Der evangelische Glaube kompakt
Autor: Thomas Schirrmacher
Bekenntnisschriften sind heute bei vielen Christen suspekt. Sie gelten als Relikte aus alter Zeit. Dabei übersieht man, dass Bekenntnisse eine wichtige Funktion erfüllen: sie legen Rechenschaft über den Glauben einer Gemeinde ab und bieten eine gute Zusammenfassung der biblischen Lehre in zeitgemäßer Form. So war auch das in Großbritannien entstandene Westminster Bekenntnis von 1647 als letztes großes Bekenntnis der Reformationsepoche eine hervorragende Komprimierung aller Bereiche der biblischen Lehre. Es enthält Aussagen zu fast allen Bereichen des christlichen Glaubens und der christlichen Existenz. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass dieses Westminster Bekenntnis bis in unsere Tage von vielen Kirchen als Grundlage des Glaubens anerkannt wird. Die Stärken des Bekenntnisses sind schnell zu nenen: es orientiert sich stark an der Bibel und entfaltet die Theologie von Gott her, nicht vom Menschen. Vorliegendes Arbeitsbuch des Theologischen Fernunterrichts des Neues Leben-Seminar bietet den gesamten Text samt beigefügten biblischen Belegstellen in den Fußnoten. Erfreulich, dass gleich zu Beginn des Dokuments ein klares Bekenntnis zur Inspiration und Unfehlbarkeit der Heiligen Schrift ausgedrückt wird (Art. 1). Gerade für unsere Zeit klingt das im Bekenntnis ausgedrückte Ineinander von Heiligkeit und Gnade Gottes herausfordernd. Bei einem gemäßigt-reformierten Bekenntnis des Calvinismus wundert man sich allerdings nicht, dass auch umstrittene dogmatische Passagen enthalten sind, so die Erwählung und Verwerfung zum Heil und Unheil (Art. 3.3), die Verteidigung der Kindertaufe (Art. 28.4), das Verständnis von Taufe und Abendmahl als "Sakramente" (Kap. 27) und das Spannungsverhältnis von Souveränität Gottes und menschlicher Freiheit. Auch das Verhältnis von Kirche und Staat wäre zu diskutieren. Anders jedoch als in anderen reformatorischen Bekenntnissen wird der Taufe keine Heilsbedeutung zuerkannt. Sehr ausgewogen empfand ich zudem die Passagen über Heilsgewissheit und Heiligung. Die von Presbyterianern, Kongregationalisten und Baptisten eingefügten Modifikationen aus späteren Jahren werden in einem Anhang minutiös aufgelistet und zeigen, welche Abschnitte später als Problem empfunden wurden. In einer Zeit, wo viele Christen nicht mehr wissen, was sie eigentlich glauben oder glauben sollen, ist die Rückbesinnung auf die Bekenntnisse der Christenheit ein Gebot der Stunde, auch wenn jedes Bekenntnis nicht in den Rang einer unfehlbaren Offenbarung erhoben werden darf.
Die Rezension/Kritik stammt von: Stephan Holthaus
Kategorie: Sonstiges