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Predigten zu Jesaja 23,4
Das Meer spricht
Zidon soll sich schämen, weil sie plötzlich kinderlos geworden ist, was in den Augen der Orientalen in der Tat als eine Schmach galt. Der Prophet beschreibt hier die Klage des Meeres, das er in Zidon, der Stadt am Meere, verkörpert sieht. Es ist, als ob das Meer die Wehklagen Zidons über das Verderben ihrer Kinder, in seinen unzähligen Wogen weitertrüge. Das Meer spricht in sehr verschiedenen Tonarten. Zuweilen rauscht es in melodischen Klängen am sonnigen Strand; dann ertönt der langgezogene Klageruf der Flutwellen; im beginnenden Sturm erheben die Wasser ihre Stimme, und das zornige Brüllen der mächtigen Wogen hört man auf dem weiten Ozean. Das Meer spricht im Flüsterton und mit Donnerstimmen; es spricht mit sich selbst und mit Gott unter der Decke der Nacht. Unter den vielen Stimmen der Natur ist die des Meeres nicht die geringste. Dieses kommt uns oft vor, wie eine große Orgel, die jeden Ton des Herzens wiedergibt.
Was sagen aber die wilden Wellen? Horch! „Wir sind des HErrn, denn Er hat uns gemacht; wir erkennen seine Herrschaft an, denn Er wandelte einst über uns hinweg; seine Stimme ist wie die Stimme vieler Wasser; seine Gedanken sind so tief wie Meerestiefen; sein Thron steht an dem gläsernen, mit Feuer gemengten Meere; ein Wörtlein aus seinem Munde kann unser wildestes Stürmen stillen.
Einst wird das Meer zum letzten mal sprechen. Die einsame Seele des heiligen Apostels, der so oft dem Rauschen der ägäischen Wellen gelauscht hatte, sie um sein Inselgefängnis schlugen, freute sich zu wissen, dass einmal das Meer nicht mehr sein würde. Nie mehr hört man dann die Sprache des Sturmes, das wehmütige Flüstern der kleinen Uferwellen, das uns bei Nacht an Trennung und Einsamkeit mahnt. „Der erste Himmel und die erste Erde verging, und das Meer ist nicht mehr.“