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Predigten zu Psalm 88,1
Zitate von Charles Haddon Spurgeon anzeigen
Ganz gewiss, wenn es je ein Schmerzenslied, einen Psalm der Traurigkeit gibt, dann ist es dieser Psalm. Der Schreiber muss ein Mensch gewesen sein, der Schreckliches erlebte und mit den tiefen Wassern der Seelentrübsal zu kämpfen hatte. »HERR, Gott meines Heils!« Das ist eine Anrede für den Herrn, die voller Hoffnung ist, aber sie stellt den einzigen Strahl tröstlichen Lichts in dem ganzen Psalm dar. Der Schreiber weiß um seine Errettung, und Gott allein hat sie gewirkt. Solange ein Mensch Gott als seinen Retter sehen kann, ist es für ihn noch nicht völlige Mitternacht. Es ist ein Kennzeichen wahren Glaubens, dass er sich an den HERRN, den rettenden Gott, wendet, wenn sich alle anderen Hoffnungen als Lüge erwiesen haben. Sein Kummer hat die Funken seiner Gebete nicht ausgeblasen, sondern sie zu größerer Dringlichkeit entfacht, bis sie zu einem dauernden Brand, zu loderndem Feuer wurden. Gebete müssen mit ganzem Ernst zum Himmel gerichtet werden. So dachte Heman – seine Gebete waren direkt für das Herz Gottes bestimmt. Er blickte nicht auf Zuschauer wie die Pharisäer, sondern brachte alle seine Gebete ausschließlich vor seinem Gott dar.
Ihm war, als müsse er sterben, ja, er fühlte sich schon halb tot. Alles Leben ging dahin, sein geistliches Leben lag am Boden, sein Gefühlsleben erstarb, und sein leibliches Leben glimmte nur noch etwas; er war dem Tod näher als dem Leben. Wird guten Menschen jemals zugemutet, so zu leiden? Allerdings! Manche werden gar lebenslang in Ketten gehalten. Heman seufzte aus tiefster Seele in der großen Einsamkeit seiner Schmerzen und meinte, selbst Gott habe ihn gänzlich verlassen. Wie tief kann der Geist selbst guter und tapferer Menschen manchmal sinken! Unter dem Einfluss gewisser Krankheiten kann alles düster erscheinen und das Herz in Abgründe des Jammers versinken. Menschen mit robuster Gesundheit und geistiger Frische kritisieren solche Menschen leicht, deren Leben von bleicher Melancholie überschattet ist; aber dieses Übel ist genauso real wie eine klaffende Wunde und ist nur noch schwerer zu ertragen, weil es sich in Regionen der Seele abspielt, die viele gar nicht kennen, die darum von Einbildung und krankhafter Phantasie reden. Lieber Leser, mache dich nie über die besorgten und ängstlichen Depressiven lustig, ihr Schmerz ist real. Der arme Heman hatte das Empfinden, Gott habe ihn verworfen, gepeinigt und unter die Leiber der durch göttliches Gericht Erschlagenen hingestreckt. Er klagt, die Hand des Herrn habe sich gegen ihn gewendet und dass er von dem großen Urheber seines Lebens getrennt sei. Dies ist das Eigentliche, was ihn quält. Die Angriffe der Menschen sind Kleinigkeiten; aber Gottes Schläge sind furchtbar für ein gütiges Herz. Sich gänzlich vom Herrn verlassen zu fühlen und wie etwas hoffnungslos Verdorbenes fortgeworfen zu sein, ist der absolute Tiefpunkt, die schrecklichste Verwüstung der Seele.