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Predigten zu Matthäus 26,65

"Da zerriß der Hohepriester seine Kleider und sprach: Er hat gelästert; was bedürfen wir noch Zeugen? siehe, jetzt habt ihr die Lästerung gehört."

Autor: Hermann Friedrich Kohlbrügge (* 15.08.1803; † 05.03.1875) niederländischer reformierter Theologe

Lasst uns nicht meinen, wir stünden von Hause aus besser als Kaiphas. Denn wen sieht er vor sich? Einen Menschen ohne Gestalt, aus der Hefe des Volkes, arm, elend, gebunden, einen Menschen, der weder den Kaiphas noch alle Pharisäer für Söhne Gottes hielt; und dieser Mensch von Nazareth, der da so vor ihm steht, soll der Sohn dessen sein, des Name Kaiphas seiner Heiligkeit wegen nicht mal wagte auszusprechen? Dieser Mensch von Nazareth soll sich selbst zu Gott machen? Der soll Gott sein? Nein, solches nur zu denken war dem Kaiphas ein Gräuel, geschweige es zu glauben. Wenn das wahr wäre, so gelte Kaiphas, der Hohepriester, in dem Tempel Gottes nichts. – Dennoch war es so. Wohl dem, der in Kaiphas Sünde seine eigene Sünde erblickt hat. Gar viele, die Christen heißen wollen, haben, obschon sie den Herrn Jesum seit langem gesehen zur Rechten der Kraft und in der Macht seines Zeugnisses, das sie aber verschmähen, kein anderes Verständnis, als Kaiphas davon hatte. Sie träumten sich einen Jesus mit einem Strahlenkranz um das Haupt, einen wandelnden Gott auf Erden, und verdammen vor ihrem Richterstuhl den Jesum zum Tode, der in den Tagen seines Fleisches, wiewohl in demselben Augenblick der Seiende im Himmel, schwächer und machtloser war, als wir alle sind.

Man stellte dich vor's scharfe Blutgericht,
die falschen Zeugen brachten ihre Klagen,
und du hast nicht ein Wort drauf wollen sagen,
weil ich auf tausend konnt' antworten nicht.
Ich hatte deines Namens Heiligkeit
mit Mund und Tat verlästert und zerbrochen;
drum wurde dir in Ungerechtigkeit
als einem Lästerer der Stab gebrochen.