1) Zur Stunde düstrer Mitternacht
wenn alles schläft, mein Auge wacht,
erwäg' ich, wie die Zeit wegeilt,
die unser kurzes Leben teilt.
2) Ein Tag ist lang, wenn Schmerz und Not
wird unser hartes Wochenbrot:
wie schwer die Angst und Arbeit sei,
geht Woch' und Tag doch bald vorbei.
3) In Monat teilet sich das Jahr,
doch wird man unverhofft gewahr,
wie dieser kommt und jener weicht,
bis Jahr und Leben mit verstreicht.
4) Trau, Seele, keiner Stunde nicht!
Du weißt nicht, wenn das Leben bricht,
und nimmst doch durch die kurze Zeit
den Weg zur langen Ewigkeit.
5) Ein Tag hat sein gesetztes Ziel,
das ihm die Sonne gönnen will,
wer aber misst den langen Tag
der keinen Abend finden mag?
6) Wir schreiben nach des Monden Lauf
die Zahl der Jahreswochen auf.
Wer ist der uns zu rechnen weiß
der Woch' ohn' Ende runden Kreis?
7) Jedweder Monat hat den Schluss,
damit er sich verlieren muss:
der Monat, der nicht wechseln kann,
fängt immerdar von neuem an.
8) Kein Jahr dau'rt über seine Frist,
wenn sich der zwölfte Monden schließt,
wenn aber kommt das Jahr zum Schluss,
das alle Jahre schließen muss?
9) Es ist der Erden Weite kund,
man find des Meeres tiefen Grund,
wer weiß dies zu beschreiben, rat,
was weder Ziel noch Anfang hat.
10) In tiefster Berge finstrer Schoß
gibt sich Kristall und Silber bloß:
Vernunft forscht nicht mit Fürwitz aus
der Ewigkeit veborgnes Haus.
11) Trau, Seele, dieser Närrin nicht,
wenn sie dir hier viel Zeit verspricht,
der Weg ist kurz durch diese Zeit,
und führt zur langen Ewigkeit.