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Predigten zu 1. Mose 22,1

"Und es geschah nach diesen Dingen, dass Gott den Abraham versuchte; und er sprach zu ihm: Abraham! Und er sprach: Hier bin ich!"

Autor: Jakob Kroeker (* 1872; † 12.12.1948) wichtigster Vertreter des freikirchlichen russländischen Protestantismus
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"Nach dieser Geschichte versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich! Und Er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und gehe hin in das Land Morija und opfere ihn daselbst zum Brandopfer auf einem Berge, den Ich dir sagen werde." 1.Mose 22,1-3

Nun stand vor der Seele Abrahams Offenbarung gegen Offenbarung. Alles, was Gott bisher mit Abraham erreicht hatte, alles, worauf die Hoffnungen Abrahams sich bisher stützen konnten, schien mit diesen Worten seines Gottes umgeworfen zu werden. Wort Gottes stand gegen Wort Gottes, eine Offenbarung hob die andere auf. Das musste - und muss auch heute noch - eine auf Gottes Offenbarung eingestellte Seele in die allertiefsten innerlichen Konflikte führen. Vor den Glaubensblicken Abrahams lag eine Nacht, wie sie nicht dunkler sein konnte. Der Empfangene und Einzige, Isaak, sollte geopfert werden. Abraham sah sich trotz all der ihm gewordenen Verheißungen wieder allein stehen, wie er allein war, als er sich in Haran von Gott berufen sah. Lech-l'cha hatte Gott damals am Anfang seines Glaubenslebens zu ihm gesprochen. Er sprach es wieder, wo Abraham am Ende seines Lebens stand. Ja, wie unverständlich und voller Konflikte und Rätsel kann das Leben werden, das zwischen diesem Anfang und diesem Ende liegt.

Aber Offenbarung hebt Offenbarung niemals auf. Hat es zunächst auch den Anschein, erblickt der Glaube zunächst auch keine Lösung, sie folgt um so herrlicher und überwältigender, je unlösbarer die Situation zu sein scheint. Auch für Abraham kam die Lösung, wenn auch erst am Ende des schweren Opferweges. Der Glaube musste auch diesen Weg gehen, ohne zu sehen und ohne zu wissen, wie derselbe enden würde. Erst als er ihn ging, wurde er schließlich licht und endete mit Herrlichkeit. Erst mussten - in weit späteren Zeiten - die Priester im Glauben mit der Bundeslade in den Jordan treten, bevor die Fluten standen und Israel trockenen Weges in sein Erbe einziehen konnte. Denn nicht, was der Glaube sieht, sondern das Wort, das ihn inspiriert, ist das Geheimnis seiner Kraft.

Was Wunder, wenn die Kirche Christi je und je in Abrahams Opfer ein Vorbild auf das größte aller Opfer gesehen hat, das Jesus schlechthin Gott darbrachte. Als Er in diesem seinem Opfer erkannt wurde, wies der Gottesbote am Jordan auf Ihn hin: "Siehe, das ist Gottes Lamm!" In Jesu Leben war alles Hingabe an den Vater, alles Dienst unter den Brüdern, alles Leiden für die Welt, damit diese in Ihm den Weg zum Vater finden möchte.


Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
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Gott tat es, das heißt, seine Gnade tut es. Alles, was Gott den Seinen tut, ist Gnade. Es ist Gnade, dass der Anspruch Gottes an mich ergeht, der mich zum bewussten Entschluss nötigt und mir aufgibt, dass sich meine Liebe in freier, eigener Bewegung ihm zuwende. Es würde uns keine Versuchung zuteil werden, stünden wir nur in der Abhängigkeit von Gott. Die Sterne werden nicht versucht; sie gehen ihre Bahn in fehlloser Richtigkeit, gebunden in das ihnen gegebene Gesetz. Ich werde versucht, weil mir Gottes Gabe so gegeben ist, dass sie mein Eigentum wird. Dass sie mein eigen ist, von mir erfasst, geschätzt, als heilig erkannt und treu bewahrt, dies stellt eben die Versuchung fest, und sie wird, indem sie dies bewährt, zur Pforte für die neue Gnade. Die Schwere der Entschließung, die die Versuchung von uns verlangt, entsteht daraus, dass das göttliche Gebot die uns gegebenen Bedingungen des Lebens angreift. Nicht nur die natürliche Empfindung, auch alles, was Abraham im Verkehr mit Gott erlebt hat, macht ihm das Leben des Sohnes teuer und seine Opferung unerträglich. So muss er sich von aller, auch der reinsten und frömmsten Eigensucht, lösen, muss auf den von Gott ihm gegebenen Sohn verzichten um Gottes Willen und bewähren, dass ihm Gott mehr gilt als seine Gabe. Die Frage, die am Eingang der Geschichte Hiobs steht: dient Hiob Gott umsonst? Wird hier auch an Abraham gestellt. Dies kehrt in jeder Versuchung wieder. Sie stellt das, was uns gegeben ist, und das, was von uns gefordert wird, gegeneinander und löst uns um deswillen, was kommt, von dem ab, was hinter uns liegt. Sie fordert immer die reine Bejahung Gottes, die nicht seinen Gaben gilt, sondern ihm. Darum, weil uns die Versuchung zur reinen Liebe Gottes beruft, ist sie selbst die Offenbarung der göttlichen Liebe im selben Sinn, wie das Gebot: Du sollst Gott lieben, ein Zeugnis der Liebe Gottes ist. Es ist seine reine Liebe, die von uns die reine, ganze Liebe begehrt.

Ich bete mit Deinem Wort, Herr Jesus: Führe mich nicht in Versuchung. Ich will aber in meine Bitte kein Murren mischen. Ich gedenke der Gebrechlichkeit meines Willens und der Schwäche meiner Liebe und weiß, dass ich mich leicht nach der falschen Seite wende. Das weißt auch Du, Allwissender. Darum bist Du in die Versuchung gegangen und hast herzlich nach ihr verlangt und mit Deinem vollendeten Opfer den Vater verherrlicht, damit Du für uns der Helfer seiest dann, wenn wir versucht werden. Amen.