sache wahrnehmen will, damit er sich an einen sicheren Ort begeben kann; und ihr werdet mich verlassen, zum Teil auch verleugnen, obwohl ihr euch jetzt selbst einredet, als hättet ihr einen sehr starken Glauben an mich. Denn außerhalb der Gefahr halten wir uns selbst für sehr stark im Glauben, aber in Anfechtungen und Trübsal zeigt es sich, wie schwach und gering unser Glaube ist. Darum sollen wir diesen mit dem Wort und dem Heiligen Abendmahl stärken, weil wir Zeit und Gelegenheit haben, und Gott bitten, dass er unseren Glauben mehrt, damit er nicht einmal verlöscht.

Bei mir: Weil er nicht allein mit mir eines Wesens ist, nach der göttlichen Natur, sondern er ist auch so bei mir, dass er mich, als des Menschen Sohn, in keiner Trübsal oder Gefahr verlässt. Denn obwohl Christus danach am Kreuz, dem äußeren Anschein nach und wie er es im Fleisch empfand, sich von Gott verlassen fühlte, so war er doch nicht so von seinem himmlischen Vater verlassen, dass er ihn nicht auch mitten im Tod erhalten hätte, damit er nicht zugrunde ging. Wenn wir also auch meinen, dass wir von allen Menschen verlassen werden, was besonders in Todesnöten geschieht, so sollen wir doch mit Christus sagen: Ich bin nicht allein, denn der himmlische Vater ist bei mir. Und sollen mit David sprechen: Obwohl ich schon wandele im finsteren Tal (des Todes), so fürchte ich kein Unglück, denn du, Herr, bist bei mir {Ps 23}.

33. Solches habe ich mit euch geredet, dass ihr in mir Frieden habet. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.

Solches: Es folgt das Ende der Predigt Christi.

Frieden habt: Und euch an meinen Trost haltet, damit ihr nicht von mir abstrahlt, oder verzagt, darum habe ich es euch jetzt vorher anzeigen wollen, bevor ich leide und euch solche Trübsal überfällt. Denn ein Christ muss in seinem Herzen gegen allerlei Anfechtungen gefasst sein, damit, wenn sie kommen, er mit der Hilfe göttlicher Gnade, diese überwinden kann.

Angst: Dass ihr in großer Angst sein werdet. Dies fügte Christus deshalb hinzu, damit die Jüngern nicht meinten, er würde von einem äußeren Frieden und leiblicher oder zeitliche Ruhe sprechen.

Überwunden: Ich bin ein siegreicher Überwinder des Teufels, des Todes, der Hölle und allen Übels, das in der Welt sein mag und erdacht werden kann. Ich überwinde aber nicht allein meinetwegen, sondern auch euretwegen, auf dass auch ihr euch mit mir über den Sieg freut und alle Widerwärtigkeiten mit Geduld übersteht. Deshalb sollen wir unser Herz gegen alle Trübsal gefasst machen, denn das Kreuz Christi muss einmal getragen sein. Wir sollen aber daneben bedenken, dass die ganze Welt von Christus dermaßen überwunden ist, dass uns keine Widerwärtigkeiten schaden können {Röm 8}.


Das 17. Kapitel

  • Weil es einem Hohepriester zustand, dass er nicht allein für die Sünden opfert, sondern auch für die Gemeinde betet, so tat unser Hohepriester, Christus, nach seiner herrlichen Predigt, ein inbrünstiges Gebet zu Gott, seinem himmlischen Vater, dass die Kirche erhalten und selig wird. Und weil das auf keine andere Weise geschehen konnte, außer, dass der Hohepriester, Christus, der ganzen Welt bekannt wäre, so bittet er den Vater, dass sein Name verklärt wird, damit man ihn für den eingeborenen, ewigen und wesentlichen Sohn Gottes, Messias und Heiland der Welt, erkennt.

1. Solches redete Jesus und hob seine Augen auf gen Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist hier, dass du deinen Sohn verklärst, auf dass dich dein Sohn auch verkläre,

Solches: Was in den vorigen drei Kapiteln steht.

Gen Himmel: Willens, sein Gebet zu seinem himmlischen Vater zu tun. Wir pflegen auch gemeinhin, wenn wir beten wollen, die Augen zum Himmel zu erheben, zwar nicht in der Meinung, als ob Gott im Himmel eingeschlossen und sonst nirgends auf der Erde gegenwärtig wäre, denn Gott erfüllt Himmel und Erde {Jer 23}, sondern, dass wir damit zu verstehen geben, wir beten den allmächtigen Gott, Schöpfer des Himmels und der Erde an. Diese allgemeine Wissenschaft ist von Gott in die Herzen der Menschen von Natur aus eingepflanzt, daher liest man auch von den Heiligen, dass sie, wenn sie ihre Götter anrufen, die Hände und Augen zum Himmel aufgehoben haben. Sonst liegt nicht zu viel daran, was für Gebärden wir beim Beten gebrauchen, wenn nur das Gebet ernst ist und aus dem wahren Vertrauen zu Gott und dem Mittler Christus herkommt.

Sprach: Mit ausreichend deutlicher Stimme, dass die Jünger, die dabei gewesen sind, dieses, sein Gebet wohl hören konnten. Wenn man auch mit dem innerlichen Seufzen des Herzens beten kann, so ist es doch nützlich und gut, das Gebet öffentlich zu sprechen, damit wir unsere Gedanken zusammenhalten und diese nicht zu weit ausschweifen. So wird auch unser Nächster bisweilen, wenn er unser Gebet hört, zur Anrufung des göttlichen Namens gelockt.

Vater: Es hat aber Christus Gott, den Herrn zu Recht seinen Vater nennen können, von dem er von Ewigkeit her auf unaussprechliche und der menschlichen Vernunft unerforschliche Weise, geboren wurde. Doch derselbe himmlische Vater hat auch uns, um Christi willen, zu Kindern angenommen und uns seinen Heiligen Geist geschenkt, sodass wir ihn auch mit solchem Namen nennen dürfen und sagen: Vater unser, der du bist im Himmel. Denn er hat ein väterliches Herz für uns.

Verklärst: Die Zeit ist gekommen, dass mein Name bekannt gemacht und durch das Predigtamt des Evangeliums in der ganzen Welt gepriesen wird, damit ich, als dein eingeborener, wesentlicher Sohn, ewiger Gott, Herr des Himmels und der Erde, der einzigen Mittler und Heiland der Welt, erkannt werde. Die deswegen anders von Christus lehren und entweder die Gottheit Christi, oder seine menschliche Natur leugnen, oder der Menschheit die himmlische Majestät entziehen, oder andere, weitere Mittler zwischen Gott und den Menschen setzen, die verklären Christus nicht, sondern verdunkeln und schmähen ihn viel mehr.

Auch verkläre: Christus verspricht, dass er den Namen seines himmlischen Vaters wiederum verklären und herrlich machen wird. Dies geschieht durch das Evangelium Christi, wenn seine Güte, Barmherzigkeit und Gnade gegen das menschliche Geschlecht ausgebreitet, gerühmt und gepriesen wird. Denn das Evangelium Christi lehrt, Gott der Vater habe die Welt so geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gegeben hat, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben {Joh 3}.

2. gleichwie du ihm Macht hast gegeben über alles Fleisch, auf dass er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast {Ps 8v7 Mt 28v18 Joh 3v35}.

Alles Fleisch: Das ganze menschliche Geschlecht, als da sind die Juden und Heiden, hast du mir übergeben, dass ich sie selig machen soll, darum gibt, dass mein Evangelium mit großem Nutzen und glücklichen Fortgang den Leuten gepredigt wird.

3. Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, dass du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.

Erkennen: Denn die Erkenntnis Gottes ist dazu immer vonnöten, dass die Menschen das ewige Leben erlangen. Und wo wir Gott aus Glauben nicht recht erkennen, da können wir nicht selig werden. Wenn wir aber den wahren Gott und seinen eingeborenen Sohn, Jesus Christus, durch den Glauben erkannt haben, so sind wir Erben des ewigen Lebens. Ja, es ist die lieblichste Erkenntnis des allergütigsten Gottes, ein Stück des ewigen Lebens. Es leistet aber dieser Text der Schrift den Arianern keinen Vorschub, wenn sie mit lästerlichem Maul bestreiten, der Sohn sei nicht wahrer Gott, sondern allein der Vater. Denn damit, dass der Sohn Gottes hier bekennt, der Vater sei allein wahrer Gott, schließt er sich selbst von der ewigen Gottheit nicht aus, sondern setzt dem Vater den erdichteten Götzen entgegen, die hin und wieder in der Welt geehrt werden. Und die Schrift spricht zuweilen von Gott dem Vater, nicht als von einer unterschiedenen Person in der Heiligen Dreifaltigkeit, sondern als vom göttlichen Wesen, indem die anderen Personen von der Gottheit nicht ausgeschlossen werden. Denn Christus sagt von sich selbst: Ich und der Vater sind eins {Joh 10}. Darum ist er auch wahrer Gott. Und Johannes in seiner ersten Geschichte, Kapitel 5, sagt von Christus: Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben.

4. Ich habe dich verklärt auf Erden und vollendet das Werk, das du mir gegeben hast, dass ich‘s tun sollte.

Auf Erden: Während ich auf Erden in sichtbarer Gestalt gewandelt und herumgezogen bin, so habe ich mein Amt fleißig verrichtet, habe gelehrt und herrliche Wunderwerke getan und dieses alles, dir zu Ehren. Ich habe gesagt, meine Lehre ist nicht meine, sondern deine. Habe auch angezeigt, dass ich auf deinen Befehl Wunderwerke tue und alles dir zuschreibe, zu dem Ziel, auf dass du erkannt wirst und dein Name gepriesen wird. Weil ich nun deine Ehre auf das Treueste gefördert habe, so bitte ich dich, dass du mich nun wiederum auch förderst. Darum gibt mir jetzt und als des Menschen Sohn aus Gnade die Majestät, die ich bei dir, als Gottes Sohn, gehabt habe, ehe ich Mensch geworden bin, vor dem Anfang der Welt. Dieses Zeugnis ist auch wohl zu merken gegen die Arianer, von der ewigen Gottheit des Sohnes Gottes. Denn vor der Erschaffung der Welt ist nichts gewesen, als Gott.

5. Und nun verkläre mich du, Vater, bei dir selbst mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.

6. Ich habe deinen Namen offenbart den Menschen, die du mir von der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort behalten.

Menschen: Nämlich den Aposteln und anderen meinen Jüngern, die du mit deinem Geist erweckt hast, dass sie meinem Evangelium geglaubt und mich für den Messias erkannt haben. Denn obwohl die Bosheit der Welt groß ist, so schenkt doch der himmlische Vater seinem eingeborenen Sohn immer zu etliche Menschen in der Gottlosen Welt, dass sie auf die Offenbarung seines Namens, das heißt, durch die Predigt des Evangeliums, an Christus glauben und selig werden.

Waren dein: Denn du hattest sie zur Ehre deines Namens geschaffen, aber du hast sie mir geschenkt, dass sie an mich geglaubt und meine getreuen Apostel und Diener geworden sind. Diese haben dein Wort nicht verachtet oder verworfen, sondern es angenommen und sind beständig dabei verharrt, darum wolltest du sie nicht verlassen. Denn obwohl in den Gläubigen mancherlei und oft genug auch große Schwachheiten sind, spricht Gott dennoch von ihnen, dass sie Gottes Wort gehalten haben, wenn sie nur vom Glauben nicht abgefallen sind.

7. Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, sei von dir.

Von dir: Als von dem ewigen, wahren Gott. Denn meine Apostel haben bis hierhin so viel gelernt, dass sie erkannt haben, meine Lehre, meine Wunderzeichen und alles, was an mir zur Verwunderung Anlass gibt, ist von dir, meinem himmlischen Vater, hergekommen.

8. Denn die Worte, die du mir gegeben hast, hab‘ ich ihnen gegeben; und sie haben‘s angenommen und erkannt wahrhaftig, dass ich von dir ausgegangen bin, und glauben, dass du mich gesandt hast.

Ihnen gegeben: Dass ich die rechte Lehre, die ich von dir empfangen habe, ihnen treu vorgelegt und erklärt habe, so haben sie diese auch mit Willen angenommen und glauben nun, dass ich dein eingeborener Sohn bin, von dir in dieser Welt zum Heiland und Seligmacher des menschlichen Geschlechts gesandt. So, wie aber die Apostel aus den Predigten Christi den rechten Glauben an ihn gelernt haben, durch Mitwirkung des Heiligen Geistes, so bekommen auch alle anderen Menschen den rechten Glauben an Christus, nicht aus dem Nachsinnen oder aus Verzückung und plötzlichem Einfallen des Heiligen Geistes, sondern aus der Predigt des heiligen Evangeliums.

9. Ich bitte für sie und bitte nicht für die Welt, sondern für die, so du mir gegeben hast; denn sie sind dein.

Für sie: Weil sie meine lieben und gehorsamen Jünger sind, so will ich sie dir in meinem Gebet befohlen haben, dass du sie erhältst, auf dass sie nicht verloren werden. Denn der Satan und die Welt werden sie hart anspringen. Es betet aber auch heutzutage noch Christus, sitzend zur Rechten Gottes, des Vaters, für die, die an ihn glauben, ebenso, wie er es vorzeiten für seine Apostel erbeten hat {Röm 8}.

Nicht für die Welt: (Nach Luther) Das heißt, ich bitte nicht, dass du dir die Vorhaben und die Taten der Welt gefallen lässt. Gleichwie Moses, Nummer 16.15. bittet, dass Gott das Opfer des Korah nicht annehmen soll, sonst soll man für die Welt bitten, dass sie bekehrt werde.

Welt: Nämlich für die Unbußfertigen in der Welt, die nicht selig werden, sondern für meine Apostel und andere Gläubige bitte ich, denen du gegeben hast, dass sie an mich glauben. Diese sind von dir zum ewigen Leben erschaffen und mir geschenkt. Denn für die Unbußfertigen soll man nicht bitten, dass sie in ihrem Vorhaben Glück haben, sondern man soll Gott anrufen dass die, die bis ans Ende ihres Lebens in Ihrem gottlosen Wesen beharren, zuschanden werden.

10. Und alles, was mein ist, das ist dein, und was dein ist, das ist mein; und ich bin in ihnen verklärt.

Ist dein: Weil wir alles miteinander gemein haben. Darum sorgst du auch für meine Apostel, die mit der Predigt des Evangeliums in der Welt meinen Namen verklären und herrlich machen werden. Solche Ehre gehört auch dir. Diese Worte Christi von der Gemeinschaft aller Dinge mit dem Vater zeugen von der Gleichheit des Vaters und des Sohnes gegen die Arianer.

11. Und ich bin nicht mehr in der Welt; sie aber sind in der Welt, und ich komme zu dir. Heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen, die du mir gegeben hast, dass sie eins seien gleichwie wir!

Nicht mehr: Dass ich nicht, wie bisher geschehen, weiter unter ihnen in der Welt umgehen werde.

Sind in der Welt: Und werden von mancherlei Zufällen in der Welt umhergetrieben werden.

Komme zu dir: Dass ich durch den Tod in die himmlische Herrlichkeit eingehen werde, daher werden sie meinen, sie sind meiner Gegenwart beraubt. Darum möchtest du sie dir anbefohlen sein lassen, damit sie sich über mein Leiden nicht allzu sehr ärgern, nicht von mir abfallen und verloren werden. Dies muss man von der sichtbaren Gegenwart Christi auf Erden verstehen, nach der Christus nicht mehr in dieser Welt ist. Unterdessen aber ist und bleibt er bei seiner Kirche in unsichtbarerweise bis an den Jüngsten Tag, denn er sagt: Siehe, ich bin bei euch, alle Tage, bis ans Ende der Welt {Mt 28}.

Heiliger: Jetzt erklärt Christus deutlicher, was er der Apostel halber bittet. Als wollte er sagen: Allerheiligster Vater, an dem kein Mangel oder Fehler zu spüren und darum auch nicht zu tadeln oder zu schelten ist, erhalte meine Jünger, die du mir zu Aposteln gegeben hast um deines Namens Ehre willen, dass sie durch keine Anfechtungen oder Trübsal gestürzt und verloren werden, sondern gibt, dass gleich, so wie ich und du eines sind im Wesen, so auch sie, mit allen Auserwählten ein geistlicher Leib unter einem Haupt Christi sind und bleiben. Gib auch, dass gleich, wie unser beider Wille eins ist, dass sie in der Lehre auch immer eins bleiben. Es ist aber Gott sozusagen allein heilig, von dem auch alle Heiligkeit herkommt. Die Menschen aber alle miteinander (Christus allein ausgenommen), sind in Sünden empfangen und geboren und sind von Natur aus Sünder, Ungerechte und Gottlose. Wenn wir aber an Christus glauben, so werden wir vor Gott heilig geachtet um des Mittlers willen und werden geheiligt, oder wiedergeboren vom Heiligen Geist, damit dann alle Verheißungen der Heiligen Schrift uns zugehören, die von den heiligen und gerechten Leuten gesagt sind. Weil auch Christus so inbrünstig bittet, dass die Apostel erhalten werden, so zeigt er an, dass zwar alle Christen, besonders aber die Kirchendiener in vielen und großen Gefahren stecken, darum soll ein jeder für sich selbst und für andere fleißig beten. Und weil alle Gläubigen an Christus ein geistlicher Leib sind, dessen Haupt Christus ist, so sollen wir sicher daraus schließen, dass uns in unseren Trübsalen und Anfechtungen durch das Gebet der ganzen Kirche, ja auch durch die Fürbitte Christi geholfen wird. Weil auch in der apostolischen Lehre eine gleichförmige Einhelligkeit sich befindet, so sollen wir diese Lehre in der Kirche steif behalten, dann wird auch unter uns eine rechte Einigkeit sein.

12. Dieweil ich bei ihnen war in der Welt, erhielt ich sie in deinem Namen. Die du mir gegeben hast, die habe ich bewahrt, und ist keiner von ihnen verloren ohne das verlorene Kind, dass die Schrift erfüllt würde {Ps 109v8}.

Ihnen war: Dass ich sichtbar und täglich mit ihnen umgegangen bin, da habe ich mit Lehren, Ermahnen und Trösten so viel bei ihnen vermocht, dass sie von mir nicht abgefallen sind, habe auch nicht zugelassen, dass ihnen jemand Gewalt antut, oder dass an notwendigen Sachen ein Mangel aufkam, was ich aus deinen Befehl, Kraft und Willen getan habe. Ich bin ihr Schutzherr gewesen.

Bewahrt: Und erhalten, dass sie nicht von mir abgefallen sind.

Verloren: Sie halten noch alle mit Glauben zu mir.

Verlorenes Kind: Judas Ischariot, der Gottlose, verkehrte Mensch, Dieb und Verräter, der damals im Herzen von mir abgefallen ist und jetzt nur noch mit dem Gedanken umhergeht, wie er mich meinen Feinden verraten und ausliefern kann. Dieses verursacht mir ein großes Herzeleid, besonders wegen seines ewigen Verderbens.

Schrift: Die ihm im 41. und 55. Psalm zuvor schon lange verkündigt hat, dass einer von den Jüngern und Freunden ihn verraten würde. Wenn nun einer unter den zwölf Jüngern ist, der ein gottloser Mensch und Verräter gewesen ist, so soll man nicht meinen, dass irgend eine Kirche so heilig ist, worin nicht etliche gottlose Leute mit untergemischt werden, die verloren werden, obwohl es die Kirchendiener an ihrem möglichen Fleiß nicht mangeln lassen.

13. Nun aber komme ich zu dir und rede solches in der Welt, auf dass sie in ihnen haben meine Freude vollkommen.

Zu dir: Denn ich werde durch den Tod des Kreuzes zu dir in die himmlische Herrlichkeit eingehen und nicht mehr auf die vorige Weise mit ihnen auf Erden umgehen. Daher habe ich dieses Gebet vorher mit heller Stimme für meine Apostel sprechen wollen, auf dass sie beide, sie und die anderen Christen, wenn sie mit Trübsal und Anfechtungen unterdrückt werden, aus diesem, meinem Gebet, Trost und Freude nehmen, da ich so inbrünstig bei meinem Vater für sie gebetet habe, und sie sollen nicht zweifeln, dass dieses, mein Gebiet kräftig ist. So oft es uns deswegen scheint, als ob wir verlassen wären und mit unzähligem Unglück überfallen, so sollen wir uns mit diesem inbrünstigen und kräftigen Gebet Christi trösten. Denn, dass er nicht nur für die Apostel, sondern auch für alle, die durch die Lehre der Apostel an Christus glauben, gebetet hat, wird bald danach aus diesem Gebet deutlich werden. Welcher vernünftige Mensch wollte aber bezweifeln, ob der eingeborene Sohn Gottes erhört wurde? Der heute sitzt zur Rechten Gottes und uns vertritt {Röm 8}.

14. Ich hab‘ ihnen gegeben dein Wort, und die Welt hasst sie; denn sie sind nicht von der Welt, wie denn auch ich nicht von der Welt bin.

Dein Wort: Das Predigtamt des Evangeliums habe ich ihnen befohlen und will es ihnen auch weiterhin befehlen, dass sie die Leute lehren, wie sie die rechte und ewige Seligkeit erlangen können. Für diese Guttat sollte sie die Welt sehr lieb haben, aber das Gegenteil geschieht. Denn die Welt hat bereits angefangen, sie zu hassen, und wird sie noch mit viel größeren Hass verachten, als jemals zuvor, weil sie nicht solche Sachen lehren, die der Welt wohl zusagen und auch nicht so gesinnt sind, wie es die Welt ist, gleich, wie auch ich anders lehre und handle, als die Welt es haben möchte. Darum ist es kein Wunder, dass die Welt mich und die Apostel hasst. Deswegen bitte ich dich, dass du meine Apostel in so großen Gefahren und Trübsal erhältst. Denn die Kirchendiener sollen nicht auf die Gunst der Welt warten, zumal, wenn aus der Heiligen Schrift solche Dinge gelehrt werden, die der menschlichen Vernunft widerstreben und dem verderbten Fleisch missfallen, so tobt die Welt gegen solche Lehre und unterdrückt sie mit mancherlei Praktiken, bringt sie bisweilen sogar auch ums Leben.

15. Ich bitte nicht, dass du sie von der Welt nimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Übel.

Nimmst: Und bald aus diesem Leben in ein anderes und himmlisches versetzt. Denn sie haben den Lauf ihrer Aufgabe noch nicht vollendet, und müssen noch etliche Jahre lang mein Evangelium in der ganzen Welt mit großem Nutzen predigen.

Übel: Unter so vielen Anfechtungen, Angst und Trübsal möchtest du sie erhalten, dass sie ihren Glauben und ihre Aufgabe nicht verlassen und ewig verderben. Dazu bitte ich auch, dass du ihr Leben so lange schützt, bis sie das Ziel ihres Berufs erreicht haben. Denn der Satan wird ihnen auf tausenderlei Weise und tausenderlei Wegen nachtrachten und die Welt wird sie auf das Heftigste und Gräulichste verfolgen. Es bittet aber Christus dieses von seinem himmlischen Vater nicht in dem Sinn, als ob Christus selbst seine Kirche nicht erhalten könnte oder wollte, sondern weil er im Stande seiner Erniedrigung und in der Knechtsgestalt war. So richtet er alles auf die Ehre seines himmlischen Vaters, nichtsdestoweniger aber schützt er heutzutage, im Stande der Erhöhung, da er zur Rechten des Vaters sitzt, seine Kirche und alle rechtschaffenen Glieder desselben und erhält sie, dass sie niemand aus seiner Hand reißen kann. Wir sollen auch unser Gebet auf solche Weise zu stellen lernen, dass wir nämlich nicht begehren, Gott wollte uns aus der Welt wegnehmen, ehe wir vollendet haben, was unsere Aufgabe erfordert, sondern wir sollen bitten, er möge uns vor dem Übel behüten, damit wir nicht vom Teufel überwunden, gestürzt und verloren werden. Auch sollen wir bitten, dass wir in der Gefahr erhalten werden, solange Gott unseren Dienst in dieser Welt gebrauchen will.

16. Sie sind nicht von der Welt, gleichwie auch ich nicht von der Welt bin.

17. Heilige sie in deiner Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit.

18. Gleichwie du mich gesandt hast in die Welt, so sende ich sie auch in die Welt.

Sie auch: Denn ich will meine Apostel nicht in die Welt aussenden, dass sie levitische Opfer tun sollen, sondern, dass sie durch ihr Predigtamt es schaffen und zuwege bringen, dass die Juden und Heiden sich mir geistlich opfern und sich in meinen Gehorsam ergeben, Römer im 12. Kapitel. Gleich, wie du mich in die Welt gesandt hast, dass ich das Evangelium predigen soll {Jes 61 Lk 4}. Ich bitte aber nicht, dass du meine Apostel zum Predigtamt des Evangeliums weihst oder heiligst mit levitischen Zeremonien, womit die levitischen Priester dir früher geweiht und geheiligt werden mussten {3Mos 9}. Denn das levitische Priestertum hat sein Ende erreicht, und muss abgetan werden. Sondern ich bitte, dass du sie mit wahrer und reicher Erkenntnis deines Wortes begabst, damit sie andere recht und heilsam lehren können. Denn die Erkenntnis der Wahrheit, das heißt, das Wort Gottes, ist die rechte Weihe und Heiligung zum evangelischen Predigtamt. So werden wir auch zu Kindern Gottes geweiht und geheiligt mit dem Wort des Evangeliums, wenn wir dieses mit Glauben ergreifen.

19. Ich heilige mich selbst für sie, auf dass auch sie geheiligt seien in der Wahrheit.

Mich selbst: Denn deshalb widerfährt den Aposteln solch eine Guttat, dass sie geheiligt und zu Dienern des Evangeliums geweiht werden, auch die ewige Seligkeit erlangen, weil ich mich selbst (spricht Christus) für sie heiligen und aufopfern will, damit ihre Sünden versöhnt werden, der Heilige Geist auf sie kommt und sie so taugliche Prediger des Evangeliums werden. Denn, dass uns die Sünden verziehen und wir also mit dem Wort Gottes durch den Heiligen Geist geheiligt werden, das uns auch tauglich macht, um unser Amt und unsere Stelle in der Kirche Gottes zu versehen und verrichten zu können, dies alles geschieht nicht aus unseren Kräften, oder aus eigenem Verdienst, sondern allein durch den Verdienst Christi, denn wir darum zu danken haben.

20. Ich bitte aber nicht alleine für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden,

Für die: Alle miteinander, egal ob sie Juden oder Heiden sind.

Ihr Wort: Das der Apostel, die es hören. Denn damit nicht jedermann meint, Christus spricht in diesem Gebet allein von den Aposteln und lasse daneben die Kirche außer acht, so lehrt er deutlicher, was seine Meinung eigentlich ist und zeigt an, dass er auch für die ganze Kirche bittet. Das Wort der Apostel aber ist das Evangelium von Christus, dass nämlich im Namen Christi, das heißt, um seines Verdienstes willen, Vergebung der Sünden erlangen alle die, die an ihn glauben {Apg 10}. Weil nun wir auch diesem apostolischen Wort glauben, so ist es sicher, dass Christus auch für uns gebetet hat und noch heutzutage für unsere Seligkeit den Vater bittet {Röm 8}. Deswegen sind die wahre Kirche nicht die, die den Namen der Kirche führen und daneben die Lehre der Apostel als eine Ketzerei verdammen und verfolgen, sondern die, die dem Evangelium, wie es durch die Apostel gepredigt worden ist, glauben. Und wir werden an diesem Ort verbunden, nicht bei den Konzilien oder den päpstlichen Dekreten, sondern beim Wort des Evangeliums, welches die Apostel in Schriften verfasst und uns hinterlassen haben. So wird uns auch hier das Predigtamt des göttlichen Wortes anbefohlen, dass man, gegen die Schwärmerei der Schwenkfelder, darauf achten soll.

21. auf dass sie alle eins seien gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir, dass auch sie in uns eins seien, auf dass die Welt glaube, du habest mich gesandt.

Auf: Weil Christus nicht nur für seine Apostel, sondern auch für alle, die seinem Evangelium glauben, bittet, so folgt jetzt, was der Sohn Gottes von seinem himmlischen Vater für sie begehrt.

In dir: Das heißt: Gleich, wie ich und du, eins sind im Wesen, und also deine Güte meine ist, und meine deine, dass wir alles miteinander gemein haben, so bitte ich dich, dass die, die an mich glauben, ein geistlicher Leib werden, mir, als dem Haupt, einverleibt sind und so also mit uns eins werden, dergestalt, dass sie der himmlischen Güter und unserer ewigen Seligkeit und Herrlichkeit, ein jeder nach seinem Maß, teilhaftig werden. Wer will uns denn aus dem Himmelreich stoßen, wenn wir Christus durch den Glauben einverleibt sind? Welches Unglück oder Elend kann uns von der Liebe Gottes scheiden, wenn wir durch den Glauben eins mit ihm sind? Und weil unsere Trübsal ihn angeht, wie wollte er uns verlassen? Denn als die Kirche verfolgt wurde, sprach Jesus zu Paulus, als er noch ein Verfolger war: Saul, Saul, was verfolgst du mich {Apg 9}?

Glaube: Denn darum habe ich die Apostel erwählt, dass durch ihr Predigtamt die Welt, das heißt, die, so sie in der Welt an mich glauben werden, erkennen, dass ich, als der eingeborene Sohn Gottes in dieser Welt gesandt worden bin, um das menschliche Geschlecht selig zu machen.

22. Und ich hab‘ ihnen gegeben die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, dass sie eins seien, gleichwie wir eins sind,

Herrlichkeit: Nämlich die Majestät und Macht, Wunderzeichen zu tun, nicht geringe, wie ich sie getan habe, auf dass sie durch ihr Predigtamt eine Kirche sammeln, die mit ihnen und zugleich auch mit mir ein geistlicher Leib ist. Und dass die Kirche auch durch mich, mit dir vereinigt wird und die Auserwählten allerdings unter sich ein Leib sind, der nie mehr von uns gerissen wird, sondern all unserer Güter teilhaftig ist. Auf dass offenbar werde, ich bin der eingeborene und ewige Sohn Gottes, der Messias und Heiland der Welt, damit mein Reich immerdar, je länger je weiter und breiter fortgepflanzt wird und die, die an mich glauben, lernen, wie sie von dir, himmlischer Vater, inbrünstig geliebt werden, da du sie an Kindes statt angenommen hast, gleich, wie du mich, deinen eingeborenen Sohn liebst. Wenn wir deswegen von dem himmlischen Vater so sehr geliebt werden, warum sollten wir denn an seiner Gunst und Gnade mit den Katholiken zweifeln? Und warum verzagen wir denn in Widerwärtigkeiten und Gefahren, ja auch im Tode {Röm 8}?

23. ich in ihnen und du in mir, auf dass sie vollkommen seien in eins, und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und liebst sie, gleichwie du mich liebst.

24. Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, dass sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe denn die Welt gegründet ward.

Vater: Jetzt fasst Christus in einer Summe zusammen, was er bisher ausführlich gebetet hat, und betet, dass die Apostel und die Kirche die ewige Seligkeit erlangen mögen.

Ich bin: Und werde in himmlische Herrlichkeit und Seligkeit sein.

Gegeben hast: Sowohl die Apostel, als auch die anderen Auserwählten.

Sehen: Und diese in höchster Freude genießen können.

Geliebt: Als deinen eingeborenen Sohn, der mit dir eines Wesens ist. Und weil ich jetzt menschliche Natur an mich genommen habe, so wirst du diese auch mit unendlicher und himmlische Herrlichkeit begraben, welche, wenn sie die Auserwählten anschauen werden, in ihnen die größte und immerwährende Freude erwecken wird. Wir sollen deswegen sicher wissen, wenn wir nur an Christus wahrhaft glauben, dass wir mit ihm ewig in unaussprechlicher Freude und Herrlichkeit leben werden. Auch hat man hier ein Zeugnis der Gottheit Christi zu merken gegen die Arianer. Denn Christus sagt, er sei vom Vater geliebt, ehe die Welt gegründet oder erschaffen worden ist. Aber die neuen Arianer leugnen, dass Christus vor Erschaffung der Welt gewesen ist.

25. Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich, und diese erkennen, dass du mich gesandt hast.

Welt: Nämlich, die gottlose und unbußfertige Welt weiß nichts von dir und deinem Willen. Darum wird sie auch nach deiner Gerechtigkeit in ihrer Blindheit verloren bleiben. Ich aber, als dein eingeborener Sohn, kenne dich gut und habe auch deine Erkenntnis bisher deine Auserwählten gelehrt. So haben meine Apostel meiner Lehre Glauben geschenkt und erkannt, dass ich von dir in dieser Welt gesandt bin, zum Propheten, Messias und Seligmacher der Welt. Darum mögest du sie dir anbefohlen sein lassen.

26. Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und will ihnen kundtun, auf dass die Liebe, damit du mich liebst, sei in ihnen und ich in ihnen.

Kundgetan: Ich habe sie von dir gelehrt und will auch in Zukunft durch den Heiligen Geist deine Erkenntnis in ihnen mehren.

In ihnen: Denn es wird so geschehen, dass, je mehr und je besser sie dich erkennen lernen, umso mehr werden sie von dir geliebt werden, als Kinder, gleichwie du auch mich, deinen Sohn, inbrünstig liebst. Ja, ich werde auch durch deine Erkenntnis, das heißt, durch den Glauben, in ihnen wohnen, auf dass wir alles untereinander gemein haben und sie meine Guttaten reichlich genießen. Hier hat man viele Dinge zu lernen. Erstens, dass Gott gerecht ist und bleibt, wenn auch die Welt in ihrer Blindheit verloren wird. Denn es dankt Christus dem Vater, dass er das Geheimnis des Evangeliums den Weisen verborgen und den Unmündigen geoffenbart hat {Mt 2}. Danach werden wir erinnert, dass die wahre Erkenntnis des Vaters aus den Predigten Christi zu lernen ist, als der, der den Vater am allerbesten kennt. Zudem muss die wahre Erkenntnis Gottes zunehmen, damit wir immer weiterkommen. Und wir werden vom himmlischen Vater je länger je mehr geliebt. So wohnt Christus in uns und teilt uns seine Güter mit. Man soll es aber auch für gewiss halten, dass dieses Gebet Christi, des eingeborenen Sohnes Gottes, für die Wohlfahrt der Apostel und der Kirche, das er aus inbrünstig dem Herzen gesprochen hat, noch heutzutage kräftig ist, damit das Predigtamt des Evangeliums in der Welt erhalten wird und die Auserwählten selig werden. Darum, so oft wir sehen, dass wir wegen des Predigtamtes oder unserer Wohlfahrt halber in Gefahr stehen, sollen wir aus diesem Gebet Christi Trost schöpfen und nicht zweifeln, es sei erhört.


Das 18. Kapitel

In diesem Kapitel werden drei Stücke des Leidens Christi erzählt.

  • Was sich im Garten zugetragen hat, als sich Christus freiwillig von den Feinden fangen und binden ließ.
  • Danach wird erklärt, was in der geistlichen Versammlung der Hohepriester und Pharisäer mit ihm getan wurde. Dazu wird auch die dreifache Verleugnung des Petrus gehört.
  • Es wird angezeigt, was sich vor Pilatus zugetragen hat.

1. Da Jesus solches geredet hatte, ging er hinaus mit seinen Jüngern über den Bach Kidron. Da war ein Garten, darein gingen Jesus und seine Jünger {Mt 26v36 Mk 14v32 Lk 22v39}.

Geredet hatte: Was in den vorigen Kapiteln berichtet wurde.

Hinaus: Seinem Leiden entgegen. Denn weil Christus ein ewiger Priester ist, wie es der 110. Psalm bezeugt, so hat er nicht nur das Evangelium lehren und für seine Kirche bitten wollen, sondern auch das vollkommenste Opfer für die Sünden der ganzen Welt verrichten, dergestalt, dass er sich selbst am Stamm des Kreuzes opferte. Denn die levitischen Opfer des Alten Testaments haben nicht wahrhaftig die Sünde büßen können, sondern waren Schatten, die vorhergehen und auf das Opfer Christi hindeuteten, welches am Kreuz verrichtet werden sollte. Darum sollen wir das Leiden unseres Herrn Jesus Christus mit Fleiß betrachten und uns erinnern, wie er die schmerzlichste Pein und Marter gelitten hat, nicht um seiner Sünden willen, weil er nie eine an sich gehabt hatte, sondern um unserer Missetaten und Übertretungen willen, wie Jesaja bezeugt im 53. Kapitel. Er hat sie aber nicht darum gebüßt, dass wir sicher und ohne Sorge in Sünden fortfahren sollen, sondern dass wir die schwere Last und den schrecklichen Zorn Gottes betrachten, Buße tun und glauben, das Blut von Jesu Christi, des Gottes Sohnes, reinige uns von allen unseren Sünden {1Joh 1}. Dass auch ein jeder sein Kreuz auf sich nehme und in Geduld und Hoffnung Christus, seinem Herrn und Lehrmeister, folgt. Denn wenn wir mit ihm leiden, so werden wir auch zugleich mit ihm herrschen. Wir wollen aber die Geschichte des Leidens Christi für uns nehmen, wie sie der Evangelist Johannes beschrieben hat. Was dieser mit Stillschweigen übergangen hat, das findet man bei den anderen drei Evangelisten.

Nach Kidron: Über diesen Bach war auch der König David mit großer Traurigkeit gegangen, als er vor seinem Sohn Absalom floh {2Sam 15}. Gleich, wie er um seine eigenen Sünden willen, des Ehebruchs und Totschlags, sehr traurig über diesen Bach gegangen war, so ist Christus, als er mit fremden Sünden überfallen worden war, sehr betrübt auch darüber gegangen, auf dass er uns die Rechte und ewige Freude wiederbringen würde.

Garten: In dem Christus aus großer Angst wegen unserer Sünden blutigen Schweiß geschwitzt hat. Denn Adam und Eva hatten mit ihrem Ungehorsam die Gärten, ja der ganzen Erde Boden, verunreinigt und verdorben. Christus aber hat diesen durch sein Leiden wiederum geheiligt, mit seinem Blut befeuchtet und geweiht, dass wir darinnen den jämmerlichen Fall des menschlichen Geschlechts und dessen Wiederbringung in der Gottseligkeit durch Christus betrachten sollen.

2. Judas aber, der ihn verriet, wusste den Ort auch; denn Jesus versammelte sich oft dort mit seinen Jüngern.

Oft dort: Darum hat Judas, nachdem er eine Anzahl Kriegsknechte und etliche Diener der Hohepriester zu sich geholt hatte, den Herrn Christus im selben Garten gesucht und den Feinden verraten. Diese unmenschliche Tat des Judas gibt zu erkennen, wie sehr die menschliche Natur verderbt ist und wie groß die Gewalt des Satans in den gottlosen Menschen ist. Und solche gräulichen Taten würden hin und wieder täglich geschehen, wenn nicht Gott die Bosheit der Menschen abwehren würde und durch das Amt der Obrigkeit etliche zurückhalten würde, auch die Herzen der Menschen mit dem Predigtamt seines Wortes regiert und eines Besseren unterrichten ließe. Es werden aber bisweilen dergleichen schreckliche Taten durch Gottes Verhängnis begangen, auf dass wir nicht fahrlässig und schläfrig sind, weil der brüllende Löwe um uns hergeht, sondern fleißig beten, dass wir nicht in Versuchung fallen und dass wir uns vor Sünden hüten, damit Gott nicht Sünde mit Sünden straft.

3. Da nun Judas zu sich hatte genommen die Schar und der Hohepriester und Pharisäer Diener, kommt er dahin mit Fackeln, Lampen und mit Waffen.

Schar: Ein Haufen Kriegsknechte, die sie sich vielleicht bei den römischen Besatzern geliehen hatten.

Diener: Denn die Hohepriester und Pharisäer haben sich darum gesorgt, dass die römischen Kriegsleute diese Sache vielleicht nicht mit dem gebührenden Ernst verfolgen würden, damit Christus in ihre Hand gebracht würde. Darum haben sie ihnen auch ihre eigenen Diener mitgegeben, so ein gottloses Gesindel und es ist ihnen keine Bosheit zu groß gewesen, wenn sie nur gewusst haben, dass sie bei ihren Herren damit einen Dank verdienen würden.

Fackeln: Weil es Nacht war und die Feinde Christi sich sorgten, er könnte ihnen etwa im Finsteren entgehen. Hier verfolgen Christus die obersten Häupter im geistlichen und weltlichen Regiment, wie sie damals dafür angesehen und gehalten wurden. Denn die Kriegsleute waren der weltlichen Obrigkeit mit einem Eid verpflichtet, und die anderen Diener waren von den Hohepriestern und Pharisäern ausgeschickt.

4. Als nun Jesus wusste alles, was ihm begegnen sollte, ging er hinaus und sprach zu ihnen: Wen sucht ihr?

Begegnen sollte: Was für ein Unglück bereitet wäre. Da ist er nicht aus dem Weg gewichen, oder hat sich in einen Winkel verkrochen, weil er wusste, die Zeit seines Leidens war herangekommen, die ihm vom Vater bestimmt war.

5. Sie antworteten ihm: Jesus von Nazareth. Jesus spricht zu ihnen: Ich bin‘s. Judas aber, der ihn verriet, stand auch bei ihnen.

Von Nazareth: Aus dieser Antwort ist zu entnehmen, dass Christus von ihnen nicht erkannt worden ist. Darum hätte er fliehen und ihnen leicht entgehen können, wenn er nur gewollt hätte. Aber er hat dem himmlischen Vater einen vollkommenen Gehorsam leisten wollen.

Ich bin es: Nämlich eben der, den ihr sucht. Denn, wie man der Gefahr aus dem Weg gehen soll, solange wir es mit gutem Gewissen tun können, so sollen wir aber, wenn es unsere Aufgabe erfordert, dass wir uns in Gefahr begeben, dieser männlich entgegengehen.

6. Als nun Jesus zu ihnen sprach: Ich bin‘s, wichen sie zurück und fielen zu Boden.

Zu Boden: Dies war ein besonderes Wunderwerk, dass sie durch das Wort Christi plötzlich umfielen. Und Christus hat in seiner Schwachheit etwas von seiner göttlichen Majestät sehen lassen wollen, um kundzutun, dass er nicht gezwungen, sondern freiwillig zum Tod ginge. Da nun die Gottlosen Kriegsleute und Diener der Hohepriester die Worte Christi (ich bin es) nicht ertragen konnten, wie werden denn die Gottlosen am Jüngsten Tag die Stimme des gestrengen Erzhirten Christi ertragen können? Da er sagen wird: Weicht von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, welches bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln {Mt 25}.

7. Da fragte er sie abermals: Wen sucht ihr? Sie aber sprachen: Jesus von Nazareth.

8. Jesus antwortete: Ich hab‘s euch gesagt, dass ich es sei. Sucht ihr denn mich, so lasst diese gehen

Diese gehen: Meine Apostel lasst unangetastet, weil ich mich euch selbst stelle. Und Christus hat mit diesem Befehl seine Jünger gleichsam wie mit einer Mauer umfasst, dass sie niemand angreifen dürfte.

9. (auf dass das Wort erfüllt würde, welches er sagte: Ich habe der keinen verloren, die du mir gegeben hast).

Sagt: Da er zu seinem himmlischen Vater betete {Joh 17v12}.

Keinen verloren: Denn Christus hat seine Jünger nicht nur vor seinem Leiden, sondern auch in seinem Leiden erhalten, dass sie nicht mit Leib und Seele verloren würden. Also setzt Gott den Verfolgungen ein Ziel, dass sie nicht immerdar währen müssen. Dieses Ziel kann der Satan nicht überschreiten, und sollte er darüber zerbrechen.

10. Da hatte Simon Petrus ein Schwert und zog es aus und schlug nach des Hohepriesters Knecht und hieb ihm sein rechtes Ohr ab; und der Knecht hieß Malchus.

Da: Es folgt jetzt der Kampf des Apostels Petrus, der sich gerühmt hatte, er wollte Christus nicht verlassen, auch wenn er mit ihm sterben müsste.

Zog es aus: In der Meinung, dass er Christus, seinen Herrn und Meister, schützen könnte. Obwohl nun das Vorhaben des Petrus gut war, dass er die Gefahr von Christus und seinen Jüngern abzuwehren sich bemühte, so war es doch mit einem solchen Übereifer weit gefehlt. Und es war ohnedies eine sehr große Frechheit und Verwegenheit, dass er allein einen großen Haufen bewaffneter Kriegsleute und die Diener der Hohepriester, die ohne Zweifel auch zahlreich gewesen sind, aufhalten wollte. Wenn in Christus mit seinen Worten, als er gesagt hat: Lasst mir diese gehen, ihn nicht erhalten hätte, so wäre es ohne jeden Zweifel ihm und den anderen Jüngern sehr übel ergangen, dass sie alle von den Kriegsleuten aufgerieben worden wären. Darum sollen wir unserem vorzeitigen und unbedachten Eifer nicht nachhängen, indem wir unsere Sache mit ungebührlichen Mitteln vorantreiben und uns in noch größere Gefahr und Unglück stürzen. Auch vielen Pfaffenknechten ist das rechte Ohr abgehauen, dass sie die Wahrheit des Evangeliums vor den Geräuschen der Kirche nicht hören können.

11. Da sprach Jesus zu Petrus: Stecke dein Schwert in die Scheide! Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat?

Scheide: Und sei ruhig. Denn du sollst mein Leiden nicht behindern, welches ich nach dem Willen meines himmlischen Vaters, zur Erlösung des menschlichen Geschlechts, auf mich nehme. Es straft also zuerst Christus seinen Jünger und erinnert damit die Hausväter, dass sie zu allererst ihr eigenes Hauspersonal in Ordnung halten, ehe sie fremde Haushalte tadeln. Er wehrte aber Petrus ab, dass dieser sein Schwert nicht benutzen sollte, nicht in dem Sinn, dass er das Amt der Obrigkeit, die das Schwert von Gott empfangen hat, abtun möchte, sondern dass er den Apostel erinnerte, man solle gegen die Obrigkeit nicht streiten und er den Rat Gottes nicht behindern, der zur Seligkeit des menschlichen Geschlechts vorgesehen war. Es hat aber Christus Malchus wiederum geheilt, wie der Evangelist Lukas bezeugt. Damit hat er gelehrt, dass man den Feinden Gutes tun soll und auch den Ungerechten nicht auf unrechtmäßige Weise Leid zufügt.

12. Die Schar aber und der Oberhauptmann und die Diener der Juden nahmen Jesus und banden ihn

Banden: Wie hat aber der himmlische Vater dies dulden können, dass der allerunschuldigste, eingeborene Sohn von den schandlosesten Leuten gebunden wurde? Aber Christus hat sich eine Zeit lang unschuldig binden lassen, damit wir nicht mit ewigen Banden der Finsternis vom Satan gebunden werden. Auch werden wir hier erinnert, dass wir von der Lehre und dem Leben der Menschen, nicht über den Ausgang urteilen sollen, wenn dieser böse oder gut ist. Denn die Frommen werden oft geplagt, wohingegen es den Gottlosen gut geht {Ps 37 73}.

13. und führten ihn aufs erste zu Hannas; der war des Kaiphas Schwager, welcher des Jahrs Hohepriester war {Mt 26v57 Mk 14v53 Lk 22v50}.

Zu Hannas: Der stand damals dem Amt der Hohepriester nicht vor, aber er war einer von denen, die das Hohepriesteramt verwalteten. Es ist aber Christus zum Hannas geführt worden nicht in der Absicht, dass er da vor Gericht gestellt würde, sondern, dass der Gefangene Christus, gleichsam in einem Triumphzug herumgeschleppt wurde und den Hohepriestern mit Lust gezeigt wurde. Und er ist zum Gespött herumgezogen worden, auf dass unser nichtiger Ruhm gebüßt werde, wenn wir uns den Menschen mit großem Übermut und aufgeblasenem Stolz zeigen.

14. Es war aber Kaiphas, der den Juden riet, es wäre gut, dass ein Mensch würde umgebracht für das Volk.

Für das Volk: Viel mehr, als dass das ganze Volk zugrunde ginge. Denn dieses Wort hat derselbe Hohepriester von Christus gesprochen im Rat in Jerusalem, da man über Christus beraten hatte, dass er getötet werden sollte. Und zwar hatte er mit diesen Worten unwissend, da er viele andere Gedanken hatte, geweissagt, dass es besser wäre, Christus würde sterben, als dass das ganze menschliche Geschlecht verloren würde. Denn manchmal entfährt den gottlosen Leuten eine Wahrheit auch gegen ihren Willen.

15. Simon Petrus aber folgte Jesus nach und ein anderer Jünger. Derselbe Jünger war dem Hohepriester bekannt und ging mit Jesus hinein in des Hohepriesters Palast.

Nach: Aber doch aus Entfernung, wie die anderen Evangelisten bezeugen. Denn er war nach seiner vorigen, unbedachten Kühnheit und Verwegenheit sehr furchtsam und kleinmütig geworden.

Anderer Jünger: Von denen etliche meinen, es sei der Evangelist Johannes gewesen. Dies ist aber ungewiss. Und es kann schon sein, dass ein anderer Zuhörer Christi, der nicht unter den zwölf Aposteln war, in diesem Tumult dazu gelaufen ist und sehen wollte, wie es mit der Sache ausgehen würde.

Bekannt: Und wohl bei ihm dran, sodass er nicht allein für seine Person in den Hof des Hohepriesters gehen konnte, sondern auch andere hineinführen durfte.

Hinein: Dass er sich unter den Haufen mischte und sich mit ihnen hineindrängte, als ein Bekannter am Hofe des Hohepriesters Kaiphas.

16. Petrus aber stand draußen vor der Tür. Da ging der andere Jünger, der dem Hohepriester bekannt war, hinaus und redete mit der Türhüterin und führte Petrus hinein.

Vor der Tür: Und durfte sich nicht hineinwagen, damit er nicht etwa zur Rede gestellt würde, was er da zu schaffen hätte. Er hätte doch gern gesehen, was es mit Christus für einen Ausgang nehmen würde, aber er hat sich seiner Haut zu sehr gefürchtet.

Türhüterin: Dass sie Petrus, der sein guter Geselle war, hineinlassen wollte. Es ist aber nicht immer gut oder ratsam, dass man in einen Hof und besonders in einen Pfaffenhof eingelassen wird, denn viele kehren dort der Frömmigkeit den Rücken und verlieren ihre ewige Seligkeit. Und man findet Menschen, die sich selbst einreden, sie haben ihre Kinder wohl versorgt, wenn sie diese bei Hof untergebracht haben, wo sie sie doch mit solcher Gelegenheit bisweilen ins Verderben gestürzt werden. Ich rede aber von den Höfen, in denen die rechte Gottseligkeit unter reine Religion keinen Platz findet.

17. Da sprach die Magd, die Türhüterin zu Petrus: Bist du nicht auch dieses Menschen Jünger einer? Er sprach: Ich bin‘s nicht.

Da: Es folgt jetzt, wie schlecht sich Petrus am Hof des Hohepriesters verhalten hat und von der Gottseligkeit abgewichen ist.

Bin es nicht: Dies war die erste Verleugnung des Petrus, da er geleugnet hat, er sei ein Jünger Christi. Petrus empfand aber die begangene Sünde nicht sofort in seinem Gewissen, darum fährt er sorglos fort, Christus zu verleugnen, bis der Hahn kräht. Denn wenn eine Sünde begangen ist, so schläft sie eine Weile, wenn sie aber erwacht, so macht sie einen Menschen sehr Angst und Bange {1Mos 4}.

18. Es standen aber die Knechte und Diener und hatten ein Kohlenfeuer gemacht (denn es war kalt) und wärmten sich. Petrus aber stand bei ihnen und wärmte sich.

Wärmte sich: Es geschieht aber nicht ohne Gefahr, wenn wir unseren Nutzen dadurch suchen möchten, indem wir mit gottlosen Leuten und Pfaffenknechten umgehen. Denn ohnedies legt uns der Satan auf wunderbare Weise Stricke, um uns anzutreiben, Christus zu verleugnen. Darum ist es nicht gut, wenn man sich am Feuer der Widersacher erwärmen will.

19. Aber der Hohepriester fragte Jesus um seine Jünger und um seine Lehre.

Jünger: Ob er viele oder wenige hätte und wer sie wären, auch was er seinen Zuhörern gepredigt hätte. Dies war eine sehr ungereimte Tat, dass der Hohepriester Christus zuvor fangen und als einen Mörder binden ließ, danach aber erst fragte, was er getan habe? Denn er hätte vorher Christus auffordern sollen und sich erkundigen sollen, was er zu wissen begehrte, der ohne Zweifel erschienen wäre oder aber, andere verständige Leute fragen können, was Christus für Jünger hätte und was er für eine Lehre führte, ehe er ihm diese Schmach antat und in Stricke legen ließ. Aber es wird gegen Christus und seine Glieder selten ein ordentlicher Gerichtsprozess vorgenommen.

20. Jesus antwortete ihm: Ich habe frei öffentlich geredet vor der Welt. Ich habe immer gelehrt in der Schule und in dem Tempel, da alle Juden zusammenkommen, und habe nichts im Verborgenen geredet.

Gelehrt: Jeden, der mir zuhören wollte und von mir zu lernen begehrt.

Zusammenkommen: Gottes Wort anzuhören und den Gottesdienst zu begehen.

Verborgen: Denn obwohl ich meine Jünger, die Apostel auch insbesondere unterrichtet habe, so habe ich ihnen doch keine andere Lehre vorgetragen, als die ich öffentlich geführt habe. Und was sich sie besonders gelehrt habe, das habe ich ihnen aufgetragen, öffentlich zu predigen. Also habe ich das Licht nie gescheut, den die Lehre Christi kann das Licht dulden. Aber die lichtscheuen Prediger, die nur heimlich in Winkeln lehren, das sie öffentlich nicht bekennen dürfen, soll man meiden, denn sie sind nicht von Gott, sondern vom Teufel aufgestellt. Wer Böses tut, der hasst das Licht {Joh 3}.

21. Was fragst du mich darum? Frage die darum, die gehört haben, was ich zu ihnen geredet habe. Siehe, dieselben wissen, was ich gesagt habe.

Gesagt habe: Denn es ist unnötig, dass du jetzt erst meine Lehre von mir hörst, die du von glaubwürdigen Zeugen längst schon hättest erkunden können. Wenn du Lust hast, so kannst du sie noch fragen, die mich öffentlich predigen hören haben, den ich scheue deren Zeugnis nicht. Es antwortete aber Christus auf die erste Frage des Hohepriesters, von seinen Jüngern, nichts, damit er seine Zuhörer nicht in Gefahr bringt. Und er berief sich, über die Frage von seiner Lehre aufzuregen, um anzuzeigen, dass die Richter nicht aus Argwohn oder nach ihrer besonderen Zuneigung, sondern nachdem eine Sache vorgebracht und erwiesen worden ist, urteilen sollen.

22. Als er aber solches redete, gab der Diener einer, die dabeistanden, Jesu einen Backenstreich und sprach: Sollst du dem Hohepriester also antworten?

Backenstreich: Einen solchen Übermut spürt man auch noch heutzutage bei den Heuchlern und Schmeichlern des römischen Papstes, dass sie den reinen Kirchendienern Christi, um den Päpsten zu gefallen, allerlei Schmach anlegen, wo sie nur immer können. Es hat aber Christus solche Schmach gelitten, um unsere Sünden willen, auf dass wir der ewigen Ehre und Herrlichkeit teilhaftig werden.

23. Jesus antwortete: Hab‘ ich übel geredet, so beweise es, dass es böse sei; habe ich aber recht geredet, was schlägst du mich?

Übel geredet: Beweise es mit einer ausreichenden Ursache und einem guten Grund, dass ich mit dieser, meiner Rede, gesündigt habe.

Schlägst du mich: Einen unschuldigen und dazu gefangenen Menschen, gegen alles Recht und alle Billigkeit. Widerstrebt deswegen dem Gebot Christi nicht, wenn er sagt, dass man sich nicht rächen soll, wenn wir unsere Unschuld vortragen und wir uns über die Ungerechtigkeit, die uns zugefügt wird, beklagen, egal ob vor der Obrigkeit oder bei anderen, denen daran gelegen ist, dass sie es wissen.

24. Und Hannas sandte ihn gebunden zu dem Hohepriester Kaiphas.

Sandte: Oder hatte ihn zu seinem Schwiegermuttersohn gesandt, der damals und im selben Jahr das Hohepriesteramt verwaltete. Denn was bisher berichtet worden ist, hat sich alles im Haus des Kaiphas zugetragen.

25. Simon Petrus aber stand und wärmte sich. Da sprachen sie zu ihm: Bist du nicht seiner Jünger einer? Er verleugnete aber und sprach: Ich bin‘s nicht {Mt 26v69 Mk 14v66 Lk 22v55}.

Simon: Es wird jetzt wiederum von dem Apostel Petrus berichtet, der den Herrn Christus bereits einmal verleugnet hatte.

Stand: Bei dem Kohlefeuer im Hof des Hohepriesters Palast, wie oben bereits berichtet wurde.

26. Spricht des Hohepriesters Knechte einer, ein Befreundeter des, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte: Sah ich dich nicht im Garten bei ihm?

Im Garten: Wie bist du denn so keck, dass du es leugnen kannst?

27. Da verleugnete Petrus abermal; und alsbald krähte der Hahn.

Der Hahn: Und Christus hat Petrus angesehen. Daraufhin hat sich Petrus wieder erinnert, dass Christus zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnet haben. Er ist deswegen aus dem Hof des Hohepriesters weggegangen und hat seinen Fall mit vielen Tränen bitterlich beweint. Dieser schwere Fall des Petrus erinnert uns an die Schwachheit unseres Fleisches, auf dass wir wachen und beten, damit wir nicht in Anfechtungen fallen. Da er aber Buße getan hat und von Gott wiederum in Gnaden aufgenommen worden ist, haben wir daraus zu lernen, dass die, die in Sünde gefallen sind, wenn sie Buße tun, an der Gnade nicht verzweifeln sollen.

28. Da führten sie Jesus von Kaiphas vor das Richthaus. Und es war früh. Und sie gingen nicht in das Richthaus, auf dass sie nicht unrein würden, sondern Ostern essen möchten {Mt 27v2 Mk 15v1 Lk 23v1}.

Da: Es folgt nun, was sich vor Pilatus zugetragen hat. Denn der Evangelist Johannes hat sich kurz gefasst und viele Dinge mit Stillschweigen übersprungen, was von den anderen Evangelisten ausführlich genug beschrieben worden ist. Es sind aber die Hohepriester am Morgen in Ihrem Konzil wieder zusammen gekommen und haben Christus zum Tode verurteilt, wie die anderen Evangelisten bezeugen.

Richthaus: Dass sie ihn der weltlichen Obrigkeit überstellen, die das Todesurteil an ihm vollstrecken sollte.

Frühe: Da sie die die ganze vorige Nacht dem Herrn Christus viel Schmach angetan hatten.

Essen möchten: Als reine und saubere Leute, ihrer Meinung nach. Man liest aber in der Schrift nirgends etwas davon, dass denen, die das Osterfest feiern wollen, verboten wäre, an einen Ort zu gehen, wo man Gericht hält. Aber die Heuchler erdichten sich ihre Sünden selbst, wo keine sind und meinen, sie würden eine gräuliche Sünde begehen, wenn sie Freitag Fleisch essen, aber Hurerei und Ehebruch, neiden, rauben, unschuldige Menschen um der Bekenntnisse der reinen Lehre willen mit gräulichen Marter peinigen und dem Tode überantworten, das achten sie für nichts und meinen nicht, dass ihr Gewissen damit beschwert wird.

29. Da ging Pilatus zu ihnen heraus und sprach: Was bringt ihr für Klage wider diesen Menschen?

Pilatus: Der ein Heide und römischer Landpfleger war.

Heraus: Ihm war die Widerspenstigkeit dieses Volkes nicht unbekannt. Weil er als ein weltlicher Richter da war, der ihnen von Amts wegen zum Recht verhelfen sollte, so richtete er sich nach ihrer Weise und übte das Recht aus. Und dieser Pilatus hatte viel feine weltliche Tugenden an sich gehabt, wie wir später hören werden, doch haben sie nichts genutzt. Es stehen aber die der Regierung weise vor, die nicht immerzu nur dem strengen Recht nachgehen, um unnötige Unruhen zu verhüten.

Für Klage: Denn es ist gegen Recht und Billigkeit gehandelt, wenn man ein Urteil über einen fällt und ihn zuvor nicht gehört hat, weshalb er verurteilt werden soll.

Diesen: (Nach Luther) Es ist verwunderlich, was ihr gegen einen solch frommen, berühmten Mann klagen könnt.

30. Sie antworteten und sprachen zu ihm: Wäre dieser nicht ein Übeltäter, wir hätten dir ihn nicht überantwortet.

Nicht überantwortet: Es war aber dies ein sehr unrechter Wunsch von den Juden, dass sie begehrten, Christus sollte von Pilatus zum Tode verurteilt werden und ihm keinen Grund für das Todesurteil angeben wollten. In der gleichen Art dürfen der päpstliche Haufen, der Papst, die Kardinäle und heillose Bischöfe des Konzils in Trient von der weltlichen Obrigkeit begehren, dass sie nach Beschlüssen dieses Konzils die Urteile vollstrecken soll, und wollen es doch nicht dulden, dass die Obrigkeit von Religionssachen verurteilt.

31. Da sprach Pilatus zu ihnen: So nehmt ihr ihn hin und richtet ihn nach eurem Gesetz. Da sprachen die Juden zu ihm: Wir dürfen niemand töten

Eurem Gesetz: Dies war eine spöttische Antwort des Pilatus, als wollte er sagen: Es ist nicht meine Angewohnheit, dass ich jemanden ohne Anhörung in der Sache zum Tod verurteilte. Wenn ihr es mit Recht und gutem Gewissen tun könnt, so mögt ihr es versuchen. Denn es kann keine Obrigkeit eine unschuldige Person zum Tod verurteilen, nur um einigen Menschen zu gefallen. Pilatus hatte an dieser Stelle weiser gehandelt, als viele Fürsten und Regenten, die den Dekreten des Konzils in Trient in ihren Gebieten folgen, wo sie doch in strittigen Religionssachen nicht verstehen.

Niemand töten: Ansonsten sollte es an unseren guten Willen nicht mangeln, denn wir wollten ihm schon lange gerne den Kragen umgedreht haben, aber weil die Römer jetzt bei uns die hohe Obrigkeit haben, so müssen wir diesen, unseren Feind, den Heiden zur Strafe übergeben, denn es steht uns nicht mehr frei, dass wir jemanden zum Tod verurteilen dürfen.

32. (auf dass erfüllt würde das Wort Jesu, welches er sagte, da er deutete, welches Todes er sterben würde).

Sterben würde: Und von wem er umgebracht werden würde. Denn Christus hatte zuvor gesagt: Des Menschen Sohn würde den Heiden überantwortet werden, dass sie ihn kreuzigen und töten. Indem die Juden aber bekennen, dass sie keine Gewalt mehr über jemandes Leben oder Tod haben, so gestehen sie auch zugleich unwissend, dass Christus, der versprochene Messias gekommen ist. Denn der Erzvater Jakob hatte zuvor geweissagt, es würde das Zepter von Juda nicht entwendet werden, bis Siloh, das heißt, der Messias, käme.

33. Da ging Pilatus wieder hinein ins Richthaus und rief Jesus und sprach zu ihm: Bist du der Juden König {Mt 27v11 Mk 15v2 Lk 23v3}?

Juden König: Gibst du dich für einen König aus, der den Juden von Gott gesandt ist, worauf sie nun schon viele Jahre mit großem Verlangen warten? Denn die Juden hatten den Herrn Christus vor Pilatus fälschlich beschuldigt (wie es die anderen Evangelisten bezeugen), dass er das Volk gegen die Obrigkeit aufgehetzt hätte, und er würde dem Kaiser verbieten, dem Schoß (Steuern) zu geben, und rühmte sich auch, er wäre ein König. Darum sorgte sich Pilatus, ob sich Christus vielleicht mit etlichen Juden gegen die Römer verbündet hätte und willens wäre, ein Königreich einzurichten. Jedoch, weil er auch die große Einfalt seines Denkens und das schlechte Ansehen Christi spürte, so schien es ihm nicht der Wahrheit zu entsprechen, dass dieser nach einem Königreich trachten würde. Denn das Evangelium Christi wird in der Welt oftmals der Aufruhr und Widerspenstigkeit fälschlicherweise beschuldigt, wenn auch alle Umstände beweisen, dass solche Anklagen völlig unbegründet sind.

34. Jesus antwortete: Redest du das von dir selbst, oder haben‘s dir andere von mir gesagt?

Gesagt: Hast du es irgendwie aus der Heiligen Schrift gelernt, dass der Messias kommen wird, und stellst deswegen in Zweifel, ob ich dieser bin oder nicht? Oder aber hast du allein aus der gemeinen Sage der Juden, dass einmal ein sehr berühmter König in die Welt kommen wird und es so aussieht, als ob ich dieser König bin, der vorzeiten dem Volk Gottes verheißen worden ist? Es ist aber kein Zweifel, wenn Pilatus hätte lernen wollen und der himmlischen Wahrheit weiter nachgefragt hätte, hätte ihn Christus auf das Fleißigste und Treulichste unterrichtet. Denn Gott will, dass alle Menschen selig werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen {1Tim 2}. Und nicht aus Gottes, sondern durch ihre eigene Schuld werden die verloren, die nicht selig werden.

35. Pilatus antwortete: Bin ich ein Jude? Dein Volk und die Hohepriester haben dich mir überantwortet; was hast du getan?

Ein Jude: Meinst du dass sich als ein Heide euren jüdischen Fantasien viel nachfrage? Ich habe wohl anderes zu tun, als dass ich, nachdem, ich weiß nicht, was für einem verheißenen König, viel forschen könnte. So habe ich nicht für mich selber deiner Person halber mich gefragt, denn ich fürchte mich sehr davor, dass du dem Römischen Reich einen Schaden oder einen Abbruch tun könntest. Du bist jedoch nicht der Mann dazu. Sondern deine Landsleute, die Juden und ihre Hohepriester haben dich bei mir auf das Heftigste angeklagt. Darum sag unverhohlen, was deine Verbrechen sind, worüber deine Landsleute dermaßen über dich erzürnt wurden, dass sie dich sofort tot haben wollen, und verschweige mir nichts, damit ich dich entweder lebendig lassen oder doch zumindest die Strafe mildern könnte. Denn wie die anderen Evangelisten berichten, so wusste Pilatus, dass die Juden Christus aus Neid anklagten. Es ist aber zu beklagen, dass auch noch heutzutage weltliche Personen gefunden werden, die sich der Religion und der Heiligen Schrift nicht annehmen und unterdessen die Gerechtigkeit eine Zeit lang nur einigermaßen gut.

36. Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; aber nun ist mein Reich nicht von dort.

Dieser Welt: Denn ich habe zwar ein Reich, aber es ist nicht weltlich, sondern geistlich und ewig. Wenn ich nach einem weltlichen Reich trachten würde, so hätte ich freilich ein Kriegsheer aufgebracht, dass für mich tapfer gestritten und allen möglichen Fleiß angewendet hätte, damit ich nicht in die Hände der Feinde käme. Aber da nichts dergleichen, weder von mir, noch von den Meinen, geschehen ist, bezeugt die Sache an sich selbst genug. Darum kannst du es leicht mit den Händen greifen, wenn du es nur selbst willst, dass ich durchaus nach keinem zeitlichen Königreich strebe und darfst deshalb nicht viele Fragen stellen. Es verteidigte aber Christus seine Unschuld nicht mit den Gedanken, dass er hoffte, zu entgehen, sondern dass es offenbar und bekannt würde, wie er hier, nicht um irgend einer eigenen Sünde willen, von der nie eine an ihm sein konnte, sondern um fremder Sünde willen, den Tod litt.

37. Da sprach Pilatus zu ihm: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt kommen, dass ich die Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme.

Ein König: Denn weil du ein Reich hast, wie du selber bekennst, so wird es auch nicht ganz ohne sein, dass du dich auch zugleich für einen König ausgibst, weil es kein Reich ohne einen König gibt.

Zeugen: Darum musst du es recht verstehen, was ich für ein König bin. Ein geistlicher König bin ich und ich verwalte mein Königreich mit keiner äußeren oder leiblichen Macht, sondern ich regiere meine Untertanen mit meinem Wort und meinem Geist. Und mein Königreich besteht in keiner äußeren Verwaltung eines Regiments, sondern in der Predigt des Evangeliums. Denn ich bin darum Mensch geworden und von meinem himmlischen Vater in diese Welt gesandt worden, dass ich das Evangelium lehre und den Menschen den rechten Weg zum ewigen Leben zeige. Die nun Lust auf die himmlische Wahrheit haben und denen ihre ewige Seligkeit wichtig ist, die hören mich gern, nehmen meine Lehre an und erkennen sie für wahrhaftig. Darum lügt der Papst in Rom, wenn er sich rühmt, dass er ein Statthalter Christi sei und daneben sich unter diesem Anschein selbst eine äußerliche Herrschaft zumisst und nimmt, über alle christlichen Könige und Fürsten. So sind auch die Wiedertäufer und ihresgleichen Schwindelgeister nicht ganz bei Sinnen, die unter dem Namen des Evangeliums weltliche Reiche einzurichten und aufzuheben versuchen.

38. Sprach Pilatus zu ihm: Was ist Wahrheit? Und da er das gesagt, ging er wieder hinaus zu den Juden und sprach zu ihnen: Ich finde keine Schuld an ihm {Mt 27v23 Mk 15v14 Lk 23v14}.

Ist Wahrheit: Du bist wohl ein sehr einfältiger Mensch, wenn du um der Wahrheit willen, dass du dich dazu bekennst, dich bei den Leuten so verhasst machst und in solche Gefahr begibst. Wer weiß, was in Religionssachen wahr ist, oder nicht? Es gibt doch so viele Religionen, wie Menschen und beinahe jeder hat einen besonderen Glauben. Hier zeigt Pilatus sein gottloses Gemüt. Es werden aber auch viele Menschen seinesgleichen gefunden, die meinen, dass diejenigen verrückt handeln, die sich um die Bekämpfung der rechten Religion willen in Gefahr an Leib oder Gut begeben.

Nach Luther: Es ist eine Spottrede, als wollte er sagen: Wenn du von Wahrheit reden willst, so bist du verloren.

Gesagt: Wie nämlich, dass an der Wahrheit nicht zu viel gelegen ist, dass man deswegen, um sie zu verteidigen, sich in Gefahr begeben müsste.

Keine Schuld: Pilatus hat aber nach fleißiger Erkundigung der Unschuld Christi so oft Zeugnis gegeben, damit wir erkennen, wie Christus für fremde, nämlich für unsere Sünden gelitten hat.

39. Ihr habt aber eine Gewohnheit, dass ich euch einen auf Ostern losgebe; wollt ihr nun, dass ich euch der Juden König losgebe?

Gewohnheit: Da Pilatus aus der Antwort Christi und aus allen anderen Umständen soviel bemerkte, dass Christus unschuldig war und man vielmehr Mitleid mit ihm zu haben hätte, als dass er eine Strafe verdient hätte, hat er vielerlei Mittel in die Hand genommen, ob er die Juden zur Güte bewegen und erreichen könnte. Und da er gespürt hat, dass er nichts ausrichtete, sondern sich vergeblich bemühte, fertigte er ihn zu Herodes ab, damit er ihn los wäre und nicht das Todesurteil über ihn fällen musste. Aber nachdem ihn Herodes wieder zurückgeschickt hatte, fiel ihm ein anderer Trick ein, womit er erhoffte, Christus aus der Hand seiner Feinde zu retten. Denn weil er den Juden, nach ihrer Gewohnheit, einen, der das Leben verwirkt hatte, freigeben musste, stellte er ihnen zwei vor, unter denen sie die Wahl haben sollten. Barrabas, einen Mörder und Jesus, in der Hoffnung, das gemeine Volk würde begehren, Jesus freizulassen und Barrabas, als einen Übeltäter der gerechten Strafe zuzuführen. Aber dies ist ein närrischer Versuch gewesen, der dem Herrn Christus nur zu größerer Schmach gereicht hat, als ob er nicht besser als ein Mörder wäre. Darum ist auch solche Fürbitte nicht vonstattengegangen. Die Juden hatten solche Gewohnheiten aufgebracht, dass ein Mensch, der zum Tode verurteilt worden war, zum Osterfest freigegeben würde, ohne Zweifel zum Gedächtnis der Erlösung der Kinder Israel aus Ägypten. Aber Gott, der Herr, hatte im Gesetz andere Zeremonien angeordnet, wodurch er gewollt hat, dass das Gedächtnis dieser Erlösung auf die Nachkommen übertragen wird. So war diese Gewohnheit der Juden dem Gesetz Gottes zuwider, das befiehlt, dass man den Übeltätern ihre gebührende Strafe antun soll. Man soll aber keinen Gottesdienst erwählen oder einsetzen, der von Gott nicht geboten ist {Mt 15} und obwohl die Freiheiten, als sie gegeben worden sind, ihre erhebliche Ursache hatten, so gereichen sie doch oft den Gesetzen zum Nachteil und zu deren Ungültigkeit. Die deswegen ihre Freiheiten missbrauchen, die dürfen sich nicht darüber wundern, wenn sie diese wiederum verlieren.

Losgebe: Denn bedenkt doch, wie es euch zu großem Spott und Schimpf gereichen wird, wenn ich die ihn ans Kreuz schlagen lassen soll, der euer König genannt worden ist. Darum schont euch selbst, wenn ihr ihn schon nicht schonen wollt.

40. Da schrien sie wieder allesamt und sprachen: Nicht diesen, sondern Barabbas. Barabbas aber war ein Mörder.

Mörder: Der in einem Aufruhr, wo er einen Mord begangen hatte, ergriffen und ins Gefängnis geworfen worden war, wie es die anderen Evangelisten bezeugen. Es wollten jedoch die Juden, dass der unschuldige Christus und ihr Guttäter umgebracht wird, Barrabas aber, der Mörder und Übeltäter, am Leben bleiben sollte. Diese Bosheit warf der Apostel Petrus den Juden in seiner Predigt ernsthaft vor, als er sagte: Ihr verleugnet den Heiligen und Gerechten und bittet, dass man euch den Mörder schenkt, aber den Fürsten des Lebens habt ihr getötet, Actor. 3Christus aber hat gelitten, dass er weniger als ein Mörder geachtet wurde, damit wir geachtet und unter die Kinder Gottes gezählt werden. Die Gott sehr hoch erhöhen will, die erniedrigt er zuvor sehr tief. So wird hier die verkehrte Art der Welt beschrieben. Denn diese vergilt oft Guttaten mit Strafen und Übeltaten mit Belohnungen.


Das 19. Kapitel

  • Und fährt im gerichtlichen Prozess gegen Christus auf sehr unrechte Weise fort.
  • Und Jesus wird zum Tod am Kreuz verurteilt.
  • Dieses Urteil wird vollstreckt und daneben angezeigt, was sich ferner in und nach seinem Tod zugetragen hat.

1. Da nahm Pilatus Jesus und geißelte ihn {Mt 27v26 Mk 15v15 Lk 23v22}.

Geißelte ihn: Pilatus hat zwar nichts unversucht gelassen, um Christus am Leben erhalten zu können, er weicht jedoch je länger je weiter von der Gerechtigkeit ab, bis er sich endlich überstimmen lässt, dass er das Todesurteil gegen Christus fällt. Doch untersteht er sich zuvor, durch ein ungebührliches Mittel, die Wut der Juden zu stillen und meinte, wenn sie Christus sehen würden auf das Jämmerlichste mit Geiseln zugerichtet, dass sein Blut überall an ihm herabflösse, so würden sie sich mit solcher Strafe zufriedengeben und ruhig sein. Aber er hat damit auch nichts ausgerichtet. Man soll deswegen nichts Böses tun, damit Gutes daraus erfolgt. Weil aber die Geißelung eine Strafe der Sünde ist, so hat sie Christus für uns gelitten, auf dass er unsere verbotenen Wollüste büßte. Und er hat den Frommen die Geisel geheiligt, dass es ihnen ein heiliges und seliges Leiden ist. Die Geisler aber, die sich selbst mit Geiseln martern in der Meinung, dass sie damit ihre Sünden bei Gott abtragen könnten, muss man unter die Heuchler zählen, weil solches Geiseln dem Leiden und Verdienst Christi zur Schmach gereicht.

2. Und die Kriegsknechte flochten eine Krone von Dornen und setzten sie auf sein Haupt und legten ihm ein Purpurkleid an

3. und sprachen: Sei gegrüßt, lieber Judenkönig! Und sie gaben ihm Backenstreiche.

Backenstreiche: Es hat aber Christus sich verirren lassen und allerlei Schmach gelitten, damit wir die himmlische Freude und Herrlichkeit genießen können. Und sitzt die Kirche Christi auf Erden unter den Dornen, so muss sie sich auch anspeien, verspotten und mit Backenstreichen schlagen lassen.

4. Da ging Pilatus wieder heraus und sprach zu ihnen: Seht, ich führe ihn heraus zu euch, dass ihr erkennt, dass ich keine Schuld an ihm finde.

Finde: Ich muss abermals öffentlich vor euch allen bezeugen, dass ich nichts an ihm finden kann, weshalb er den Tod verschuldet hätte. Dennoch habe ich in gegeißelt, nicht dass er es verdient hätte, sondern dass ich eurem Willen einigermaßen genüge, und stelle ihn euch jetzt dar, damit der elende Mensch euch zum Mitleiden bewegen kann.

5. Also ging Jesus heraus und trug eine Dornenkrone und Purpurkleid. Und er sprach zu ihnen: Seht, welch ein Mensch!

Heraus: Da das Blut überall von ihm floss und er mit Geiseln auf das Gräulichste zugerichtet war.

Mensch: Wer wollte doch nicht Mitleid mit ihm haben, nachdem er so jämmerlich zugerichtet war, besonders, weil er noch dazu unschuldig war?

6. Da ihn die Hohepriester und die Diener sahen, schrien sie und sprachen: Kreuzige, kreuzige! Pilatus sprach zu ihnen: Nehmt ihr ihn hin und kreuzigt; denn ich finde keine Schuld an ihm.

Diener: Der Hohepriester, die ebenso gut oder ebenso unnütz waren wie ihre Herren, wurden durch dieses Spektakel nicht gemildert, sondern vielmehr entrüstet gegen Jesus. Denn die Anschläge, die nicht auf die Gerechtigkeit gegründet sind, gewinnen endlich einen unglücklichen Ausgang.

Ihn hin: Dies redete er in spöttischer Weise.

Keine Schuld: Weshalb er zu kreuzigen oder zu töten ist, weil ich ihn mit keinem Recht zum Tod verurteilen kann.

7. Die Juden antworteten ihm: Wir haben ein Gesetz, und nach dem Gesetz soll er sterben; denn er hat sich selbst zu Gottes Sohn gemacht.

Gesetz: Nämlich, das Gesetz Moses, welches befiehlt, dass man einen solchen Menschen, der wie dieser ist, umbringen solle.

Gemacht: Er hat von sich selbst behauptet und sich gerühmt, er sei der eingeborene und wahrhaftige Sohn Gottes, nicht nur an Kindes statt angenommen, sondern sein natürlicher Sohn. So hat er sich für einen Gott ausgegeben und Gott gleichgemacht. Solche Gotteslästerung an ihm ist nach Anweisung unserer Gesetze des Todes wert. Darum, wenn er auch nach deinen Vorstellungen und den römischen Satzungen nicht den Tod verschuldet hat, so muss er doch als ein Gotteslästerer nach unserem Gesetz auf das Schnellste aus dem Leben genommen werden. Es waren aber die Juden selbst die allergrößten Gotteslästerer gegen den Sohn Gottes und somit auch gegen Gott, den Vater, selbst, dennoch bezichtigen sie den unschuldigen Sohn Gottes einer Gotteslästerung. So tun es auch die päpstlichen Lästermäuler, dass sie uns als Ketzer ausschreien und verdammen, wo unterdessen ihre Religion voller Irrtümer, Aberglauben und Abgötterei steckt. Daneben hat man hier auch zu merken, dass die Juden das Wort des Herrn Christus viel besser verstanden, als die Arianer. Denn die Juden wussten, wenn Christus sagte, er wäre der Sohn Gottes, dass er ihm die ewige und wahre Gottheit zueignete.

8. Da Pilatus das Wort hörte, fürchtete er sich noch mehr

Hört: Dass Jesus gesagt hatte, er wäre der Sohn Gottes, da hat er sich der vielen und großen Wunderwerke erinnert, von denen er gehört hatte, dass sie Jesus getan hätte und sich Gedanken gemacht, dass er sich nicht etwa an einem heidnischen Gott, der in menschlicher Gestalt herumginge, vergreifen würde. Denn die Heiden glaubten es und hielten es dafür, dass die Götter bisweilen unsichtbar bisweilen auch sichtbar unter den Menschen umgingen, was die Vorfahren vielleicht von den Patriarchen gelernt hatten, die ohne Zweifel den ihren gepredigt haben, dass der Sohn Gottes einmal Mensch werden würde.

Noch mehr: Als zuvor, weil er sich vor der göttlichen Rache sorgte, für das, was er an Christus begangen hat.

9. und ging wieder hinein in das Richthaus und sprach zu Jesu: Von wannen bist du? Aber Jesus gab ihm keine Antwort.

Keine Antwort: Denn er wusste, dass Pilatus, als ein heidnischer, gottloser Mensch, nur aus Vorwitz fragte und gar nicht im Sinn hatte, dass er die himmlische Wahrheit viel achtete, die er kurz zuvor ausgelacht hatte. Deswegen sind die Spötter der Religion nicht wert, dass man sie unterrichtet. Und man soll die Perlen nicht vor die Säue werfen, wie Christus uns warnt {Mt 7}.

10. Da sprach Pilatus zu ihm: Redest du nicht mit mir? Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich zu kreuzigen, und Macht habe, dich loszugeben?

Zu ihm: Dass er stark über ihn entrüstet wurde.

Mit mir: Hältst du mich für keine Antwort wert?

Macht habe: Dies war eine tyrannische Rede. Denn die Obrigkeit hatten nicht die Macht, die Unschuldigen zu strafen, sondern die Übeltäter.

11. Jesus antwortete: Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht wäre von oben herab gegeben; darum, der mich dir überantwortet hat, der hat größere Sünde.

Von oben: Wenn nicht mein himmlischer Vater dieses, mein Leiden zulassen würde, zur Erlösung des menschlichen Geschlechtes, so wäre deine Macht nicht so groß, dass du mir die geringste Ungerechtigkeit zufügen könntest. Denn Christus hat freiwillig gelitten, auf dass er mit einem freiwilligen und vollkommenen Opfer unseren Ungehorsam bei Gott abträgt. So haben auch unsere Feinde keine Macht über uns, uns zu schädigen, sofern es ihnen Gott nicht zulässt.

Größere Sünde: Denn du sündigst auch schwer, dass du so jämmerlich mit mir umgehst. Aber Judas, der Verräter, der mich für den Messias erkannt und dennoch verraten hat, damit ich in deine Hände übergeben werde, der hat eine noch viel größere Sünde begangen und wird auch härter von Gott gestraft werden, als du, der du ein Heide bist und die Wahrheit nicht weißt. Denn ein Knecht, der den Willen des Herrn weiß, und tut ihn nicht, wird mit mehr Schlägen bestraft werden. Darum sollen wir unserem Herren, Gott, Gehorsam leisten, damit nicht umso schwerere Strafen über uns kommen, je reichlicher wir mit der Erkenntnis der Wahrheit begabt sind.

12. Von dem an trachtete Pilatus, wie er ihn losließe. Die Juden aber schrien und sprachen: Lässt du diesen los, so bist du des Kaisers Freund nicht; denn wer sich zum Könige macht, der ist wider den Kaiser.

Losließe: Denn obwohl ihm Christus hart zugeredet hatte, so war er doch so gar nicht gegenüber Christus erbittert, dass er ihn noch jämmerlicher zurichten lassen wollte, sondern er war vielmehr mit allem Fleiß darauf bedacht, wie er Christus erlösen könnte. Wenn wir deswegen zu Recht hart angefahren werden, sollen wir an keine Rache denken, sondern vielmehr darauf schauen, dass wir verbessern, was wir unrecht gehandelt haben.

Los: Dass du ihn mit dem Leben davonkommen lässt.

Freund nicht: Es wird keiner sagen können, dass du ein getreuer Diener des Kaisers bist.

Wider den Kaiser: Es zeigt sich aufrührerisch gegen den römischen Kaiser, dem das jüdische Land momentan unterworfen ist, wer sich an diesen Orten für einen König ausgibt. Darum, weil dieser Jesus sich für einen König des jüdischen Volkes aufspielt, so magst du zusehen, wie du es vor dem römischen Kaiser verantworten willst, wenn du diesen König nicht hart unterdrückst. Im gleichen Ton schreien auch die päpstlichen Heuchler, das Römische Reich könne nicht bestehen, wenn nicht die Lutherischen aus dem Wege geräumt werden.

13. Da Pilatus das Wort hörte, führte er Jesus heraus und setzte sich auf den Richterstuhl an der Stätte, die da heißt Hochpflaster, auf hebräisch aber Gabbatha.

Wort: Mit welchem ihm die Juden in das Herz getroffen hatten, dass er in die Verdammnis Christi eingewilligt hat und nach und nach, je länger je mehr, von der Gerechtigkeit abgewichen ist. Denn der Welt weisen Leute, die Gott nicht fürchten, wollen viel lieber den Zorn und die Ungnade Gottes im Himmel, als ihrer hohen Obrigkeit auf Erden auf sich laden.

14. Es war aber der Rüsttag auf Ostern um die sechste Stunde. Und er sprach zu den Juden: Seht, das ist euer König.

Rüsttag: Das ist der nächste Tag vor dem Osterfest, an dem sich die Juden zu rüsten und vorzubereiten pflegten, damit sie das Osterfest recht halten könnten. Und Christus ist eben am selben Tag vor den Richterstuhl des Pilatus geführt worden mit dem Begehren, dass er getötet werden sollte, da doch die Juden hätten darauf bedacht sein sollen, wie sie am folgenden Tag das Osterlamm rein und würdig essen könnten, was ein Vorbild war des Herrn Christus. Aber der Neid hat in Religionssachen den Vorzug.

Sechste Stunde: Das ist bei uns 12:00 Uhr mittags. Denn die Hebräer teilen den Tag in zwölf Standen. Darum ist das, was jetzt folgt um den Mittag geschehen.

Euer König: Seht ihn an, wie jämmerlich er zugerichtet ist, darum erbarmt euch des elenden Menschen und nehmt für euch selber wahr, was für eine große Schande und üble Nachrede es euch bei anderen Völkern geben wird, wenn sie hören werden, dass der König der Juden ans Kreuz geschlagen worden ist? Und lasst es egal sein, dass er einen nichtigen Ruhm gesucht hat und sich für euren König ausgegeben hat. Meint ihr, dass er in dieser, seiner Einfalt und wegen seiner närrischen Einbildung eine solch gräuliche Strafe verdient hat? Gewiss hat der elende Mensch bis hierhin wegen seines nichtigen Ruhms genug Strafe gelitten.

15. Sie schrien aber: Weg, weg mit dem, kreuzige ihn! Sprach Pilatus zu ihnen: Soll ich euren König kreuzigen? Die Hohepriester antworteten: Wir haben keinen König denn den Kaiser.

Weg: Sie ließen sich durch den jämmerlichen Anblick des gegeißelten und mit Dornen gekrönten Christus nicht nur zu keinem Mitleid bewegen, sondern wurden noch böser auf ihn und bekamen einen solchen Widerwillen gegen ihn, dass sie ihn nicht ansehen wollten. Da ist an Christus erfüllt worden, was Jesaja von ihm geweissagt hat, als er sagte: Christus werde so ungestalt und verachtet sein, dass die Menschen das Angesicht vor ihm verbergen werden, Kap. 53. Aber dieses verachtete Ansehen Christi hat für uns erreicht, dass der himmlische Vater uns mit gnädigen Augen ansehen wird.

Ihnen: Den Juden und versuchte abermals, ob er Christus beim Leben erhalten kann:

Kreuzigen: Denkt doch besser daran, was es euch für ein Schimpf und Spott sein wird bei allen Völkern, die euch ohnedies größtenteils nicht hold sind, wenn es aufkommen wird, euer König wurde ans Kreuz geschlagen, oder, wie es bei uns heißen würde, er wäre gehängt worden.

Dem Kaiser: Mit diesen Worten haben die Juden ihrem Messias allerdings abgesagt, auf den sie doch gehofft hatten, dass er kommen und ihr König sein würde. Darum hat sie Gott der Herr in einem verkehrten Sinn gegeben, dass die jetzigen Juden, als schädliche Nachkommen ihrer Gottlosen Vorfahren, am Mittag und bei hellem Licht der Wahrheit nichts anderes, als in der allertiefsten Finsternis tappen und in Religionssachen nicht das Geringste verstehen.

16. Da überantwortete er ihn ihnen, dass er gekreuzigt würde. Sie nahmen aber Jesus und führten ihn hin.

Gekreuzigt wurde: Denn Pilatus sorgte sich, wenn er den besagten König der Juden gegen ihr vielfältiges und stetiges Schreien beim Leben erhalten würde, dass man in nicht etwa vor dem römischen Kaiser anklagen würde, als ob er dem Regiment, welches ihm anbefohlen war, schlecht vorgestanden wäre und deshalb irgendwie in Ungnade und große Gefahr käme. Denn, wo ein Mensch nicht wiedergeboren ist, da halten die weltlichen Tugenden den Stich nicht, da muss man sich vor einer großen Gefahr sorgen. Christus aber ist unschuldig zum Tode verdammt worden, damit wir, die wir vieler Sünden schuldig sind, vor Gottes Gericht losgesprochen werden und das ewige Leben erlangen.

Hin: Außerhalb der Stadt. Dieses Stück des Leidens Christi erklärt der Apostel in den Hebräern, im Kapitel 13, so: Der Leichnam der Tiere, deren Blut durch den Hohepriester in das Heilige für die Sünde getragen wird, der wird außerhalb des Lagers verbrannt. Darum hat auch Jesus, auf dass er das Volk durch sein eigenes Blut heiligte, außen, vor dem Tor, gelitten. So lasst uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen, denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern suchen die zukünftige.

17. Und er trug sein Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, welche heißt auf hebräisch Golgatha {Mt 27v33 Mk 15v22 Lk 23v33}.

Er trug: Und obwohl einer mit dem Namen Simon von Sirene gezwungen wurde, dass er dem Herrn Christus sein Kreuz eine Weile nachtragen musste, so hat doch Christus das Kreuz anfangs nicht nur allein, sondern auch auf diesem alle Sünden der ganzen Welt, die darauf gelegt waren, getragen, damit wir unter der gräulichen Sündenlast nicht erliegen. Es ist aber Isaak ein Vorbild Christi gewesen, da er das Holz auf seinen Achseln getragen hat, worauf ihn Abraham opfern sollte. Also hat der eingeborene Sohn Gottes sein Kreuz, woran er sich selbst zum Opfer aufopfern wollte, für die Sünden des ganzen menschlichen Geschlechts, selbst getragen. Und wie Simon von Sirene dazu gezwungen worden ist, dass er das Kreuz Christi eine Zeit lang tragen musste, so tragen wir das Kreuz Christi, nach des alten Adams gewöhnlicher Unart nicht mit Willen, sondern gleichsam gezwungen, was uns doch gar nötig und heilsam ist.

Schädelstätte: Weil dort die Schädel derjenigen, die von ihren Misshandlungen ums Leben gebracht worden sind, lagen und gesehen wurden. Es ist also Christus von den Kriegsknechten an den Ort geführt worden, wo man die allerschändlichesten Übeltäter hinzurichten pflegte.

18. Allda kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber mitten inne.

Kreuzigten: Das Vorbild des gekreuzigten Christus ist die eherne Schlange gewesen, die in der Wüste aufgehängt worden ist. Denn wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöht hat, so musste des Menschen Sohn auch erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben {Joh 3}. Und Christus, da er ans Kreuz, das heißt, ans Holz geheftet worden ist, hat uns vom Fluch des Gesetzes erlöst, indem er für uns ein Fluch geworden ist, weil geschrieben steht: Verflucht sei jedermann, der am Holz hängt, auf dass der Segen Abrahams unter die Heiden kommt, in Christus Jesus {Gal 3}, und Christus zieht mit seinen ausgestreckten Händen am Kreuz alle bußfertigen Sünder zu sich {Joh 12}. Die aber Christus angehören und rechtschaffene Christen sind, die kreuzigten auch ihr Fleisch mitsamt den Lüsten und Begierden {Gal 5}.

Mitten inne: Als ob er der allerärgste Übeltäter gewesen wäre. Es ist aber hier die Schrift erfüllt worden, die von Christus sagt, dass er unter die Übeltäter gerechnet wurde {Jes 13} und hat darum unter die Mörder gezählt werden wollen, damit wir unter die Zahl der Gerechten und Kinder Gottes aufgenommen werden.

19. Pilatus aber schrieb eine Überschrift und setzte sie auf das Kreuz; und war geschrieben: Jesus von Nazareth, der Juden König.

Überschrift: Die mit kurzen Worten den Grund des Todes Christi anzeigte und zu verstehen gab.

20. Diese Überschrift lasen viel Juden; denn die Stätte war nahe bei der Stadt, da Jesus gekreuzigt ist. Und es war geschrieben auf hebräische,

griechische und lateinische Sprache.

Sprache: Pilatus hat nun diese Überschrift nicht in guter Meinung, sondern Christus und besonders den Juden zur Schmach und Verkleinerung geschrieben. Jedoch hat Gott der Herr dies, sein Vorhaben zur Ehre seines Namens gerichtet, auf dass es ein öffentliches Zeugnis wäre, dass Christus um keine Misshandlung willen gekreuzigt worden ist. Und es ist in drei Sprachen, die damals die vornehmsten in der Welt waren, aufgezeichnet worden, dass Jesus von Nazareth, der König der Juden und Messias ist, der vor langer Zeit dem Volk Gottes verheißen worden ist, anzuzeigen, dass das Reich Christi durch die Predigt des Evangeliums in der ganzen Welt ausgebreitet werden sollte. Die aber diese Überschrift zum päpstlichen Aberglauben oder auch zur Zauberei missbrauchen, die begehen eine schreckliche Sünde.

21. Da sprachen die Hohepriester der Juden zu Pilatus: Schreibe nicht: Der Juden König; sondern dass er gesagt habe: Ich bin der Juden König.

22. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das hab‘ ich geschrieben.

Geschrieben: Und es soll nicht geändert werden, sondern geschrieben bleiben, auch wenn es euch nicht gefällt.

23. Die Kriegsknechte aber, da sie Jesus gekreuzigt hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile, einem jeglichen Kriegsknecht ein Teil, dazu auch den Rock. Der Rock aber war ungenäht, von oben an gewirkt durch und durch.

Die: Wir haben gehört, wie man Christus gekreuzigt hat. Es folgt jetzt, wie er auch beraubt worden ist.

Jeglichen: Unter denen, die in gekreuzigt hatten.

Den Rock: Den sie auch teilen wollten.

Gewirkt: Darum konnte er wohl nicht geteilt werden.

24. Da sprachen sie untereinander: Lasst uns den nicht zerteilen, sondern darum losen, wes er sein soll (auf dass erfüllt würde die Schrift, die da, sagt: Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über meinen Rock das Los geworfen). Solches taten die Kriegsknechte.

Nicht zu teilen: Damit er nicht beschädigt wird.

Schrift: Christus spricht von dieser Sache im 22. Psalm, es hat aber Christus seiner Kleider wollen beraubt werden, auf dass wir mit seiner Gerechtigkeit und Unschuld bekleidet würden. Wir sollen auch den Raub unserer Güter um Christi willen geduldig leiden, denn Christus wird es uns hundertfach erstatten, was wir um seinetwillen verloren haben. Es sind aber diese Gottlosen Kriegsleute sehr wohl mit denen zu vergleichen, die die Kirchengüter, womit man das Predigtamt und die Schulen unterhalten soll, an sich reißen und sie mit Üppigkeit oder im Krieg verschwenden. Aber die Ketzer, die mit falscher Lehre die Einigkeit der Kirche trennen und die Herzen uneins machen, sind ärger als diese Kriegsleute, die den Rock nicht zerschneiden oder zerreißen dürfen. Auch die, die mit einer unersättlichen Gier zu spielen Lust haben, die sind unter die Rotte dieser Kriegsleute zu zählen.

25. Es stand aber bei dem Kreuze Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester Maria, des Kleophas Weib, und Maria Magdalena.

Stand: Und sah der Kreuzigung Christi mit großem Schmerzen zu. Und es ist wohl verwunderlich, dass dieses betrübte Weiblein, unter so vielen grausamen Feinden, beim Kreuz sich hat dürfen sehen lassen. Aber die große und inbrünstiger Liebe zu Christus achtet keine Gefahr.

26. Da nun Jesus seine Mutter sah und den Jünger dabeistehen, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Weib, siehe das ist dein Sohn!

Jünger: Johannes nämlich. Denn der Evangelist redet hier von seiner Person, wie von einem anderen.

Dein Sohn: Dieser, mein Jünger, wird sich deiner annehmen, als wenn er dein leiblicher Sohn wäre.

27. Danach sprach er zu dem Jünger siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.

Deine Mutter: Lass sie dir befohlen sein, als wenn sie deine Mutter wäre.

Zu sich: Und hat sie als seine Mutter unterhalten. Denn obwohl Christus selbst ein Vater der Witwen und Waisen ist, so gefällt es ihm jedoch, dass er unser Zutun dazu gebraucht, sie zu versorgen. So hebt die christliche Gottseligkeit die natürliche Zuneigung in einem Menschen nicht auf, sondern verbessert sie. Daneben werden wir bei dem Beispiel Christi erinnert, dass wir in unserem Elend dennoch unsere Verwandten nicht vergessen sollen. Und Gott hat dem Evangelisten Johannes sein Leben viele Jahre verlängert, ohne Zweifel unter anderem auch aus dem Grund, weil er sich der Mutter Christi, als einer Witwe und verlassenen Frau, angenommen hat. Denn ich meine, dass Josef damals nicht mehr am Leben gewesen ist. So pflegt Gott denen, die sich der elenden Leute annehmen, das Leben zu verlängern. Es nennt aber Christus Maria ein Weib und nicht seine Mutter, damit nicht jemand meinte, sie hätte etwas zur Erlösung des menschlichen Geschlechts getan oder geholfen. Denn allein Christus steht das Amt des Hohepriesters zu, die Sünden des menschlichen Geschlechts zu versöhnen. Darum legen die dem Mittler Christus eine Schmach an, die die Jungfrau Maria zu einer Mittlerin zwischen Gott und den Menschen machen. In dem großen Schmerz aber und unter dem giftigen Gespött der Feinde hat Christus am Kreuz geschrien: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Dies ist der Anfang des 22. Psalms, worin fast das ganze Leiden Christi Wort für Wort erzählt wird. Darum hat aber Christus am Kreuz nicht verzagt, sondern sich beklagt, dass er in solcher Angst und unter der Verspottung der Feinde, verlassen würde und keine leibliche Erlösung empfindet, wie es die Heiligen Erzväter in ihren Trübsalen oft empfunden hätten. Der Text desselben Psalmes weist in großer Zahl darauf hin und macht es deutlich. Denn in diesem Leben werden die Frommen nicht immer leiblich aus ihren Trübsalen erlöst, werden, aber doch so darinnen erhalten, dass sie das ewige Leben erlangen.

28. Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, dass die Schrift erfüllt würde, sprach er: Mich dürstet!

vollbracht: Und sein Leiden hatte nunmehr sein Ende erreicht, sodass ihm nichts weiter, als der tödliche Abschied aus diesem Leben bevorstand. Da hat er sich noch einer Weissagung erinnert, von seinem Durst, den er am Kreuz erleiden würde und wie man ihn tränken würde.

Schrift: Im 69. Psalm, der so lautet: Sie geben mir Galle zu essen und Essig zu trinken in meinem großen Durst.

Mich dürstet: Es dürstete aber Christus damals vornehmlich und am allermeisten nach unserer Seligkeit.

29. Da stand ein Gefäß voll Essigs. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop und hielten es ihm dar zum Munde.

Voll Essig: Neben dem Kreuz. Es sieht so aus, als sei es üblich gewesen, dass man die Übeltäter in ihren letzten Nöten mit Essig getränkt hat, nicht um die Strafe zu mildern, sondern damit sie mehr Schmerzen empfinden.

Ysop: Was ein wohlriechendes Kraut ist.

Zum Munde: Ist dies nicht ein wunderbares Handeln, dass der Schöpfer des Himmels und der Erde und aller Weinberge in seinen letzten Zügen nicht einen Trunk Wein haben konnte, womit er sich hätte laben können. Aber er hat sich mit Essig tränken lassen wollen, auf dass er die Völlerei und Trunkenheit der Menschen büßte, womit sie Gott schwer erzürnen. Zu bejammern aber ist es, dass wir oft nicht einen einzigen überflüssigen Trunk Wein unterlassen um des Willens, der um unseretwillen am Kreuz Durst gelitten und Essig anstatt Wein unseretwegen getrunken hat. Wenn aber uns desgleichen auch begegnet, dass die, die uns erquicken sollten, uns mit Essig tränken und mit Galle speisen, das heißt, unser Leid vermehren und größer machen, so sollen wir es geduldig leiden. Denn der Jünger ist nicht über seinem Meister.

30. Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und neigte das Haupt und verschied.

vollbracht: Was ich für die Wohlfahrt des menschlichen Geschlechts leiden musste.

Verschied: Dass er seine Seele seinem himmlischen Vater überantwortete, dem er sie kurz zuvor anbefohlen hatte. Es ist aber Christus gestorben unserer Sünden willen, auf dass er uns vom ewigen Tod, nämlich, von der ewigen Verdammnis erlöst. Also ist sein Tod unser Leben {2Tim 1 Hebr 2}. So hat er auch unseren leiblichen Tod geheiligt, dass er uns kein Tod oder Untergang mehr ist, sondern ein Schlaf und eine Tür oder ein Eingang zu dem rechten Leben. Wenn wir aber an Christus, der für uns am Kreuz gestorben ist, wahrhaftig glauben, so sollen wir auch den alten Adam in uns töten, auf dass wir nicht den bösen Gelüsten unseres Fleisches nachhängen {Röm 6 Kol 3}.

31. Die Juden aber; dieweil es der Rüsttag war, dass nicht die Leichname am Kreuz blieben den Sabbat über (denn desselben Sabbats Tag war groß), baten sie Pilatus; dass ihre Beine gebrochen, und sie abgenommen würden.

Die: Es folgt vom Begräbnis Christi.

Rüsttag war: An welchem Christus gekreuzigt worden war. An diesem pflegte man sich auf das Fest des folgenden Tages zu rüsten, damit man dieses gebührend feiern könnte.

Sabbat über: Damit der Sabbat nicht dadurch entheiligt würde, wenn sie noch am Kreuze hingen. Denn der letzte Teil des Tages, der Rüsttag hieß, wurde zum folgenden Sabbat gerechnet.

War groß: Weil auch das Osterfest auf denselben Sabbat fiel und es also ein doppeltes hohes Fest war.

Gebrochen: Wie es zur damaligen Zeit üblich war, damit sie eher sterben, wenn sie noch nicht ganz tot waren und danach vom Kreuz genommen und begraben werden konnten. Denn es steht geschrieben im Gesetz: Wenn jemand eine Sünde getan hat, die des Todes würdig ist und wird also getötet, dass man ihn an ein Holz hängt, so soll sein Leichnam nicht über die Nacht am Holz bleiben, sondern man soll ihn am selben Tag begraben. Denn ein Gehenkter ist verflucht bei Gott. Auf dass du dein Land nicht verunreinigst, welches dir der Herr dein Gott zum Erbe gibt {5Mos 21}. Darum wurde Christus abermals um unseretwillen für einen verfluchten Menschen gehalten, auf dass wir den ewigen Segen erlangten {Gal 3}. Man spürt auch hier die Art und Eigenschaft der Heuchler, dass sie in schlechten Sachen ein sehr enges Gewissen haben, aber in großen und wichtigen nach keiner Gottesfurcht fragen. Denn sie sorgten sich, dass sie eine große Sünde begingen, wenn der Leichnam nicht rechtzeitig vom Kreuz abgenommen würde. Aber das hielten sie für keine Sünde, dass sie einen unschuldigen Menschen, ja, den allerheiligsten Sohn Gottes, mit einem schändlichen Tod hingerichtet hatten.

32. Da kamen die Kriegsknechte und brachen dem ersten die Beine und dem andern, der mit ihm gekreuzigt war.

33. Als sie aber zu Jesu kamen, da sie sahen, dass er schon gestorben war, brachen sie ihm die Beine nicht,

34. sondern der Kriegsknechte einer öffnete seine Seite mit einem Speer; und alsbald ging Blut und Wasser heraus.

Öffnete: Um zu sehen, ob Jesus wahrhaftig gestorben wäre.

Heraus: Aus der Seite. Dadurch wurden die beiden Sakramente des Neuen Testaments angedeutet, nämlich, die Taufe und das Abendmahl des Herrn.

35. Und der das gesehen hat, der hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr, und derselbe weiß, dass er die Wahrheit sagt, auf dass auch ihr glaubt.

Gesehen hat: Nämlich, Johannes der Apostel und Evangelist, der dies geschrieben hat. Denn er spricht von sich selbst, wie von einem anderen und bezeugt ernsthaft, wie er darauf fleißig geachtet hat und mit seinen Augen gesehen hat, dass es sich so zugetragen hat, wie er es angibt.

Ihr glaubt: Die ihr dies lesen werdet, es sei so passiert. Deshalb sollen wir dem Zeugnis der Apostel glauben, weil sie es nicht nur gehört, sondern auch gesehen haben.

36. Denn solches ist geschehen, dass die Schrift erfüllt würde: Ihr sollt ihm kein Bein zerbrechen {4Mos 9v12}.

Schrift: Die die folgenden Worte vom Osterlamm erzählt {2Mos 12v46}. Denn das Osterlamm war ein Vorbild unseres Erlösers Christus, der das unschuldige Lamm war und mit keiner Sünde befleckt, der um unserer Sünden willen getötet worden ist und mit seinem Blut durch den Glauben uns besprengt hat, auf dass der Satan, als ein Würger des Leibes und der Seelen keinen Anspruch auf uns hat. Dieses Lamm essen wir auch im Heiligen Abendmahl zum Gedächtnis, dass wir durch ihn aus der allerschwersten Dienstbarkeit und aus dem Gefängnis des Teufels erlöst worden sind. Dessen Beine sind am Kreuz nicht zerbrochen worden, obwohl nach dem Brauch bei den anderen die Beine zerbrochen wurden, um anzuzeigen, dass Christus unüberwindlich ist und bald danach vom Tode wiederauferstehen würde. Es werden aber auch die Beine der Kirche nicht zerbrochen, das heißt, sie wird nicht vertilgt, obwohl sie von Zeit zu Zeit in große Gefahr kommt.

37. Und abermal spricht eine andere Schrift: Sie werden sehen, in welchen sie gestochen haben.

Gestochen haben: Sie werden es einmal erkennen, die Christus verfolgt haben, was sie für einen Menschen geächtet und getötet haben, nämlich den, der Gott und Mensch in einer Person und der Herr der Herrlichkeit ist. Denn viele von denen, die Christus ans Kreuz gebracht haben, sind noch vor seinem Begräbnis bekehrt worden und viele andere, als sie die Predigt des Apostels Petrus am Pfingsttag gehört hatten, haben herzliche Reue und Leid darüber gehabt, dass sie den Messias und Herren der Herrlichkeit gekreuzigt hatten. Am Jüngsten Tag aber werden alle Verfolger Christi und seiner Kirche mit großem Schrecken und höchster Verzweiflung und Angst sehen, dass sie gegen den Sohn Gottes und seine Glieder, die frommen rechtschaffenen Christen, gestellt haben, denen sie viel Schmach auferlegt haben.

38. Danach bat Pilatus Joseph von Arimathia, der ein Jünger Jesu war, doch heimlich, aus Furcht vor den Juden, dass er möchte abnehmen den Leichnam Jesu. Und Pilatus erlaubte es. Da kam er und nahm den Leichnam Jesu herab {Mt 27v57 Mk 15v43 Lk 23v50}.

Doch heimlich: Er hatte zwar erkannt, dass Jesus der Messias und Sohn Gottes wäre und seine Lehre angenommen, aber es nicht öffentlich bekennen dürfen, weil er sich vor den anderen Juden zu sehr gefürchtet hat und sich sorgte, dass er nicht nur aus dem Rat in Jerusalem, sondern auch aus der Synagoge ausgeschlossen und in Bann getan würde. Dieser ist vom Geist Gottes aufgemuntert worden, als die anderen Jünger Christi sich in die Winkel verkrochen und hat Pilatus gebeten, dass er es ihm gönnen sollte, den Leichnam Jesu ehrlich zu begraben. Denn etliche, die sonst auch rechtschaffene Christen sind, erzeigen sich anfangs etwas schwach und furchtsam, dass sie das Evangelium Christi unter der Gefahr des Leibes oder der Güter nicht bekennen dürfen. Diese soll man nicht verwerfen, sondern vielmehr stärken.

39. Es kam aber auch Nikodemus, der vormals bei der Nacht zu Jesu kommen war, und brachte Myrrhen und Aloen untereinander bei hundert Pfunden.

Nikodemus: Der auch ein Ratsherr in Jerusalem war.

Kommen: Und sich mit ihm besprochen hatte, wie man das ewige Leben erlangen könnte. Dieses Gespräch ist von dem Evangelisten oben in Kapitel drei beschrieben worden. Er war damals auch noch zu furchtsam gewesen, als dass er beim hellen Tag zu Christus kommen durfte. Dieser stellt sich jetzt auch ein und hilft Christus zu begraben.

Hundert Pfund: Er hat also keine Kosten gespart, nur damit Christus auf das Herrlichste begraben werden konnte. Etliche sind ganz anders gesinnt, die meinen, es werden alle Kosten vergeblich aufgewendet, die zur Ehre Christi geschehen.

40. Da nahmen sie den Leichnam Jesu und banden ihn in leinene Tücher mit Spezereien, wie die Juden pflegen zu begraben.

Sie: Nämlich, Joseph von Arimathia und Nikodemus, die in einem Glauben bei dem Kreuz Christi zusammengekommen waren. Denn, die anfangs im Glauben schwach und furchtsam sind, die sind danach in der allergrößten Gefahr oftmals am allerstärksten, dass sie Christus und sein Evangelium öffentlich bekennen dürfen, wenn sonst jedermann schweigt.

Zu begraben: Was vortreffliche Leute waren. Denn es begruben die Juden ihre Toten ehrlich um der Hoffnung der zukünftigen Auferstehung willen, dass sie darin gestärkt würden. Man soll aber auch heutzutage die Körper der Christen nicht unachtsam hinwerfen, damit es nicht so aussieht, als hätten wir auch die Hoffnung der Auferstehung oder die Liebe gegen die Verstorbenen fallen lassen.

41. Es war aber an der Stätte, da er gekreuzigt ward, ein Garten und im Garten ein neues Grab, in welches niemand je gelegt war.

Neues Grab: Christus hat aber in ein neues Grab gelegt werden wollen, um anzuzeigen, dass er unsere Gräber weiht und heiligt, damit sie unsere Schlafkammern sind {Jes 56}, in denen unsere Leiber ruhen, bis sie zum ewigen Leben wiederauferweckt werden, aus dem wir durch die Sünde, die im Garten geschehen ist, gestoßen waren.

42. dort hin legten sie Jesus um des Rüsttages willen der Juden, dieweil das Grab nahe war.

Rüsttags willen: Dass sie sich zum Osterfest rüsten sollten.

Nahe war: Damit nicht, wenn sie an einen weit abgelegenen Ort gingen und das Grab vorbereiteten, etwas am Fest versäumt wurde. Es ist aber Christus begraben worden, auf dass wir dessen gewiss und versichert sind, wie er nicht nur wahrhaftig für unsere Sünden gelitten, sondern auch gestorben ist. Wir sollen aber auch mit ihm unseren alten Adam begraben, dass die Sünde nicht mehr in uns herrscht {Röm 6}.


Das 20. Kapitel

  • Es werden etliche Anzeichen und Zeugnisse erzählt, dass Christus wahrhaftig von den Toten wiederauferstanden ist.

1. An der Sabbate einem kam Maria Magdalena früh, da es noch finster war, zum Grabe und sah, dass der Stein vom Grabe hinweg war {Mk 16v1 Lk 24v1}.

An: Bisher haben wir von dem Kampf Christi gehört, den er ausgestanden hat mit dem Tod, Teufel und der Hölle. Jetzt lasst uns hören, wie er sie durchbrochen und den Sieg errungen hat. Denn es erzählt der Evangelist in diesen beiden letzten Kapiteln, wie Christus nicht allein von den Toten wiederum auferstanden, sondern auch seinen Jüngern oftmals erschienen ist und ihnen freundlich zugesprochen hat.

Sabbater einem: Nämlich am nächsten Tag, der auf den großen Sabbat folgte, da ist geschehen, was danach gesagt wird. Denn die Juden nannten auch die Tage Sabbater, die zwischen dem ersten und letzten, als den allergrößten Festtagen eines hohen Festes eingeschlossen waren, weil man diese auch feiern musste. Es war jedoch der Erste und Letzte, nämlich der achte vor den anderen am herrlichsten, wie man es in den Büchern des Moses findet, wenn er von den Festen oder Feiertagen spricht. Es ist aber derselbe Tag, an den hier gedacht wird, eben der, welchen wir Sonntag zu nennen pflegen.

Maria Magdalena: Welche früher ein nicht ehrbares Leben geführt hatte, aus der auch Christus sieben Teufel ausgetrieben hatte. Daher hat sie sich zu Christus bekehrt und ist eine rechte, heilige Matrone geworden.

Hinweg war: Denn der Engel des Herrn war vom Himmel gestiegen, und hatte den Stein weggewälzt, wie der Evangelist Matthäus bezeugt im Kapitel 28. Maria Magdalena wusste aber nicht, wer den Stein weggenommen hatte. Darum machte sie sich besorgte Gedanken, es könnte Christus heimlich gestohlen worden sein. Obwohl nun die anderen Evangelisten sagen, dass noch andere Weiber mehr zum Grab hinausgegangen sind, so erscheint doch aus allen Umständen, dass diese Maria Magdalena unter den andern Weibern die allererste gewesen ist, die zum Grab kam. Denn weil Christus ihr viele Sünden vergeben hatte, so hat sie auch Christus sehr geliebt. Manchmal geschieht es, dass diejenigen, die große und schwere Sünden begangen haben, wenn sie wahrhaftig zu Christus bekehrt worden sind und Vergebung ihrer Sünden erlangt haben, dass sie oft mit größerem Eifer Christus dienen, als andere. Es ist aber auch auf besonderen Rat Gottes geschehen, dass die Weiber die ersten gewesen sind, die das Grab Christi leer gefunden haben und den Stein weggewälzt gesehen haben, damit niemand lästern könnte, sie hätten den Leichnam Christi gestohlen. Und Gott hat gewollt, dass die Auferstehung Christi durch das weibliche Geschlecht als Erstes aufgebracht würde, durch das früher die Sünde und der Tod in die Welt gekommen waren, um die Weiber von vielen und nahezu unzähligen Schmach- und Speiworten zu retten, die gottlose Leute gegen sie ausstoßen und nicht bedenken, dass sie nicht nur die Kreatur, sondern auch den Schöpfer dieses Geschlechts schmähen. Und weil Maria Magdalena über den Tod Christi am allermeisten bekümmert war, so hat sie auch Christus als Erste trösten wollen. Denn je bekümmerter ein frommer Mensch ist, umso mehr sorgt Gott für ihn. Er ist aber nicht seiner Mutter als Erstes erschienen, sondern der Maria Magdalena, die früher eine nicht ehrbare Frau gewesen ist, um anzuzeigen, dass es im Reich Gottes keinen Vorzug des Fleisches wegen, oder Ansehen der Person gibt und dass er in dieser Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, sofern sie Buße tun und von den Sünden lassen. Es ist aber Christus auferstanden, nicht, dass er wieder sterben müsste, wie die anderen, die entweder von den Propheten oder den Aposteln, oder auch von Christus selbst von den Toten auferweckt worden sind, sondern er lebt und regiert in Ewigkeit, und der Tod wird nicht mehr über ihn herrschen {Röm 6}. So ist er nicht nur für sich selbst und ihm allein zum Besten auferstanden, sondern auch uns zum Trost. Denn seine Auferstehung ist ein Zeugnis, dass unsere Sünden versöhnt werden, und damit Gott dem himmlischen Vater genug geschehen ist. Wenn wir das wahrhaftig glauben, so werden wir durch solchen Glauben vor Gott gerecht. Daher sagte Apostel Paulus von Christus: Er ist um unserer Sünde willen dahingegeben und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt {Röm 4}, danach ist seine Auferstehung auch ein Zeugnis unserer Auferstehung zum ewigen und recht seligen Leben. Und der Apostel Paulus beweist unsere Auferstehung aus der Auferstehung Christi ausführlich {1Kor 15}. Denn Christi Auferstehung ist gar gewiss, weil nicht nur im Alten Testament Weissagungen, sondern auch Vorbilder und Figuren davon vorhanden sind und Christus selbst hatte zuvor gesagt, dass er am dritten Tage auferstehen würde. So hat er sich 40 Tage nach seiner Auferstehung oftmals gezeigt und sehen lassen und hat mit seinen Jüngern geredet vom Reich Gottes, Actor 1.

2. Da lief sie und kam zu Simon Petrus und zu dem andern Jünger, welchen Jesus lieb hatte, und sprach zu ihnen: Sie haben den Herrn weggenommen aus dem Grabe, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben.

Läuft sie: Mit großer Sorgfalt vom Grabe weg.

Anderen Jünger: Johannes, denn die beiden waren bereits auf dem Weg, um zum Grabe des Herrn zu eilen.

Zu ihnen: Mit weinenden Augen und vielen Tränen.

Den Herrn: Jesus Christus, den ich so sehr liebe und in Ehren halte, obwohl er tot ist.

Weggenommen: Und kann nicht wissen, ob es Freunde oder Feinde getan haben. Einmal finde ich ihn nicht mehr im Grabe und wünschte nichts lieber, als dass ich ihn nur noch einmal sehen könnte, damit ich seinen Leichnam mit wohlriechenden Ölen salben könnte und ihm so diese letzte Ehre erweisen könnte.

3. Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grabe.

Hinaus: Denn sie sind ohnedies bereits auf den Weg gewesen, der zum Grab des Herrn führte.

4. Es liefen aber die zwei miteinander, und der andere Jünger lief zuvor, schneller denn Petrus, und kam am ersten zum Grabe,

Liefen: Aus großem Verlangen, um zu sehen, ob das Grab Christi leer wäre, wie ihnen Maria Magdalena gesagt hatte.

5. guckte hinein und sah die Leinen gelegt; er ging aber nicht hinein.

Gelegt: Das Grab aber findet er leer.

Nicht hinein: Ins Grab, dass er alle Sachen genauer angeschaut hätte, entweder dass ihn ein Grausen ankam, oder dass er vom großen Herzeleid zurückgehalten worden ist.

6. Da kam Simon Petrus ihm nach und ging hinein in das Grab und sah die Leinen gelegt.

Gelegt: An einem besonderen Ort im Grab.

7. und das Schweißtuch, das Jesus um das Haupt gebunden war, nicht zu den Leinen gelegt, sondern beiseits, eingewickelt, an einen besonderen Ort.

Eingewickelt: Gleichsam wie mit Fleiß. Es hat aber Petrus sich ohne Zweifel sehr darüber gewundert, was das bedeuten könnte. Denn es war kaum zu glauben, dass ein Dieb sich so viel Zeit genommen hätte, um die Leinwand samt dem Schweißtuch mit besonderem Fleiß zusammengestellt und an ihrer gewöhnlichen Stelle im Grab ordentlich hingelegt zu haben. Aber dennoch konnte er daraus nicht errechnen, wie er es freilich hätte tun sollen, dass Christus von den Toten auferstanden war.

8. Da ging auch der andere Jünger hinein, der am ersten zum Grabe kam, und sah und glaubte es.

Sah: Wie das Grab leer und die Leinwand ordentlich an ihrer Stelle zusammengelegt war, konnte aber selbst auch dabei nicht annehmen, dass Christus von den Toten auferstanden und die Leinwand samt dem Schweißtuch abgelegt hätte.

Glaubt es: Dass der Leichnam Christi weggenommen wäre. Es ist aber an dem Apostel Petrus zu loben, dass er nach seinem Fall, als er Christus verleugnete, von den anderen Jüngern Christi nicht ausgesetzt worden ist, sondern sich wieder zu ihnen gefunden hat. Denn die gefallen sind, sollen durch wahre Buße wieder zur Kirche kommen und nicht verzagen, noch sich zu den Feinden schlagen. Desgleichen ist Johannes auch lobenswert, dass, obwohl er beständiger geblieben ist als Petrus und bei Christus unter dem Kreuz gestanden hat, er dennoch den Petrus nicht verachtet hat, da er Buße getan hat und er ihn für einen Mitgesellen erkannte. Denn wenn die, die gefallen sind, Buße tun, so soll man sie nicht abtreiben und wegweisen, sondern mit Trost aufrichten und wieder in die christliche Gemeinde aufnehmen. Aber beide sind in dem zu schelten, dass sie an der Auferstehung Christi gezweifelt haben, die ihnen doch zuvor von Christus oft verkündigt worden war. So groß ist unsere Schwachheit des Fleisches und der Unvermögen des freien Willens, auch in den Wiedergeborenen.

Nach Luther: Dass er wäre weggenommen, wie Maria Magdalena zu ihnen gesagt hatte.

9. Denn sie wussten die Schrift noch nicht, dass er von den Toten auferstehen müsste.

10. Da gingen die Jünger wieder zusammen.

Wieder zusammen: Zu ihrer Behausung, aus der sie gekommen waren und blieben im Zweifel, wer den Leichnam Christi weggenommen hätte. Denn sie glaubten noch nicht, dass er von den Toten wiederauferstanden wäre. Denn in großen Bewegungen des Gemütes hat es oft den Anschein, als sei unser Glaube ganz und gar verloschen, bis er vom Wort und Geist Gottes, als eine glimmende Kohle in der Asche aufgeblasen wird, dass er wieder zurechtkommt.

11. Maria aber stand vor dem Grabe und weinte draußen. Als sie nun weinte, guckte sie in das Grab

Weinte: Und stand im Zweifel, wo sie den verlorenen Jesus suchen oder finden sollte.

Guckte sie: Mit großer Angst übergehen, ihre Meinung nach, verlorene Christus.

12. und sieht zwei Engel in weißen Kleidern sitzen, einen zu den Häupten und den andern zu den Füßen, da sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten.

Zwei Engel: Welche Gott als Zeugen dazu gebrauchen wollte, auf dass wir der Auferstehung Christi umso mehr vergewissert würden, weil besonders das Heil und die Seligkeit unserer Seelen daran gelegen ist. Denn wenn Christus von den Toten nicht wiederauferstanden wäre, so wären wir noch nicht erlöst {1Kor 15}.

13. Und dieselben sprachen zu ihr: Weib, was weinst du? Sie sprach zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.

Was weinst du: Was ist die Ursache, dass du so sehr leidend und bekümmert bist? Sie fragten aber, um das Bekenntnis ihres Unglauben von ihr herauszubringen.

Gelegt haben: Solches beweinte ich. Denn ich bin gekommen, dass ich ihn wenigstens tot noch einmal sehe und mit wohlriechenden Ölen salbe zur Erklärung meiner gottseligen Zuneigung gegen ihn und dass ich ihn, als meinen Herrn und Messias aufs höchste liebe und ehre.

14. Und als sie das sagte, wandte sie sich zurück und sah Jesus stehen und wusste nicht, dass es Jesus war.

Zurück: Ohne Zweifel, weil sie über das unvorhergesehene Anschauen des heiligen Engels erschrocken war, hat sie meines Erachtens nach, aus Furcht, das Angesicht von ihnen abgewandt.

Weiß nicht: Denn es wurden anfangs die Augen der Maria so gehalten, dass sie ihn nicht sofort erkannte, wie es auch den zwei Jüngern, die nach Emmaus gegangen waren, geschehen war.

15. Sprach Jesus zu ihr: Weib, was weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sprach zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo hast du ihn hingelegt?, so will ich ihn holen.

Suchst du: Es hielt sich aber Christus eine Weile auf und fragte sie, nicht um sie noch mehr zu erschrecken, sondern dass sie sich danach umso herzlicher freuen könnte. Also handelt auch bisweilen der himmlische Vater mit uns, dass er in Gefahr und Elend gleichsam zuerst uns fragt, warum wir weinen? Wenn er sich nämlich stellt, als würde er unser Gebet nicht hören.

Getragen: Und aus besonderen Ursachen an einen anderen Ort gelegt.

Wohl denn: Und an einem ehrlichen Ort auf das Herrlichste ihn wiederum begraben. Denn ich kann meine gottselige Zuneigung auch gegen den Toten nicht ablegen.

16. Sprach Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und sprach zu ihm: Rabbuni, das heißt, Meister!

Maria: Aus dieser Rede und Stimme hat sie Christus erkannt. Mit was für einer Freude meint man wohl, dass diese fromme Matrone überschüttet worden ist, da sie ihren liebsten Herrn und Meister nicht nur lebendig gesehen, sondern auch gehört hat, wie er sie auf das Freundlichste angesprochen hat? Denn Gott kann unsere Tränen plötzlich in eine große Freude verändern.

17. Sprach Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an; denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Gehe aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.

Nicht an: Denn Maria war zu den Füßen des Herrn Christus niedergefallen, und hatte diese aus herzlicher Liebe gehalten und umfangen, als ob sie niemals mehr von ihm lassen wollte, wie es aus dem 28. Kapitel des Matthäus zu ersehen ist. Darum sagte er: Es ist unnötig, dass du mich so hart hebst und meine Füße hältst, den du wirst mich so bald noch nicht verlieren. Und obwohl ich zu meinem Vater auffahren werde und in meine vollkommene, himmlische Herrlichkeit eingehen werde von derzeit an, ich nicht mehr, wie es vor der Zeit geschehen ist, mit euch sichtbar umgehen werde, so ist doch die Zeit meiner Auffahrt noch nicht vorhanden. In der Zwischenzeit aber will ich viele Tage lang mit euch sprechen und Unterhaltungen führen.

Nicht aufgefahren: (Nach Luther) Weil sie noch nicht glaubt, dass er Gott war, wollte er sich nicht berühren lassen, denn berühren bedeutet glauben. Und St. Johannes besonders vor den anderen Evangelisten hat auf die geistlichen Deutungen geachtet. So hat doch Matthäus 28, Vers 9, geschrieben: Er habe sich von den Weibern anrühren lassen.

Eurem Gott: Verkündige meinen Jüngern, dass ich von dem Tod wiederum auferstanden bin und dass ich sie darum nicht hasse, obwohl sie von mir abgefallen und mich zum Teil auch verleugnet haben. Sondern ich habe den himmlischen Vater versöhnt, sodass er nun ihr gütiger Vater und gnädiger Gott sein wird. Denn ich will nicht nur darum auffahren, damit ich in meine vollkommene und himmlische Herrlichkeit eingehe, sondern auch, dass ich sie zugleich mit mir, zu seiner Zeit, der ewigen Glückseligkeit teilhaftig mache. Denn gleichwie Christus vor seinem Leiden seinen Jüngern von seiner Auferstehung etliche Male gepredigt hat, so hat er nach der Auferstehung seine Jünger an seine Himmelfahrt erinnern wollen. Wer aber die bußfertigen Apostel für seine Brüder erkannt hat, der will auch, dass wir seine Miterben sein sollen, wenn wir nur Buße tun und an ihn glauben. Denn er hat Macht gegeben, Gottes Kinder zu werden, die an seinen Namen glauben {Joh 1}. Wir sollen uns auch untereinander als Brüder erkennen und die christliche Liebe gegeneinander üben.

18. Maria Magdalena kam und verkündigte den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und solches hat er zu mir gesagt.

Kam: Zu den Aposteln voller Freude.

Gesagt: Was oben erzählt wurde. Christus hat aber seine Auferstehung zu allererst der Maria Magdalena geoffenbart und diese durch sie den Jüngern verkündigen lassen, um damit anzuzeigen, dass er sein Reich und dessen Erweiterung als gering und verächtlich ansah, aber mit wunderbarer Wirkung glücklich zum Ende führte.

19. Am Abend aber desselben Sabbats, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten ein und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch!

Am Abend: Unser Evangelist lässt um der Kürze willen drei Erscheinungen Christi außen, weil er wusste, dass diese von den anderen Evangelisten ausführlich beschrieben waren. Eine, als er den anderen Weibern erschienen war, danach, da er sich Petrus lebendig gezeigt hat und zum Dritten, als er ein langes Gespräch mit den Jüngern gehalten hat, die nach Emmaus gegangen waren. Diese Erscheinung aber, die jetzt folgen wird, ist am selben Tag geschehen, da Christus auferstanden ist und mit den Jüngern nach Emmaus gegangen ist, nämlich am Abend desselben Tages.

Aus Furcht: Denn es sorgten sich die Jünger, dass die Juden nicht einen unvorhergesehenen Angriff auf sie machten, weil sie nicht mehr gegen ihren Meister Christus wüten konnten.

Mitten ein: Unversehens. Daher sind die Jünger erschrocken, dass sie gemeint haben, sie sehen einen Geist oder ein Gespenst, wie es Matthäus bezeugt, Kapitel 28, als sie jedoch bereits wussten, dass Christus von den Toten auferstanden war. Denn es wollte ihnen nicht in den Kopf, dass ein wahrhaftiger Mensch zu ihnen hineinkommen könnte, wenn die Tür verschlossen bliebe. Wie auch die Zwinglianer dem Leib Christi, dazu nach seiner Auferstehung, fast nur solche Eigenschaften fälschlich zumessen, die unsere Leiber haben, wenn sie noch nicht verklärt sind. Darum glauben sie nicht, dass Christi Leib und Blut im heiligen Abendmahl des Herrn gegenwärtig sein könne, obwohl sie diesen, ihren Unglauben, mit anderen Farben zu verstreichen sich unterstehen. Es sind aber die übernatürlichen Eigenschaften des Leibes Christi der himmlischen Lehre nicht zuwider, sondern nur den Weltweisen, natürlichen Mitteln, die in geistlichen und himmlischen Sachen nichts gelten.

Mit euch: Ich wünsche euch alles Gute und alle glückliche Wohlfahrt und verkündige euch zugleich, dass eure Sünden getilgt sind, Gott euch wiederum versöhnt worden ist und dass euch eure Übertretungen nicht zugerechnet werden. Denn Christus tröstet die Erschrockenen und Kleinmütigen. Darum ist der Geist, der die erschrockenen und niedergeschlagenen Herzen zur Verzweiflung treiben möchte, nicht der Geist Christi, wenn er uns auch Sprüche der Heiligen Schrift vorhält, sondern es ist der Geist des Satans, den wir nicht hören sollen. Denn Christus behauptet nirgends, dass die Sünder, die Buße tun, verzagen sollen, sondern verspricht ihnen vielmehr Vergebung der Sünden und dass er sie zu Kindern Gottes annehmen will {Lk 15}.

20. Und als er das sagte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.

Hände: In denen noch die Wundmale von den Nägeln waren, womit er ans Kreuz geheftet worden war.

Seite: Die ihm mit einem Speer geöffnet worden war, als er am Kreuz gehangen war, damit sie nicht zweifeln konnten, er wäre eben derselbe Jesus von Nazareth, der neulich gekreuzigt worden war. Denn Gott richtet sich aus unermessliche Güte nach unserem Verstand. Das sollen wir unseren Mitbrüdern auch leisten und so mit ihnen umgehen, wie wir meinen, dass sie gebessert und im Glauben gestärkt werden können.

Froh: Denn wenn die Auferstehung Christi recht betrachtet wird, so ergötzt sie unsere Herzen wunderbar und überschüttet uns mit geistlicher Freude.

21. Da sprach Jesus abermal zu ihnen: Friede sei mit euch! Gleichwie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.

Friede sei: Christus wiederholt seinen lieblichen Gruß und herrlichen Trost. Denn die bekümmerten Herzen benötigen viel und oft wiederholten Trost.

Gleich: Jetzt setzt Christus seine Apostel auch wieder in das apostolische Amt ein, dessen sie sich selber unwürdig gemacht hatten durch ihre schändliche Flucht und Verleugnung und lehrt sie zugleich, was ihr Amt sein wird, teilt ihnen auch etliche Gaben des Heiligen Geistes mit.

Ich euch: Denn der himmlische Vater hatte mich, neben anderen Gründen, auch darum in diese Welt gesandt, dass ich das Evangelium predigen sollte {Jes 61}. Weil ich aber nach meiner Himmelfahrt nicht mehr auf Erden predigen werde, so übergebe und stelle ich euch dieses Amt wiederum zu, dass ihr das Evangelium predigt, die Sakramente austeilt, wie sie von mir eingesetzt sind und eure Lehre, wo es nötig ist, mit Wunderwerken bestätigt. Wir sollen deswegen die Lehre der Apostel, als die Gesandten des Herrn Christus, mit Fleiß hören und ihnen glauben.

22. Und da er das sagte, blies er sie an und sprach zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist!

Heiligen Geist: Es hat aber damals Christus etliche Gaben des Heiligen Geistes seinen Aposteln mitgeteilt, und zwar noch mehr, als sie zuvor gehabt haben, nämlich, einen stärkeren Glauben an seine Auferstehung und ein besseres Verständnis der Heiligen Schrift. Und, obwohl die Apostel die wunderbare Gabe des Heiligen Geistes noch nicht empfangen hatten, die danach am Pfingstsonntag über sie ausgegossen worden ist, so scheint es doch genügend aus der Rede des Petrus, die er über die Wahl des Apostels Matthäus gehabt hat, dass sie durch den Hauch Christi herrlichere Gaben bekommen haben, als sie sie zuvor gehabt hatten. Denn Gott pflegt in den Gläubigen seine Gaben des Heiligen Geistes nach und nach zu mehren.

23. Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.

Behalten: Mit diesen Worten wird angezeigt, welches der Apostel Amt in Zukunft sein wird, zu dessen Verrichtung Christus ihnen den Heiligen Geist mitgeteilt hat. Nämlich, nicht, dass sie die Reiche dieser Welt aufteilen und regieren sollten, wie der römische Papst unter dem Anschein des apostolischen Amts und der Gewalt sich selber solches zumisst, sondern es wird ihnen das Predigtamt in der Kirche zu lehren auferlegt und befohlen. Wovon sollen sie aber predigen? Etwa von den Chören der Engel im Himmel und anderen, ähnlichen Sachen, wovon in der Heiligen Schrift nichts gefunden wird? Freilich nicht, sondern von der Vergebung der Sünde oder derselben Vorbehalte. Zwar ist es Gott allein, der die Sünde vergibt oder behält, aber die Apostel und ihre ordentlichen Nachkommen, die reinen Kirchendiener, vergeben auch die Sünden dergestalt, wenn sie den bußfertigen Sündern Vergebung ihrer Sünden verkündigen und anzeigen. Wiederum erhalten sie die Sünden der Unbußfertigen, wenn sie ihnen mit dem Zorn Gottes und der ewigen Verdammnis drohen. Und solche Verkündigungen oder Anzeichen sind im Himmel wahrhaft bestätigt und gewiss kräftig. Darum, wenn ein bußfertiger Sünder fragt, ob er denn von seinen Sünden losgesprochen wird, so soll er wissen, dass er auch im Himmel davon absolviert ist. Wenn aber ein gottloser Mensch, der in seinen Sünden gegen das Gewissen mutwillig beharrt, die Drohung des Zornes Gottes aus seinem Wort hört, der soll wissen, dass er wahrhaftig einen zornigen Gott im Himmel hat. Wenn aber ein Kirchendiener aus Geiz oder Gunst einen Unbußfertigen absolviert, oder aus Hass und Missgunst einen Bußfertigen nicht absolvieren will, da wäre weder dieser gebunden, noch jener absolviert. Denn der Kirchendiener käme seinem Befehl nicht nach, den er von Gott empfangen hat. Darum dürfen wir uns vor der Verbannung des römischen Papstes nicht fürchten, aber das reine Predigtamt des Evangeliums sollen wir nicht verachten.

24. Thomas aber, der Zwölfen einer, der da heißt Zwilling, war nicht bei ihnen, da Jesus kam.

Thomas: Die anderen Evangelisten erzählten noch etliche Erscheinungen Christi, die sich zwischen der jetzt erzählten und danach folgenden zugetragen haben, aber wir wollen in der Ordnung bleiben, wie sie dieser Evangelist hier hält, der anzeigt, wie Christus den Apostel Thomas, der sehr ungläubig gewesen ist, wiederum zurechtgebracht hat.

Zwilling: Denn der Name Thomas bedeutet in seiner Sprache eben das.

Kam: Am Tage seiner Auferstehung und ist seinen Aposteln, so viel von ihnen damals beisammen waren, lebendig erschienen, obwohl die Tür verschlossen war. Es geschieht aber nicht ohne Gefahr, ja es ist schädlich, wenn man sich von der Kirche und der Gemeinde des Herrn absondert.

25. Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Es sei denn, dass ich in seinen Händen sehe die Nägelmale und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, will ich‘s nicht glauben.

Gesehen: Jesus Christus, der von den Toten auferstanden und uns erschienen ist, hat uns auch freundlich angesprochen. Denn, die mit geistlicher Freude erfüllt sind, möchten diese auch anderen teilhaftig machen.

Nägelmale: Die er von den Nägeln noch haben wird, die man ihn durch die Hände geschlagen hat, als er gekreuzigt wurde.

Und lege: Denn ich will ihn nicht nur sehen, sondern auch berühren, damit ich sicher weiß, dass er auferstanden ist. Dies ist an Thomas eine große Sünde gewesen. Denn er hatte von Christus etliche Male gehört, wie er gekreuzigt werden würde und am dritten Tage wieder auferstehen. So sollte er auch die Schriften des Alten Testaments gekannt haben, die von der Auferstehung Christi reden. Ja er hätte freilich auch seinen Mitgesellen, so vielen ehrlichen Leuten und glaubwürdigen Zeugen Beifall geben sollen, die einmütig bezeugt haben, dass sie Christus lebend gesehen hätten. Aber sein Beispiel gibt uns zu erkennen, was wir sind, wenn Gott nur ein wenig die Hand von uns abzieht.

26. Und über acht Tage waren abermal seine Jünger drinnen und Thomas mit ihnen. Kam Jesus, da die Türen verschlossen waren, und trat mitten ein und sprach: Friede sei mit euch!

Drinnen: Im selben Gemach, wo sie vor acht Tagen auch gewesen waren.

Kam Jesus: Und suchte das verirrte Schäflein, den Apostel Thomas, seinen Jünger, um ihn wieder auf den rechten Weg zu bringen. Diesem Beispiel sollen wir folgen, ein jeder in seinem Beruf. Und sollen uns mit diesem Beispiel trösten, dass wir sicher wissen, Christus werde uns wegen unseres schwachen Glaubens nicht verwerfen, wenn wir diesen nur in uns stärken lassen. Denn es wird das zerstoßene Rohr nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen {Jes 42}.

27. Danach sprach er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und siehe meine Hände; und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite; und sei nicht ungläubig, sondern gläubig.

28. Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott

Antwortete: Da er nun Christus gesehen, gehört und berührt hatte.

Mein Gott: Du bist wahrlich derselbe Jesus Christus, Mensch und Gott, der für uns gekreuzigt worden ist. Also haben wir hier abermals ein augenscheinliches Zeugnis der Auferstehung Christi. So oft wir aber derselben vergewissert werden, so ist dies auch ein Zeugnis unserer ewigen Seligkeit und unsere Auferstehung zum ewigen Leben und wird dadurch bestätigt. Wir sollen aber dem Thomas darin nachfolgen, dass er der Wahrheit nicht halsstarrig widerstrebt, als es ihm erklärt worden ist. Und wir sollen mit Thomas Christus recht erkennen, ihn auch gottselig und beständig vor der Welt bekennen, dass er unser wahrhaftiger Gott ist, der uns in seiner allerheiligsten Menschheit erlöst hat, auf dass wir ihn, als unseren Herrn, mit dankbarem und reinem Herzen ehren.

29. Sprach Jesus zu ihm: Dieweil du mich gesehen hast, Thomas, so glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.

Doch glauben: Mit solchen Worten hat Christus lehren wollen, dass diejenigen nicht weniger selig sein werden, die nach angehörter apostolischer Lehre, auch nachdem die Apostel bereits längst gestorben sind, an ihn glauben werden, als die, die zu der Zeit der Apostel gelebt haben und Christus selbst im Fleisch gesehen haben. Daran sollen wir keineswegs zweifeln.

30. Auch viel andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch.

Auch: Aus diesem Beschluss erscheint es, als ob Johannes sein Buch hier beschließen und beenden wollte. Er hat aber danach zweifellos aus großen und wichtigen Ursachen das folgende Kapitel noch angehängt.

31. Diese aber sind geschrieben, dass ihr glaubt, Jesus sei Christus, der Sohn Gottes und dass ihr durch den Glauben das Leben habet in seinem Namen.

Glaubt: Durch die herrlichen Wunderwerke dazu bewegt.

Christus: Der versprochene Messias und Heiland der Welt.

Sohn Gottes: Nämlich, seinen eingeborenen Sohn und, der mit dem Vater eines Wesens ist.

Seinem Namen: Durch ihn und um seines Verdienstes willen. Dieser kurze Anhang lehrt uns, was besonders mit allen Wunderwerken Christi gemeint ist und angesehen ist, nämlich, dass man daraus lernen soll, Jesus von Nazareth ist der ewige Gott und der Welt Heiland. Auch werden wir an den Nutzen dieses, unseres Glaubens erinnert, dass nämlich alle, die an diesen Heiland, Christus, glauben, das ewige Leben haben.


Das 21. Kapitel

  • Christus erscheint seinen Jüngern, als sie am Meer bei Tiberias fischen.
  • Und die Apostel erkennen ihn bei dem wunderbaren Fischzug.
  • Weil ihn auch Petrus dreimal verleugnet hatte, so begehrt er ein dreifaches Bekenntnis von ihm und befiehlt ihm gleich so viel mal seine Schafe.
  • Er deutet ihm auch vor, was er für einen Tod leiden wird.

1. Danach offenbarte sich Jesus abermal den Jüngern an dem Meer bei Tiberias. Er offenbarte sich aber also {Joh 6v1}.

Bei Tiberias: Denn der See, der nahe bei der Stadt Tiberias gelegen ist, wurde nach dem Brauch der Hebräer ein Meer genannt, und Johannes hat noch von einer sehr herrlichen Erscheinung Christi erzählen wollen, die nicht in Judäa, sondern in Galiläa geschehen ist, im Beisein von sieben Jüngern. Es ist aber nicht die, woran der Apostel Paulus denkt {1Kor 15}, als nämlich Christus auf einen Berg mehr als 500 Brüdern zugleich erschienen ist.

2. Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der da heißt Zwilling, und Nathanael von Kana, Galiläa, und die Söhne des Zebedäus und andere zwei seiner Jünger.

Söhne des Zebedäus: Jakobus und Johannes, die beide Apostel waren es, von denen Johannes dies geschrieben hat.

Anderen zwei: Die hier nicht namhaft gemacht werden. Diese sieben haben Christus zugleich gesehen, nachdem er von den Toten wiederum auferstanden war.

3. Sprach Simon Petrus zu ihnen: Ich will hin fischen gehen. Sie sprachen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hinaus und traten in das Schiff alsbald; und in derselben Nacht fingen sie nichts.

Mit dir gehen: Und wollen einander helfen. Denn die Apostel waren größtenteils Fischer, und weil sie die wunderbaren Gaben des Heiligen Geistes noch nicht empfangen hatten, wie es dann am Pfingstsonntag geschehen ist, dass sie damit ausgerüstet wurden, das Evangelium Christi in der ganzen Welt öffentlich zu predigen, so haben sie recht getan, dass sie unterdessen ihrem vorigen Beruf nachgegangen sind und durch ordentliche Art ihre Nahrung gesucht haben. Denn die Handwerke sind Gott gefällig. Und die Gottseligen sollen in reiner Liebe und Einigkeit einander Hilfe leisten.

Hinaus: Aus der nächsten Stadt oder dem nächsten Dorf, worin sie ihr Hauswesen hatten und sich aufhielten.

Schiff: Und fuhren zum Fischfang, dem sie mit Fleiß nachgingen.

Nichts: Denn es hat auch bei den Gottseligen oftmals den Anschein, als ob sie in einem ehrlichen und gottseligen Beruf vergeblich arbeiten und eine Zeit lang kein Glück haben.

4. Da es aber jetzt Morgen ward, stand Jesus am Ufer; aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.

Wussten nicht: Denn ihre Augen wurden eine Zeit lang so gehalten, dass sie ihn nicht erkennen konnten, wie es auch den beiden Jüngern geschehen ist, die nach Emmaus gegangen waren. Denn Gott weiß die rechte Zeit, an der er sich mit seiner Hilfe uns zeigt und offenbart.

5. Sprach Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein.

Kinder: Ihr Fischer, ich habe etwas mit euch zu reden.

Zu essen: Habt ihr nicht bereits etliche Fische gefangen, woraus ihr ein Essen bereiten könntet?

Nein: Denn wir haben die ganze Nacht vergebens gearbeitet und keinen einzigen Fisch gefangen.

6. Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz zur Rechten des Schiffs, so werdet ihr finden. Da warfen sie und konnten es nicht mehr ziehen vor der Menge der Fische.

Finden: Nämlich Fische. Auf dass eure bisher gehabte Mühe und Arbeit euch belohnt werde.

Warfen sie: Zur Rechten des Schiffes ins Meer

Fische: Die sie auf einmal und zugleich in einem Zug gefangen hatten. Denn Gott kann leicht durch seinen Segen auf einmal viel Arbeit, die bisher vergeblich erschien, uns belohnen.

7. Da sprach der Jünger, welchen Jesus lieb hatte zu Petrus: Es ist der Herr. Da Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er das Hemd um sich (denn er war nackend) und warf sich ins Meer.

Lieb hatte: Vor anderen. Dieser war aber Johannes, der Evangelist, der dies geschrieben hat. Derselbe erkannte nun Christus, sowohl aus dem gegenwärtigen Wunderwerk des Fischzugs als auch ansonsten.

Hemd: Darüber hatte er seine Kleider wieder angezogen.

Nackt: Also, dass er nichts als das Hemd oder nur ein Leinen um sich hatte.

Ins Meer: Das heißt: Er ist aus dem Schiff gestiegen und hat sich ins Wasser begeben. Ich denke aber, dass der See an dieser Stelle nicht tief gewesen ist, sodass Petrus Grund erreichen konnte und nur bis zur Brust im Wasser stand.

8. Die andern Jünger aber kamen auf dem Schiffe (denn sie waren nicht fern vom Lande, sondern bei zweihundert Ellen) und zogen das Netz mit den Fischen.

9. Als sie nun austraten auf das Land, sahen sie Kohlen gelegt und Fische dar auf und Brot.

Und Brot: Welches alles ohne einiges Zutun eines anderen Menschen, durch Christi Vorsehung zubereitet war, auf dass die müden Jünger sich wiederum laben konnten. Denn wenn wir uns in unserem Beruf bemühen und arbeiten, so versieht uns Christus unterdessen mit der notwendigen Nahrung.

10. Spricht Jesus zu ihnen: Bringt her von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt.

Gefangen habt: Damit ihr uns von denselben ein Essen zubereitet. Unterdessen wollen wir von dem gebratenen Fisch essen.

11. Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz auf das Land voll großer Fische, hundert und dreiundfünfzig. Und wiewohl ihrer so viel waren, zerriss doch das Netz nicht.

Zog: Mit Hilfe und Zutun seine anderen Gesellen.

Netze nicht: Wie es sonst vor der Zeit etliche Male geschehen war. Darum lernten die Jünger auch aus diesem Wunderwerk des Herrn Christus je länger je mehr zu erkennen.

12. Sprach Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern durfte ihn fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.

Mahl: Labt euch wiederum. Denn Gott will, dass wir uns nach der Arbeit wiederum erholen.

13. Da kam Jesus und nahm das Brot und gab‘s ihnen, desgleichen auch die Fische.

Fisch: Von dem gebratenen Fisch, der in Stücken zerlegt und unter die Jünger aufgeteilt worden war. Christus also mit ihnen gegessen hat.

14. Das war nun das dritte Mal, dass Jesus offenbart ward seinen Jüngern, nachdem er von den Toten auferstanden war.

Dritte Mal: Der Evangelist redet von den Erscheinungen, da Christus von vielen Jüngern zugleich gesehen worden war. Denn ansonsten wird viel anderes von den anderen Evangelisten noch erzählt werden. Es ist aber eine jede Erscheinung ein besonderes Siegel, womit das Heil, das uns Christus erworben hat, versiegelt ist.

15. Da sie nun das Mahl gehalten hatten, sprach Jesus zu Simon Petrus: Simon Johanna, hast du mich lieber, denn mich diese haben? Er sprach zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Sprach er zu ihm: Weide meine Lämmer!

Da: Es folgt jetzt ein Gespräch, das Christus nach der Mahlzeit mit Petrus gehabt hat.

Diese haben: Die mich doch auch lieb haben. Denn gleich, wie Christus zwar alle Kinder lieb gehabt hat, hat er doch Johannes mehr geliebt, als die anderen alle. So haben alle rechtschaffenen Jünger Christus aus reinem Herzen lieb, doch einer liebt ihn inbrünstiger als der andere.

Weide meine Lämmer: Treu und fleißig. Obwohl nun Petrus hier befohlen wird, dass er die Lämmer und Schafe Christi mit dem Predigtamt des Evangeliums weiden soll, so ist ihm das jedoch nicht allein befohlen, sondern auch den anderen Aposteln, ja auch allen reinen Kirchendienern. Denn so spricht Petrus selber zu allen Dienern der Kirche: Weidet die Herde Christi, wie es euch befohlen ist und seht wohl zu, nicht gezwungen, sondern freiwillig, nicht umständlichen Gewinnes willen, sondern aus dem Grund eures Herzens, nicht als die, die über das Volk herrschen, sondern werdet Vorbilder der Herde {1Petr 5}. Wenn es also nicht nur Petrus, sondern auch allen Kirchendiener zusteht, die Herde des Herrn zu weiden, so kann der Papst in Rom hieraus, dass Christus den Petrus auffordert, die Schafe zu weiden, nicht beweisen, dass Petrus ein Fürst oder oberster der Apostel gewesen ist und dass deshalb der römische Papst das Oberhaupt der Kirche auf dieser Erde sein muss. Denn Christus hat die anderen Apostel von diesem Amt nicht ausgeschlossen, noch viel weniger sie Petrus unterworfen, sondern er hat Petrus besonders in seinem Apostelamt bestätigen wollen, weil dieser ihn zuvor verleugnet hatte, und deswegen mehr Trost benötigt hatte als die anderen, damit er nicht meinte, er wäre von Christus verstoßen und für das apostolische Amt nicht mehr fähig. Man hat auch hier wohl zu beachten, was das apostolische Amt ist. Nämlich, nicht eine weltliche Herrschaft, wie sie der römische Papst unter dem Anschein des apostolischen Amtes führt, sondern, die Lämmer und Schafe Christi zu weiden. Und obwohl Petrus, wie auch den anderen Aposteln und Kirchendienern, das Amt, die Schafe zu weiden, befohlen worden ist, so ist und bleibt doch unterdessen Christus der oberste Hirte {Hes 34}, der auch seine Schafe auf das Treueste versorgt und dem die anderen Unterhirten einmal werden Rechenschaft geben müssen {Hebr 13}.

16. Sprach er zum andernmal zu ihm: Simon Johanna, hast du mich lieb? Er sprach zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Sprach er zu ihm: Weide meine Schafe!

Andermal: Christus wiederholt die Frage von der Liebe aber nicht darum, als ob er nicht wüsste, dass er von Petrus geliebt wird, sondern damit er lehrt, wie man das Predigtamt denen nicht befehlen soll, die Christus nicht lieben und ihr Tun und ihre Arbeit nicht zu seiner Ehre und zur Wohlfahrt der Kirche richten. Darum soll man die Gottlosen und die, die ein unordentliches Leben führen, oder roh sind, auch wenn sie studiert haben, zum Predigtamt des Evangeliums nicht zulassen, sondern sie auch wieder davon absetzen. Denn es sind nicht treue Hirten, sondern Tagelöhner.

17. Sprach er zum drittenmal zu ihm: Simon Johanna, hast du mich lieb? Petrus ward traurig, dass er zum drittenmal zu ihm sagte: Hast du mich lieb? Und er sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe. Sprach Jesus zu ihm: Weide meine Schafe.

Sagte: Und er hat seine Frage so oft wiederholt, denn er sorgte sich, Christus würde irgendeinen Zweifel in ihn setzen, wie wenn er anders reden würde, als er es meinte.

Alle Dinge: Und es sind dir auch die heimlichsten Gedanken unseres Herzens nicht verborgen.

Schafe: Es nennt aber Christus seine Herde Schafe und Lämmer und nicht Böcke, Löwen oder Drachen, um dadurch die Kirche zu erinnern, dass sie gottselig und mild ist und die Stimme ihres Hirten hört und dieser auch folgt. Er ordnet aber an, insbesondere die Lämmer zu weiden, damit die Kirchendiener auch auf solche Christen fleißig achten, die noch zart und im Glauben schwach sind, entweder wegen ihres Alters oder wegen ihres Verstandes.

18. Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Da du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wo du hin wolltest; wenn du aber alt wirst,

wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hin willst.

Wahrlich: Bisher haben wir vernommen, was die Apostel und die reinen Kirchendiener tun sollen. Jetzt folgt, was sie dagegen leiden und ausstehen müssen.

Dich selbst: Nach deinem Wohlgefallen. Will so viel sagen: Hörst du es, mein lieber Petrus, so, wie die jungen Kinder und zarten Knaben nur leicht angebunden sind, dass sie frei und ungehindert herumlaufen können, wohin sie wollen. Denn sie werden wegen ihres jungen Alters von den Eltern noch zu keiner harten Arbeit angetrieben. Also wirst du die ersten Jahre in deinem Apostelamt frei und ungehindert durch die Welt ziehen und den Samen des Evangeliums auf Erden glücklich ausstreuen. Ja, auch wenn du ins Gefängnis geworfen wirst, so wirst du doch daraus entkommen und deine vorige Freiheit wiederum erlangen. Aber wenn du zum Ziel deines Apostelamts gekommen bist, so wird dir die Freiheit genommen werden. Denn der Richter wird dich ergreifen, deine Hände, die du ihm hinstrecken wirst müssen, binden und dich in den Tod führen, vor dem die menschliche Natur ansonsten an sich selbst eine Abscheu hat. Obwohl nun nicht alle Kirchendiener in Verfolgung umgebracht werden, wie man von Petrus liest, dass er um des Evangeliums Christi willen gekreuzigt worden ist, so haben doch fromme Kirchendiener neben den allgemeinen Trübsalen des menschlichen Geschlechts auch ihr besonderes Kreuz und ihre Anfechtungen, die ihnen über ihr Predigtamt zustoßen. Und obwohl der Geist willig ist, um Christi willen auch allerlei Widerwärtigkeiten zu erdulden, so ist doch das Fleisch schwach und trägt das Kreuz nicht gern, auch nicht in den sehr frommen Leuten. Aber der Tod der Märtyrer befördert die Ehre Gottes. Denn er ist ein Zeugnis der himmlischen Lehre und preist einen solchen Märtyrer Gott mit seinem Tod vor der Welt, dass er lieber die allergrößte Marter und Qual erleiden will und darunter sterben, als seinen Gott, Jesus Christus, zu verleugnen.

19. Das sagte er aber, zu deuten, mit welchem Tode er Gott preisen würde. Da er aber das gesagt, sprach er zu ihm: Folge mir nach!

Mir nach: Und erdulde meinem Beispiel nach die Marter mit standhaftem Gemüt.

20. Petrus aber wandte sich um und sah den Jünger folgen, welchen Jesus lieb hatte, der auch an seiner Brust am Abendessen gelegen war und gesagt hatte: Herr, wer ist‘s, der dich verrät?

Wandte sich: Denn weil er verstanden hatte, dass er von Christus zur Marter gefordert würde, so wollte er wissen, wie es denn Johannes, dem liebsten Jünger Christi, gehen würde, ob der nicht auch sein Leben durch die Marter beenden sollte.

21. Da Petrus diesen sah, sprach er zu Jesus: Herr, was soll aber dieser?

Dieser: Johannes. Muss er nichts leiden, oder willst du ihn schonen, weil er dir vor den anderen Aposteln lieb ist? Wir sind aber von Natur aus vorwitzig, dass wir immer wissen wollen, was uns nichts angeht und meinen, es wäre recht, dass es andere nicht besser hätten als wir. Es scheint uns, es sollte gleich zugehen.

22. Jesus sprach zu ihm: So ich will, dass er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach!

Komme: Wenn es mir also gefallen würde, dass dieser Apostel nicht stirbt bis zu meiner herrlichen, sichtbaren Wiederkunft am jüngsten Tage, was fragst du danach? Denn es gebührt dir nicht, mir etwas vorzuschreiben, oder dass du dich um fremde Sachen kümmern sollst. Sondern folge du mir in deinem Beruf nach und trage das Kreuz mit standhaften Gemüt, das ich dir auferlegen werde. Es soll deswegen jeder darauf achten, was sein Amt erfordert und diesem mit Fleiß treu nachgehen, auch sein Kreuz auf sich nehmen und Christus folgen. Daneben aber denen es nicht missgönnen, von welchen uns scheint, dass sie in dieser Welt mehr Glück haben, als wir und deshalb von Gott gnädiger gehalten werden.

23. Da ging eine Rede aus unter den Brüdern: Dieser Jünger stirbt nicht. Und Jesus sprach nicht zu ihm: Er stirbt nicht, sondern: So ich will, dass er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an?

Brüdern: Nicht nur unter den Aposteln, sondern auch unter den anderen Jüngern Christi ist diese Rede erschollen, dass sie die Worte des Herrn Christus nicht recht verstanden haben.

So ich will: Solche Reden aber, die mit einer Bedingung ausgesprochen werden, bestätigen nichts. Obwohl nun Johannes selbst klar zu verstehen gab, dass das Wort des Herrn Christus nicht so gemeint war, wie man es ausgelegt hat, so hat er es doch nicht ausreichend verhüten können, dass solcher Irrtum von anderen nicht wiederum erneuert worden ist, die gesagt haben, Johannes sei zwar begraben, aber nicht gestorben. Darum soll man das Wort Gottes nicht nur oberflächlich hören, sondern fleißig darüber nachdenken, damit wir nicht aus dem, was recht und gut gesagt worden ist, durch unsere eigene Schuld einen unrechten Sinn schöpfen.

24. Dies ist der Jünger, der von diesen Dingen zeugt und hat dies geschrieben; und wir wissen, dass sein Zeugnis wahrhaftig ist.

Dingen zeugt: Als der, der es mit Augen gesehen und gehört hat, was Christus geredet, getan, gelehrt und gelitten hat.

Geschrieben: Der ganzen christlichen Kirche zum Besten.

Wahrhaftig: Weil er es selber gesehen und gehört hat, was er geschrieben hat, und er hat solche Sachen und Schriften verfasst, die zur selben Zeit jedermann bewusst und wohl bekannt gewesen sind. Darum sollen wir einem solch vornehmen Apostel und glaubwürdigen Zeugen zurecht Beifall zollen.

25. Es sind auch viel andere Dinge, die Jesus getan hat, welche, so sie sollten eins nach dem andern geschrieben werden, achte ich, die Welt würde die Bücher nicht begreifen, die zu beschreiben wären {Joh 20v30}.

Nicht begreifen: Denn es hat Christus so viele Wunderwerke getan, dass, wenn man ein jedes nach allen seinen Umständen beschreiben wollte, sie kein Mensch in seinem ganzen Leben durchlesen und genügend betrachten könnte. Denn es haben auch die anderen Evangelisten oft eine große Menge der Wunderwerke Christi mit wenigen Worten erfasst. Und es ist ausreichend gewesen, dass man von den Vornehmsten etliche aufgezeichnet hat, wobei wir erkennen können, dass Jesus von Nazareth der Christus, der Messias und Heiland der Welt, Gottes eingeborener und gleich wesentlicher Sohn ist, auf dass wir durch solchen Glauben gerecht und selig werden. Wir sollen aber Gott dem Herren von Herzen Lob und Dank sagen für diese Bücher der Heiligen Schrift, die noch vorhanden sind und sie gebrauchen zur Ehre Gottes und zu unserer, samt anderer Leute, ewiger Wohlfahrt, Amen.