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Predigten zu Matthäus 26,68

"und sprachen: Weissage uns, Christus, wer ist es, der dich schlug?"

Autor: Alfred Christlieb (* 26.02.1866; † 21.01.1934) deutscher Theologe
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Spottworte als köstliche Gebete

Matthäus 26, 68; 27, 25; 27, 29

In der Leidensgeschichte unseres Herrn hören wir die Feinde drei entsetzliche Spott- und Lästerworte gegen den verurteilten Heiland sagen, die wir - freilich in einem andern Sinn, als sie ursprünglich gemeint waren - als köstliche Gebetsworte uns aneignen dürfen.

1. "Weissage uns, Christe, wer ist's, der dich schlug?"


So sprechen nach Mt. 26, 68 einige Diener des Hohenpriesters Kaiphas, die den Heiland nach seiner Verurteilung mit Fäusten schlagen. Sie meinen, einen Witz zu machen, indem sie Jesus auffordern, er möge ihnen kraft der prophetischen Erleuchtung den Täter nennen. Welch eine Roheit!

Aber dieses gemeine Spottwort, mit dem jene Lästerer das prophetische Amt Jesu lächerlich zu machen versuchen, dürfen wir in eine heilige, ernste Bitte verwandeln. Wir dürfen vor das Lamm Gottes treten mit der Bitte: Lass uns durch göttliche Erleuchtung klar werden, wer dir diese Schmerzen zugefügt hat! Brauche deine prophetische Macht, um uns kundzutun, wer dich schlug! Wenn nicht Jesus durch sein himmlisches Licht uns erleuchtet, dann merken wir nicht, dass wir selbst die Missetäter sind, die ihn so furchtbar zugerichtet haben. Unsere Sünden haben ihn an das Kreuz gebracht: Nun, was du, Herr, erduldet, ist alles meine Last, ich hab es selbst verschuldet, was du getragen hast.

Wer das erkannt hat, darf dann weiter flehen: Schau her, hier steh ich Armer, der Zorn verdienet hat; gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad'!

2. "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!"

So spricht nach Mt. 27, 25 der Volkshaufe zu Pilatus, als dieser sich öffentlich die Hände wäscht, um seine Unschuld am Tod Jesu zu bezeugen. Dieses Wort bedeutet: "Du kannst ruhig sein, Pilatus. Die Verantwortung für die Verurteilung des Mannes von Nazareth tragen wir. Dich soll keine Schuld treffen. Wir nehmen alles auf uns." Ja, mit frevelhaftem Leichtsinn stellen sie sich unter die Blutschuld dieses Todes, die dann bei der Zerstörung Jerusalems durch die Römer in so furchtbarer Weise heimgesucht wird.

Was jener Volkshaufe in schrecklicher Leichtfertigkeit spricht, das dürfen wir in demütiger Beugung erflehen: "Lass dein heiliges Versöhnungsblut über uns kommen zur Reinigung und Heiligung. Lass es auch über unsere Kinder und Hausgenossen kommen, damit sie mit uns ewig geborgen sind in deiner Vergebungsgnade." Wie jenes Volk sich durch sein frevelhaftes Wort dem göttlichen Zorn und Strafgericht außetzt, so dürfen wir durch das gleiche Wort dem Gericht entfliehen und ewig sicher sein. Wohl allen, die nicht ruhen, bis sie das teure Blut Jesu Christi, des Lammes Gottes, auf sich und ihre Häuser herab gefleht haben!

3. "Gegrüsset seist du, der Juden König!"

So höhnen nach Mt. 27, 29 die römischen Kriegsknechte, als Pilatus das Todesurteil über Jesus gesprochen hat. Sie hängen dem Heiland einen alten purpurfarbenen Offiziersmantel um, beugen die Knie zum Spott und sprechen obigen Gruss. Sie wollen damit sagen: "Das ist einmal ein sonderbarer König, der hier als zum Tode verurteilter Verbrecher vor uns steht." Sein jämmerlicher Anblick reizt, mit ihm ganz besonderen Spott zu treiben.

Sie wussten nicht, was sie taten. Wir aber dürfen das, was jene im Spott getrieben haben, in wahrer Herzens Ehrfurcht tun. Wir dürfen vor dem um unserer Sünde willen zerschlagenen Heiland die Knie beugen, ihn als König seines Volkes verehren und ihn wahrhaftig anbeten. Wir dürfen ihn grüssen als unsern Herrscher, den Gott erhöht hat und vor dem einmal alle Knie sich beugen müssen.