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Predigten zu Apostelgeschichte 9,4

"und auf die Erde fallend, hörte er eine Stimme, die zu ihm sprach: Saul, Saul, was verfolgst du mich?"

Autor: Alfred Christlieb (* 26.02.1866; † 21.01.1934) deutscher Theologe
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Die Frage Jesu an Saulus

Aus obiger Frage musste Saulus dreierlei merken:

1. Er selber war gemeint und kein anderer ("Saul, Saul!") Durch die zweimalige Nennung seines Namens war jeder Zweifel darüber ausgeschlossen, dass jetzt mit ihm geredet wurde. Er war persönlich getroffen. Wohl uns, wenn dies beim Anhören des Wortes Gottes auch bei uns der Fall ist. Wohl uns, wenn wir uns getroffen fühlen, nicht an andere denken, sondern merken: Jetzt redet der Herr mit mir! (1. Samuel 3, 10).

2. Er wurde vom Himmel aus beobachtet. Dort oben war eine wunderbare Gestalt voller Lichtglanz, die sich mit ihm beschäftigte und seine Wege genau kannte. Dies kam ihm wie nie zuvor zum Bewusstsein. Wohl uns, wenn auch wir uns im Worte zeigen lassen, dass Gott auf uns sieht und auf unsere Wege schaut (1. Mose 16, 13; Psalm 102, 20; 139, 1 - 12; 14, 2; Offenbarung Johannes 2, 18).

3. Auf ihm lastete das Missfallen des immlischen Herrn . Es hiess auch bei ihm: "Aber die Tat gefiel dem Herrn übel" (2. Samuel 11, 27 b).

Auch heute erweckt der Herr die Seelen durch das Wort, indem er ihnen zeigt, dass sie persönlich gemeint sind, dass Gottes Auge sie beobachtet, und dass ihr Leben ihm missfällig ist. Wohl allen, die dadurch zu einem heilsamen Erschrecken gelangen!


Autor: Carl Eichhorn (* 11.07.1810; † 08.02.1890) deutscher lutherischer Pastor
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Die Gnade im Leben des Paulus (I)

"Saul, Saul, was verfolgst du mich?"

Nicht Saul hat sich zuerst bekehrt, sondern der Herr war es, durch den er bekehrt wurde. Sich bekehren heißt im Grunde nichts anderes als sich vom Herrn finden lassen. Ob eine Bekehrung allmählich oder plötzlich geschieht: immer ist sie im tiefsten Grunde des Herrn Werk. "Es ist durch dich geschehn, dass ich dich hab' ersehn!"

Der Herr Jesus redet seinen Verfolger mit Namen an. "Saul, Saul", ruft er ihm zu. Die Wiederholung des Namens drückt das angelegentliche und dringende Verlangen Jesu aus, ihn vom Abgrund hinwegzureißen, in dem er zu versinken drohte. - "Warum verfolgst du mich?" Die Frage soll ihn zum Nachdenken und zur Besinnung bringen. "Was habe ich, Jesus, und was haben diese meine Schafe dir getan? Womit habe ich dich beleidigt? Das sage mir!" Diese Frage schmerzerfüllter Liebe drang viel tiefer ein, als wenn Jesus dem Verfolger sein Unrecht mit scharfen Worten vorgehalten hätte.

Saulus hat die Jünger Jesu verfolgt. Aber eigentlich war es Jesus, den er hasste. Der Kern unserer Sünde ist die Feindschaft gegen Jesus. Alle Abneigung gegen ernste Christen ist im Grunde nichts anderes als Feindschaft gegen ihn. Diese Grundsünde müssen wir einmal erkennen. Wir dürfen nicht nur bei einzelnen Sünden stehenbleiben.

"Was verfolgst du mich?" Aus diesen Worten hören wir heraus die Besorgnis der Liebe: "Was machst du Unglücklicher? Halt ein, sonst bist du verloren! Du verfolgst die höchste Majestät! Ich bin Jesus!" Hat ihn die plötzliche Lichterscheinung zu Boden geworfen dem Leibe nach, so hat dieses Wort ihn innerlich niedergeschmettert. Der Jesus von Nazareth, dessen Namen auszurotten er sich zur Lebensaufgabe gesetzt hatte, ist wahrhaftig der Messias und hat göttliche Herrlichkeit. Also war er bis dahin auf ganz verkehrtem Weg gewesen. Ein verfehltes Leben lag hinter ihm.

Der erhöhte Heiland hat einen tiefen Stachel in die Seele des Saulus gedrückt. Jetzt stand er vor der Entscheidung. Soll er diesem Stachel nachgeben oder sich ihm widersetzen? Der Heiland ruft ihm warnend zu: "Es ist für dich schwer", das soll heißen schwerwiegend, bedenklich und gefährlich, "dich gegen den Stachel zu wehren."

Der Zug der göttlichen Gnade ist überwältigend, aber nicht vergewaltigend. Der Mensch wird gefangengenommen, aber er muss sich auch von Herzen ergeben. Er kann sich widersetzen. Aber das nimmt einen schlimmen Ausgang. Menschen, die viel Gottes Wort hören und ihm doch nicht gehorchen, werden allmählich verhärtet. Und dann ist es vorbei mit der Bekehrung. Lasst uns doch die Tage und Stunden, wo uns die Gnade heimsucht, erkennen und ausnützen!


Autor: Wilhelm Busch (* 27.03.1897; † 20.06.1966) deutscher evangelischer Pfarrer, Prediger und Schriftsteller
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Tod und Verderben über der Gemeinde Jesu! „Saulus schnaubte mit Drohen und Morden wider die Jünger des Herrn", erzählt die Bibel. Es ist, als höre man es aus diesen Worten: das Stöhnen Gefesselter, das Schluchzen der Frauen, das Jammern der Kinder, Todesschreie – und Hohnlachen der Schergen.

„Tod und Verderben!" denkt Saulus. „Es ist mir Gottesdienst, sie zu vernichten! Ein Gottesdienst!!"

Welch ein düsteres Bild! Da rast ein blinder Tor, ein wilder Fanatiker gegen den Herrn und Seine Gemeinde. Muss da nun nicht Feuer vom Himmel fallen und den Lästerer vernichten?! Muss nun Gott nicht auch antworten mit Tod und Verderben?! Ja, der Herr antwortet. Aber nicht mit Feuer vom Himmel! Er antwortet ganz anders, als die Vernunft sich das hätte ausdenken können. Er antwortet dem Saulus mit – Barmherzigkeit. Er fällt Seinen Feind mit – Gnade.

„Saul! Saul!" So ruft der Herr den Saulus an, dass der erschrocken zu Boden stürzt. Gewiss, in diesem Ruf Jesu war das Gericht über Saulus. Und doch – in diesem Ruf klingt die Stimme des guten Hirten: „Saul! Sau! …" Er kennt auch ihn mit Namen. Auch dieser Name eines verlorenen Sohnes leuchtet vor Ihm. Zweimal ruft Er ihn bei seinem Namen mit einer Liebe, vor der der starke Trotz des Saulus zerbricht. Und während Saulus blind wird, geht ihm im Herzen das Licht auf: „O Abgrund der Barmherzigkeit!" So liebt der Herr Seine Feinde. Amen.


Autor: Wilhelm Busch (* 27.03.1897; † 20.06.1966) deutscher evangelischer Pfarrer, Prediger und Schriftsteller
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Es war einmal ein stürmischer Tag. Düstere Wolken jagten am Himmel Da – auf einmal – zerriss die Wolkendecke. Die Sonne brach durch. So leuchtend, dass auf einmal alle Vögel anfingen zu singen und alle Menschen fröhlich wurden. So geschah es hier in der Geschichte, aus der unser heutiges Wort stammt. Düstere Wolken von Not lagerten über der Gemeinde Jesu. Der Sturm umbrauste sie: „Saulus schnaubte mit Drohen und Morden wider die Jünger des Herrn." Aber in die Dunkelheit hinein bricht die „wahre Sonne", die Liebe und Barmherzigkeit des Herrn Jesus, unseres Heilandes. In der einen Frage an Saulus zeigt Er, wie Er Seine Gemeinde liebt.

„Diese Gotteslästerei! Diese widerspenstigen Geister!" tobt Saulus und droht und mordet. Da tritt ihm bei Damaskus der Herr entgegen: „Saulus, was verfolgst du…“ Wir denken, nun müsste es weitergehen: „… was verfolgst du meine Gemeinde?" Aber der Herr fragt: „… was verfolgst du mich?“

Der Herr erklärt sich also ganz und gar solidarisch mit Seiner Gemeinde. Hier erfährt Paulus zum ersten Mal, was er später selbst im Epheser-Brief lehrt: dass die Gemeinde „Christi Leib" ist_ Wer die Gemeinde antastet, tastet Ihn an. Wer die Gemeinde verlässt, verlässt Ihn. So nimmt sich der Herr selbst Seiner Herde an. Er schämt sich nicht, sie Brüder zu heißen. Er bekennt sich zu den Seinen, die Er mit Blut erkauft hat. Er lässt sie wohl in Todesnot kommen. Aber niemand darf sie aus Seiner Hand reißen. Amen.


Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
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Du siehst, sagte Jesus zu Paulus, in mir deinen Feind und willst mich vertreiben. Warum tust du das? Früher war Paulus beredt, wenn diese Frage an ihn gerichtet wurde. Zwingende Gründe in Menge hatte er in der Hand, um sein Urteil zu rechtfertigen, das die Vernichtung der Christenheit verlangte. War nicht das Kreuz Jesu Beweis genug, dass er von Gott verlassen und gerichtet starb? Sollte er einem Weib wie Maria Magdalena glaube, dass Jesus auferstanden sei? Warum blieb er denn jetzt unsichtbar? Scheiterte nicht die christliche Botschaft an der Schrift, die den König verhieß, der in Gottes Macht regiert und, wenn ihn Gott dem Volk gegeben hat, bei ihm bleibt? War nicht das Wort Jesu eine kindliche Rede neben der Gelehrsamkeit, die in den Lehrsälen Jerusalems zu finden war? War denn Jesus allein vom Geist Gottes erfüllt und ganz Israel von Gott verlassen und alle seine Gerechten verblendet und gestürzt? War denn Petrus imstande, der Fels zu sein, auf dem das Haus Gottes aufgebaut wurde? Früher wusste Paulus, was er zu sagen hatte, wenn er gefragt wurde, warum er Jesus verfolgte. Aber nun verstummte er und alle seine sicheren Gründe waren verschwunden. Denn er sah Jesus, und was er an Ihm sah, war Gottes Herrlichkeit. Jeder von uns kann sich die Gründe wiederholen, die einst für Paulus Bedeutung hatten, und sie können auch für ihn Gewicht besitzen. Aber es gibt auch für uns Stunden, in denen wir verstummen, wenn die Frage vor uns steht: warum verfolgst du mich? Siehst du nicht Gottes Herrlichkeit an mir, in meinem Kreuz den vollendeten Gehorsam, der Gott ehrt, in meinem Bergeben Gottes Gnade, die dir verzeiht, in meinem verklärten Leben Gottes Verheißung, die auch über deinem Leben leuchtet? Wenn wir aber Gottes Herrlichkeit an Ihm sehen, dann zerfallen alle Gründe und an die Stelle der verstummten Gründe tritt der Glaube, der nun sagt: was willst Du, Herr, dass ich tun soll?

Du, Herr, beschirmst Deine Schar. Sie steht auf dem Kampfplatz und wäre wehrlos, wenn Du Dich nicht zu ihr bekennst. Aber weil es Gott je und je wohlgefällt, Dich und uns zu offenbaren, darum kann Deine Gemeinde nicht verschwinden und Dein Wort nicht sterben. Gib mir, dass ich es mir und anderen nach Deinem Willen sage. Amen.