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Predigten zu Johannes 4,10
"... Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer mit dir redet."
Ach, was sind uns doch so oft die Augen so gehalten, dass wir den Tag und seine Gelegenheit nicht richtig erkennen! War es Nachwirkung einer Schuld oder natürliche Stumpfheit - aber wir waren nicht am Ausfallstor unseres Interesses, als Jesus oder seine Gabe oder seine Aufgabe und die betreffende Gelegenheit vorüberzog. Bisweilen sass er sogar auf dem Brunnenrand, wie in unserem Text, und wartete auf uns, dass wir ihm zu trinken geben sollten, d. h. in einem dieser Geringsten unter seinen Brüdern. Nie grolle ich mehr mit mir, als wenn ich zu spät erkannte: Das war eine Gelegenheit vom Herrn, und du hast sie verträumt! Wenn wir sie aber zur rechten Zeit erkannt haben, dann müssen wir auch im selben Augenblick zugreifen; so kommt sie nicht wieder. Ein Spaziergang mit einem angefochtenen Menschenkind, ein Briefwechsel, eine Aussprache, eine erwiesene Gefälligkeit - worin kann Jesus nicht gerade seine Hand nach einem Herzen ausstrecken, an das er nur durch uns, nur jetzt und nur durch unsere selbstverleugnende Liebe herankommen kann! Solche Vollmacht, solche Ehrung, solches Vertrauen von oben - soll es uns bereit finden zum Nehmen, Geben, Heilen, Segnen und Helfen?Vergib, Herr, alle versäumten Gelegenheiten. Gib uns zum Unterpfand der Vergebung neue Winke und neue Gaben, dass wir's besser machen können, und segne uns, wenn wir mit den anderen Seelen reden von dir. Amen.
Zitate von Jakob Kroeker anzeigen
"Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes, und wer der ist, der zu dir spricht: Gib mir zu trinken! Du bätest ihn und er gäbe dir lebendiges Wasser!"
Jesus mit seinem Evangelium machte nicht halt vor der Samariterin am Jakobsbrunnen. Fünf Männer hatte sie bereits gehabt, den sie jetzt hatte, war nicht ihr Mann. Und dennoch gab Jesus ihr von dem Wasser zu trinken, das in ihr zu einem Brunnen lebendigen Wassers wurde, das in das ewige Leben quillt. Nicht nur sie trank dies Evangelium Jesu, sie führte auch ihre Heimatstadt zu demselben Retter. Denn nachdem die Samariter mit Jesus zusammengekommen waren, sprachen sie zur Frau: "Wir glauben nun hinfort nicht um deiner Worte willen, wir haben selber gehört und erkannt, dass dieser ist wahrlich Christus, der Heiland der Welt." Jesu Liebe machte auch nicht halt vor Zöllnern und Sündern. Er sprach zu einem Zachäus auf dem Maulbeerbaum: "Steig eilends herunter, denn Ich muss heute in dein Haus einkehren." Ebensowenig machte Er halt vor der Verleugnung eines Petrus. Jesus tritt als Auferstandener neu in das Leben eines Simon und sprach zu ihm: "Simon, Jonas Sohn, hast du mich lieb?" Das Evangelium in Jesu Reichsgottesbotschaft erwies sich in seiner wiederherstellenden Kraft grösser als die Verleugnung eines Petrus.
Es machte auch nicht halt vor einem ungläubigen Thomas. Im Auferstandenen tritt es in das Zimmer, wo die Jünger aus Furcht vor den Juden zusammensassen und spricht: "Friede sei mit euch!" Vergegenwärtigen wir es uns daher noch einmal, dass das Evangelium in Jesu Reichsgottesbotschaft weder vor der ganzen Schwere unseres Falles noch vor der ganzen Tiefe unserer Ohnmacht stehen bleibt.
Wenn Jesus in seinem Evangelium an unsere Kraft appelliert oder damit gerechnet hätte, was Er in uns vorfinden würde, sein Reich wäre mit seiner Person bereits zusammengebrochen. Die Welt hätte vom Königtum Gottes zwar im Leben und Wirken Jesu etwas gesehen. Mit dem Tode Jesu wäre es alsdann mit untergegangen. Nun aber lebt es. Und da es grösser ist, als unsere Schuld und unser Todeszustand, trägt es fort und fort die Welt Gottes in unser Leben. Christus in seiner Reichsgottesfülle setzt weder Leben noch Kraft noch Friede noch Licht in uns voraus. Indem Er jedoch in unser Leben tritt, durch sein Wort zu uns spricht, mit seiner Kraft in uns wirkt, mit seinem Frieden uns erfüllt und durch seinen Geist uns leitet, zieht Er uns in die Welt seines Vaters, in das Königtum des lebendigen Gottes hinein.
Wenn du erkennetest die Gabe Gottes . . .
Welche wunderbaren Gegensätze treten uns hier entgegen! Er, der da Ruhe verheißt, sitzt müde an des Brunnens Rand; Er, der Juden Messias, teilt seine tiefsten Gedanken einem samaritischen Weibe mit; Er, der lebendiges Wasser gibt, bittet um einen Trunk Wassers, aus der dunkeln, kühlen Tiefe der unterirdischen Zisterne.
1. Eine Gabe Gottes
ist das Licht, die Luft, die natürliche Anmut, die Leichtigkeit der geistigen Auffassung, das Gefühl kräftiger Gesundheit, die menschliche Liebe; aber die größte ist Gottes eingeborener, geliebter Sohn. Kann irgend eine andere Gabe mit dieser verglichen werden? Die lebendige Quelle ewigen Lebens, die Jesus in unseren Herzen erschließt, und die so gewaltig absticht von der Grube nur äußerlicher Frömmigkeit, ist eine Gabe von unaussprechlichem Wert. Mit nichts lässt sie sich erkaufen. Wollte einer seine ganze Habe dafür geben, so wäre das nichts. Sie muss entweder als Gabe in Empfang genommen werden, oder gar nicht.
2. Gottes Gaben wollen erbeten sein
„Du bätest ihn und Er gäbe dir.“ Das ist die Regel des Himmelreichs. Das Gebet ist das notwendige Bindeglied zwischen der göttlichen Hand, die da gibt und dem Menschenherzen, das empfängt. Wir haben nicht, weil wir nicht bitten. In den Worten des HErrn ist nichts zu finden, von jenem schlaffen, träumerischen, frömmelnden Wesen, das nicht bitten will, angeblich, weil es der vollkommenen Weisheit Gottes nichts vorschreiben möchte.
3. Je mehr wir erkennen, desto mehr werden wir erbitten
„Wenn du erkennetest . . . so bätest du.“ Wenn du wüsstest, wer neben dir steht in deinem stillen Kämmerlein – wenn du wüsstest, was dem Gebet des Glaubens möglich ist – wenn du wüsstest, was du auf deinen Knien erringen könntest – so würdest du dich dem Gebete hingeben, als dem Hauptzweck deines Lebens.