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Predigten zu 1. Timotheus 5,22
Zitate von Christoph Blumhardt anzeigen
Paulus redet so mit Timotheus. Dieser war sein treuester Sohn und Gehilfe - und doch kann sich Paulus dieser Ermahnung gegen ihn nicht enthalten, weil Timotheus noch jung war und Paulus die verderbte Natur des Menschen kannte.
Wohl hatte Timotheus die Gabe des Heiligen Geistes in so reichem Maße empfangen, daß er sie auch andern mitteilen konnte; aber wir ersehen's aus vielen Äußerungen der Apostel, daß mit dieser Gabe die Anfechtungen und Versuchungen nicht weggenommen waren. Nur durch den Geist vermochten's die Christen, Herr zu werden über die Lüste des Fleisches. Wer sich aber einer sicheren Ruhe hingab und nicht über sich wachte, nicht betete, nicht kämpfte, konnte doch noch zu Fall kommen. Darum war's immer gut, selbst zu einem Timotheus zu sagen: „Halte dich selber keusch!“ Im übrigen sollten's ja die andern auch lesen.
Bei uns sind häufig die sogenannten Gläubigen zu sicher und tun, wie wenn sie über Sünden dieser Art weit hinaus wären! Und wenn man oft nur sachte warnen will, so heißt's: „Was hältst du denn von mir? Wer wird das tun? Wie wird denn ein Christ so sein!“ Die Folge davon ist, daß viele doch tief fallen, je und je auch im Verborgenen mehr sündigen, als man allerdings bei ihnen kaum für möglich gehalten hätte. Was wird jener Tag nicht alles offenbar machen!
Aber erwägen wir's, wie väterlich ein Paulus redet, und lernen wir's ihm ab, daß wir die Jugend und jedermann geradeheraus auch ermahnen und sagen: „Halte dich selber keusch!“ Ebenso lerne die Jugend, sich's sagen zu lassen, wenn man sie warnt, so daß sie nicht empfindlich wird und es übelnimmt, wie wenn man ihr Unrechtes zutrauen könnte! Lernen wir auch warnen vor unvorsichtigem Verkehr und gefährlichem, allzu nahem Umgang unter dem Namen der Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit! Lernen wir überhaupt, niemandem zu trauen - am allerwenigsten dem, der sich selber traut und Warnungen zur Vorsicht nicht achtet! Der Feind ist listig, vergessen wir auch das nicht!
Übrigens wollen wir den Ausdruck „Halte dich selber keusch“ auch nach einer andern Seite nehmen. Paulus redet davon, daß Timotheus nicht so bald die Hände auflegen und sich nicht fremder Sünde teilhaftig machen soll. Eben insofern solle er sich „keusch“ halten. Ein Knecht des HErrn, der das Heiligste, die Gabe des Heiligen Geistes, durch unbesonnene Handauflegung auch in unreine Gefäße legen kann, hält sich „unkeusch“. Und wer mit unreinen und offenbar sündigen Menschen so brüderlich und freundschaftlich tun - und das Heiligtum wohl auch vor Säue werfen kann (Mat. 7, 6) -, der befleckt gleichsam seine Unschuld. Ebenso haben wir uns unbefleckt zu erhalten vor dem Einfluß falscher Lehren, falscher Begriffe, falscher Hoffnungen, falscher Stützen - weil es somit Gott nicht allein wäre, dem wir vertrauen und uns hingeben. Denn in der Schrift wird alle Buhlerei mit der Welt, welcherart sie sei, oder mit der Finsternis - da es auch in Abgötterei und Zauberei übergehen kann - ein „ehebrecherisches“ Wesen genannt.
Gebe der HErr, daß wir uns nach allen Seiten rein und keusch bezeigen, um nicht durch „Buhlereien“ irgendwelcher Art Schaden zu leiden! Seine Gnade helfe uns durch alle Anfechtungen und Versuchungen hindurch!