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Predigten zu Matthäus 24,12

"und wegen des Überhandnehmens der Gesetzlosigkeit wird die Liebe der Vielen erkalten;"

Autor: Charles Haddon Spurgeon (* 19.06.1834; † 31.01.1892) englischer Baptistenpastor
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"Die Liebe wird in vielen erkalten."

Auch in mir? O, wenn das ist, so sagt mir, wie kann meine Liebe wieder gefunden? Ärzte behaupten, wenn ein Mensch krank sei, bekomme ihm kein Aufenthaltsort besser als seine Heimat, die Stätte seiner Geburt; wenn "die Liebe in uns will erkalten" und krank wird, so kann sie nirgends anders wieder genesen, als wo sie geboren ward. Und wo ist die Geburtsstätte unsrer Liebe zu Jesu? Ward sie geboren auf Sinai, da der Herr vom heiligen Berge herniederstieg, da der Heilige hervorbrach vom Berge Paran und kam mit viel tausend Heiligen? da die Berge zerschmolzen unter seinem Fußtritt und die Felsen zerflossen wie Wachs vor seiner schrecklichen Gegenwart? O nein! Ward die Liebe geboren auf Tabor, wo der Herr verklärt ward und seine Kleider hell wurden, und sehr weiss, wie der Schnee? Nein! Dunkel bedeckte die Augen derer, die Ihn dort schauten, und sie wurden schläfrig, denn die Herrlichkeit überwältigte sie. Ich will euch sagen, wo die Liebe ihr Leben empfing. Die Liebe ward geboren im Garten Gethsemane, wo der Herr Jesus große Blutstropfen schwitzte, sie ward ernährt im Palast des Pilatus, wo Jesus seinen Rücken darbot denen, die ihn zerfleischten, und sein Antlitz hinhielt denen, die Ihn verspieen und schlugen, und wo sein Haupt gekrönt ward mit einer Dornenkrone. Die Liebe ward groß gezogen am Kreuz, unter den Seufzern eines sterbenden Gottes, unter dem Rieseln des Heilandsbluts. Bezeugt mir's, ihr Kinder Gottes. Wo entsprang eure Liebe anders, als unter dem Kreuz? Sahet ihr diese liebliche Blume je anderswo aufspriessen, als auf Golgatha? Nein, dort, wo ihr die Liebe sahet, die alles Lieben übersteigt; dort, wo ihr die Liebe sahet, die sich selbst den Banden überlieferte, die unter dem eignen Streiche starb, die ihr Leben freiwillig darbot, obgleich sie Macht hatte, es zu behalten, und wieder zu nehmen; dort ward eure Liebe geboren. Und wenn du, liebe Seele, dich nach der Heilung deiner kranken Liebe sehnst, so bringt sie an eine dieser heiligen Stätten; heiße sie sich unter dem Schatten der Ölbäume niedersetzen, und heiße sie auf dem Hochpflaster stehen und das niederrieselnde Blut betrachten. Führe sie zum Kreuze, und heiße sie das geschlachtete Lamm anschauen; und wahrlich, deine Liebe wird aus einem Zwerg zu einem Riesen emporschiessen, und der ersterbende Funke deiner Liebe wird auflodern in hellen Flammen.


Autor: Ludwig Hofacker (* 15.04.1798; † 18.11.1828) deutscher evangelischer Pfarrer
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Jeder einzelne Mensch hat einen unbeschreiblich hohen Wert. In jedem Menschen sind göttliche Kräfte und Anlagen; jeder hat einen Funken des ewigen Lebens in sich; die Natur eines jeden weist auf eine ewige Bestimmung hin; in jedem Menschen ist eine kleine Welt, und was er in dieser Welt lebt, das hat seine Beziehung auf die Ewigkeit, eine ewige Bedeutung. Wenn ein Mensch aus diesem Leben hinausstirbt, so ist es, wie wenn die ganze Welt ihm stürbe; und wenn ein Mensch in diese Welt hereingeboren wird, so wird ihm, daß ich mich so ausdrücke, die Welt geboren; denn sie wäre für ihn nicht da, wenn er nicht geboren würde. Darum sage ich: eine jede einzelne Menschenseele hat, für sich betrachtet, einen unbeschreiblich hohen, göttlichen, ewigen Wert und Bedeutung. Es besteht jede Seele für sich; wenn die ganze Welt glücklich ist und du bist unglücklich, - was hast du davon? Ist dir dann nicht die ganze Welt unglücklich, weil du es bist? Wenn die ganze Welt selig wäre und ich würde in die Hölle geworfen: was hätte ich von der Seligkeit des andern? Ich, ich, d.h. mein alles, wäre eben unselig.

Diese tiefe Wahrheit aber, welche uns so stark zur Wertschätzung eines jeden unserer Mitmenschen auffordert, wird in der Welt oder von der Welt wenig oder nicht geachtet. In der Welt pflegt man alles so in's große und ganze zu nehmen; auf das einzelne, Unscheinbare nimmt man fast nicht Bedacht, das läßt man so in's Allgemeine verschwimmen und sich darin verlieren, als ob es keinen Wert hätte. Man führt Kriege, wo die Menschen zu Tausenden umkommen, und nur, wenn der Verlust an Toten sich auf viele Tausende erstreckt, hält man ihn für einen namhaften Verlust. Man ist, zur Schande dieses Zeitalters muß es gesagt werden, nicht zufrieden, wenn die öffentlichen Nachrichten nur von etlichen, oder gar nur von einem schreiben, der in diesem oder jenem Treffen geblieben sei; das, meint man, sei ja gar nicht der Mühe wert, daß man davon rede und schreibe, das verlohne sich ja nicht, gelesen zu werden. - Lieber, wenn ein Mensch stirbt, stirbt denn da nicht die ganze Welt für ihn? Ist der Verlust eines Lebens und einer Welt nicht ein unberechenbarer Verlust, - wenn auch nicht für dich, doch für ihn, für ihn, der sterben muß? - Aber dies ist's gerade, was der Heiland gesagt hat: »Die Liebe wird in vielen erkalten. « Wenn die einzelne Seele nicht mehr in Anschlag genommen wird, sondern wenn man nach Haufen, nach Hunderten und Tausenden zu rechnen anfängt, und gegen Hunderte und Tausende, die unglücklich werden, erst kein Mitleiden hat, weil man keines mit dem einzelnen hat: dann ist ja die Liebe kalt, dann sind die Herzen fühllos und erbarmungslos geworden! Man hört von einem bedeutenden Unglücksfall, der da oder dort sich ereignet habe. Der Vornehme fragt: »Was ist's für ein Mensch, dem dieses Unglück widerfahren ist?« Man antwortet: »Es ist der und der, von niedriger Herkunft, ein Taglöhner, ein Armer,« - nun heißt es: »Nur ein solcher?« und dann schlägt man sich's aus dem Sinn. So macht es der Reiche gegen den Armen, der Gelehrte gegen den Ungelehrten, der Gebildete gegen den Ungebildeten; nicht alle, Gottlob nicht alle, aber viele, die keine Liebe haben, und deren sind leider viele.

Liebe, du der Gottheit Spiegel! Liebe, der Erlösung Siegel! Liebe, schönstes Himmelskind! Liebe, Königin der Gaben, welche Gottes Kinder haben, selig ist, wer dich gewinnt. Liebe, die im Gotteslamme uns aus Sund und Höllenflamme mächtiglich herausgeliebt: Die uns Nahrung, die uns Fülle nun aus Jesu Gottesfülle reichlich zu genießen gibt:

Werde du in unserm Wallen unsers Herzens Wohlgefallen, unsrer Seele Sonnenstrahl! Zeuch uns hin in deine Schule, nimm vor Jesu Lehrerstuhle uns in seine Jüngerzahl.


Autor: Aiden Wilson Tozer (* 21.04.1897; † 12.05.1963) US-amerikanischer evangelischer Pastor und Autor (besser bekannt als A. W. Tozer)
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Nur der liebende Gott

Das erste und größte Gebot lautet, Gott zu lieben mit aller Kraft von uns endlichen Wesen. Wo solch eine Liebe ist, da gibt es keinen Platz mehr für ein weiteres Objekt unserer Liebe.

Aber die Christenheit hat als eines ihrer beliebtesten Gesprächsthemen den Gedanken entdeckt, dass Gott dazu da sei, um Menschen zu helfen, in der Welt voranzukommen. Aus dem Gott der Armen ist ein Gott der Reichen geworden. Es ist zu hören, dass Christus es nicht mehr ablehnt, als Richter oder Verteiler unter geldhungrigen Brüdern zu fungieren. Man kann Ihn dazu überreden, dem einen Bruder, der Ihn angenommen hat, beizustehen gegen den anderen Bruder, der das nicht getan hat! Wer immer Gott sucht als Mittel für seine eigenen Wünsche, der wird Gott nicht finden. Gott ist nicht ein Hilfsmittel von vielen. Seine Barmherzigkeit und Seine Gnade sind unermesslich, und Sein geduldiges Verstehen übersteigt jede Vorstellung. Doch Er wird keinem Menschen bei dessen selbstsüchtigem Streben nach persönlichem Gewinn beistehen. Wenn wir Gott so lieben, wie wir sollten, dann können wir von keinem anderen Objekt unserer Liebe außer Ihm träumen, das Er für uns erlangen soll!


Autor: Hermann Bezzel (*18.05.1861; † 08.06.1917) deutscher lutherischer Theologe
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Und dieweil die Ungerechtigkeit wird überhand nehmen, wird die Liebe in vielen erkalten.

So sieht unser Herr in die Zeit hinein, in der wir leben. Völker haben sich aufgemacht, um einander zu vernichten; Welten haben sich verbündet, um eine ganze Welt der Kultur in den Abgrund zu senden. Und ein Tag um den andern sagt uns: Lasst die Hoffnung fahren; die Ungerechtigkeit nimmt überhand, will ihr Recht und ihren Lauf. Und der Feind aller Gerechtigkeit, der große Lügner und Verführer, der zugleich ein Menschenmörder von Anfang ist, hat nichts Eiligeres zu tun, als wo ein Fünklein von Liebe sich regt, es zu ersticken, und, wo ein Gedanke an Friede sich zeigt, ihn zu vertreiben, damit das ganze Reich der Welt wieder sein Machtbereich werde und der verhasste Jesus und sein Licht endlich der Welt entschwände. Unser ganzes Wesen muss sagen: Wo ist nun unser Gott? aber unser Wille spricht: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt! Er ist ja bloß von einer Wolke verborgen. Wenn du glaubtest, so würdest du die Herrlichkeit Gottes sehen.