Wenn ich mit mehr als Menschenkraft    

1) Wenn ich mit mehr als Menschenkraft,
selbst wie ein Engel, redte.
Der Jünger Jesu Wissenschaft
und Wundermacht selbst hätte
und hätte doch kein liebreich' Herz.
Was wär ich? Nur ein tönend' Erz,
nicht Jesu wahrer Schüler.

2) Gäb ich mein ganzes Eigentum
den Dürftigen und Armen
und tät es aus Begier nach Ruhm,
nicht aber aus Erbarmen.
Ja, stürzt ich mich mit Heldenmut,
gleich Märtyrern, in Feuersglut:
umsonst wär's ohne Liebe.

3) Die wahre Lieb' ist langmutsvoll,
ist freundlich und gefällig,
hilft willig, wo sie helfen soll.
Nie hart, noch ungesellig.
Sie hasset Streit und Bitterkeit,
kennt weder Eifersucht noch Neid,
tut gern, was andre freuet.

4) Sie, die nicht aufgeblasen ist,
ehrt alle, strebet, ihnen,
entfernt von Eigennutz und List,
wo sie nur kann, zu dienen.
Nie schnell zum Zorne, hört sie nicht,
was Bosheit und Verleumdung spricht,
kehrt alles gern zum Besten.

5) Sie freut sich nie des Unrechts, freut
sich bloß des Rechts, und liebet,
was wahr und gut ist, und verzeiht,
wenn jemand sie betrübet.
Sie, zum Erbarmen bald erweicht,
glaubt gern das Beste, hoffet leicht.
Kann alles Unrecht dulden.

6) Wenn endlich jede Wissenschaft,
wenn alles hier vergehet.
Wenn dort, wo Gott ein Neues schafft,
kein Stückwerk mehr bestehet,
bleibt Liebe doch nach dieser Zeit
und ist in alle Ewigkeit
des Himmels erste Tugend.

7) So gib denn Kraft, zu lieben, mir,
du Schöpfer guter Triebe!
Mein ganzes Herz gehört nur dir,
erfüll es ganz mit Liebe,
dass ich, Gott, über alles dich,
und meinen Nächsten gleich als mich,
nach Jesu Vorbild liebe.

Text:
Melodie: Es ist das Heil uns kommen her