Wer sich allhier für selig hält    

1) Wer sich allhier für selig hält
und wohlvermeint zu laben
an guten Tagen in der Welt,
wer Reichtum nur will haben,
das Herze lässt, der Erden Ratz,
den Geist ihm abestehlen,
wo Mammon ist, da ist kein Schatz, -
des Himmels wird er fehlen.

2) Er spricht ihm selber trotzig zu:
was hast du hier zu klagen?
Dir, liebe Seele, gütig tu,
dein Vorrat kann er tragen,
dein Vorrat, auf viel lange Jahr
mag nicht verzehret werden,
du lebest außer der Gefahr,
o Seligster auf Erden!

3) Die Äcker stehn voll fetter Saat,
die Kammern ungeleeret.
Die Rinder pflügen früh und spat,
von Schaden man nicht höret,
wer solchen Vorrat gibt heraus,
den Mann die Welt erhöhet.
Die Äcker preisen Hof und Haus,
wohl dem, wenn es so gehet.

4) Du Narre, heut in dieser Nacht
den Geist man abefordert,
zum Reiche wird er hingebracht,
wo Pech und Flamme lodert.
Wem wird dein großes Gut zu teil,
dass du durch Geiz erscharret?
Und doch hierbei so kurze Weil,
auf Erden hast verharret?

5) O wehe dem, der sich so freut
im Zeitlichen verwirret,
der gras nur wie der Rabe schreit
und nie mit Tauben girret.
Dies hat der Reiche hier im Brauch,
der eitle Lust nur suchet,
ein Freund der Welt, da Gott der Bauch, -
sein Ehre wird verfluchet.

6) Gedenke, Mensch, der Dürftigkeit,
denk an der Frommen Leiden,
sie darben hier in dieser Zeit,
dort wird sie Wollust weiden.
Weh aber dem, der sammelt so,
dafür er dort muss büßen,
sein Mammon, der ihn machet froh
wird ihm den Himmel schließen.

Ratz = oberdeutsch eigentliche Ratte, aber auch übertragen auf geizige, sich übermäßig ab-mühende Personen

Text:
Melodie: Durch Adams Fall ist ganz verderbt