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Predigten zu Galater 6,2
Zitate von Carl Eichhorn anzeigen
Die tragende Liebe (I)
"Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen."
Lasten tragen, nicht über sie klagen; andern das Leben erleichtern und nicht noch erschweren: das ist unsere Aufgabe. Die Liebe, die das Gesetz Jesu Christi ist, macht tragwillig und tragfähig. Die Selbstsucht entzieht sich möglichst der Last. Sie schüttelt sie ab und lädt sie lieber andern auf. Mancher bricht unter seiner Last zusammen, weil ihm niemand tragen hilft. Merkst du, dass jemand beschwert ist, suche Annäherung! Erkundige dich mit Teilnahme nach dem Kummer, nach der Sorge, die ihn drückt! Es ist dem beschwerten Herzen eine Erleichterung, wenn es sich einem mitfühlenden Menschen gegenüber aussprechen kann. Nimm's mit auf dein Herz! Geteilter Schmerz ist leichter zu tragen. Tritt im Gebet ein für den Bruder, die Schwester! Fürbitte ist nur wirksam, wenn die fremde Last dich selbst drückt. Vielleicht kannst du dem andern die Lage erleichtern. Der fromme Wunsch "Gott helfe dir, er berate dich!" hat keinen Wert, wenn du die Mittel hast, zu helfen. Dann will Gott eben durch dich eingreifen. Fehlen dir die Mittel, ist auch ein guter Rat eine Hilfe. Bist du gänzlich ratlos, ist ein Trost aus dem göttlichen Wort ein wertvoller Dienst. - Um Lasten aufzunehmen, muss man sich bücken. Bleibt man steif und gerade stehen, kann man keine Lasten aufladen. Hochmütige Menschen sind nicht geeignet zu Lastträgern. Die Liebe bückt sich und verachtet kein Geschäft, wo es zu dienen gilt, und mag es noch so niedrig sein. Sie ist auch bereit, dem andern die Füße zu waschen. Kranke pflegen, zumal wenn es ein ekelhaftes oder ansteckendes Leiden ist, das heißt das Gesetz Christi erfüllen. Er trug unsere Krankheiten. Seine Heilungen waren nicht nur Wunderkunststücke. Er nahm allemal das Elend innerlich auf sich. Darum seufzte er dort bei der Heilung des Taubstummen. Er weinte am Grab des Lazarus. Das menschliche Elend und der Tod legten sich ihm schmerzlich auf die Seele. - "Wehe euch, die ihr hier lacht", die ihr euch das Leben so leicht wie möglich macht! "Selig sind, die da Leid tragen", die willig nicht nur eigenes, sondern auch fremdes Leid auf sich nehmen und gern bekümmerte Seelen mit dem Trost trösten, mit dem sie selbst von Gott getröstet wurden! Gewiss werden solche dann gleichfalls in ihrem Leid Brüder und Schwestern finden, die tragen helfen durch Fürbitte, Zuspruch und tätige Hilfe.Es gibt so viele Lasten. Die schwerste Last ist die Sündenlast. Unser Wort steht im Zusammenhang mit Vers 1, wo Paulus von Menschen redet, die von einem Fehler übereilt worden sind. Wir sollen uns nicht selbstgefällig in den Fehlern anderer spiegeln und an solchen, die in die Schlinge Satans geraten sind, vorbeigehen (Lk. 10, 31 ff.). Vielmehr sollen wir uns mit unter die Last des andern stellen. Da beugt man sich mit, da schreit man um Gnade zur Buße, fleht um Lösung der Ketten. Dazu braucht man ein offenes Auge, ein erbarmendes Herz und eine helfende Hand wie der Samariter.
"Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen."
Also doch Last? Ja, es wird von vornherein zugestanden, dass ein Bruder dem andern durch seine Eigenart, auch durch seine Unart, etwas zu tragen gibt. Das ist sogar zuweilen ein bisschen viel. Es wird sogar sehr schwer, wenn man durch Familienbande oder Berufspflichten oft und lange zusammengehen muss. Insoweit können wir mit dieser Anerkennung unserer oft schwierigen Aufgabe ganz einverstanden sein. Aber jetzt heißt es nicht: Ihr Armen habt es doch arg schwer! Ihr dürft mal ordentlich darüber klagen und schwelgen in Mitleid mit euch selbst. Nein, es heißt: Angefasst! Tragen! - Nicht sich scheiden lassen, nicht weglaufen, nicht jeden Umgang mit solchen Leuten meiden, sondern diese Last auf die eigenen Schultern nehmen. Dem andern wird wundersam zumute, wenn man ihn nicht fühlen lässt: Ich kenne deine Charakterfehler, darum gehe ich dir aus dem Wege! - sondern: Ich will dir helfen, sie tragen, überwinden, ja einen Teil deiner Last zu meiner eigenen machen, weil ich um Christi willen dich lieb habe und dich lieb behalten muss. - Wo das nicht gesagt, aber getan wird, da wird zweierlei erreicht: der andere wird dir solche Liebe nie vergessen, und du wirst ihm dadurch am besten helfen, von der Last loszukommen. Außerdem erfüllst du damit Jesu Gebot der Liebe.
Ach, du holder Freund, vereine deine dir geweihte Schar, dass sie es so herzlich meine, wie's dein letzter Wille war. Amen.
Zitate von William MacDonald anzeigen
"Einer trage des anderen Lasten, und so werdet ihr das Gesetz des Christus erfüllen."
"... denn jeder wird seine eigene Bürde tragen."
Wenn man diese beiden Verse oberflächlich liest, wird man leicht davon überzeugt sein, dass sie einen offensichtlichen Widerspruch darstellen: Im ersten heißt es, wir sollen einer dem anderen beim Lastentragen helfen, im zweiten aber, dass wir jeder unsere eigene Last tragen müssen.
Das Wort, das in Vers 2 mit "Lasten" übersetzt ist, meint alles, was einen Menschen geistlich, körperlich und gefühlsmässig niederdrückt. Im unmittelbaren Zusammenhang bezieht es sich auf das schwere Gewicht von Schuld und Hoffnungslosigkeit, die das Leben eines Mannes beschweren, der bei einem Unrecht ertappt worden ist (s. Vers 1). Wir helfen solch einem Bruder, wenn wir ihm liebevoll den Arm um die Schulter legen und ihn zu einem Leben in der Gemeinschaft mit Gott und mit Seinem Volk zurückgewinnen. Aber zu den Lasten gehören auch Sorgen, Nöte, Versuchungen und Enttäuschungen des Lebens, die wir alle gelegentlich zu bestehen haben. Wir tragen einer des anderen Last, wenn wir uns gegenseitig trösten, ermutigen, materielle Dinge miteinander teilen und uns hilfreiche Ratschläge geben. Das bedeutet, dass wir uns in die Probleme von anderen hineinversetzen, selbst wenn das große persönliche Kosten von uns verlangt. Wenn wir das tun, erfüllen wir das Gesetz Christi, das eben die Liebe zu unserem Nächsten beinhaltet. Wir zeigen unsere Liebe in ganz praktischer Weise, indem wir etwas für andere ausgeben und uns auch für sie verausgaben.
Die "Bürde" in Vers 5 dagegen meint etwas anderes. Hier ist die Last einfach etwas, was getragen werden muss, ohne einen Hinweis darauf, ob sie leicht oder schwer ist. Paulus meint hiermit, dass jeder seine eigene Last der Verantwortung tragen muss, wenn er vor dem Richterstuhl Christi erscheint. Da wird es keine Frage mehr sein, wie wir im Vergleich mit anderen dastehen. Wir werden auf der Grundlage unserer eigenen Taten beurteilt werden, so wie sie aufgezeichnet sind; und entsprechend wird auch der Lohn verteilt.
Der Zusammenhang zwischen den zwei Versen scheint mir der folgende zu sein: Wenn ein Mensch einen anderen aufrichtet, der bei einem Unrecht ertappt worden ist, könnte er leicht in eine andere Falle geraten, indem er sich nämlich sehr überlegen vorkommt. Wenn er die Lasten seines gefallenen Bruders mitträgt, könnte er denken, dass er selbst doch schon auf einem höheren geistlichen Niveau steht. Er sieht sich dann selbst als sehr gut an im Vergleich mit dem, der die Sünde begangen hat. Paulus erinnert ihn aber daran, dass er, wenn er einmal selbst vor dem Herrn stehen wird, Rechenschaft ablegen muss für seine eigenen Taten und für seinen eigenen Charakter und nicht für das Tun eines anderen. Dort muss er seine Last der Verantwortung ganz allein tragen.
So widersprechen sich also diese beiden Verse nicht, sondern gehören in einen ganz engen Zusammenhang.
Zitate von Martin Luther anzeigen
Wohltun und beten
Wenn wir dem Nächsten helfen und beistehen sollen, dann gehört auch dazu, dass wir für den Nächsten beten. Die Nöte dieses Lebens fordern von uns, dass wir unserem Nächsten Gutes tun und für ihn beten. Darum leben wir ja auf Erden beieinander, damit einer des anderen Lasten trage. In dieser Welt erleben wir täglich Schwierigkeiten und Widerstände, denen wir nicht entkommen und die wir nicht abschaffen können. Darum müssen wir auch allezeit für uns selbst und für unseren Nächsten zu Gott rufen. Auf gute Weise etwas wegzugeben, kommt aber nur selten vor, allein schon wegen der Habsucht und des Raubens und Stehlens, von dem die Welt erfüllt ist, sodass jeder nur für sich selbst sorgt und nicht danach fragt, wo der Nächste bleibt. Aber selbst wenn sie gute Werke tun, suchen sie dabei doch nur das Ihre. So besteht die Welt nur aus Räubern und Dieben – einerlei, ob man nach links oder nach rechts blickt, sowohl leiblich als auch geistlich, sowohl in bösen wie auch in guten Werken.
Diese Worte bringen einen Hauch von oben mit, einen Wohlgeruch aus dem Himmel, etwas von der Schönheit des Herrn. Das Gesetz wirft uns auf uns selbst; Gottes Gnade aber lenkt unsere Gedanken zu den anderen Menschen hin. Sie befreit uns von der Sklaverei der Selbstbezogenheit und dem trügerischen Streben nach eigenen Interessen.
Wenn der Heilige Geist an unserem Leben wirkt, sind wir ein Segen für unsere Mitmenschen und können ihnen etwas von Christus bringen. Wir warten nicht, bis sie um Hilfe rufen, sondern widmen uns ihnen ganz einfach. Die Liebe sieht, was andere nicht sehen. Die Liebe kann nicht in ein steinernes Herz ausgegossen werden, nur in ein fleischernes, das versteht, mitfühlt und handelt.
Viele Menschen tragen drückende Lasten, und niemand hilft ihnen! Viele «Christen» wären wirklich Christen im wahren Sinne des Wortes, wenn sie, anstatt in ihrer religiösen Tätigkeit aufzugehen, mittrügen an den Lasten derer, die müde und beladen sind. Anstatt an ihrer eigenen Frömmigkeit Gefallen zu finden, die oft vor Gott gar keinen rechten Wert hat, könnten sie taktvoll und im Verborgenen ihren Glaubensbrüdern und -schwestern helfen und alles, was sie bedrückt, mit ihnen tragen.
Viele Menschen seufzen unter Lasten, von denen niemand weiß. Aber von einem Christenleben, das verborgen ist mit Christus in Gott, geht der Wohlgeruch der Gnade aus, der die Herzen öffnet und Vertrauen erweckt, so daß die schweren Lasten geteilt werden. Wollen wir nicht eingestehen, daß wir oft zu sehr in Eile sind, um die Lasten anderer zu sehen? Wir meinen, wir hätten zu viel zu tun und könnten nicht auf sie achten. Umsonst warten beladene Herzen um uns her auf Hilfe! Gott wolle unsere Augen und Herzen auftun, damit wir die Nöte sehen und verstehen können. Er wolle unsere Blicke von unseren eigenen Schwierigkeiten weglenken und uns göttliches Mitgefühl für die anderen schenken. Er wolle uns lehren, tatsächlich das Gesetz des Christus zu erfüllen und uns die heutige Ermahnung zu Herzen zu nehmen. Dann werden wir, anstatt eine Last für andere zu sein, ihre Lasten tragen können.