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Predigten zu 2. Mose 20,13

"Du sollst nicht töten. -"

Autor: Carl Olof Rosenius (* 03.02.1816; † 24.02.1868) schwedischer Laienprediger und Initiator einer neuevangelischen schwedischen Erweckungsbewegung

"Du sollst nicht töten!"

Wenn wir die Erklärung Jesu über dieses Gebot (Mt. 5) recht beachten, dann werden wir finden, dass der Blick und die Gedanken Gottes etwas tiefer als die unsrigen gehen, dass nämlich Gott den inwendigen Menschen ansieht und dass der große Schöpfer und Vater der Geister unseren Geist, unser Herz, unsere innersten Gedanken vor Augen hat. Er meint mit dem Worte "nicht töten" viel mehr, als dass du einem Menschen nicht das Leben rauben sollst. Er sieht nicht nur auf deine Hand, sondern auf dich, dein ganzes Wesen, dein Herz, deine Gemütsbewegungen, deine Zunge, deinen Blick, deine geheimste Meinung, ja, auf deine Liebe oder Lieblosigkeit. Denn Er sagt: "Du sollst nicht töten." Und was bedeutet das Wort "du"? Wahrlich nicht deine Hand, deine Zunge oder ein besonderes Glied, sondern gewiss den ganzen Menschen, und in erster Linie die Seele. Wenn ich Sage: Du sollst das oder das nicht tun, so rede ich ja nicht zu der Hand, sondern zu der ganzen Person. Und wenn ich auch sagte: Deine Hand soll das nicht tun, so spräche ich dennoch eigentlich nicht zu der Hand, sondern zu dir selbst, zu deiner Seele, deinem Verstand und Herzen, die der Hand befehlen; denn die Hand ist nur eine Dienerin unter der Seele, unter dem Verstand und dem Willen. So können wir verstehen, dass Gott den inwendigen Menschen ansieht. Darum bedeutet das Wort "Du sollst nicht töten" dasselbe, wie wenn Er sagte: Alles, was in dir ist, soll nicht töten. Wie viele Arten des Tötens man auch immer erdenken mag - sei es mit der Hand, der Zunge, dem Herzen oder mit Zeichen und Gebärden, mit zornigen Blicken oder mit den Ohren, die nicht leiden, dass von jemandem gut gesprochen wird -, dieses alles heißt töten. Damit ist das Herz und alles in dir so gesinnt, dass du vor den Augen Gottes ein Mörder bist. - Beachte dies!

Um nun alles das, was im fünften Gebot verboten wird, zu sammeln und zusammenzufassen, so finden wir zuerst die Tat selbst, den Totschlag. Kein Mensch als solcher hat das Recht, das Leben irgendeines Menschen zu verkürzen. Wenn die Obrigkeit jemanden am Leben straft, so ist das nicht die Tat eines Menschen, sondern Gottes, der in Seinem Gesetz ausdrückliche Befehle über die Hinrichtung des Menschen gegeben und dazu die Obrigkeit verordnet hat, auf dass sie nicht umsonst das Schwert trage; denn sie ist "Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Strafe über den, der Böses tut", wie Paulus in Röm. 13, 4 schreibt.

Gott verbietet jeden noch so kleinen Anfang zum Totschlag, auch wenn die Tat nicht ganz vollendet wird. Denn schon der blosse Zorn des Herzens, der gewöhnlich nicht verborgen bleiben kann, sondern sich zum mindesten durch ein finsteres Angesicht oder in bitteren Worten und Gebärden, vielleicht auch nur durch ein blosses Seufzen äußert, ist nicht nur sündig vor den Augen Gottes, sondern ist auch ein in der Tat begonnener Totschlag. Kurz - alles, was jemals in einem bitteren, gehässigen, neidischen, rachgierigen und lieblosen Sinn gedacht, geredet oder getan wird, ist eine Sünde gegen das fünfte Gebot - ist in den Augen Gottes ein Totschlag.

Hier straft z. B. ein Vater in zügellosem Zorn sein Kind. Gewiss ist er die rechte Person, die es strafen soll; aber wir reden von dem Vater, der es nicht aus Liebe, aus Eifer und Fürsorge um das Wohl des Kindes, sondern aus Zorn, in gereizter Stimmung oder zügelloser Wut tut. Im Augenblick der Bestrafung bedenkt er nicht, welchen Schaden sein Kind an Leib und Seele nehmen kann. Er sucht nur seine Leidenschaft zu befriedigen. Steht dieser Vater nicht wie ein Mörder seines Kindes da? - Dort überschüttet eine erzürnte Mutter mit der Leidenschaft ihres Herzens früh und spät ihr Kind mit unausgesetzten und planlosen Zurechtweisungen und Strafen für kleinere oder grössere Versehen und bedenkt nicht, welche glühenden Kohlen sie dadurch auf die geistlichen und leiblichen Lebenskräfte ihres Kindes legt. Was ist eine solche Mutter vor Gott? Wir reden von einer, die nur von zügellosem Zorn beherrscht wird. Sie ist nichts anderes als eine Mörderin ihres Kindes. - Hier tobt ein Mann in wildem, unaufhaltsamem Zorn gegen seine Gattin, für die er alle Zärtlichkeit und Liebe, alle Verträglichkeit und Nachsicht an den Tag legen sollte, dort plagt eine boshafte Frau ihren Mann Tag und Nacht mit bitteren, stechenden Worten oder mit einem kalten, lieblosen Wesen. Was ist nun alles das vor den Augen Gottes? Es ist nicht nur vor den Augen Gottes, sondern in der Tat und in Wirklichkeit nichts anderes als angefangener Totschlag! All dieser Zorn, diese schonungslose Bitterkeit gegen die Mitmenschen - wie sollen sie dem milden, barmherzigen Herrn gefallen?

Aber zu den Taten, mit denen wir einen Totschlag anfangen, gehört auch, dem Nächsten seine Nahrung zu rauben oder dem leiblich Bedürftigen nicht zu helfen. Wenn die Schrift sagt: "Wer einem seine Nahrung nimmt, der tötet seinen Nächsten," so liegt darin auch, dass, wenn du deinen Nächsten Not leiden siehst, du aber dein Herz vor ihm zuschließest und ihm nicht das gibst, was er zu seinem Leben braucht, du dann allest tust, was in deinen Kräften steht, um ihn zu töten. Denn wenn alle ebenso handelten wie du, dann würde der Notleidende wirklich getötet. Bist du dann nicht an dem Totschlag beteiligt, und hast du nicht auch in der Tat Anteil an einem Mord, genauso wie der, der seinen Nächsten in Feuers- oder Wassersnot sieht und ihm nicht zu helfen sucht?


Autor: Dora Rappard (* 01.09.1842; † 10.10.1923) Schweizer Missionarin und evangelische Kirchenlieddichterin

"Du sollst nicht töten."

Die Worte Jesu in der Bergpredigt sind eine ernste Ergänzung zu diesem Gebot: Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist: Du sollst nicht töten. Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig (Mt. 5, 21 ff.). Und der Apostel Johannes schreibt: Wer seinen Bruder hasset, der ist ein Totschläger, und ihr wisset, dass ein Totschläger nicht hat das ewige Leben in ihm bleibend (1. Joh. 3, 15).

Unter der strafenden, überführenden Macht des Heiligen Geistes (Joh. 16, 8) hat schon manch ein gebeugter Sünder ausgerufen: Wehe mir, ich bin ein Mörder! Und manch ein begnadigtes Gotteskind denkt mit Scham zurück an Aufwallungen des Zorns, die leicht zu einem verletzenden, vielleicht tödlichen Schlag hätten führen können.

Es gibt ein langsames, verborgenes Töten durch fortgesetzte eisige Kälte, Missgunst oder Geiz, auch in Familien, die Christi Namen tragen. O, davor hüte sich, wer einzugehen hofft in die Perlentore des Neuen Jerusalems!

Du sollst Lieben! So heißt das große Gebot der Gnade, und sie gibt zugleich die Kraft, das Gebot zu erfüllen. So bezeugt der gottselige Gerhard Tersteegen: "Ich finde gegen keinen einzigen Menschen etwas anderes in meinem Gemüte, als nur: unbedingte Versöhnung, aufrichtige Beugung und herzliche Liebe."

Herr, lass mich so in Dir bleiben, dass Deine Liebe in meinem Herzen jedes Gefühl vertilge, was nicht Liebe ist.


Autor: Ludwig Hofacker (* 15.04.1798; † 18.11.1828) deutscher evangelischer Pfarrer
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Mit diesem Gebot hat der gütige Gesetzgeber für unser und unserer Nächsten Leben gesorgt. Es ist aber darinnen nicht nur der grobe Totschlag verboten, da man mörderische Hände an den Nächsten legt und ihm das Leben raubt oder durch andere widerrechtlich rauben lasset, sondern es werden dadurch überhaupt alle feindseligen Gedanken, Gebärden, Worte und Werke, ja alles dasjenige untersagt, wodurch dem Nächsten an seinem Leib und Leben kann Schaden zugefügt werden. Hingegen weiset mich dies Gebot an, meinen Nächsten zu lieben, es herzlich mit ihm zu meinen, ihm alles Gute zu gönnen, das Unrecht ihm zu verzeihen, mit Rat und Tat ihm beizustehen und in allen Leibs- und Seelennöten förderlich zu sein. Hast du also auch an Zänkereien, Zorn, Raufen und Schlagen, Schmähen und Schimpfen noch nicht Freude gehabt, so fragt es sich doch immer noch, ob du nicht sonsten in Unversöhnlichkeit und Bitterkeit gegen deinen Nächsten stehest und über die schreiest, die du für deine Feinde hältst, die dich nach deiner Meinung ins Unglück gebracht, ob du ihnen nicht Übels anwünschest oder sie gar vor Gottes Richterstuhl ladest, ob du hingegen jedermann von Herzensgrund verzeihest, für deine Feinde betest und gegen diejenigen, die um dich sind, liebreich, zufrieden, sanftmütig und geduldig dich erweisest? Was sagt dir da dein Gewissen? Kannst du dich in allen Punkten freisprechen, oder wo nicht aller, doch eines oder des andern schuldig geben? Glaube, der allwissende Gott dürfte an dir Greuel finden da, wo du dich am reinsten zu sein dünkest. Besonders laß dich überzeugen, daß eine jegliche Selbstrache sündlich ist. Denn es stehet geschrieben: »Rächt euch sel- ber nicht, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes. Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.« Ja glaube dem Worte Gottes, welches auch den Haß, Grimm und Bitterkeit gegen den Nächsten schon für einen Totschlag erklärt (1. Joh 3,15). Heiland du! Du hast die Pflicht reinster Liebe ganz geübet, bei dem schrecklichsten Gericht deinen Vater noch geliebet, noch den Freund, der dich verließ, noch den Feind, der dich verstieß.

Ach wie viel stehn wir zurück, Menschenfreund, von deinem Herzen! Ach wie streng bleibt unser Blick bei des Nächsten Not und Schmerzen. Ach wie fern sind wir von dir! Ach nichts Kältres ist, als wir!

Keinem Menschen fall es ein, das Gesetz ganz zu erfüllen und dadurch gerecht zu sein; bloß durch dich um deinetwillen spricht der Vater vom Gericht ledig und verdammt uns nicht.


Autor: Wilhelm Busch (* 27.03.1897; † 20.06.1966) deutscher evangelischer Pfarrer, Prediger und Schriftsteller
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Das ist ein ganz einfaches, klares Gebot. Und wir verstehen gut, was Gott uns mit diesem Gebot sagen will. Darum ist es so verwunderlich und für den natürlichen Menschen so bezeichnend, dass er immer, wenn dies Gebot auf ihn zufährt, gleichsam einen Blitzableiter zur Stelle hat, um die Wucht dieses Gebotes abzulenken. Da fängt er an, davon zu reden, wie es denn dann mit der Todesstrafe stehe. Als wenn nicht Gottes Wort klar sagte: „Die Obrigkeit trägt das Schwert nicht umsonst." Oder: wie man sich denn dann im Kriege verhalten müsse. Als wenn nicht Gottes Wort auch darüber klar spräche. Aber so ist aus dem Gebot Gottes ein „Problem" geworden, das uns selbst nicht mehr trifft.

„Du sollst nicht töten!" In diesem Gebot nimmt Gott die Krone Seiner Schöpfung, den Menschen, in Seinen Schutz. Wie muss Gott auch den gefallenen, rebellischen Menschen lieb haben, dass Er ihn nicht dahingibt und sich uninteressiert erklärt an seinem Ergehen. Er nimmt auch das zerstörte Ebenbild, den gefallenen Menschen, in Seinen Schutz.

Dürfen wir hassen, was Gott lieb hat? O nein! Wenn Gott auch den elendesten, unangenehmsten und schuldigsten Menschenbruder lieb hat, dann ist mein Hass, ja schon meine Lieblosigkeit „Sünde". Und wir verstehen auf einmal das Wort der Schrift: "Wer seinen Bruder hasset, der ist ein Totschläger." Unser Herr Jesus lehrt Seine Jünger: „Liebet eure Feinde!" Ja, nun müssen wir das lernen, denn Gott hat ja auch sie geliebt, und Jesus starb auch für sie. Und wenn wir hassen, was Gott liebt, dann – trennen wir uns von Gott. Und weil wir das nicht wollen, bitten wir: „Herr, schenke uns Liebe!" Amen.