10.798 biblische Andachten und Predigten von Spurgeon, MacArthur, MacDonald, Christlieb, Eichhorn, Hofacker, Zinzendorf, Luther ...

Predigten zu Johannes 19,5

"Jesus nun ging hinaus, die Dornenkrone und das Purpurkleid tragend. Und er spricht zu ihnen: Siehe, der Mensch!"

Autor: Charles Haddon Spurgeon (* 19.06.1834; † 31.01.1892) englischer Baptistenpastor
Zitate von Charles Haddon Spurgeon anzeigen

"Sehet, welch ein Mensch!"

Wenn es irgend einen Ort gibt, wo unser Herr Jesus auf das völligste als der Trost und die Freude seines Volkes dasteht, so ist es da, wo Er am tiefsten in den Abgrund der Schmerzen versenkt ward. Kommet hierher, begnadigte Seelen, und schauet den Menschen im Garten Gethsemane; betrachtet sein Herz, das von Liebe so geschwellt wird, dass Er sie nicht mehr zurückhalten kann, das so von Schmerzen erfüllt ist, dass sie sich einen Ausweg bahnen müssen. Siehe seinen blutigen Schweiss; er dringt aus jeder Pore seines Leibes und fällt auf den Boden. Siehe den Menschen an, sie treiben Ihm die Nägel durch Hände und Füße. Schauet empor, ihr reuevollen Sünder, und sehet das Jammerbild eures leidenden Herrn. Bemerkt ihr, wie auf seiner Dornenkrone die Rubintropfen stehen und das Diadem des Königs der Schmerzen mit unschätzbaren Juwelen schmücken? Sehet, welch ein Mensch, wenn nun alle seine Gebeine sich zertrennet haben und Er ausgeschüttet ist wie Wasser und gelegt wird in des Todes Staub; Gott hat Ihn verlassen, und die Hölle hat Ihn umgeben. Schauet doch und sehet, ob irgend ein Schmerz sei, wie sein Schmerz, der Ihn getroffen hat? Und alle, die ihr vorübergeht, kommt, und betrachtet diesen Anblick des Leidens, so einzig, so unerhört, ein Wunder vor Menschen und Engeln, ein unvergleichliches Wunderzeichen. Schauet an den Mann der Schmerzen, der seinesgleichen nicht hat noch kennt in seinen Todesleiden. Staunt Ihn an, ihr Trauernden, denn wenn in einem gekreuzigten Heiland euch kein Trost mehr erwächst, so gibt es keine Freuden mehr, weder im Himmel noch auf Erden. Wenn in dem Lösegeld seines Blutes keine Hoffnung mehr blüht, dann, ihr himmlischen Harfen, lebt keine Hoffnung mehr und keine Freude in euren Tönen, und zur Rechten Gottes wird man keine Wonne mehr finden in Ewigkeit. Wir müssen nur öfter und länger unter dem Kreuze stehen bleiben, wenn wir von unsern Zweifeln und Ängsten weniger gepeinigt sein wollen. Wir brauchen nur in seine Wunden zu blicken, so heilen die unsern. Wenn wir fröhlich und getrost leben wollen, so können wir dies nur durch die Betrachtung seines Todes; wollen wir zur Herrlichkeit erhoben werden, so können wir dies nur, wenn wir seine Erniedrigung und sein Leiden betrachten.


Autor: Hermann Friedrich Kohlbrügge (* 15.08.1803; † 05.03.1875) niederländischer reformierter Theologe

Lasst uns des eingedenk bleiben, wo wir lesen, was die Königsknechte gemacht, dass unser Benehmen nicht besser ist, so oft wir unser Reich und unsern Willen drangeben und die königliche Herrschaft und das ewige Reich der Wahrheit sollen schalten und walten lassen; denn weil wir dabei zu Grunde gehen müssen, und dieses Reich dem Sichtbaren nach nichts darbietet als Verachtung, Verwerfung, Hohn und Schmach, Schwäche und Armut, so misshandeln wir auch fortwährend mit unserer Rebellion den ewigen König der Ehren und der Herrlichkeit. Diese Gräuel hat der Herr für uns ausgesöhnt, da er als König sich von den Königsknechten misshandeln ließ.

Bleiben wir der Worte des Pilatus eingedenk: Siehe, den Menschen. Denn das ist eben unsere Gestalt, die wir wie Gott sein wollten und meinten, unser sei das Reich. In Wirklichkeit sind wir solche erbärmlichen Menschen und Könige, dass unsere Krone aus Dornen besteht und unser Zepter ein Rohr ist. Unsern Menschen trug der Herr in sich, da es von ihm hieß, siehe, den Menschen! – Verlieren wir den Mut nicht, wenn es auch durchs Widerspiel geht, und wir nichts als Kreuz, Not, Armut und Elend vor uns und allerlei Schmach zu tragen haben. Bleiben wir des Wortes eingedenk: Siehe deinen König! Tragen wir die Dornenkrone mit ihm! Er lebt jetzt in Herrlichkeit und wird seine Armen und Blenden mit sich zu Ehren bringen, wie er sie bereits in sich verherrlicht hat.

Du setzest dich zum Bürgen
ja lässest dich gar würgen
für mich und meine Schuld;
mir lässest du dich krönen
mit Dornen, die dich höhnen,
und leidest alles mit Geduld.


Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
Zitate von Adolf Schlatter anzeigen

Was im Römer edel war und das Raubtier in ihm bändigte, war Humanität, die Ehrung des Menschlichen im Menschen, auch wenn er in den Staub getreten wird. Mochte der Christusname Jesu der Traum eines Wahnsinnigen sein, mochte er, am jüdischen Gesetz gemessen, todeswürdige Schuld sein, wie die Priester es behaupteten, Mensch war Jesus. Sogar der Jude ist für den Römer noch Mensch, sogar der mit Dornen gekrönte Christus ist es. Achtet den Menschen, sagt Pilatus, entehrt ihn nicht noch mehr; er hat genug gelitten. Aber an den Juden prallt der Appell an die Menschlichkeit ab. „Gott!“, das ist der Kampfruf, der Pilatus entgegentönt. Gottes Ehre wird verteidigt, Gottes Gesetz gehandhabt. Der, der sich an Gott vergangen hat, muss sterben. Diese Spannung kehrt in der menschlichen Geschichte immer wieder, Irregelöste Menschlichkeit und unmenschliche Religiosität wechseln miteinander ab und ringen miteinander. Auf der einen Seite steht der Humanismus, der den Menschen pflegt, dem aber an Gott nichts liegt, auf der anderen Seite der Fanatismus, der um Gottes Willen den Menschen zertritt. Wer hat in diesem Streit die Einigung? Jesus hat sie. Für wen starb er, für Gott oder für uns? So darf ich nicht fragen, ich würde so zerteilen, was Er geeinigt hat. Er ehrt den Vater, eifert für seine Ehre und bleibt unerbittlich von denen geschieden, die Gott das Seine rauben und ihm den Gehorsam versagen. Er dagegen verklärt den Vater, denn er bekennt sich zu ihm als dem Allmächtigen und allein Gerechten und barmherzig Vergebenden. Zugleich aber ehrt er den Menschen, bewahrt die Gemeinschaft mit ihm und nimmt die Schande seiner Sünde weg. „Seht, welch ein Mensch!“ Dem widersprach Jesus nicht; er bekennt sich zu uns. Ist nun sein Tod ein Opfer, das Gott mit uns versöhnt, oder ist er eine Wohltat, die uns mit Gott versöhnt? Er opfert sich dem Vater und begnadet uns mit einer und derselben Tat. Der Zorn weicht und die Schuld vergeht und der Glaube entsteht. Das ist ein einheitliches gnadenvolles Gotteswerk.

Herr, Du stellst Dich ganz zu uns und trittst an den Ort, der uns Menschen gebührt, und tust dies in der Sendung des Vaters mit Seiner Gnade. Darum bist Du unser Friede mit Gott. Amen.