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Predigten zu Matthäus 27,19
Zitate von Wilhelm Busch anzeigen
Die Spannung ist auf das Höchste gestiegen vor dem Palast des Pilatus. Er hat die Tausende gefragt, ob sie ihre Stimme nicht für Jesus abgeben wollen. Und — furchtbar — nicht eine einzige arme Stimme meldete sich. Da wird die Verhandlung unterbrochen. Ein Bote tritt zu Pilatus, geschickt von dessen Frau. Auf den ersten Blick könnte man meinen, hier melde sich nun doch eine Stimme für Jesus; eine Stimme, mit der niemand gerechnet hat. „Er ist ein Gerechter!" läßt die Frau sagen. Ja, das klingt positiv. Aber — was sagt der Bote noch? „Habe du nichts zu schaffen mit ihm!"
Und jetzt steht die Frau Pilatus auf einmal vor uns, recht als der Typ des abendländischen Menschen. Der sagt: „Jesus? Ja gewiß! Wir sind doch alle christlich. Natürlich! Aber — wie? Ich soll vor aller Welt meine Stimme für Ihn abgeben? Ich soll Ihn als König und Herrn anerkennen? Ich soll eine Entscheidung treffen? Unmöglich. Da halte ich mich heraus!" „Da halte ich mich heraus!" Das ist die Lebensparole der meisten. „Pilatus, halte dich heraus!" läßt die kluge Frau sagen. Die kluge Frau? O die Närrin! Pilatus soll sich heraushalten? Wie denn? Und da wird etwas Unheimliches deutlich: Gott erlaubt es uns nicht, uns aus der Sache Seines Reiches herauszuhalten. Pilatus wollte neutral bleiben, er wusch seine Hände in Unschuld. Aber so wurde er der Mörder Jesu. Welch ein Zeichen für uns! Amen.
Und da Pilatus auf dem Richtstuhl saß, schickte sein Weib zu ihm und ließ ihm sagen: habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten; ich habe heute viel erlitten im Traum von seinetwegen.
Es gehört wesentlich zum Segen der Betrachtung der Leidensgeschichte des Herrn, dass in derselben so verschiedene Gestalten an uns vorbei ziehen, durch die uns Gott etwas zu sagen hat. Eine der wichtigsten Gestalten ist Pilatus. Während die Hohenpriester und Ältesten als die ehrgeizigen Todfeinde des Herrn vor uns stehen, deren Herzen kaum mehr eines besseren Eindrucks fähig waren, und Herodes ein in Sünde verkommener Mensch war, macht Pilatus uns den Eindruck eines Mannes, dem das Verhör des Herrn erst zur Entscheidung dienen muss. Für ihn war es Gnade Gottes, dass er Jesum in der Nähe sehen und hören durfte; er blieb auch nicht ohne Eindrücke von der Person und den Worten des Herrn. Diese Eindrücke sollten noch verstärkt werden durch sein Weib, die unter Gottes Leitung einen Traum hat, in dem sie beunruhigt wird über den Herrn; weshalb sie ihren Mann warnt, sein Gewissen nicht zu beflecken durch Ungerechtigkeit an dem Herrn. Aber – das alles bringt Pilatus keinen Segen. Er kommt zu keinem inneren Sichaufraffen, zu keiner Entscheidung für die Wahrheit und Gerechtigkeit. Sein Gewissen redet für Jesum; aber er schwankt verlegen hin und her, zwischen der Gerechtigkeit und der Volksgunst, und schließlich siegt letztere bei ihm, über die Gerechtigkeit und Wahrheit. Ohne Zweifel hatte dieser Mann schon viel gegen sein Gewissen gesündigt, und so den Sinn für Wahrheit in sich geschwächt. Dann lässt uns sein Schwanken und Markten gegenüber dem Geschrei ungerechter Menschen vermuten, dass er Blößen hatte in seiner Amtsführung dem Volke gegenüber, und darum nicht die sittliche Kraft, fest hinzustehen. Dieser schwankende und schließlich vor der Volksgunst sich beugende Mann hat dem Herrn gewiss viele Schmerzen gemacht, und er ist ja nur ein Repräsentant vieler verwandter Menschen, die immer hin und her schwanken und doch nicht zur Entscheidung kommen. Wie jämmerlich, wenn Gott sich einem Menschen so naht, und ihn noch würdigt, durch einen Traum gewarnt zu werden, und es bei ihm zu nichts weiter kommt, als „seine Hände zu waschen“, um sein böses Gewissen zu beschwichtigen. Versäume nicht die Gnadenzeit!
Herr gib mir ein zartes Gewissen, für all Dein Reden mit mir und bewahre mich, die Ehre bei Menschen nicht höher zu achten, als die Wahrheit. Amen