Lass deine Vergangenheit hinter dir
Autor: Erwin Lutzer
Lutzer wendet sich an Christen, die traumatische Erlebnisse aus der Vergangenheit - ob selbstverschuldet oder nicht - mit sich herumtragen. Angesprochen werden auch solche, die früher jahrelang in sündigen Bindungen gelebt haben und die, die Betroffenen helfen wollen. Der Verfasser stellt dabei immer wieder einen Grundsatz heraus: Gott kann unser Leben neu machen. Wir müssen nicht bei dem stehen bleiben, was falsch gelaufen ist. Der Verfasser geht von der Situation der Betroffenen aus, die entweder von der Erinnerung an ihre eigenen Sünden verfolgt werden oder nicht vergessen können, was andere ihnen angetan haben. Unter der Voraussetzung, dass wir uns vor Gott auch den dunklen Seiten unseres Lebens ehrlich stellen (Buße), löscht Gott unser "Sündenkonto" (Rechtfertigung) und ermöglicht uns ein glückliches Leben. Die "irdischen" Folgen bleiben uns allerdings nicht unbedingt erspart. Aus verständlichen Gründen, wie dem Wunsch nach Vermeidung von seelischem Schmerz und Scham, sind wir bemüht, unsere "schwarzen Seiten" zu verleugnen. Bestimmte Verhaltensweisen, wie die Unfähigkeit Gefühle auszudrücken, der Versuch andere zu manipulieren, das Vermeiden von menschlicher Nähe oder Perfektionismus können Indizien für ein solches Verhalten sein. Voraussetzungen für einen Neubeginn mit Gott sind das ehrliche Bekenntnis vor ihm, die Anerkennung seines Standpunktes über uns (Psalm 139,23-24) und das Gespräch mit einem gläubigen Menschen unseres Vertrauens. Für mich stellt sich hier die Frage an die christliche Gemeinde, ob es genügend solcher Vertrauenspersonen gibt. Schuld hat bleibende seelische Folgen, wenn sie nicht vergeben wird (3. Kapitel). Bei Gott gibt es keine unvergebbare Sünde. Dazu finden sich im Buch interessante Ausführungen zur sogenannten " Sünde gegen den Heiligen Geist ... die ein Gläubiger nach Lutzers Meinung nicht begehen kann. Nur wenn man keine Buße will und das Opfer von Jesus Christus bis zum Lebensende abweist, wird man für alle Zeit gerichtet. Manchmal haben Menschen Schwierigkeiten, Vergebung anzunehmen. Lutzer macht deutlich, dass Schuldgefühle schädlich sind, wo Gott die Sünden bereits vergeben hat. Vor der Bekehrung sind sie aber ein Werkzeug Gottes, um uns unsere Sünde deutlich zu machen. Auch das Schuldbekenntnis gegenüber Menschen, die von uns geschädigt wurden, ist wichtig. In den folgenden Kapiteln geht der Verfasser konkreter auf verschiedene sündige Verhaltensweisen ein. Zunächst das Thema "Sucht". Es geht um Abhängigkeit (unbezwingbares Verlangen) von bestimmten Suchtmitteln (z.B. chemische Stoffe oder sexuelle Handlungen). Sucht hat negative Folgen für den einzelnen Menschen und für die Gesellschaft. Die von Christen gern geführte Diskussion, ob Sucht Krankheit oder Sünde sei, wird kurz gestreift. Lutzer widerspricht der Betrachtungsweise von Sucht als Krankheit. Zu bedenken ist meiner Meinung nach jedoch, dass beim medizinischen Krankheitsbegriff der therapiebedürftige Zustand des Leidens gemeint ist und nicht bestritten wird, dass das Leiden auch schuldhaft herbeigeführt sein kann. Anhand von Römer 1,18-32 zeigt Lutzer, dass Sünde, also auch Sucht, aus der Entfernung des Menschen von Gott resultiert. Zu beachten sind die Ausführungen über Homosexualität (S.65), um diese Bibelstelle in Gesprächen mit Homosexuellen nicht falsch anzuwenden. Im 5. Kapitel werden die Opfer von Misshandlungen angesprochen. Sie können an negative Gefühle wie Zorn (auch auf Gott), Scham oder mangelnde Beziehungsfähigkeit gebunden sein. In allen Fällen gilt die biblische Verheißung, dass Gott zerbrochene Herzen heilen will (Jesaja 61,1-3) und dass Gott Recht sprechen wird (Psalm 147,6). Wenn man das Opfer seiner eigenen Eltern geworden ist, möchte Gott Vater - und Mutterstelle einnehmen (Psalm 27, 10). Sehr positiv fiel mir immer wieder der Abschnitt "Das können Sie tun" am Ende jedes Kapitels auf. In einem weiteren Kapitel geht es um sexuelle Bindungen. Die biblischen Aussagen gelten Lutzer als alleiniger Maßstab. Das sexuelle Verlangen ist von Gott gewollt, sexuelle Beziehungen sind aber nur in der Ehe erlaubt. Es geht darum, das sexuelle Verlangen in die richtigen Bahnen zu lenken. Die Ehe ist die offiziell bezeugte (unterschiedlich je nach kulturellem Hintergrund), gegenseitige Übereinkunft, lebenslang als Mann und Frau zusammenzuleben. Sexuelle Beziehungen folgen aus dieser Übereinkunft. Ein Zusammenleben "ohne Trauschein" vermittelt die Botschaft fehlender Verbindlichkeit. Einwände, dass eine formelle Eheschließung unnötig sei, werden auf Seite 107 widerlegt. Auch bei anderen Gelegenheiten im Leben (z.B. größeren Anschaffungen), die bei weitem nicht die Bedeutung einer Eheschließung haben, zögern wir nicht, uns schriftlich und verbindlich festzulegen. Nicht eheliche sexuelle Beziehungen führen häufig zu instabilen Partnerschaften. Für Lutzer folgt aus vorehelichen sexuellen Beziehungen nicht die Verpflichtung, die Ehe einzugehen (S. 106). Die Befreiung aus sexueller Gebundenheit (Sprüche 2,18-19), in welcher Form auch immer, ist nur mit Gottes Hilfe möglich (Lukas 7,36-50). Der Weg führt über das ehrliche Schuldeingeständnis, Glaube an Gottes Rettungsmacht, Durchleben des Schmerzes, den man anderen zugefügt hat (z.B. durch Zerstörung ihrer Familie), Annahme der Vergebung Gottes und Beendigung der sündigen Beziehungen. Lutzer macht deutlich, dass man lebenslang kämpfen muss, weil die alten Neigungen immer noch vorhanden sind. In Kapitel 8 wendet sich der Verfasser wieder den Opfern von Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch zu. Um glücklich mit Gott leben zu können, sollen sie den Tätern vergeben. Ein Rechtsstreit unter Christen wird von Lutzer unter Berufung auf 1.Korinther 6,7 abgelehnt. Meiner Meinung nach müsste über diesen Punkt ausführlicher gesprochen werden. Die Regierung ist von Gott dazu eingesetzt, das Böse zu bestrafen (Römer 13) und Straftaten sollten auch so behandelt werden. Man kann es auch so sehen, dass die Strafe mit zu den Folgen der Sünde gehört. Die zwischenmenschliche Vergebung muss unabhängig davon erfolgen. Sie ist, wie Lutzer herausstellt, ein Willens - und Glaubensakt. Im neunten Kapitel werden Zwangsvorstellungen anhand der Geschichte von dem Besessenen in Markus 5 behandelt. Lutzer rät beim Urteil "dämonische Verstrickung" zu großer Zurückhaltung, wie ich meine, sehr zu Recht. Ein gewisses medizinisches Wissen ist nötig, um mit solchen Erscheinungen richtig umgehen zu können. In den beiden Schlusskapiteln wird nochmals ausführlich dargestellt, dass man die Sünde fliehen soll und insbesondere mit Hilfe intensiven Gebets auch fliehen kann. Der Weg zurück zu Gott wird nicht problemlos sein. Manche Folgen unserer Sünden können hier auf der Erde nicht mehr in Ordnung gebracht werden, wohl aber die Beziehung zu Gott. Gott kann sogar aus unseren Fehlern Gutes entstehen lassen. Ich habe aus diesem Buch viel gelernt und kann es nur empfehlen. Als Problem sehe ich die häufigen Wiederholungen und eine gewisse Unstrukturiertheit, die es manchmal schwer macht, das Wesentliche zu behalten. Diese Mängel können aber nicht ernsthaft vom gewinnbringenden Lesen abhalten.
Die Rezension/Kritik stammt von: Thomas Freudewald
Kategorie: Sonstiges
Jahr: 2000
ISBN: 3-89436-305-3
Seiten: 190
€ Preis: 10,90 Euro