Wie alles Land des Meeres ewge Flut    

1) Wie alles Land des Meeres ew'ge Flut
umspült, umstürmt. umfäht mit Wogenarmen:
so wallt und wogt in mir die heil'ge Glut
der Liebe. jeder Pulsschlag ist Erbarmen!
Ich rufe allem Volke Tag und Nacht,
bis meiner Liebe unerschöpfte Macht
herwieder die Verlorenen gebracht,
an meinem Herzen zu erwarmen.

2) Und Viele sind's, die mir der Vater gab
und mehr noch kommen, die er mir verheißen.
Ich weide sie mit sanftem Hirtenstab,
es soll aus meiner Hand sie Niemand reißen!
Auf dem Gefilde eb'net sich die Bahn,
die wilden Kinder fernster Zonen nahn.
Die Liebe siegt! wie auch der Lügenwahn
der trotz'gen Herzen strebt zu gleißen.

3) Viel Kirchen meines Namens stehn im Chor,
wie Königinnen mit den gold'nen Kronen,
gleich hohen Domen ragen sie empor,
dass Völker unter ihrem Schatten wohnen.
Ich habe meinem Namen sie erbaut,
mein sind sie, sind mir ewig angetraut:
auf diese meine Königinnen schaut
mein Auge mit Geduld und Schonen.

4) Und größer, als der Königinnen Zahl,
umgibt mich eine Schar von Nebenfrauen.
Mein sind sie alle – Weiber meiner Wahl,
ich bin der Grund, auf dem sie sich erbauen
ob sie wie Hütten neben Dornen stehn,
mein Auge hat sie nimmer übersehn –
weil vor dem König aus und ein sie gehn,
will er auf sie in Gnaden schauen.

5) Und weiterhin – ein unzählbares Heer
von Seelen, die mein Antlitz noch nicht kennen,
die nach Erlösung schmachtend, friedeleer,
doch unbewusst in meiner Liebe brennen.
Die Jungfraun, die verborgen mir erblühn
und unerkannt in stiller Ahnung glühn:
ich will sie Alle, Alle zu mir ziehn,
bis Alle meinen Namen nennen.

6) So lieb' ich Viele, doch nur Eine Braut!
Die ewig Auserwählte ist nur Eine.
Die Ein', in der schon jetzt mein Auge schaut
die Schönheit aller andern im Vereine.
Die Eine, die mit mir die Welt besiegt,
die Eine, die an meinem Herzen liegt,
die Eine, die mir ewiglich genügt,
der Mutter liebste, die ich meine.

7) Und diese Braut – wenn sie die Töchter schaun,
dann preisen selig sie die Jubellieder,
die Königinnen und die Nebenfrau'n
sie legen ihre Kronen vor ihr nieder.
Und wie der Neid dann ewig schweigen wird,
so sammelt sich in ihr, was hier noch irrt,
und jauchzet: Eine Herde und Ein Hirt!
Ein Haupt und Eines Leibes Glieder!

8) O Sulamit, sei du die Eine Braut!
Ein heller Spiegel sei der dunklen Erde,
dass jedes Aug' in deiner Schöne schaut
das Abbild von der Einen, großen Herde.
Du bist's, die ich aus Tausenden erkor,
dir jauchzt der Engel starker Siegerchor:
so walle rüstig deinen Schwestern vor,
bis alles ich erfüllen werde.

Text:
Melodie: Unbekannt
Bibelstelle: Hohelied 6,7-8