Predigten zu Daniel 1,21

Daniel erlebt das erste Jahr des Königs Cyrus

Ist dies erstaunlich? Es möchte also scheinen, wenn man die Unsicherheit der orientalischen Politik und die fieberhafte Hast bedenkt, womit Günstlinge oft zu Vertrauensposten erhoben wurden, um ebenso schnell wieder in Ungnade zu fallen. Gerade das Buch Daniel gewährt uns Blicke in die Glut des Hasses, der am babylonischen Hofe gegen die Juden herrschte, und in die Verbitterung, womit die Höflinge Daniel und seine Freunde betrachteten, weil die königliche Gunst allein auf sie gerichtet war. – Aber wir verwundern uns nicht mehr, wenn wir Kap. 6,10 finden, dass es Daniels Gewohnheit war, täglich dreimal auf seine Knie zu fallen mit Gebet, Lob und Danksagung. Das Gebet ist das Geheimnis der Fortdauer.

Bei allen, deren Lebensführungen in die Tiefe gehen, steigt zuweilen die ernste Frage auf: werde ich aushalten können? Werde ich dem mächtigen Hass meiner Feinde widerstehen und das Verderben meines Herzens überwinden können? Wird es mir immer möglich sein, dem unerbittlichen Ruf der Pflicht, den Ansprüchen der Hilfsbedürftigen Genüge zu leisten? Bei den mannigfaltigen Wechselfällen des Lebens, werde ich wohl standhalten können? Die Menschen sind so launenhaft; die Ereignisse so unberechenbar; die Flut menschlichen Lebens so unsicher. Auf alle diese Fragen gibt es nur eine Antwort: Das Gebet ist das Geheimnis der Fortdauer.

„Es ist eine gefährliche Versuchung des Feindes,“ so schreibt einer von Gottes Verborgenen, „wenn aufrichtige Gemüter sich gänzlich niederschlagen lassen durch den ungläubigen – ich hätte beinahe gesagt stolzen – Blick auf ihre Schwachheiten. Wenn sie am Werke Gottes stehen, haben solche nichts anderes zu tun, als sich zu beugen und vorwärts zu gehen." Wer das Gebet liebt und übt, wird sich vom eigenen Ich zu Gott hinwenden; aus einem Gefäß, das da gefüllt und wieder geleert wird, kann er zum unversiegbaren Strome werden.