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Predigten zu Hesekiel 24,18
Da ich des Morgens frühe zum Volk geredet hatte, starb mir zu Abend mein Weib
Das war ein plötzlicher Schlag, der den Propheten traf. Am Morgen war seiner Augen Lust noch da gewesen und hatte für ihn gesorgt; am Abend war sie hinübergegangen in die Ewigkeit. Es ist im Orient Sitte, dass der Leidtragende seinem Schmerze durch lautes Schreien Luft mache; aber in diesem Falle ward es verboten. Hesekiel durfte seufzen, – aber nur leise. Keine Totenklage sollte stattfinden; er sollte weder weinen noch fasten, denn seine Aufgabe sollte ihn ganz erfüllen. Die Not des Volkes war schwerer als sein persönliches Leid; in seiner stummen Zurückhaltung sollte er den feierlichen, stillschweigenden Jammer darstellen, womit Israel in die Gefangenschaft ging.
Wir werden hier erinnert an die Worte des Apostels: „Die da Weiber haben, seien, als hätten sie keine, die da weinen, als weineten sie nicht;“ weil die Zeit kurz ist und das Wesen dieser Welt vergehet. (1. Kor. 7,29.31). Es gibt auch in unserer Erfahrung Zeiten, wo die persönlichen Empfindungen den nationalen und allgemeinen untergeordnet werden müssen. Da gilt es das Schluchzen unterdrücken, unsere beinahe unbezwingbare Bewegung beherrschen, ein stilles und ruhiges Äußere bewahren, um desto kräftiger und unablässiger der schreienden Not anderer uns widmen zu können. Edleres lässt sich nicht denken, als jene Selbstbeherrschung, die das Haupt salbt, und das Angesicht wäscht, um los vom eignen Wesen, desto mehr sich der eigentlichen Lebensaufgabe hinzugeben, um die Leidenden aller Art an das liebende Herz zu drücken. Ein liebliches Bild hiervon bot kürzlich ein kleines Mägdlein, das bei einem Eisenbahnunglück schwer verletzt wurde, aber darauf bestand, zuletzt besorgt zu werden.
Ach, das unsere Herzen so frei von Selbstsucht wären, dass ihre warme Teilnahme allen Bekümmerten offen stünde!