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Predigten zu Ruth 2,2
"Und Ruth, die Moabitin, sprach zu Noomi: Laß mich doch aufs Feld gehen und unter den Ähren lesen hinter dem her, in dessen Augen ich Gnade finden werde. Und sie sprach zu ihr: Gehe hin, meine Tochter."
Autor: Charles Haddon Spurgeon (* 19.06.1834; † 31.01.1892) englischer Baptistenpastor
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"Lass mich aufs Feld gehen und Ähren auflesen."
Niedergeschlagener und betrübter Christ, komm und lies heute auf in dem weiten Erntefeld der Verheißungen. Hier liegen reiche Vorräte köstlicher Zusagen, die ganz auf deine Bedürfnisse berechnet sind. Nimm die folgende: "Das zerstossene Rohr wird Er nicht zerbrechen, und das glimmende Docht wird Er nicht auslöschen." Passt das nicht ganz für dich? Ein Rohr, hilflos, unbedeutend, elend, schwach; ein zerstossenes Rohr, aus welchem sich kein Ton locken lässt; schwächer als die Schwachheit selber; ein Rohr, und dies Rohr ganz zerstossen, und dennoch will Er dich nicht ganz zerbrechen; sondern Er will dich vielmehr stärken und wieder herstellen. Du bist wie ein glimmendes Docht: kein Licht, keine Wärme strömen von dir aus; aber Er will dich nicht gar auslöschen; Er will mit seinem sanften, belebenden Gnadenhauch dich anfachen, bis dass Er dich in Flammen ausbrechen sieht. Willst du gern eine andre Ähre auflesen? "Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken." Was für liebliche Worte sind das! Dein Herz ist hart, und dein Meister weiss das, und darum spricht Er so sanft mit dir. Willst du Ihm nicht gehorsam sein und Ihm gerade in diesem Augenblick folgen? Nimm noch eine andre Kornähre: "Fürchte dich nicht, du Würmlein Jakob. Ich helfe dir, spricht der Herr, und dein Erlöser, der Heilige in Israel." Wie kannst du dich noch fürchten, wenn dir eine so wunderbare Zusicherung gegeben ist wie hier? Und so magst du zehntausend goldene Ähren sammeln wie diese: "Ich vertilge deine Missetat wie eine Wolke, und deine Sünde wie den Nebel."Wenn eure Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiss werden; und wenn sie gleich ist wie Rosinfarbe, soll sei doch wie Wolle werden."Oder diese:"Höret, so wird eure Seele leben; denn ich will mit euch einen ewigen Bund machen, nämlich die gewissen Gnaden Davids."Oder diese:"Der Geist und die Braut sprechen: Komm. Und wen dürstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst." Unsers Meisters Kornfeld trägt gar reichlich; betrachte die Haufen; siehe, hier liegen sie vor dir, armer, verzagter Christ! Lies sie auf, eigne sie dir an, denn Jesus heißt dich zugreifen. Fürchte dich nicht, glaube nur! Erfasse diese lieblichen Verheißungen, dresche sie aus auf der Tenne deiner Betrachtung und geniesse ihres Brots mit Freuden.
Autor: Alfred Christlieb (* 26.02.1866; † 21.01.1934) deutscher Theologe
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"Lass mich ... "
Dreimal wird von Ruth berichtet, sie habe die beiden Wörtlein "Lass mich" gesagt. Die Gelegenheiten, bei denen sie so sprach, lassen einen Rückschluss zu auf ihren Charakter. Das erstemal sprach sie zu ihrer Schwiegermutter: "Lass mich auf das Feld gehen und Ähren auflesen." - Es ist nicht allgemein üblich, dass ein erwachsener Mensch und vollends eine Schwiegertochter ihre Schwiegermutter um Erlaubnis bittet, wenn sie ausgehen oder irgendein Vorhaben ausführen will. Eine andere Person hätte gesagt: "Ich gehe jetzt auf das Feld, um Ähren aufzulesen." Sie hätte sich nicht im geringsten darum gekümmert, ob das der Schwiegermutter gefiele oder nicht. Ruth war bescheiden, höflich und zartfühlend. Sie beschämt viele christliche Frauen durch ihre demütige Unterordnung. - Auf dem Felde angekommen, bat sie den Aufseher über die Schnitter: "Lass mich auflesen und sammeln unter den Garben." In Israel war es durch das Gesetz Moses geboten, Armen und Fremdlingen auf dem Feld etwas übrigzulassen zum Auflesen. Durch Naemi wird Ruth davon gewusst haben. Trotzdem bittet sie um Erlaubnis. Sie ist demütig genug, das Armenrecht noch ausdrücklich zu erbitten. - In unseren Tagen werden selbst die Bettler oft frech und trotzig. Ruth blieb bescheiden. Solche Menschen sind hochgeachtet vor Gott. - Möchte all unser Stolz in den Tod gebracht werden! - Und endlich: Der Herr des Ackers, Boas, hat im Städtchen von der Ruth viel Lobenswertes gehört. Er trifft sie auf dem Felde und sagt ihr Worte hoher Anerkennung (V. 11 f.). Eine hochmütige Frau wäre bei solcher Lobrede kühn geworden. Ruth kann das Lob ertragen, ohne stolz zu werden. Sie spricht zu Boas: "Lass mich Gnade finden vor deinen Augen" (V. 13)! - Gott lasse uns klein werden und bleiben wie Ruth, dann wird Gottes Gnade und Segen uns nicht fehlen.