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Predigten zu Matthäus 5,3

"Glückselig die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Reich der Himmel."

Autor: Ludwig Hofacker (* 15.04.1798; † 18.11.1828) deutscher evangelischer Pfarrer
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Mit acht Seligkeiten beginnt der Heiland seine gewaltige Bergpredigt. Es ist also nicht auf ein Jammerleben abgesehen im Christentum, sondern auf ein seliges Leben, und zwar schon hier. Die ersten, die er selig spricht, sind die geistlich Armen. Was heißt denn geistlich arm sein? Arm nennen wir denjenigen, der das, was er braucht, nicht hat, geistlich arm ist also der, welcher nicht hat, was er zum geistlichen Leben braucht und obendrein erkennt und fühlt, und mit Schmerzen erkennt und fühlt, daß es ihm an den notwendigen Bedürfnissen des geistlichen Lebens fehle. Ach - kann so ein geistlich Armer denken - es fehlt mir eben gar sehr an Liebe oder an Glauben oder an Sanftmut oder an Reinheit des Herzens, ich weiß wahrlich, wenn ich mich besinne, keine Vorzüge an mir, ich sehe nur Schlechtes an mir, an mir und meinem Leben ist nichts auf dieser Erd'. Das sind die geistlich Armen. Und zu solchen geistlich Armen möchte die Schrift uns alle machen, denn sie sagt Rom 3: Es ist hier kein Unterschied, sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms, den sie bei Gott haben sollen; sie sind alle abgewichen und allesamt untüchtig worden, da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer. Das sind freilich bittere Wahrheiten, und darum suchen manche das Gefühl ihres Elends von sich zu entfernen. Aber wir wollen nicht so feige sein, uns nicht auf den Grund zu blicken, nur dieses dient zu unserer Heilung. Und diese Erkenntnis ist nur für den Anfang bitter. Selig sind, sagt der Heiland, die geistlich Armen. Nur in der Wahrheit ist Frieden, du mußt herunter von deiner eigenen Höhe, erst dann wirst du Christum erkennen lernen und in dieser Erkenntnis selig sein. Und der Heiland sagt noch von einem größeren Nutzen: das Himmelreich ist ihr. Alle Schätze des Hauses Gottes, alles, was uns Christus durch sein bitteres Leiden und Sterben erworben, ist unser; wenn wir geistlich arm sind, man lebt dann von Erbarmen; die nichts haben und doch alles haben, denn wir haben Christum.

Wer ist der Braut des Lammes gleich? Wer ist so arm, wer ist so reich? Wer ist so häßlich und so schön? Wem kann's so wohl und übel gehn? Lamm Gottes, du und deine selge Schar sind Menschen und auch Engel wunderbar. Aus Gnaden weiß ich auch davon. Ich bin ein Teil von deinem Lohn, so elend, als man's kaum erblickt, so herrlich, daß der Feind erschrickt, so gottlos, daß wohl alle besser sind, und so gerecht als du, des Vaters Kind. O Sündenschuld, wie beugst du mich! O Glaube, wie erhebst du dich! Wer faßt hier den geheimen Rat? Nur wer den Geist des Glaubens hat, der durch das Blut des Lamms zusammenschreibt, was sonst wohl himmelweit geschieden bleibt.


Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
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Die ganze Welt dreht sich um, wenn Jesus zu reden beginnt. Seine Gedanken sind nicht die unsrigen, sind auch nicht nur eine Verbesserung und Aufklärung unserer Gedanken, sondern stehen zu diesen in einem vollendeten Gegensatz. Niemals sagen wir: selig, die Armen, wobei es für unseren Widerspruch gegen Jesus ganz gleichgültig ist, ob wir dabei an den natürlichen oder geistigen Besitz denken. Für uns steht fest: Besitz ist Glück, sowohl reicher Vorrat an Lebensmitteln, als reiche Anhäufung innerer Kräfte. Wenn wir das ernsthaft schätzen, was uns inwendig reich und stark macht, klingt uns das Wort Jesu erst recht unglaublich. Wie kann er es bestreiten, dass uns mit großem Wissen, starkem Willen, reicher Erkenntnis Gottes, großem geistlichen Vermögen ein nicht genug zu schätzendes Glück beschert ist? Das ist die Rechnung des Menschen, der sich selbst beschaut und noch nichts wahrgenommen hat als sich selbst. Nun spricht aber der zu uns, der den Vater kennt, und damit dreht sich unsere ganze Welt. Denn jetzt bemisst sich mein Glück nicht nach dem, was ich habe, sondern nach dem, was Gott hat und Gott gibt. Für Gott entsteht aber der Anlass zum Geben aus dem, was ich nicht habe. Einen anderen Anlass, weshalb er mir gütig ist, als mein Bedürfnis gibt es für Gott nicht. Vor meinem Reichtum verneigt er sich nicht und mein Können lockt ihm keine Bewunderung ab. Ihm liegt es nicht daran, große Menschen zu machen, sondern daran, mir zu zeigen, dass er Gott ist. Sich will er mir zeigen, und ihn kenne ich dann, wenn ich seine Gnade schaue. Darum ist meine Armut das, was mir ihn offenbart, weil er zu meiner Armut seinen Reichtum fügt. Ihrer, sagt Jesus, ist das Himmelreich; das heißt, Gottes ganze Gnadenmacht und Herrlichkeitsoffenbarung wird ihnen zuteil.

Das ist das Evangelium Jesu für die Armen, das ist die einzige mögliche Hilfe für sie. Der Armut ist nur dann geholfen, wenn sie den Geber findet, der zu ihrem Bedürfnis seine Gabe fügt. Ist das aber nicht die Hilfe für uns alle? Denn wer ist nicht arm? Ist es nicht auch der Reiche, gerade weil sein Reichtum an ihm hängt, und endet nicht auch geistiger Reichtum in Verarmung, weil wir, je reicher wir werden, um so weniger Gottes bedürftig sind? Wenn uns dafür die Augen aufgegangen sind, entsteht in uns das Verständnis und die Danksagung für die Verheißung Jesu, die den Armen, deshalb, weil sie arm sind, das Himmelreich gewährt.

Kehre Du, lieber Herr, meine Gedanken um, dann verlieren sie die Enge und Dunkelheit, die ihnen unser natürlicher Zustand gibt, und werden Gottes Gedanken untertan. Das sind die Gedanken der gebenden Gnade, die sich nicht auf unseren Besitz und unser Vermögen aufbaut, sondern barmherzig ist, ganz zu uns herantritt und ihre Gabe in unsere Armut legt. Amen.


Autor: Elias Schrenk (* 19.09.1831; † 21.10.1913) deutscher Theologe und Erweckungsprediger des Pietismus

Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr.

In der Bergpredigt redet der Heiland vom Reiche Gottes und von seiner Gerechtigkeit. Er zeigt von Anfang, dass im Reiche Gottes ganz andere Gesetze herrschen, als in den Reichen dieser Welt. Schon in der ersten der neun Seligpreisungen tritt uns das auffallend entgegen. Vor den Augen der Welt gilt keine Armut irgend welcher Art etwas; reich will sie sein: geistreich, geldreich, ruhmreich, genussreich, immer nur reich. Ist man reich gewesen und verliert den Reichtum, so folgt gewöhnlich Verachtung. Die Welt taxiert den Menschen nach seinem Reichtum. Gegenüber dieser verkehrten Art tritt der Heiland auf und sagt: selig sind die Armen im Geiste, die innerlich Armen. Wie der Herr durch seines eigene äußere Armut die Schmach von denen genommen, die an irdischen Gütern arme sind, so bringt er hier die innerlich Armen zu Ehren und preist sie selig. Wer sind nun diese Armen im Geist? Sie sind nicht die verzagten, tatlosen, gleichgültigen Leute, mit welchen man nichts anzufangen weiß. Ein reich begabter, energischer, sehr selbstbewusster Mensch kann arm im Geiste werden; er wird es aber nur durch den Geist Gottes, wenn derselbe ihm den Abstand seines sündigen Zustandes von dem Stand, in dem er nach Gottes Willen sein sollte, innerlich klar macht, so dass der Mensch seine gänzliche Besitzlosigkeit an göttlicher Gerechtigkeit erkennt. Diese Gesinnung, verbunden mit der Überzeugung: man kann sich selber nicht helfen, und doch muss es anders werden, ist Grundbedingung für den Eintritt in's Himmelreich. Zu Erben des Reiches Gottes, also zu unendlichem Reichtum sind wir berufen. Dieser Reichtum ist himmlisch und wird nur empfangen von den Armen, den Bettlern, die zu Christo kommen. Darum preist er sie selig, glücklich und spricht ihnen jetzt schon das Himmelreich zu, in dem jeder steht, der im Glauben seinem König Jesus Christus angehört und untertan ist.

Herr, mache mich immer ärmer in mir selber und, immer reicher in Dir! Amen