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Predigten zu Psalm 119,12
Lehre mich deine Rechte
Diese Bitte wiederholt sich häufig in diesem Psalm. Sie stützt sich auf die verschiedensten Beweggründe: weil Gottes Lob dadurch vermehrt wird; weil der Psalmist die Rechte des HErrn zu seinem Lied machen möchte im Hause seiner Wallfahrt; weil die Erde voll ist der göttlichen Barmherzigkeit; weil der HErr gütig und freundlich ist. Nimm einmal diese Bitte mit dir, als Führer durch diesen Psalm, und beachte hauptsächlich dies oft wiederkehrende Wort: Rechte; dann wirst du sehen, wie das Ganze dieser großartigen Poesie sich darum dreht.
Es gibt eine himmlische Weisheit, die nur von den Lippen des größten aller Lehrer gelernt wird, zu dessen Füßen Maria saß. Sie lässt sich nicht durch den Verstand, sondern durch das Herz aneignen. Ehrgeiz und Stolz wird uns nie dazu führen; nur wer ein Leben völliger Liebe, ein Leben der Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohne, Jesu Christo, führt, kann dazu gelangen. Zuweilen wird der Schüler ob seiner Aufgabe sich ermüden; so anziehend der Lehrer ist, so ist doch die Schulbank hart, und das Lehrbuch schwer verständlich. Von außen zieht ihn die Sommerlandschaft an, mit ihrem Blumenduft, mit dem Singen der Vögel, dem Summen der Bienen, dem fröhlichen Spiel des Eichhörnchens. Doch Gott hat uns zu lieb, als dass Er uns hinausließe, bis die Aufgabe gelernt ist. Aber eines Tages werden diese Rechte unser Loblied werden, nicht erst im Vaterhause, sondern schon hier auf der Pilgerfahrt. Als Elisabeth Fry, nach einem Leben christlicher Liebestätigkeit, wie wenige ein solches gekannt haben mögen, im fünfundsechzigsten Jahre starb, konnte sie sagen, dass sie niemals vom Schlaf erwacht sei, weder in kranken noch in gesunden Tagen, bei Tag oder bei Nacht, ohne dass ihr erster, klarer Gedanke gewesen wäre: „Wie kann ich meinem HErrn am besten dienen?“