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Predigten zu Johannes 13,10
"Wer gewaschen ist, der bedarf nichts, denn die Füße waschen, sondern er ist ganz rein. Und ihr seid rein, aber nicht alle."
Diese Worte sind gewöhnlich auf die Taufe gedeutet worden. Andere wiederum verstehen damit das Waschen durch den Glauben im Blutdes Lammes; die Sache aber bleibt dieselbe. Denn das Waschen im Blutdes Lammes geschieht bei uns zuerst in der Taufe, geschieht immer sowohl durch die Taufe als auch durch den Glauben, wie auch das Essen des Leibes Christi sowohl im Sakrament als auch außerhalb desselben, durch den Glauben geschieht. Genug, hier ist von einem "geistlichen Waschen" die Rede, von einer "geistlichen Reinheit", da der Herr "aber nicht alle" sagt, denn Er wusste Seinen Verräter wohl. Judas war der einzige der Jünger, der nicht rein war. Auch wurde das noch deutlicher, als Jesus an demselben Abend sprach: "Ihr seid jetzt rein um des Wortes willen, das Ich zu euch geredet habe." Dies deutet auf den Glauben, der Seine Rede oder das Wort umfasst. Denn ohne Glauben wird niemand rein durch das Wort; und dieser Glaube mit allem, was demselben folgt, fehlte dem Judas.
Wir wollen jetzt aber die Worte Christi betrachten. Er sagt: "Wer gewaschen ist, der ist ganz rein, und ihr seid rein." Und dies sagt Er, der mit seinen allsehenden Augen alle Seine Jünger, die Er so oft strafen musste, durchschaute. Er sagte es zu denselben Jüngern, die sich an demselben Abend so kläglich versündigten und deren Schwachheiten und Sündenfälle Er an diesem Abend voraussagte, die Er also wohl kannte. - Aber sieh nun hier, dass vor den Augen Gottes eine andere als unsere unvollkommene, uns innewohnende Reinheit gilt. Sieh hier und merke einmal, was "zugerechnete" Reinheit ist, was "Christi Gerechtigkeit", "die Gerechtigkeit des Glaubens" besagen will, die "Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart ohne Zutun des Gesetzes." Sieh hier, dass diese Gerechtigkeit und Reinheit, obwohl sie für uns unsichtbar sind, dennoch kein Traum und keine Einbildung, sondern vor den Augen Gottes eine große Wirklichkeit und Wahrheit sind. Christus, der am Jüngsten Tag richten wird, sieht dort Reinheit, wo alle Menschen lauter Unreinheit sehen. Er sagt zu den schwachen Jüngern: "Ihr seid rein", ihr, die ihr hier vor mir steht, ihr seid ganz rein, und ein jeder, der gewaschen ist, der da glaubt und getauft wird, ist ganz rein vor Gottes Augen, in Gottes Gericht, obwohl die Füße (d.h. der Wandel, unsere niedere, unsere irdische Gerechtigkeit) oft verunreinigt werden und einer besonderen Waschung bedürfen. Darum muss also der Wandel unter täglicher Buße und durch den Glauben verbessert werden. Aber sieh doch und beachte! Trotz aller dieser Unvollkommenheiten und Mängel sagt Christus, dass sie ganz rein seien.
Lerne doch, noch einmal sei es gesagt, lerne doch endlich einmal verstehen, dass es ernst ist mit der Versöhnung Christi und der Zurechnung Seiner Gerechtigkeit und dass es vor Gottes Augen ein solches Nichts, ein solches Nebel- oder Schattenbild nicht gibt, wie es den Augen unserer blinden Vernunft erscheint. Es ist wahr, was der Apostel von Christus und der Gemeinde sagt. Er hat sie nicht nur "rein gemacht durch das Wasserbad im Wort", sondern auch zu einer Braut dargestellt, "die da herrlich sei, die nicht habe einen Flecken oder Runzel oder des etwas." - Sehr wichtig ist, was Luther sagt: "Wer nicht bekennen will, dass er heilig und gerecht sei, sondern stattdessen stets klagt, er sei ein armer Sünder, der tut so, als spräche er: ,Ich glaube nicht, dass Christus für mich gestorben ist, auch nicht, dass ich getauft bin oder dass Christi Blut mich gereinigt hat oder noch reinigen kann; ich glaube des kein Wort, was die Schrift von Christus zeugt."
Denn Christus hat ja wahrlich mit Seinem Blutalle unsere Sünden weggenommen. Und das nicht allein! Nachdem er zuerst mit Seinem blutigen Leiden die Sündenschuld und die Strafe entfernt hat, hat Er uns auch Seine eigene vollkommene Gerechtigkeit erworben und geschenkt, sowie uns schließlich in der Taufe in dieses ganze Seligkeitsgewand gekleidet. Er hat uns nicht nur sündenfrei, sondern auch gerecht und heilig vor Gott gemacht. An die Stelle der Sünde hat Er die Gerechtigkeit gesetzt, auf dass wir vor Gott nicht nur sündenfrei, sondern auch gerecht würden, welches ein noch höherer Grad der Seligkeit ist. Dass Christus uns mit Seinem blutigen Kleid die weißen Kleider der Gerechtigkeit erworben hat, das ist an vielen Stellen der Schrift herrlich dargestellt. Off. 19 wird der Sohn Gottes als einer beschrieben, der auf einem weißen Pferd sitzt und "angetan ist mit einem Kleide, das mit Blut besprengt war." Er hat aber auch eine Heerschar hinter sich; und diese Reiter, die mit ihrem Feldherrn in allerlei Kämpfen und Trübsalen durch das Jammertal ziehen, sitzen auch auf weißen Pferden, ihre Kleidung aber ist nicht rot, sondern sie sind angetan mit weißen Kleidern, "mit weißer und reiner Seide", und Vers 8 heißt es: "Die Seide aber ist die Gerechtigkeit der Heiligen", die sie durch das Waschen im Blutdes Lammes Jesus Christus empfangen haben.
Aus Gnaden weiss ich auch davon, Ich bin ein Teil von Deinem Lohn; So elend, dass man's kaum erblickt, So herrlich, dass der Feind erschrickt; So gottlos, dass wohl alle besser sind, Und so gerecht wie Du, des Vaters Kind.
"Wer gewaschen ist, der bedarf nichts, denn die Füße waschen, sondern er ist ganz rein."
Ergreifend ist das uns vom Evangelisten Johannes gezeichnete Bild von dem Meister, der, mit einem Schurz umgürtet, sich beugt, um seinen Jüngern die Füße zu waschen. Wir wissen, wie bedeutsam diese Handlung war von seiten dessen, der im Begriffe stand, wiederum zu seinem Vater zu gehen. Sie hat zunächst1. Eine sinnbildliche Bedeutung.
Aus den Worten unseres Textes, sowie aus dem vorhergegangenen Ausspruch: "Werde ich dich nicht waschen, so hast du kein Teil mit mir" (V. 8) merken wir, dass Jesus seinen Jüngern eine hochwichtige Lehre einprägen wollte. Einmal sollten sie klar erkennen, dass es einer inneren Reinigung bedarf, um "Anteil" zu haben an ihm. Das ist gleichsam das ABC des Christenlebens.
Aber was die Fußwaschung uns in besonderer Weise sinnbildlich lehren will, ist, dass auch wo dieses gesegnete, erneuernde Bad stattgefunden hat, wir einer fortlaufenden Reinigung bedürfen. Bewusst und unbewusst hängt sich an die Füße der Erdenwanderer Staub und Ureinheit. Da gilt es wachen, dass kein Schutt sich anhäufe, dass jede vorkommende Befleckung uns sofort treibe zum Reinigungsborn im Blute Jesu, damit wir des Tags mit gewaschenen Füßen einhergehen und des Nachts in vollem Frieden einschlafen mögen.
Mach mich, Herr, im Herzen rein, Lass den Wandel heilig sein!
(s. Joh.13,15: 2. Die vorbildliche Bedeutung)