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Predigten zu Matthäus 5,20

"Denn ich sage euch: Wenn nicht eure Gerechtigkeit vorzüglicher ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel eingehen."

Autor: Ludwig Hofacker (* 15.04.1798; † 18.11.1828) deutscher evangelischer Pfarrer
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Man lese, was der Heiland zur Erläuterung dieses seines Ausspruchs selber V. 21 - 48 ausführt, und man wird sich überzeugen, daß es Gott genau nimmt mit unsern Werken und mit unsern Worten und mit unsern Gedanken. Wie not tut es also, daß wir wachen und beten, damit wir nicht an unserer Seele Schaden leiden und das Mißfallen und die Strafen Gottes auf uns laden! Wie not namentlich in dieser argen Zeit, wo die Versuchungen zum Argen gehäuft sind, zu beten: wache über mich, über mein Herz, über meine Worte, über meine Handlungen, über meine Augen, über meine Glieder, daß ich sie nicht zu Waffen der Ungerechtigkeit gebrauche, sondern zu Waffen der Gerechtigkeit; halte selbst dein schwaches Kind, das ja ohne dich keinen Schritt tun kann, halte meine Augen, holder Freund, in dieser Zeit, daß sie nichts zu sehen taugen, als den Tag der Ewigkeit! Denn ein rechter ganzer Ernst wird von uns gefordert, sonst nichts, alles Übrige tut der Heiland durch seine Liebe, die ihn in Not und Tod getrieben hat für uns. -Wer die Schärfe des Gesetzes Gottes erkennt und sich darunter demütigt, der hat aber noch einen ferneren Nutzen, es gereicht ihm zur Aufdeckung seiner Sünde, zu immer gründlicherer Selbsterkenntnis. Das ist ja eben der Grund, warum die Sekte der Pharisäer nicht ausgestorben ist, warum so viele Menschen im Tode liegen bleiben, in ihrem Werkruhm, in ihrer Selbstgerechtigkeit, warum sie sich bei aller Sünde, wenn oft ihre Nächsten gar viel über sie zu klagen hätten, doch für gut, für so gestaltet halten, daß sie des Himmelreichs wert seien, sie beurteilten sich nach ihrem eigenen Gutdünken und nicht nach den Geboten Gottes, oder sie legen die Gebote Gottes nach ihrem Gutdünken aus und nicht so, wie sie der Heiland ausgelegt hat und wie sie ausgelegt sein wollen. O sieh doch nur einmal in das Gesetz Gottes hinein, sieh einmal ab von deinen eigenen Gedanken und betrachte, wie dich Gott beurteilt nach der Bergpredigt, und du wirst dein Herz, das du noch für gut hältst, anders kennen lernen, du wirst nicht mehr nach Pharisäerart verächtliche Worte über deine Mitmenschen fallen lassen, die über gewissen Sünden öffentlich bestraft worden sind, du wirst sehen, daß du dasselbe in dir hast.

Herzenskündiger! Du mein Gott und Herr! Ach du weißt es, wie ich's meine, was ich bin und was ich scheine; meines Herzens Grund ist dir klar und kund. Urquell alles Lichts! Dir verhüllt sich nichts. Wollt ich dir auch nichts bekennen, würdest du mich doch erkennen; ja du kennest mich besser noch als ich. Und du siehst mich an. Heiliger, wer kann deiner Augen Blick ertragen, ohn an seine Brust zu schlagen: »Geh doch ins Gericht mit dem Sünder nicht.« Gib das Hochzeitskleid der Gerechtigkeit, meine Blöße drein zu kleiden, daß ich deinen Anblick leiden und es tragen kann, siehest du mich an.


Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
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Spricht hier Jesus wirklich das Todesurteil über die ganze pharisäische Schar? Schließt er sie alle von seinem Reich aus? Wäre das sein Wille, so müsste die Christenheit tief erbeben. Denn die Antwort auf die Frage, ob ihr Gottesdienst höher stehe als die pharisäische Frömmigkeit, ist nicht leicht zu finden. Es gibt auch unter uns viele, deren Anteil an der Kirche darin besteht, dass sie „die religiösen Pflichten“ erfüllen, viele, die nur durch die Sitte der Gemeinde zusammenhängen, die Taufe begehren, weil die Sitte es verlangt, und am Grabe beten lassen, weil es üblich ist. Auch bei uns haben manche gelernt, was Frömmigkeit sei, und wissen dies auch darzustellen, bleiben aber inwendig zerrissen und legen die christliche Tracht über ihren inneren Jammer, und für manche besteht ihr Christenstand in ihrer Theologie, sie sei überliefert oder selbst erworben, nach der pharisäischen Weise: Du lehrst die anderen, aber dich selber nicht. Soll über diesen allen das Urteil Jesu stehen: ihr kommt nicht in das Himmelreich hinein, so drängte es auf unsere Lippe die bange Frage, die einst die Jünger aus ihrem erschütterten Herzen hervorstießen: Wer kann dann selig werden? Aber vom Schicksal der Pharisäer spricht Jesus in diesem Wort nicht, sondern vom Schicksal seiner Jünger. Ihr, sagt Er, müsst etwas anderes sein als die, die in der Schule fromm sein lernten, ihr etwas anderes als die, die nur der Ritus bei der Gemeinde erhält, ihr etwas anderes als die, die nur das Gesetz kennen und es eifrig einüben, weil es ihnen zum Verdienst vor Gott verhilft. Ihr meine Jünger, kommt so nicht in Gottes Reich hinein. Ihr habt anderes empfangen und darum auch eine heiligere und herrlichere Pflicht. Ihr habt an mir den Sohn Gottes gesehen und das bedeutet: ihr habt Gottes Gnade geschaut, die den Glauben schafft und das Herz durch den Glauben reinigt und die Liebe gibt. Ihr dürft nicht sagen: so war es immer in Israel üblich gewesen und so hat es der Meister in der Schule befohlen. Ihr habt auf mich zu hören, nicht auf das, was zu den Alten gesagt wurde, sondern auf das, was ich euch sage, und werdet nicht ins Himmelreich kommen, wenn ihr nicht eine bessere Gerechtigkeit habt als die, die auch die anderen haben. Mit ihrem eigenen Schicksal hat Jesus seine Jünger beschäftigt und ihnen den Ernst ihrer Lage enthüllt, in die sie als die Seinen, als die zum Himmelreich Geladenen, versetzt worden sind.

In Deinem Wort und Willen, Herr Christus, sind die Gnade und die Gerechtigkeit vereint. Das von dir gegebene Pfund soll sich mehren und die von dir ausgestreute Saat reifen. Deine Gerechtigkeit, mit der Du die anderen richten wirst, ist Dein Geheimnis; wird es offenbar, so zeigt es Dich in Deiner ganzen Majestät. Dein Wort heißt mich achthaben auf mich selbst und treu sein in dem, was Du mir gabst. Das ist mein Verlangen und mein Gebet. Amen.