Predigten zu Sprüche 7,4

Sprich zur Weisheit: Du bist meine Schwester, und nenne die Klugheit deine Freundin

Die Weisheit mag uns zu überirdisch erscheinen, als dass sie unsere leidenschaftliche Verehrung erwecken könnte; aber lasset uns bedenken, dass sie verkörpert ist in Jesu Christo, der in diesem Buch uns unter dem majestätischen Bilde der Weisheit entgegentritt. Wer wollte leugnen, dass die anziehendsten Charakterzüge sich in dem unvergleichlichen Menschensohne, unserem erhöhten Erlöser, vereinigt haben?

Mit welcher zarten Reinheit beugte Er sein Angesicht zu Boden und schrieb auf die Erde, als die Verkläger jene auf der Tat ertappte Sünderin zu Ihm brachten! Wie rücksichtsvoll sandte Er dem reuigen Petrus die Botschaft, dass Er auferstanden sei, und bereitete das Mahl für die von den Wellen durchnässten Seeleute, am Ufer des Sees Genezareth! Wie, schnell begriff Er Marias Verlangen, Ihn zu salben zu seinem Begräbnis!

Die Verbindung von weiblich Zartem mit männlich Starkem war es, die Männer wie Bernhard von Clairvaux, Rutherford, Fénélon und tausend andere so tief befriedigte, weil sie, die der Wonne irdischer Liebe entsagt hatten, in Jesu die Erfüllung jeglichen Mangels fanden, und Er selbst allen ihren Hunger und Durst stillte. In Ihm erblickten sie wieder das Bild der zärtlichen Mutter ihrer frühen Kindheit, – der engelgleichen Schwester, die zu Gott heimgegangen war, – die Liebe ihrer Jugend, die sie in den Tod gegeben hatten.

In Jesu finden Frauen die starke Stütze, an die sie sich in ihrer Schwachheit lehnen, und Männer erfahren in Ihm die zarte, rücksichtsvolle Teilnahme, der sie sich voll Zuversicht anvertrauen können. Wir sind für Ewiges, Göttliches geboren; irdische Liebe kann daher im besten Fall nur ein Vorbild sein der himmlischen Dinge. Wohl ist sie von unschätzbarem Wert; aber lernen wir in ihr das Unsichtbare, Ewige erfassen, dessen Hülle sie ist!