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Predigten zu Jesaja 6,5

"Und ich sprach: Wehe mir! denn ich bin verloren; denn ich bin ein Mann von unreinen Lippen, und inmitten eines Volkes von unreinen Lippen wohne ich; denn meine Augen haben den König, der HERR der Heerscharen, gesehen."

Autor: Wilhelm Busch (* 27.03.1897; † 20.06.1966) deutscher evangelischer Pfarrer, Prediger und Schriftsteller
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Wirklich, voller Überraschungen ist die Bibel! Da erlebt Jesaja das Größte, was einem Menschen widerfahren kann: „Ich sah den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron." Engelfürsten umgeben als herrlicher Hofstaat diesen ewigen und erhabenen Thron. Mit gewaltiger Stimme, die durch Mark und Bein geht, rufen sie einander zu: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr! Alle Lande sind seiner Ehre voll!" Überwältigend erfüllt die Herrlichkeit des Herrn alle Räume. Und Jesaja? Wir könnten uns vorstellen, daß er selig und wie berauscht wäre, weil er sehen darf, „was kein Auge gesehen", und hören darf, „was kein Ohr gehört hat", daß er in süßer Bewußtlosigkeit unterginge in diesem Meer der Herrlichkeit. Aber nichts dergleichen! Das erste Wort, das er erschrocken stammeln kann, ist: „Weh mir!... Ich bin unreiner Lippen . . . " Und wer aufmerksam die Bibel liest, der wird bald darauf stoßen: Das ist das entscheidende Erlebnis aller Menschen in der Bibel, daß sie im Lichte Gottes sich selber entdecken als elende und verlorene Sünder. Denn das Evangelium macht nicht berauschte und schwärmerische Leute, sondern es ernüchtert und deckt das Herz auf. Nur so ernüchterte Leute werden die freie Gnade, die Gott durch Jesus allen Sündern schenkt, im Glauben fassen. Amen.


Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
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Ein Klang aus reinen Lippen drang in die Seele des Propheten, als er die Anbetung der Himmlischen vernahm, und deshalb empfindet er, wie unrein seine Lippen sind, auch wenn er predigt, auch wenn er betet, auch wenn sein Wort Gott und Gottes Werk bezeugt. Wie kann es anders sein, als dass er falsche Worte spricht, Worte, die der Herrlichkeit Gottes widersprechen, statt sie zu preisen, und das, was er will und wirkt, verdunkeln statt es zu enthüllen? Er wohnt ja unter einem Volk von unreinen Lippen. Unsere Sprache ist nicht unser Sondereigentum, sondern Gemeingut, Volksbesitz. Wir haben sie, weil sie alle haben, und reden, wie jedermann spricht. Das gilt aber nicht nur vom Laut der Sprache und ihrem Wortschatz, sondern auch vom geistigen Besitz, der sich in der uns gegebenen Sprache verkörpert hat. Was jeder von uns als seinen persönlichen Erwerb zum gemeinsamen Gut hinzutut, ist klein neben dem, was uns durch die Sprache gegeben wird. Wenn jedermann töricht von Gott redet, wie kann ich wahrheitsgemäß von ihm reden? Wenn sich auch am frommen Wort aller die menschliche Verderbtheit zeigt, wie kann sich mein Wort von ihr frei halten? Sollen wir schweigen? Die Lippen des Propheten wurden entsündigt durch das Feuer vom Altar. Es gibt auch für unsere Frömmigkeit und unsere christliche Gotteslehre nur einen Grund, auf dem sie stehen kann; das ist die unsere Schuld bedeckende Vergebung. Nur deshalb sind unsere unreinen Lippen fähig zu Gottes Lob. Nun wird es uns aber zum heißen Anliegen, dass wir die Unreinheit, die an den Lippen unseres Volkes hängt, nicht noch vermehren. In dieses schmutzige Gewässer, das von Lippe zu Lippe strömt und sich aus einer Seele in die andere ergießt, müssen je und je einige reine Tropfen fallen, Worte, die von entsündigten Lippen gesprochen sind. Wie unentbehrlich ist uns dazu die Schrift! Sie spricht mit entsündigten Lippen. Bilde dein Wort an dem ihrigen; sprich wie sie.

Wecke mein Ohr, dass ich Dein Wort fasse, damit es mein Wort fülle mit der keuschen Wahrheit und der reinen Güte, die Deines Wortes Zierde sind. Amen.