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Predigten zu Amos 6,1
Wehe den Sorglosen in Zion!
In diesem Kapitel wird uns ein Bild entworfen von der Üppigkeit und Verweichlichung Israels. Ihre Lager waren von Elfenbein, die ausgesuchtesten Speisen kamen auf ihren Tisch, Saitenspiel begleitete den Gesang, während sie Wein aus kostbaren Schalen tranken; aber an die Wunden, denen das Herzblut ihres Volkes entströmte, dachten sie nicht. „Sie kümmerten sich nicht um das Leiden Josephs?“ (Vers 6).
Derartiges kommt auch unter uns vielfach vor; ja, diese Versuchung tritt uns allen nahe. Wenn es nur uns nicht fehlt an den Bequemlichkeiten, dem Luxus des Lebens, so sind wir nur zu sehr geneigt, an dem Elend der Armut und des Unglücks gedankenlos vorüberzugehen. Wenn nur unser Himmel unbewölkt ist, dann hüllen wir uns ein in eine Atmosphäre von Behagen und Befriedigung, ohne den Jammer der großen Welt voll Sünde und Schmerz, genügend zu Herzen zu nehmen.
„Das Leiden Josephs“ erinnert an das Ereignis am Rande jener Grube, als Josephs Brüder sich niedersetzten Brot zu essen, während ihr Bruder in der ausgetrockneten Grube lag, und ihn dann an die vorüberziehenden Handelsleute aus Midian verkauften, um ihn nicht mehr zu Gesicht zu bekommen. Die menschliche Natur ist zu jeder Zeit geneigt, also zu handeln. Gehören wir zu den Sorglosen in Zion? Benutzen wir nur zu unserer eigenen Befriedigung die Gaben, die uns Gott zum Besten unserer Mitmenschen anvertraut hat? Schlafen wir etwa im Dunkel des Gartens, während unser Meister blutigen Schweiß vergießt? Uns steht nur eine Lebenszeit zur Verfügung; lasset uns damit Ernst machen. Lasset uns denken an solche, die unserer Hilfe bedürftig sein könnten – die in irgend einer Trübsal stehen – jene arme Witwe, jene junge Frau mit dem kränklichen Manne, jenen Studenten, der sich so gerne zum Predigtamt vorbereiten möchte.