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Predigten zu Jeremia 31,9

"Mit Weinen kommen sie, und unter Flehen leite ich sie; ich führe sie zu Wasserbächen auf einem ebenen Wege, auf dem sie nicht straucheln werden. Denn ich bin Israel zum Vater geworden, und Ephraim ist mein Erstgeborener. -"

Autor: Carl Eichhorn (* 11.07.1810; † 08.02.1890) deutscher lutherischer Pastor
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Gebeugte Seelen kann Gott leiten

"Sie werden weinend kommen und betend, so will ich sie leiten."

"Der Herr leitet die Elenden recht und lehrt die Elenden seinen Weg." Wer sind die Elenden? Es sind die gedemütigten Seelen. Die Hochmütigen sind nicht leitbar. Sie sind wie Rosse und Maultiere, denen man Zaum und Gebiss anlegen muss. Nur innerlich gebeugte und zerbrochene Seelen kann der Herr leiten, solche, die ausrufen: "Ich bin gezüchtigt wie ein ungebändigtes Kalb." Sie erkennen ihren Eigenwillen, durch den sie einem ungebändigten jungen Stier gleichen. Solch ein Tier lässt sich schwer führen. Es macht immer wieder Seitensprünge und bleibt stehen, anstatt weiterzugehen. Wenn unter inneren und äußeren Züchtigungen der starre Sinn gebrochen wird und der Mensch mit Schmerz sein ungehorsames Wesen erkennt und zugleich die unendliche Geduld und Langmut seines Gottes, die ihn gezüchtigt und doch nicht getötet hat, dann fließen Tränen. Dann beginnt auch erst das rechte Beten. Zuvor betet der Mensch sich selbst an. Nun erwartet er nichts mehr von sich, sondern alles vom Herrn. Nun kann auch der große Hirte der Schafe ihn bei der Hand nehmen und leiten. Aus dem innersten Herzen kommt dann die Bitte: "Ach, leite mich auf allen Tritten! Ich geh', o Herr, erhör mein Bitten, ohn' dich nicht einen Schritt allein!" - "Ich will sie leiten an den Wasserbächen." Die eigenen, verkehrten Wege führen uns in die Wüste. Wir werden müde und verschmachten auf unseren Irrwegen. Unter der Führung des Herrn wandeln wir wohl mitunter auf rauhen Wegen, aber wir werden auch erquickt und reichlich getröstet. - Ja, er macht die unebenen, holprigen Wege schlicht und eben. Denn was unsere Wege so schwierig und voll Anstoss macht, ist unser blinder Eigensinn. Wir meinen, die Menschen seien schuld, die uns Verdruss und Ärger bereiten, und die Verhältnisse, die so schwierig und drückend sind. Aber die Schuld liegt an uns selbst. Hörst du etwa von einem Jünger Jesu die Klage: "Ach, ich habe einen schweren Weg! Mir will nichts gelingen! Überall Hindernisse! Es ist, als hätte sich alles gegen mich verschworen!" ? Nein, alle die Seelen, die sich Jesus ergeben haben, wissen nur davon zu rühmen, wie er sie wunderbar durchbringt und ihren Lebensweg gerade so gestaltet, wie es für sie recht und angemessen ist. Kein Wunder, dass der Mensch, solange er vom finsteren Eigenleben beherrscht ist, beständig zu klagen hat. Er meint, die anderen müssten gerade so sein, wie er sie haben möchte, und die Verhältnisse und Umstände müssten sich gerade so gestalten, wie er es wünscht und plant. Der ungebeugte Sinn des natürlichen Menschen trägt in sich unerschöpflichen Stoff zu Reibungen, Zerwürfnissen und Schwierigkeiten. Selig, wer weinend und betend kommt und sich vom Heiland bei der Hand nehmen lässt! Dann findet der Heiland auch da einen Weg, wo unser Auge keinen erblickt. Er führt uns sicher ans Ziel. Die Bahn ist geebnet.


Autor: Elias Schrenk (* 19.09.1831; † 21.10.1913) deutscher Theologe und Erweckungsprediger des Pietismus

Sie werden weinend kommen und betend, so will ich sie leiten, ich will sie leiten an den Wasserbächen auf ebenem Wege, dass sie sich nicht stoßen; denn ich bin Israels Vater, so ist Ephraim mein erstgeborner Sohn.

Noch säen wir mit Tränen; Eltern weinen über ihre Kinder, Seelsorger weinen über verirrte Schafe. Wir sollen mit Freuden ernten. Vermag es die Liebe Gottes durch das mächtige Walten des Geistes das harte Israel zu erweichen, so dass sie weinend kommen und sehen werden, in welchen ihre Väter gestochen haben, warum sollten wir nicht über Israel hinaus größere Hoffnung haben dürfen? Freuen und getrösten wir uns dieser Hoffnung. Je mehr wir sehen, wie ohnmächtig wir sind, dem einzelnen und allgemeinen Verderben gegenüber, um so mehr wollen wir um Gnadenheimsuchung vom Herrn bitten und darauf warten. Der Herr, der den grimmigen Saulus so schnell erweichen und zu einem betenden Saulus machen konnte, ist noch derselbe; er wird es zu seiner Zeit eilends ausrichten (Jes. 60,22). Wenn unser Heiland wiederkommen wird, um sein Reich aufzurichten und das Regiment in seine Hand zu nehmen, dann werden die Zeiten kommen, in denen auch etwas Beständiges beginnen wird. Wie vieles ist jetzt schwach und wie vieles geht zu Grunde aus Mangel an Leitung und Versorgung. Wie herrlich wird es sein, wenn er als oberster Bischof mit seinen Heiligen die Gemeinde leiten und versorgen wird. Da wird aller Mangel aufhören, da werden die Wege eben und die vielen Hindernisse, die wir jetzt sehen, beseitigt sein. Unter seiner herrlichen Leitung wird auch Einigkeit sein. Der Vater, der Israels Vater ist, ist auch unser Vater in Christo; das dürfen wir jetzt schon erfahren und es wird in Herrlichkeit offenbar werden, wenn seine Kinder unter Christo versammelt sein werden, so dass die Kindschaft das einzige Verbindungsmittel sein wird für seine Gemeinde, zum Staunen vieler, die in der Jetztzeit kein Verständnis; haben für die Einheit des Leibes Christi.

Herr Jesu! Du hast uns verheißen: siehe, ich komme bald! Ja komm Herr Jesu und schaffe ein Neues! Amen