Predigten zu Matthäus 12,5

Habt ihr nicht gelesen in der Schrift?

Die Pharisäer taten sich auf ihre Formendienste viel zu gute. Ihre Religion bewegte sich in dem beständigen Kreislauf von Pflichten, die sie zu beobachten hatten, und damit glaubten sie das alte mosaische Gesetz aufrecht zu erhalten. Nach ihrem Urteil sollten menschliche Bedürfnisse, wie der Hunger, ihren peinlichen Vorschriften unterstellt werden. Jesus dagegen machte sie darauf aufmerksam, dass das Gesetz Gottes, wie es in der Natur des Menschen liegt, vor den bloß zeremoniellen Anforderungen den Vorrang haben muss.

Es gibt zweierlei Arten, die Bibel zu studieren. Die eine hängt sich an den Buchstaben; die andere vergleicht Schrift mit Schrift, und sucht ihrer tiefen, ewigen Bedeutung auf den Grund zu kommen. Lies nicht wie die Schriftgelehrten, sondern wie des Menschen Sohn. Begnüge dich nicht mit der äußeren Form, sondern halte dich an den Sinn, der durch diese ausgedrückt werden sollte. Es ist allezeit Einer da, der da größer ist, denn der Tempel, größer als die peinlichen Forderungen des jüdischen Sabbathgesetzes; größer als die Satzungen, auf die von den Pharisäern so stark gedrungen wurde.

Durch das ganze alte Testament hindurch zieht sich schon der Geist des neuen: wir finden da, das Gott Wohlgefallen hat an der Barmherzigkeit, dass Er sich erbarmte der Schwachheit der menschlichen Natur, die Er erschaffen hat. Das neue Testament stimmt überein mit dem alten Bunde der Schrift, und mit dem noch älteren, den Gott von Anfang an mit den Menschen gemacht hat.

Es ist höchst wichtig, dies zu beherzigen. Der Gott, der erlöst, ist derselbe, der alle Dinge durch sein Wort geschaffen hat, zu seinem Wohlgefallen. Ist es wahrscheinlich, dass Er seinem ursprünglichen Plan zuwider handelte, oder das aufheben sollte, was Er so sorgfältig ausgedacht hat? Gewisslich nicht; Er hat sich nur verbürgt, das Übel aufzuheben, das sein Werk verunstaltet.