Lampen ohne Öl
Autor: John F. MacArthur
John MacArthur, Pastor einer großen Gemeinde in Amerika, wendet sich in seinem Buch gegen den aus seiner Sicht "heute gängigen Billigglauben" (174). Das Evangelium werde zunehmend dahingehend entstellt, daß es Menschen ewiges Leben verspreche, "auch wenn sie weiterhin ein Leben in Auflehnung gegen Gott führen" (15). Für ihn ist dagegen wichtig, daß "der Glaube gehorcht. ... Bloßes Wissen und Festhalten an Tatsachen, ohne der Wahrheit zu gehorchen, ist kein Glaube im biblischen Sinn" (175). Der Glaube darf kein intellektuelles Fürwahrhalten sein. Er soll sich nicht im Aussprechen eines vorformulierten Glaubensbekenntnisses erschöpfen. Er soll vielmehr Früchte tragen. Konkret möchte MacArthur Lebensveränderung im Sinne der Heiligen Schrift im Leben eines jeden "echten" Christen ausmachen können. Diese Veränderungen seien erst der Beweis, daß einer wirklich Christ ist (20 u.ö.). Seine Feststellung: "Die Lehre, moralische Gebote brauchten Christen nicht zu beachten, greift unter den Evangelikalen wie eine Epidemie um sich" (187). Darum würden auch die Menschen in den Evangelisationen zuwenig mit ihren Sünden konfrontiert. "Die Prediger bieten den Leuten Glück, Freude, Erfüllung und alles mögliche Positive an" (80). Statt Menschen mit Versprechungen nur zur "Annahme" eines Glaubensbekenntnisses zu führen, sollten sie unter Hinweis auf die Kosten des Christseins zur "Hingabe" an Jesus als Herrn gebracht werden. Der Autor sieht das Wesen des rettenden Glaubens als "eine bedingungslose Kapitulation, ein völliges Aufgeben des Eigenwillens und vollkommene Unterwerfung" unter Gott (153). Das erscheint ein berechtigtes Anliegen und man fragt sich, wie in Amerika unter dem Namen "Lordship Salvation" ein Streit darüber entbrennen konnte. Die Verfechter dieser Lehre, zu denen John MacArthur gehört, bestehen darauf, daß man zur Errettung Jesus nicht nur als Retter annehmen, sondern ihn auch Herr des eigenen Lebens sein lassen muß. Daher der Name, der auf Deutsch mit "Rettung zur Herrschaft (Jesu)" wiedergegeben werden muß. Auf vielen Seiten des Buches fühlt man sich in einen Streit unter amerikanischen Dispensationalisten hineingezogen, die sich nicht einig sind, inwieweit der ethische Anspruch des Neuen Testamentes für das "Gemeindezeitalter" von Belang ist oder ob z.B. die Bergpredigt nur im Millenium Bedeutung hat (20ff, 209f). Dabei scheinen beide Seiten wichtige Aspekte des Evangeliums zu betonen, und man kann sich schwer vorstellen, daß jede Seite ihre Position als ausschließlich richtige ansieht. So ist es berechtigt, dafür zu kämpfen, daß das Evangelium freies Geschenk der Gnade Gottes ist und unsere guten Werke auch nachträglich keinen Beitrag zur Errettung leisten. Das kann aber nicht heißen, daß man zu einem zuchtlosen Leben ermutigt oder das Bekenntnis "Ich glaube an Christus" zu einer leeren Worthülse macht. Es ist andererseits berechtigt, dafür zu kämpfen, daß Glaube an das Evangelium wesentlich Zustimmung zu Jesus bedeutet und das solcher Glaube auch gute Werke hervorbringt. Das kann aber nicht heißen, daß der Gläubige dazu ermutigt wird, die Echtheit seines Glaubens und seine Gewißheit der Rettung bei seinen Werken abzulesen. So ist die Auseinandersetzung davon geprägt, daß (unnötige) Gegensätze aufgebaut werden, die der Autor anscheinend schon bei seinen Gegnern vorgefunden hat. Was soll der Streit zwischen "Annahme" und "Hingabe"? Beide Begriffe benötigen eine genaue inhaltliche Füllung durch die Heilige Schrift. Wollen die Gegner des "Lordship Salvation" wirklich behaupten, das herzlose Nachsprechen eines rechtgläubigen Bekenntnisses sei rettende Annahme Jesu? Oder wollen sie nur daran festhalten, daß die Errettung von keinem Werk des Menschen abhängt, auch nicht von irgendeiner formalen Hingabe? Vertreten sie wirklich die These, der Glaube an Christus könne völlig folgenlos bleiben, so daß jemand Christ wird, aber ein Dieb, Ehebrecher oder Mörder bleibt (16)? Vielleicht bahnt sich hier ja wirklich ein evangelikales "Namens-Christentum" an (20+194). Aber warum muß die folgende Alternative aufgebaut werden?: "Der Gegenstand des rettenden Glaubens ist nicht ein Glaubensbekenntnis, sondern Christus selbst. Wahrer Glaube liebt die Person Christi und begnügt sich nicht mit den Fakten des Evangeliums" (64). Ja, das stimmt. Aber ist es nicht auch so, daß durch die Fakten und Worte des Evangeliums Jesus zum Menschen kommt? Oder gibt es etwa eine Liebe zu Jesus unabhängig von den Fakten des Evangeliums? Und was soll dieser Gegensatz im Hinblick auf die Anbetung Gottes und Gehorsam beim Menschen?: "Nichts davon ist das Ergebnis theologischer Belehrung, sondern das Werk des Geistes Gottes in einem erlösten Herzen" (72) Kann nicht der Heilige Geist am Herzen durch theologische Belehrung wirken, wenn man nicht den Begriff "theologisch" nur negativ belastet? Und bringt nicht das gelehrte Wort Gottes die wahren Anbeter und das gehorsame Herz hervor? Das vorliegende Buch lebt von ausführlichen Auslegungen von Abschnitten aus den Evangelien. (Man vermißt allerdings die Perikope von den 10 Jungfrauen, die dem Buch den deutschen Titel lieh.) Sie zeugen von einer großen Liebe des Autors zu Gottes Wort und sind geprägt von genauer Detailbeobachtung. Nur selten wirken die Auslegungen auf das Ziel des Buches hingebogen. Dabei wird immer wieder aufgezeigt, wie rettender Glaube Früchte im Leben aufweist. Weil John MacArthur sich aber auf die Evangelisation und den Ruf zum Glauben konzentriert und Christsein von der Bekehrung her beurteilt, ergeben sich Probleme, die er nicht wirklich überwinden kann. Wenn er darauf besteht, daß zum Glauben Gehorsam gehört, dann weiß er auch, daß solcher Gehorsam weder am Anfang gleich sichtbar ist, noch jemals perfekt vorgefunden wird. Also stellt er ihn unter das Vorzeichen des Wachstums, und es wird nur noch "die Bereitschaft zum Gehorsam" gefordert (84) oder der "Wunsch" (92) und die "Sehnsucht" zu gehorchen (170). Dem könnten dann auch die Gegner von "Lordship Salvation" wieder zustimmen. Eine weitere Gefahr auf dem Weg, die Frucht des Glaubens sofort abwiegen zu wollen, liegt in der Neigung, ihn an psychologische Größen zu binden. Dann gibt es ohne "Verzagtheit" und ein Gefühl von "Reue" (40), ohne Scham (83) und "ein Gefühl für Buße und Demütigung" (120) keine Errettung. Das Herz braucht eine "Empfindung für die Unterwerfung unter Gottes Willen" (155) und "wahre Buße beinhaltet stets ein Element der Zerknirschung" (160). Trotz des berechtigten Anliegens wird hier ein gefährlicher Weg beschritten. So gelingt es bei der Verhältnisbestimmung von Rechtfertigung und Heiligung in Kapitel 18 dann auch nicht, aufzuzeigen, wie die Heiligung des Menschen ein Werk Jesu ist und die guten Werke eine Frucht des Vertrauen auf Jesus. An wen richtet sich das Buch? Der Autor möchte Laien, Theologiestudenten und Pastoren erreichen (12). Konkret spricht es sowohl zu denen, die von einer "einmal gefaßten ´Entscheidung´ zehren" und "deren Leben die Beweise für einen fortgesetzt wirksamen Glauben vermissen" lassen, als auch besonders zu den Evangelisten, die in der Verantwortung stehen, solche Christen mit einer Verkündigung hervorgebracht zu haben, die sagt, "zum Christsein gehöre nur das Glauben an einige Fakten und daß man irgendetwas unterschreibt, ´nach vorne kommt´, die Hand hebt, oder das ´richtige´ Gebet spricht" (178). Welche Evangelisten konkret gemeint sind, wird nicht ganz klar. Billy Graham scheint es wohl nicht sein (185). Den Andeutungen zufolge sind am ehesten die amerikanischen Fernsehevangelisten mit ihrem Wohlstandsevangelium und ihren Affären im Blick. Allerdings sind die Angriffe so pauschal, als ob (fast) alle Evangelisten auf der gleichen Welle schwimmen. Gleichzeitig bietet das Buch eine theologische Auseinandersetzung mit Thesen aus amerikanischen Büchern von Zane C. Hodges, The Gospel under Siege (dt. ungefähr: Das Evangelium im Belagerungszustand) und The Hungry Inherit, die die "Lordship Salvation" als Irrlehre darstellen. Für den deutschen Leser sind vielleicht einige kritische Bemerkungen zu einem Titel von Charles Ryrie interessant, dessen Buch Ausgewogen (Dillenburg: Christl. Verlagsgesellschaft, 1994) auch in Deutschland erschienen ist. Es kann interessant sein, ein wenig amerikanische evangelikale Zeitgeschichte zu verfolgen. Das Buch von John MacArthur tritt aber in Deutschland auch an, vor einem grundsätzlichen Mißverständnis des Evangeliums und vor Fehlentwicklungen in der Evangelisationspraxis zu warnen. Darum muß gefragt werden, ob das angeprangerte Problem ein Problem deutscher Evangelisten ist. Es ist wohl unbestritten, daß es in evangelikalen Gemeinden Menschen gibt, die sich für Christen halten, weil sie sich auf irgendeiner Evangelisation einmal "für Jesus entschieden" haben, die aber nie ein Leben aus Glauben an Christus gelebt haben. Es ist auch zu beobachten, daß ein erheblicher Teil der Menschen, die sich auf einer "Großevangelisation" "entscheiden" niemals Glied einer Gemeinde werden. Behaupten aber Evangelisten, ein solcher Mensch sei unbestritten Christ? Vielmehr ist doch oft zu erleben, daß sie sich auch an solche Irrläufer wenden, um sie zu echter Umkehr zu bewegen. Es ist wohl manche kritische Anmerkung zum Thema Evangelisation angebracht und man darf auch fragen, ob etwa eine bestimmte Praxis der Evangelisation und bestimmte Inhalte der Predigten vermehrt Scheinbekehrungen bewirken. Ob allerdings in Deutschland der "Billigglaube" in evangelikalen Kreisen schon "gängig" ist, erscheint trotz unbestrittener Gefahren fraglich. Und selbst wo die Tendenz schon zu sehen ist, wird sie mit anderen Argumenten gerechtfertigt. Bleibt zu hoffen, daß das Buch einen Beitrag zu einer gesunden Diskussion leisten kann.
Die Rezension/Kritik stammt von: Thomas Jeising
Kategorie: Sonstiges
Jahr: 1998
ISBN: 978-3893972531
Seiten: 256
€ Preis: 8,90 Euro