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Predigten zu Amos 5,18
Zitate von Jakob Kroeker anzeigen
"Wehe denen, die den ,Tag des Herrn' herbeiwünschen! Was soll euch denn der Tag des Herrn? Er ist Finsternis und nicht Licht."
Das war "Heilseschatologie" in den Tagen Amos, die in Nordisrael ebenso lebendig war wie in Juda. Im Blickfeld auch der rein nationalen Kreise Israels lag der nahende "Tag des Herrn". Sie gaben ihm jedoch einen anderen Inhalt, als der Prophet demselben gab. Sie erwarteten von ihm wohl Gericht und Finsternis, ab er nur für die Feinde. Für das Volk des Herrn, das die Altäre der Heiden zerbrochen hatte, das dem Herrn Opfer brachte, dessen Sabbate heiligte und dessen Feste feierte auf Grund von Sinais Thora-Offenbarung - für dieses Volk wird er Licht sein und nicht Finsternis, Erlösung bringen und nicht Untergang.
Anders deutet Amos den ersehnten "Tag des Herrn". Nicht Licht, Finsternis wird er sein auch für Israel! Mochten in Samaria die Frommen im Vertrauen auf die vom Volk gepflegte äußerliche Frömmigkeit auch "das Eingreifen des Herrn in die Geschichte mit vollkommener Ruhe erwarten", ja sogar danach "verlangen", welch ein Erwachen wird es für sie geben, wenn der "Tag des Herrn" erst anbricht! Er wird das Gericht bringen und zwar "zuerst am Hause Gottes". Zu welch einer Flucht man dann auch greifen wird, man wird dem Bären begegnen, wenn man dem Löwen zu entrinnen sucht. Und glaubt man in seinem Hause bereits sicher zu sein, so sieht man sich daselbst von der Schlange gestochen.
Wie oft ist auch innerhalb der Kirche Christi diese Amosdeutung vergessen worden! Wie leicht konnten während des Krieges und in den nachfolgenden Revolutionsjahren manche über "den Tag des Herrn" sprechen. Wie wenig wirklich messianische Gesinnung lebt auch heute vielfach in jenen Kreisen, die vom "Tag des Herrn" nur Gericht für "die Welt" erwarten, ja, es förmlich für diese herbeisehnen! Wer verstehen will, wie stark Gerichte für die Welt noch im tieferen Sinn Gericht auch für die Kirche Christi sein können, der studiere die Geschichtsereignisse und den damit verbundenen Leidensweg der Gesamtkirche Jesu Christi in der gegenwärtigen russischen Sowjetunion.
Aber solche falschen Erwartungen flossen aus dem blinden Vertrauen zu der für das Volksganze obligatorisch gewordenen Frömmigkeit. Durch staatsgesetzliche Bestimmungen war eine allgemeine Staatsreligion geschaffen worden. Schuf sie auch im Volk keine neue Gesinnung, so sicherte sie doch angeblich den äußeren Bestand und die Zukunft des Staates. In Nordisrael handelt es sich aber in der Religion nicht um die letzten Fragen des Volkes zu Gott, es ging um die Frage der Stellung des Tempels zum Staat. Diese falsche Auffassung der Religion gereichte aber zum Gericht des Volkes.