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Predigten zu 2. Samuel 7,18
Zitate von Christoph Blumhardt anzeigen
David ists, der, nachdem er unter vielen Anfechtungen und Trübsalen zum Thron gekommen war und Ruhe gefunden hatte, in einer besonderen Andachtsstunde also ausrief: „Wer bin ich, HErr, HErr!“ Er war ein Hirtenknabe gewesen, sein Haus war angesehen, aber doch außer Würde; und jetzt war er so hochstehend, daß das ganze Israel zu ihm, als dem Könige, emporblickte. Er sieht es als eine unverdiente Gottesgnade an, und rühmt sich nicht, sondern schämt sich eher, daß er, so ein geringer Mann, und so wenig wert solcher gnädigen Führung, doch sollte so weit gekommen sein. Der HErr hat es je und je in der Geschichte werden lassen, daß aus dem niedersten Stand das Größte und Höchste sich erhob. Eben damit sind auch die niedersten Stände geadelt; und es erscheint um so törichter, wenn die Höheren auf die Niederen herabsehen, oder wenn die Niederen sich verkürzt denken. In den letzteren ist der verborgene Adel so zu sagen noch ungeschwächter, als in jenen, bei welchen er nur gar zu häufig als abnehmend erscheint. Eben weil es so leicht von unten nach oben, und von oben nach unten geht, muß man mit dem Gedanken vertraut werden, daß alle einander gleich sind, und soll im Gemüt kein Unterschied bestehen zwischen den Armen und den Reichen, den Hohen und den Niedern. Vor Gott stehen sie ohnehin alle gleich; und die Zeit wird kommen, da werden alle gleich erhoben, die sich dem Willen Gottes und Seiner Erlösungsgnade gefügt haben. Es mag sich auch einmal herausstellen, daß im Himmelreich die von unten leichter in die Höhe kommen, als die von oben sich auf der Höhe erhalten.
Der aber, ihr Lieben, ist übel daran, der, wenn ihn Gott erhöhet hat, sich breit macht; den kann der HErr bald übel zerscheitern. Gesetzt auch, es wäre Jemand in der Erkenntnis weit hinaufgekommen, und im Reich Gottes auf Erden hochgestellt; wenn solcher Mensch sich würde geistlich fühlen, etwas auf sich halten und auf Andere herabsehen, so hätte der zu erwarten, daß er von seiner Höhe weit werde herabgeschleudert werden, ja daß es ihm am Ende noch ganz fehlen könnte. Das aber gefällt dem HErrn, wenn Einer, der von Ihm begnadigt ist und viel empfangen hat, dennoch sich klein fühlt und nicht über Andere hinausdenkt.
Was wollen wir denn, ihr Lieben, von uns sagen? Was David seinem Gott gegenüber fühlt, haben wir gehört. Fühlen wir auch etwas von erfahrener Gnade und Güte Gottes? Manche von uns doch wohl. Wenn aber, sind wir's auch gewohnt, so demütig zu sagen: „Wer sind wir, HErr HErr! daß Du's also mit uns bis hieher gebracht hast?“ Werden wir doch nur klein, achten wir uns alles Guten, auch aller Gnade unwert. Welch ein Staunen wirds aber einmal sein, wenn wir uns am Ziel befinden, und dann erst recht übersehen, wie wunderbar uns Gott geführt, und wie unwert wir dessen gewesen sind.
M e l. Womit soll ich dich. Ach, ja, wenn ich überlege Mit was Lieb' und Gütigkeit Du durch soviel Wunderwege Mich geführt die Lebenszeit, So weiß ich kein Ziel zu finden, Noch die Tiefen zu ergründen. Tausend, tausendmal sei Dir, Großer König, Dank dafür!
Wer bin ich Herr, Herr, und was ist mein Haus, dass Du mich bis hierher gebracht hast?
David ging mit dem Gedanken um, Jehovah ein Haus zu bauen, einen Tempel. Der Herr lässt ihm aber durch Nathan sagen, er soll es nicht tun, sein Sohn werde ihm ein Haus bauen. Zu gleicher Zeit erinnert Jehovah den David durch Nathan daran, was er an ihm getan habe und was er noch an seinem Hause tun werde: sein Haus und sein Thron sollen ewiglich bestehen. Durch diese Gnadenbotschaft ist David gebeugt und ruft im Gefühl seiner Unwürdigkeit aus: wer bin ich Herr, Herr, und was ist mein Haus, dass Du mich bis hierher gebracht hast? Schon Rückblicke auf die zahllosen Gnadenerweisungen Gottes können und sollen tief beugen; wenn aber zu solcher Rückschau auch noch der Hoffnungsblick in die Zukunft kommt, wie Gott ihn hier David gab und wie er ihn auch uns in seinen Verheißungen schenkt, so fühlt man um so mehr sich zu der Frage getrieben: Herr, wer bin ich? Es ist eine selige Beschäftigung um den stillen Rückblick in vergangene Tage. Jedes Christenleben ist ein Meisterstück göttlicher Geduld, Weisheit, Gnade und Liebe und wenn wir zurückblicken mit der Doppelfrage: wer bin ich? Und wer ist mein Gott? so tritt Gottes Liebe überschwänglich vor uns und wird zu einer mächtigen Glaubensstärkung. Ich bedaure jeden Menschen von Herzen, der durch Rückblick auf seinen Lebensgang nicht durch mächtige Eindrücke der Liebe Gottes gestärkt worden ist. Eines solchen Menschen Auge ist Jesu Todesliebe noch verborgen. Wir lernen unsere Vergangenheit, uns selber und unsern Gott nicht verstehen, so lange uns auf Golgatha die zwei Fragen nicht beantwortet worden sind: wer bin ich? Und wer ist mein Gott? Haben wir dort vom Mann in der Dornenkrone die Antwort bekommen: Du bist ein Sünder und Gott ist die Liebe, so wird unser Auge klar für Rückblick sowohl als für Hoffnungsblick; der Herr wird uns immer größer, und wir werden immer kleiner, und Gottes ganzes Tun an uns von Anfang bis zu Ende ist uns lauter Gnade.
Ja, Du gnadenreicher Gott! Wer bin ich, und wer ist mein Haus? Es ist Dein Erbarmen nur, das mich hierher gebracht hat. Gelobet sei Dein Name! Amen