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Predigten zu Apostelgeschichte 15,38
Zitate von Alfred Christlieb anzeigen
Eine zweite Warnung gibt uns der Anblick dieses Streites, wenn wir auf Paulus blicken.
Wie leicht lassen sich doch bei schwierigen Auseinandersetzungen auch solche, die gerecht und göttlich wandeln wollen, in eine Schärfe fortreißen, die nicht aus dem Geiste ist! Wir zweifeln keinen Augenblick daran, dass der gesegnetste aller Reichsgottesarbeiter, Paulus, auch in dieser Frage im innersten Herzensgrunde lauter vor seinem Gott stand. Sein Bestreben zielte nur darauf, dass die Arbeit für seinen Heiland so gut wie möglich ausgeführt würde. Die Triebfeder seines Verhaltens war nicht etwa persönliche Verstimmung oder Abneigung gegen Johannes Markus. Vielmehr glaubte er, dass dem Werk des Herrn durch Hinzuziehung desselben Schaden erwachsen könnte.
Aber selbst wenn Paulus noch so lauter und aufrichtig in seinem Eifer für das Werk des Herrn war, so ist es dennoch möglich, dass er in seiner Strenge gegen den Wunsch des Barnabas zu weit ging. Der Ausdruck: "Sie kamen scharf aneinander" deutet auf einen heftig werdenden Wortwechsel hin. Bei diesem ist gewiss die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die eigene Natur des Paulus, die ja vor und nach seiner Bekehrung immer eine feurige war, ihn über die zarte, gottgewollte Lindigkeit gegen jedermann hinauszog. Gewiss war es für Paulus nicht leicht, hier ganz ruhig zu bleiben, wo er die Gefahr durchschaute, die der Missionsarbeit durch die Mitnahme des Markus erwachsen konnte. Aber doch mag er in späteren Jahren das scharfe Aneinanderkommen bedauert haben.
Wie manchmal hat der Eifer der eigenen Überzeugung die besten Reichsgottesarbeiter das heilige Zartgefühl und die gottgewollte Milde vergessen lassen, die wir dem Bruder schulden.
Der Anblick dieses Streites mahnt zur Vorsicht im Verlassen eines von Gott zugewiesenen Platzes.
Zitate von Alfred Christlieb anzeigen
(Lies Sprüche 27, 8; Apostelgeschichte 13, 13).
Eine dritte Warnung entnehmen wir dem Blick auf Johannes Markus.
Wie peinlich muss diesem doch der ganze Zwiespalt zwischen Paulus und Barnabas gewesen sein. Er musste sich sagen: Ich bin an allem schuld durch den eigenen Weg, den ich damals in Pamphylien ging (Apostelgeschichte 13, 13). Er hatte ja inzwischen seine Stellung geändert, denn aus der bestimmten Forderung des Barnabas lässt sich erkennen, dass sein Neffe nunmehr bereit war, wieder mitzugehen. Aber mit dieser Willensänderung waren die schlimmen Folgen seines damaligen Irrweges nicht beseitigt. Er musste jetzt fühlen, dass er durch seine Kreuzesflucht und seine Unbeständigkeit das Vertrauen des gesegnetsten Zeugen gründlich verloren hatte.
Die Schärfe und Entschiedenheit, mit der sich Paulus seiner Mitnahme widersetzte, war für Markus eine außerordentliche Demütigung. Dazu kam, dass überall da, wo der Zwiespalt der beiden Apostel erörtert wurde, auch sein alter Fehler und Irrweg wieder in Erinnerung kam. So ziehen eigene Wege oft in späterer Zeit empfindliche Demütigungen und Züchtigungen nach sich.
Wir wollen angesichts dieser Folgen, die ein einziger falscher Schritt eines Dieners von Paulus nach sich zog, den Herrn um Gnade bitten, dass wir doch niemals den Platz verlassen, an den Gott uns gestellt hat. Ein treues Bleiben in den Linien der göttlichen Führung wird uns manche Demütigung ersparen können.