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Predigten zu Jeremia 11,15
Was haben meine Freunde in meinem Hause zu schaffen? Sie treiben alle Schalkheit und meinen, das heilige Fleisch soll es von ihnen nehmen; und wenn sie übel tun, sind sie guter Dinge darüber.
Es gibt Zustände, die vor Gott überaus traurig sind, aber vor Menschen noch viel guten Schein haben. Trotz des tiefgehenden religiösen Zerfalles in Israel zur Zeit des Propheten Jeremia sah der Zustand des Volkes für einen oberflächlichen Beobachter nicht so schlimm aus. Es wurden Gottesdienste gehalten, und an Opfern fehlte es auch nicht. Hinter diesem gottesdienstlichen Schein war aber ein folgenschwerer Schaden: Die Sünde war dem Volk nicht mehr Sünde; die Gewissen waren abgestumpft, und man konnte bei aller Bosheit guter Dinge sein. Wie war das möglich? Es war dadurch möglich, dass man das Gewissen mit der gottesdienstlichen Lüge beschwichtigte. Man redete sich vor, Leben nach den Lüsten und Begierden sei nicht so schlimm; die frühere Frömmigkeit unter den Vätern sei zu einseitig gewesen, man müsse, jetzt der öffentlichen Meinung und Zeitanschauung etwas mehr Rechnung tragen. Dabei könne man ganz gut fromm sein, wenn man nur seine Sündopfer, Schuldopfer und Brandopfer bringe. So begegneten sich die Menschen am Werktag in Sünde und Schande und am Sabbath im Tempel, und die öffentliche Meinung war, so sei es recht. Gerade so stehen Tausende in der heutigen Zeit. Es gibt Gegenden, in denen das Volk „kirchlich“ ist, in denen man aber von Bekehrung nichts sieht. Man geht auf im Irdischen, im Wandel nach väterlicher Weise, und dabei besucht man den Gottesdienst und geht zum heiligen Abendmahl und lässt sich absolvieren. Wie wird man staunen, wenn der Zeitgeist einmal das rechte zündende Wort in solche Gegenden hineinruft, und sie sich dem Antichristentum in die Arme werfen!
O Du Gott der Wahrheit und Heiligkeit! Öffne noch vielen die Augen, dass sie ihr Elend erkennen und Buße tun, so lange es Zeit ist. Amen