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Predigten zu Hiob 4,17
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(„Wie kann ein Mensch gerecht sein vor Gott oder ein Mann rein sein vor dem, der ihn gemacht hat? Siehe, Seinen Dienern traut Er nicht, und Seinen Boten wirft Er Torheit vor.“)
Dieses Wort ist nicht von einem Manne, der in allem recht redet; sondern es redet einer von den leidigen Tröstern Hiobs. Eliphas ist es, der den geschlagenen Mann Hiob bei sich nur beschuldigen kann, als wäre er ein großer Sünder, weil ihn Gott sonst nicht so danieder gelegt hätte. Lange hatte Eliphas geschwiegen. Als es aber zuletzt so vorkam, als wollte Hiob mit seinen starken Klagetönen gerechter und reiner sein als Gott, da empörte ihn das; und er sagte unter anderem: „Wie mag ein Mensch gerechter sein denn Gott? oder ein Mann reiner, denn der ihn gemacht hat?“
Eliphas redet harte Worte, insofern als er dem armen Hiob zu verstehen gibt, daß er nun eigentlich nicht mehr viel auf seine Frömmigkeit halte.
Eine solche Sprache sollten wir gegen Unglückliche nie führen, daß wir sie nämlich nur gleich an ihre Sünden erinnern - wie wenn sie größere Sünder wären als wir, weil's ihnen jetzt so gehe. Viel eher sollten wir bei allen Elenden erschrecken und an uns denken: wie es uns ergehen würde, wenn Gott bei uns alles heimsuchen wollte. Oft wissen wir schon gar nichts von den Leidenden; und dann sollten wir billig nur Mitleiden und Teilnahme zeigen, die viel mehr beugt als zuchtmeisterliches Benehmen. Wissen wir aber etwas, so müssen wir abermals sachte tun - schon weil wir uns in der Regel irgendwie derselben Sünde schuldig fühlen. An Hiob aber sehen wir, daß je und je wirklich keine vornehmliche Sünde zugrunde liegt. Und wie weh tut dann jede Verdächtigung, die man fühlen läßt!
Eliphas übrigens sagt immerhin ein beherzigenswertes Wort. Denn das kommt nur zu oft vor, daß ein Leidender nur gar nicht an seine Sünden denken will, obschon er es nötig hätte. Und es ist doch gewiß, daß wir viele Trübsale nicht hätten, wenn wir bessere Leute wären und Gott in guten Tagen nicht so viel aus den Augen setzen würden; wenn wir uns nicht auch mitunter noch ohne Scheu mit Wort und Tat allerlei Sündliches erlauben würden. Da klagen viele, die lange nicht so gut stehen wie Hiob, in einer Weise, als handle Gott mit ihnen, den Unschuldigen, gar unrecht! Und so machen sie offenbar sich selber gerechter und reiner als Gott. Damit aber versündigen sie sich sehr und machen, daß Gott ihr Gebet nicht erhören und daß es mit ihnen oft recht übel gehen kann.
Wollen wir doch ja uns demütiger und bußfertiger und gebrocheneren Geistes gebärden, wenn wir in große Trübsale geführt werden! Auch wenn wir weniger arge und schreiende Sünden auf unsrem Gewissen haben, können wir doch immer wohl merken, daß wir keine gerechten Leute und keine reinen Leute sind und keine tadellosen Knechte; daß wir auch viel Torheit an uns haben - Gott also heilig und gerecht bleibt in all Seinem Tun.
Die Zeit aber kommt, da uns über alles werden die Augen geöffnet werden, wie dem Hiob hintennach über seine ganze Führung ein Licht aufgegangen ist.
Bleiben wir doch unter allem geduldig und demütig, insbesondere ehrerbietig und anbetend gegen den HErrn, der alles weise macht und nur auf Gutes zielen kann mit allem, was Er tut!
Zusatz zu Hiob 4,17f. Hiobs Leiden
Von Hiob wissen wir, daß er in große Versuchung und Anfechtung gekommen ist. Zuerst sind ihm alle seine Herden von räuberischen Horden weggetrieben, auch alle Kinder erschlagen worden; und zum zweiten wurde er mit dem Aussatz behaftet.
Beides geschah unter Zulassung Gottes auf Anstiften und durch Wirkung Satans. Dieser trat vor dem HErrn mit der Beschuldigung auf, als ob Hiob leicht fromm sein könne, da es ihm so gut gehe und er, Satan, ihn nicht antasten dürfe. Dies war nämlich, wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, dem Satan verwehrt, weil Hiob stets vor Gott opferte, wo er etwa eine Sünde bei sich und in seinem Haus vermutete; damit machte er nach göttlicher Verheißung (Hiob 42, 8) seine Sünden vorderhand soweit gut, daß Satans Beschuldigungen entkräftet wurden. Zu einer zeitlichen Heimsuchung lag also kein Grund vor. Eine solche Bedeutung hatten, so müssen wir sagen, damals redlich dargebrachte Opfer; wird doch in den Opfern Buße und Glauben dargestellt. Jene Menschen, die mit Buße und Glauben Gott opferten und damit gewissermaßen sich selbst richteten und straften, vermochte Gott von zeitlichen Gerichten zu verschonen. Und diese Nachsicht Gottes mußte, wie zu erkennen ist, auch Satan - der Verkläger, wie sein Name heißt - mit der Gerechtigkeit Gottes verträglich finden.
Nun aber hält der HErr dem Satan Hiobs Frömmigkeit vor, wie wenn Er den fragen wollte - so ist's vorgestellt -, ob er denn auch, während er das Land durchzog, an Hiob etwas auszusetzen habe. Da erwacht Satans Neid. Er tut, wie wenn es ein Unwürdiger oder Ungeprüfter wäre, dem vor anderen soviel Gunst widerführe, daß ihn Satan nicht antasten dürfe. So wagt es Satan, dem HErrn zu widersprechen. Alles aber muß bei Gott nach Recht und Gerechtigkeit gehen - auch das Gericht, das einst über Satan verhängt werden soll. Deshalb soll dieser erst durch sich selbst Lügen gestraft (der Unwahrheit überführt) werden, indem ihm nun Freiheit gegeben wird, nach Willkür mit Hiob zu verfahren. Damit soll sich's herausstellen, wer Recht habe und ob sich Hiob wirklich nicht bewähre. Nur das Leben soll an Hiob geschont werden, weil ja - wenn dieses gewaltsam abgeschnitten wird - über das Leben hinaus keine weitere Bewährung stattfinden kann. Würde Hiob etwa, an Gott und allem verzweifelnd, Hand an sich legen - wie sein Weib, übernommen von der Größe des Jammers, ihm anraten will-, so würde Satan recht behalten.
Hiobs Festhalten an Gott blieb aber unbesiegt. Weit entfernt, Gott den Abschied zu geben, konnte er das eine Mal sagen: „Der Name des HErrn sei gelobt!“; und das andre Mal: „Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?“. Später äußerte er zwar im Schmerz des Leidens harte Worte. Sie waren aber nie so, daß er wider Gott gemurrt oder Ihm getrotzt hätte oder von Gott gewichen wäre; sie erschienen vielmehr stets nur als Ausdruck seines Schmerzes und zeigten an, wie völlig unbegreiflich ihm die Heimsuchung Gottes war - er stellte sich aber nicht wider Gott. Äußerungen des Schmerzes konnten, wenn nicht eine verzweiflungsvolle Tat mit ihnen verbunden ist, ohnehin keine weitere Beschuldigung Satans begründen. So wurde Hiob Sieger, und Satan wurde zuschanden!
Wie bedeutungsvoll solche seltenen Versuchungen schon im Alten Bunde waren und wie wichtig für die ganze Heilsgeschichte - ja diese vorbereitend! -, mag leicht zu erkennen sein. Das mag sich schon ergeben aus der bemerkenswerten Zusammenstellung Hiobs mit dem HErrn Christus, da es bei Jakobus heißt (5,11): „Die Geduld Hiobs habt ihr gehört, und das Ende des HErrn habt ihr gesehen“.
Hiobs Aufgabe war es, zu glauben:
1) an Gottes Fürsorge - auch wo es den Anschein hatte, als würde sich Gott gar nichts um die Menschen kümmern;
2) an Seine Gerechtigkeit - auch wenn es war, als würde Gott nichts nach der Frömmigkeit des Menschen fragen;
3) an Seine Gnade - auch wenn es schien, als ob Gott unnachsichtig den einmal in sündliche Zustände hineingekommenen Menschen verwürfe;
4) an Seine Wahrheit - wenn auch alle Seine Verheißungen, wie die den Opfernden zugekommenen, null und nichtig zu sein schienen! Wie fröhlich konnte doch Hiob nach der Prüfung ausrufen, wie es einst ein Elieser getan hatte (1. Mose 24,27): „Gelobt sei der HErr, der Seine Barmherzigkeit und Seine Wahrheit nicht verlassen hat“ - wie es doch den Anschein gehabt hatte!
Auch in unsern Tagen mag es vorkommen, daß einzelne in ähnlichen Anfechtungen und Prüfungen sich bewähren müssen. Satan klagt sie an vor Gott, oder es müssen Klagen beseitigt werden, die erhoben werden könnten gegen ihren Glauben an Christus, mit welchem die Kindschaft Gottes erworben werden soll. Dann müssen sie es bewähren, daß sie nicht aufhören, Christus im Glauben festzuhalten - auch wenn es aufgrund der inneren und äußeren Zustände, in die sie hineinkommen, den Anschein gewinnt, als ob sie keiner Vergebung der Sünden, keiner Kindschaft mit Gott, keiner Erhörung in ihrer Trübsal, keiner Freundlichkeit vonseiten ihres Heilandes, keiner Macht wider die Finsternis, keiner Bewahrung vor böswilligen Feinden der sichtbaren und unsichtbaren Welt gewürdigt werden dürften! In solche Nächte und Finsternisse können alle mehr oder weniger tief hineingeführt werden. Doch nur an wenige mag's in vollem Maß herankommen. Da dürfen wir uns auch mit Hiobs Leiden trösten. Das dürfen wir um so mehr, als wir nun aus seiner Geschichte ersehen - besser als es Hiob selbst ersehen konnte -, wie wir uns einem feindseligen Verkläger gegenüber zu bewähren haben, der wider die Erhebung des Menschen zu Gott solange als immer möglich Einspruch vorzubringen sucht.
Bewährungen dieser Art aber mögen großen Einfluß haben auf den Fortgang des Reiches Gottes überhaupt: auf die allmähliche Befreiung von den Angriffen und Anläufen des Teufels, auf die endliche völlige Besiegung Satans - der ja unter unsre Füße getreten werden soll (Röm. 16,20) - und auf die gehoffte siegreiche Wiederkehr unsres HErrn.
Wie wichtig ist es daher, daß wir in allem, was vorkommen mag, auf eine Höhe des Glaubens kommen, um mit Paulus (Röm. 8,31ff.) zu sagen: „Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? Wer will uns beschuldigen? Wer will uns verdammen? Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Sollen wir durch Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Fährlichkeit oder Schwert - wenn's also über uns kommt - die Überzeugung der Liebe Gottes uns nehmen lassen? Nein, in dem allen überwinden wir weit um des willen, der uns geliebt hat. Und weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch keine andre Kreatur mag uns scheiden - losmachen - von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist.“
Das ist uns gesagt, falls wir etwa denken wollten, es sei nichts mit dieser Liebe und unsrem Halten an ihr!