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Predigten zu Matthäus 7,1
Zitate von Adolf Schlatter anzeigen
Das ist ein besonderes süßes Stück des Evangeliums. Denn richten ist eine schwere Sache. Wer richten will, sollte wissen, das geschah. Wie kann ich das aber wissen? Was sichtbar ist, kommt aus dem Herzen des Menschen heraus; ich aber bin nicht Herzenskenner. Wer richten will, muss wissen, was die Gerechtigkeit verlangt, damit der Schuld das widerfahre, was sie verdient, und der Guttat der Lohn zuteil werde, der ihr gebührt. Wer kann vergelten? Wie verkehrt verfahren wir in der Weise, wie wir einander die Ehre und die Schande zuteilen und den Lohn und die Strafe verwalten! Du kannst nicht richten, sagte Jesus, du sollst es aber auch nicht. Können wir aber auf das Gericht verzichten? Eifrig sagte die jüdische Schar: gerichtet muss werden; das ist ein Teil unseres Gottesdienstes; das Gericht unterlassen heißt Gott verleugnen. Wie kann ich mit dem Sünder Gemeinschaft haben, ohne dass ich mich selbst zum Sünder mache, wie Bosheit dulden, ohne dass ich zum Widersacher Gottes werde? Wenn wir nicht richten, meinten sie, werden wir gerichtet. Nein, sagt mir Jesus; wenn du richtest, dann wirst auch du gerichtet. Dann hast du dich aus der vergebenden Gnade herausgestellt und unter Gottes Recht begeben. Dieses lässt dir aber nicht zu, dass du nur die anderen richtest und dich selber nicht. Das Gericht ist die Enthüllung der Wahrheit und ihre fehllose Verwirklichung. Daher duldet das Gericht keine Heuchelei und lässt mir nicht zu, dass ich mich freispreche, dagegen die anderen richte, und weil ich Gottes Gericht gegen mich habe, so weiß ich, dass ich mit meinem Urteil, das den anderen trifft, mich selbst verdamme. Was soll ich denn tun? Jedes Verbot kann nur dadurch erfüllt werden, dass ich anstelle des Bösen das Gute tue. Vergeben sollst du, sagt mir Jesus. Wir müssen richten, sagten die Juden, und können nicht vergeben; denn vergeben kann Gott allein. Die Antwort Jesu war: Gott kann nicht nur vergeben, sondern hat euch vergeben, und weil er euch vergeben hat, vergebt auch ihr. Sein Vergeben bringt nicht Unfug und Wirrwarr in der Welt hervor; denn es richtet den Schuldigen auf und macht seiner Bosheit ein Ende. Du vermehrst, sagt mir Jesus, mit deinem Richten die Sünde und belädtst dich selbst mit ihr. Vergib, so überwindest du das Böse mit Gutem, und das ist der einzige Weg, wie es überwunden werden kann.
Ich bete Deine Gnade an, die meine Sünde nicht richtet, weil sie mir in Deinem lieben Sohn den Versöhner gegeben hat. Nun rüste mich mit der Waffe aus, die mich stärker als die Sünde macht und die Bosheit zu überwinden vermag, mit dem heilenden Vergeben, das aus Deinem Vergeben stammt. Amen.