Buch-Rezension: Ist die Existenz Gottes beweisbar? - Neue Gottesbeweise im Licht der Mathematik, Informatik, Philosophie und Theologie

Ist die Existenz Gottes beweisbar?

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In vier übersichtlich gegliederten Hauptabschnitten setzt sich Kessler mit verschiedenen historischen und aktuellen Varianten von Gottesbeweisen auseinander, um sie dann mit den biblischem Grenzen der Beweisbarkeit Gottes zu konfrontieren: Nachdem er in knapper Form die wesentliche Entwicklungslinie der abendländischen Gottesbeweise von Anselm von Canterbury über die fünf Wege Thomas von Aquins, Calvins, Descartes, Pascals bis zu Leibniz nachgezeichnet hat, schließt er seinen historischen Diskurs mit der Darstellung der seit Kant zunehmenden Skepsis (35ff) den Gottesbeweisen gegenüber, die in der katholischen Theologie durch die thomistische Gleichsetzung von Verstand und Glauben überwunden werden; in der protestantischen Theologie dieses Jahrhunderts aber zu der Einschätzung führe, "... sämtliche Gottesbeweise seien von Kant überzeugend widerlegt und können somit als Irrweg der Apologetik ad acta gelegt werden (16f)." Der bekannte amerikanische Apologet Van Til kommt wie Barth, der die Apologetik generell ablehnt, zu der Einschätzung, dass Gottesbeweise "nur für endliche Götter" taugen (46).

In den vergangenen Jahrzehnten beobachtet Kessler eine Renaissance der Gottesbeweise, an der sich zunehmend auch Philosophen und Naturwissenschaftler beteiligen. Drei auch in Fachkreisen bekannte Ansätze greift Kessler heraus:

1. Den Versuch Robert Meyers nach dem Kausalitätsbeweis des Thomas von Aquin, der die letzte Ursache allen Geschehens auf Gott zurückführt. Kessler begrüßt diesen Ansatz, weist aber zurecht auf die Problematisierung eines strengen Kausalitätsprinzips in der modernen Naturwissenschaft hin (57f).

2. Die Behauptung, Werner Gitts, dass jede Information, als geistige Größe, einen intelligenten Sender haben müsse, wird von Kessler aufgenommen, aber dahingehend relativiert, dass er diese Aussage in hohem Grad wahrscheinlich, nicht aber für eindeutig nachweisbar hält.

3. Besonders überzeugend und zeitgemäß erscheinen Kessler die Überlegungen Richard Swinburnes, der die Wahrscheinlichkeiten verschiedener christlicher Aussagen zur Wirklichkeitserklärung miteinander kombiniert und sie dadurch einer atheistischen Erklärungsvariante als überlegen erweisen kann. In zahlreichen Unterschritten kann Swinburne die größere Erklärungskapazität und Einfachheit einer Ursachenerklärung, die eine "Person" einschließt, gegenüber einer ausschließlich von Naturgesetzen ausgehenden Variante aufzeigen (64-74). Außerdem modernisiert er das kosmologische und das teleologische Argument für die Existenz Gottes aus der Existenz von Kosmos, Zeit und Ordnung.

Im Folgenden gelingt es Kessler, in aller Kürze wesentliche erkenntnistheoretische Ergebnisse unseres Jahrhunderts im Bezug auf seine Problematik darzustellen und aufzuzeigen, dass es kein "voraussetzungsloses Wissen" gibt. "Wissen ist immer eingebettet in einen Glauben" (86). Demnach könne der Mensch Gott nie allein aus der Vernunft beweisen, sondern höchstens die Übereinstimmung biblischer Aussagen mit erkennbarer Wirklichkeit feststellen. Im letzten Hauptteil bespricht Kessler die in der Bibel genannten Möglichkeiten einer natürlichen Gotteserkenntnis. Dabei diskutiert er ausführlich den Text von Römer 1,19-21 und kommt zu dem Schluss, dass Gott die Menschen mit der natürlichen Vernunft zur Erkenntnis der Spuren seines Handeln ausgerüstet hat. "Es sind also nicht Spuren, die ein Täter unbeabsichtigt bei der Tat hinterlässt, sondern Wegweiser, die Gott absichtlich zur Orientierung hinstellt." (99)

Gottesbeweise hingegen sind nach Kessler:
a) blasphemisch, weil sie Gott zwingen wollen sich zu offenbaren, führen
b) nicht zum biblischen Gott, weil maximal die schlichte Existenz eines höheren Wesens bewiesen werden kann, führen
c) nicht zur notwendigen Ehrfurcht. Sie ignorieren
d) Gottes Selbstoffenbarung, gehen
e) fälschlich von einer autonomen, neutralen Vernunft aus und können
f) keine echte Gewissheit vermitteln, die nur Gottes Geist geben kann.

Trotzdem resümiert Kessler: "Es gibt meines Erachtens keinen überzeugenden theologischen Grund, Gottesbeweise abzulehnen." (113) Allerdings können sie Gott nicht beweisen, sondern lediglich die "Vernünftigkeit des Christentums" (118) gegenüber Glaubenden und Nichtglaubenden aufzeigen. Das Buch ist gemessen an der anspruchsvollen Thematik verständlich geschrieben, mit genügenden Quellenangaben zur kritischen Überprüfung versehen und durch erklärende Grafiken ergänzt. Zahlreiche aussagekräftige Zitate belegen die Aussagen des Autors. Die von Kessler vorausgesetzten Kenntnisse der Mathematik werden die meisten Leser überfordern. Durch die in der persönlichen Interessenslage des Autors begründete Betonung der mathematischen Aspekte der Diskussion treten geisteswissenschaftliche Argumentationen unnötig in den Hintergrund. Auch kommen breitenwirksame Publikationen von Tippler, Löw & Co. mit ihren häufig benutzten Argumentationen in der Darstellung deutlich zu kurz. Auch wenn es nicht der Hauptstossrichtung des Autors entspricht, wäre ein kurzer Verweis auf die seelsorgerliche Komponente der Frage nach der Existenz Gottes wünschenswert.

Das Buch eignet sich meines Erachtens nicht so sehr zur Weitergabe an Menschen, die an der Existenz Gottes zweifeln, als vielmehr zur knappen Information am Thema interessierter Christen, die auch keine Auseinandersetzung mit anspruchsvollen, philosophischen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Gedankengängen scheuen. Begrüßenswert sind die ausführlichen Literaturhinweise, bei denen der interessierte Leser auf weitere lesenswerte Bücher zum Thema stößt. Dass bei einer Masterarbeit die gesamte benutzte Literatur angegeben wird, ist zu erwarten, bei der vorliegenden Buchausgabe wäre eine Beschränkung auf die unmittelbar problembezogenen Publikationen für den Leser wahrscheinlich hilfreicher und übersichtlicher gewesen.

Insgesamt ist das Buch mit seiner geistig anspruchsvollen Thematik und klarer biblischer Ausrichtung für den überdurchschnittlich intellektuell interessierten Christen sehr empfehlenswert.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Michael Kotsch
 Kategorie: Sonstiges

  Verlag: Brunnen Verlag GmbH
  Jahr: 1999
  ISBN: 3-7655-9084-3
  Seiten: 125
 €    Preis: 9,95 Euro

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