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Predigten zu Römer 7,4
"Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet durch den Leib Christi."
Es ist notwendig, den Umstand tief zu bedenken, dass unsere Freiheit vom Gesetz nur dadurch entsteht, dass wir sterben oder getötet werden.Zum ersten ist es uns allen in der Finsternis unseres Unglaubens eine grobe Torheit, ein leeres Wort, ein Betrug, dass wir von den Bedingungen und Urteilen des Gesetzes ganz frei sein sollten. "O nein", heißt es stets im Herzen, "frei vom Gesetz kann ich nicht sein; ich fühle ja immer seine Forderungen und Urteile. Wenn ich frei vom Gesetz wäre, dann würde ich ja ganz selig sein. Nein, das ist zuviel." So redet unser ungläubiges Herz. Da kommt der Apostel und sagt: "Liebe Brüder, ihr seid ebenso frei von den Urteilen und Bedingungen des Gesetzes, wenn ihr demselben gestorben und mit dem Auferstandenen vereinigt seid, wie die schon Seligen im Himmel, so frei, als wäre uns niemals ein Gesetz auf Erden gegeben, weder ein noch zehn Gebote. Diese Freiheit ist dadurch entstanden, dass ihr dem Gesetz getötet und in einem neuen Verhältnis, in einer neuen Welt wiederauferstanden seid."
Zum andern gibt es leichtsinnige Menschen, die sich gar zu leicht und schnell tröstliche Dinge aneignen, ohne sie in Wahrheit zu besitzen. Sie können in einem fleischlichen Sinn dieselben an sich reißen und sagen: "Höre, wir sind frei vom Gesetz; inwiefern hätten wir nötig, uns um das Gesetz zu kümmern? Vor demselben kann niemand bestehen." Da kommt wieder der Apostel und sagt: "Nein, warte, es ist nicht meine Meinung, dass alle Menschen frei vom Gesetz sind; es kommt darauf an, ob du demselben getötet bist. Du darfst dich nicht selbst lösen. Nicht jede Frau ist frei von dem Gesetz des Mannes; es hängt von seinem Tod ab, wenn sie frei werden soll. Wisst ihr nicht, liebe Brüder, wie es sich mit dem Gesetz verhält? Wisst ihr nicht, dass das Gesetz über den Menschen herrscht solange er lebt? Denn eine Frau, die unter dem Manne ist, ist an ihn gebunden durch das Gesetz, solange der Mann lebt; so aber der Mann stirbt, so ist sie los vom Gesetz, das den Mann betrifft. Wo sie nun eines anderen Mannes wird, solange der erste Mann lebt, wird sie eine Ehebrecherin geheißen; so aber der Mann stirbt, ist sie frei vom Gesetz, dass sie nicht eine Ehebrecherin ist, wo sie eines anderen Mannes wird."
Wir gelangen also nur durch einen gewissen Tod zur Freiheit vom Gesetz. Wir lernen, wie ganz falsch und ungebührlich es ist, sich einzubilden, man habe Gnade durch Christus auch dann, wenn man nicht "dem Gesetz getötet" ist, sondern seine Hoffnung noch immer darauf setzt, dass die Belohnung desselben zur Gerechtigkeit und Seligkeit helfen würde. Dann zu gewissen Zeiten an Gnade als eine Ergänzung unserer eigenen mangelhaften Gerechtigkeit zu denken, halten viele für den Glauben an Christus; und doch ist das nichts anderes als ein geistlicher Ehebruch.
Solange der Mann lebt, ist die Frau an das Gesetz gebunden, das den Mann betrifft, so dass sie eine Ehebrecherin geheißen wird, wenn sie sich mit einem anderen Mann vereinigt. So zwei entgegengesetzte Trostgründe im Herzen vermengen zu wollen, sowohl den, durch das Gesetz gerecht zu werden, als auch den, Gnade durch Christus zu haben, ist geistliche Leichtfertigkeit, ist geistlicher Ehebruch; das heißt, seine Verpflichtung zum Gesetz zu brechen, während man es vollkommen zu erfüllen schuldig ist, wenn man durch dasselbe gerecht werden will; das heißt, dem Gesetzesbunde untreu zu sein, unter welchem der Mensch steht, der durch das Gesetz gerecht zu werden sucht. Gnade und Freiheit von den Urteilen des Gesetzes gehören einem ganz anderen Volke an, nämlich dem, das dem Gesetz getötet ist und seine ganze Gerechtigkeit nur in dem Auferstandenen sucht.
Die Welt befindet sich in der Finsternis und weiss nicht, dass es hier zwei weit geschiedene geistliche Reiche mit ganz verschiedenen Gesetzen und Rechten gibt - zwei Bündnisse, "die zwei Testamente", zwei verschiedene Wege zur Gerechtigkeit und zur Seligkeit -, den des Gesetzes und den der Gnade, den der Werke und den des Glaubens (sieh Röm. 4, 4.5). Gal. 3, 10 redet der Apostel stark gegen den Wahn derjenigen, die sich einbilden, sie hätten Gnade, obwohl sie auf dem Wege der Werke wandeln. Er sagt: "Die mit den Werken des Gesetzes umgehen, die sind unter dem Fluch; denn es steht geschrieben: Verflucht sei jedermann, der nicht bleibt in allem, das geschrieben steht in dem Buch des Gesetzes, dass er es tue"; das heißt, man muss auf diesem Wege alles erfüllen oder aber verflucht sein. So unheilvoll ist der Irrtum, auf Gnade zu hoffen, während man noch unter dem Gesetz lebt.
Wie vollkommen frei von den Urteilen des Gesetzes ist aber der Mensch, der dem Gesetz getötet und mit Christus vereinigt wurde! Der Apostel sagt hier, dass derselbe ebenso frei ist, wie die Frau vom Gesetz des Mannes los ist, die ihn sterben und begraben werden sah. Das Eheband ist durch den Tod des Mannes gelöst, so dass die Frau jetzt frei und ohne Sünde einen anderen Mann nehmen kann. So wenig wie der tote und begrabene Mann ein Recht auf sie oder eine Macht über sie hat, so wenig können die Bedingungen und Urteile des Gesetzes den Christen betreffen, der in der Glaubensvereinigung mit Christus lebt. Das Gesetz kann einen solchen weder gerecht machen noch verdammen.
Will mich die Last der Sünde drücken, Blitzt auf mich des Gesetzes Weh, Droh'n Straf und Hölle meinem Rücken, So seh ich gläubig in die Höh' Und flieh in Deine heil'gen Wunden.
"Dass ihr eines anderen seid, nämlich dessen, der von den Toten auferweckt ist, auf dass wir Gott Frucht bringen."
Wenn ein Christ dem Gesetz gestorben ist und des Todes Christi teilhaftig wird, dann ist er zugleich in einer wahren Vereinigung mit Ihm und Seiner Auferstehung teilhaftig. Christus ist jetzt nach dem Gleichnis des Apostels von dem ehelichen Verhältnis sein rechtmässiger Ehemann, so dass es kein Fehler ist, dass er sich frei sieht von dem Bund und den Bedingungen des ersten Mannes oder des Gesetzes. Es geht durch die Herzen der Gläubigen oft der Gedanke: "Ist es richtig, ist es sicher, dass ich von den Bedingungen und den Urteilen des Gesetzes frei bin? Kann ich darauf leben und sterben?" Hier in unserem Texte sagt der Apostel, dass wir ruhig sein können, gleichwie es der Frau frei steht, einen anderen Mann zu nehmen, nachdem der vorherige gestorben ist. Denn ebenso sind auch wir durch den Tod gesetzmässig von dem ersten Bund mit allen seinen Bedingungen und Urteilen frei. Aus dem Bund Adams oder dem Gesetzesbunde sind die Gläubigen in den Bund Christi oder den Gnadenbund versetzt. Christus ist das Haupt und der Bräutigam der Gemeinde. Unter diesem Bild von Braut und Bräutigam, von Mann und Frau, ist Sein Verhältnis zu den Gläubigen in der Schrift oft dargestellt. Gleichwie Adam eine aus seiner Rippe genommene Frau haben sollte, so sollte auch Christus eine "durch Seinen Leib" entstandene Braut haben. Nicht nur im Hohelied Salomos und in dem "Brautlied" des 45. Psalms, sondern auch im Neuen Testament wird oft von diesem "Bräutigam" geredet, während die Gemeinde als "Braut" und als "Weib des Lammes" dargestellt wird. Nachdem der Apostel Eph. 5 von dem Manne und der Frau geredet hat, sagt er schließlich: "Das Geheimnis ist groß; ich sage aber von Christus und der Gemeinde."
Aber wir müssen wiederum beachten: Obwohl die Gläubigen durch ihre Verbindung mit Christus nicht mehr unter dem Gesetz sind in bezug auf die Lebensbedingungen desselben, sind sie doch, wie der Apostel sagt, "nicht ohne Gesetz vor Gott, sondern in dem Gesetz Christi". Glücklich und willig in der Liebe, nehmen sie jetzt das Gesetz aus Seiner Hand, haben ihre "Lust an Gottes Gesetz", und sagen nun von Herzen: "Seine Gebote sind nicht schwer", wenn die schwerste Last, nämlich die der Sünde und der Verdammnis, weggenommen ist. Als Luther den Unterschied zwischen dem Gesetz als einem Bund und dem Gesetz als einer blossen Richtschnur für das Leben verstand, da schenkte dies seinem Gemüt eine solche Erleichterung und Freude, dass er "auf einer der ParadiesesStrassen zu wandeln" meinte. Bedenke! Wenn ich weiss, dass ich für alle mir noch anhaftenden Sünden, Fehler und Mängel eine ewige Gnade und Freiheit von den Urteilen des Gesetzes habe, wie sind Seine Gebote mir dann so lieb!
"Auf dass wir Gott Frucht bringen." Hier stossen wir, wie die Vernunft meint, wieder auf die schwere Ketzerei, von der Luther über Gal. 2, 19 sagt: "Wenn die Vernunft richten soll, ist St. Paulus wohl der allerärgste Ketzer gewesen; denn er sagt, dass der, so dem Gesetz gestorben sei, Gott lebe." Die Welt meint, dass man vom Gesetz recht gebunden sein müsse, um Gott Frucht zu bringen und recht gute Werke zu tun, dass aber die Freiheit vom Gesetz alle Heiligkeit zunichte mache Hier sehen wir nun, dass der Apostel Paulus gerade das Gegenteil lehrt. Er sagt, dass wir erst dann, wenn wir dem Gesetz getötet sind, Gott Frucht bringen können. Es ist dies ein überaus wichtiger Lehrpunkt, den alle Christen, vor allem junge und unerfahrene, tief beachten müssen, dass es nämlich, wie ungereimt es der Vernunft auch erscheinen mag, doch für eine wahre Heiligung unumgänglich notwendig ist, dem Gesetz getötet, im Gewissen von dessen Urteilen und dessen Herrschaft befreit zu sein und in der freien Gnade zu leben. Dies gründet sich darauf, dass wir, während das Gesetz noch im Gewissen herrscht, alles Gute, das wir tun, nicht für Gott, sondern für uns selbst tun. Es sind nur Werke des Eigennutzes, um dem Bösen zu entfliehen und Lohn zu gewinnen; und solches kann ja nimmer eine wahre Frömmigkeit oder Gott wohlgefällig sein, gleichwie die nur durch herbeigerufene gesetzliche Obrigkeit erzwungenen Dienstleistungen der Frau dem Manne nicht gefallen würden, der ja zuerst Liebe haben möchte. Alles, was wir tun, während wir noch nicht vom Gesetz befreit und in einem seligen Glauben mit Christus vereinigt wurden, wie gut und fromm es sonst auch scheinen möge, sind lauter "tote Werke", die aus Eigenliebe, Eigenlob, Selbstgerechtigkeit, Hochmut und anderen fleischlichen Beweggründen getan wurden. Und solche Beweggründe allein machen die sonst vortrefflichsten Werke zu einem Greuel vor Gott, der das Herz ansieht und zuerst dessen Liebe und freie Lust haben will. Aber wir können ja unmöglich mit Liebe und Lust auf das Gesetz blicken, solange es uns droht und verdammt. Wenn wir hingegen von den Urteilen des Gesetzes frei, begnadigt und im Glauben selig sind, dann werden Gott und Sein Gesetz uns lieb, dann tun wir den Willen Gottes aus Lust und Liebe des Herzens. Das heißt "Gott Frucht bringen", und das ist der einzige, wahre Weg sowohl der Seligkeit als auch der' Heiligung.
Ja, Moses nur fordert, zerschlägt und befiehlt Und kann nichts andres als morden. Doch wer in Christo sein Leben erhielt, Ganz frei vom Gesetz ist worden. Nicht so, als gilt das Gesetz nun nicht mehr, Er ist jetzt ein Freund, doch nicht unser Herr, Ein Freund, dem man gerne gehorchet.