Wo hältst du dich, o Held, so lange    

1) Wo hältst du dich, o Held, so lange,
wie sehnet sich mein Herz nach dir.
Die Seele lechzet, ihr wird bange,
mein trautster Heiland komme schier:
brich an, du Glanz, du Morgensonne,
du Heidentrost, du helles Licht,
du Gott und Mensch, du Heil und Wonne,
wo du nicht bist, da lebt man nicht.

2) Die dunkle Nacht bedeckt mein Leben,
ich sitz in dicker Finsternis,
der Schatte schreckt mich, und darneben
der tote Tod trifft mich gewiss.
Ach, tausend Ach und tausend Schmerzen,
wodurch der bange Gram erwacht,
empfind ich all' in meinem Herzen,
ganz bin ich eine finstre Nacht.

3) Heb ich die Augen auf gen Himmel,
so merk ich einen Blitz darin.
Drauf kränket mich ein Angstgewimmel,
ich zweifle fast, wer ich noch bin,
so elend bin ich ohn' mein Leben,
denn, Jesu! dich, dich fühl ich nicht,
und darf die Augen nicht erheben,
weil ihnen ihre Lust gebricht.

4) Wo bist du denn, mein Freund geblieben?
Wo bist du? wo? wo bist du? du!
Ach! meine Schuld hat dich vertrieben,
doch sage mir, wo hältst du Ruh?
Erzähle mir's, was ich hier heische,
was mein beträntes Antlitz schreit,
halt, Jesus spricht: In deinem Fleische
hab' ich, o Mensch! dich mir gefreit.

5) Wie? Gottes Sohn in meinem Fleische,
o Feuer! das im Busche glimmt
und sehet kein Verderbgetäusche!
Gott, der dem Fleisch sein Sein nicht nimmt,
mein bestes Teil, du Freudenkrone!
Nun weiß ich, was mir Stärke gibt,
mein Fleisch vereint mit Gottes Sohne,
mein Jesus, der die Menschen liebt.

6) Du ist es, der Verlangen stillet,
der matte Seelen wohl erquickt,
du bist der Born, der immer quillet,
zu dem den Glaubenswunsch geschickt
die Väter, gierig deiner Gnade,
du bist der Herr, der sie erfreut,
durch dich ward ihrer Seelen Schade
geheilet und das Herz erneut.

7) Brich an, mein Lieht! auch mir zur Freude.
Brich an, mein Licht! die Tür ist auf,
du Lust im Schmerz, du Arzt im Leide,
du Sonne, wend auf mich den Lauf,
erwärme mich, und meine Leuchte
die mache du mit Glanze licht,
du süßer Lebens-Tau! befeuchte,
wenn mich des Zornes Hitze sticht.

8) Du kamest ehmals auf die Erden
und äußertest dich deiner Macht,
ein Kindlein warst du an Gebärden.
durch Muttermilch auch aufgebracht,
in Windeln lagst du eingewunden.
In eine Krippen hingelegt:
so haben Hirten dich gefunden,
durch Engelwort dazu bewegt.

9) O Herr! wie wurdst du so geringe,
du großer Sohn, so arm, so klein,
dass dich der Mutter Arm umfinge,
und trunkest ihrer Brüste Wein.
O! dass ich dich so mögen schauen,
mein Mund der hätte dir mit Lust
viel tausend Küsse sollen tauen,
aus heilig angeflammter Brust.

10) Ich freu mich an dir lieben Kinde,
mein dir gelassnes Herz kriegt Ruh.
Da ich mich dir vermählet finde,
ich spreche meiner Seelen zu.
In deinem Jesu dich ergetze,
der ohne Sünd' uns gleich geborn,
und bringet wieder alle Schätze,
die der betrübte Fall verlorn.

11) Entweichet denn, ihr Trauerklagen,
du Seufzerquelle stopfe dich,
ich habe Gott, was sollt' mich nagen?
Nicht Angst noch Not verdammet mich,
nun werd ich nimmer abgeschieden
von Jesu, der zu mir sich tut,
durch ihn genieß' ich Gottes Frieden,
Gerechtigkeit und frohen Mut.

12) Drum sei, mein Jesu! mir willkommen,
mein Schatz, mein allerhöchstes Gut!
Der du aus Lieb' hast angenommen.
O Heiland! menschlich Fleisch und Blut.
Weg, Furcht, nun kann mir nicht mehr schaden
die Hölle, Satan, Sünd' und Tod,
sein liebes Herz ist voller Gnaden,
errettet mich aus aller Not.

13) Komm, liebster Gast! komm, mein Gemüte
und Seele machen sich bereit,
du bist und bleibest mein Geblüte,
mein Fleisch und Bein in Ewigkeit,
mein Herz ist dir geschenkt zur Krippen,
o teurer Held! leg dich hinein,
ein Lob- und Danklied meiner Lippen
soll gleichsam deine Decke sein.

14) Nimm auf den aufgelebten Glauben,
wie schwach er ist, zu Windeln hin:
nicht Not, nicht Tod soll dich mir rauben,
du bleibest mein, wie ich dein bin,
so schau ich dich im Herzens-Stalle,
da du mir neu geboren bist.
Und mit der heilgen Engel Schalle
rühm ich dich, süßer Jesu Christ!

Text:
Melodie: Unbekannt