Welch eine Stimme hör ich klingen    

1) Welch eine Stimme hör ich klingen!
War es mein Freund, der eben sprach?
Ich fasse noch nicht, was sie bringen,
die Töne, die ans Herz mir dringen,
und sinnend geh' ich ihnen nach.

2) Du bist's! mein Freund, mein liebstes Leben!
O sprich noch einmal, goldner Mund!
Dein Wort füllt mich mit leisem Beben
und lässt mein Traumgebild verschweben:
was soll ich Herr? gib es mir kund!

3) Er kommt, er kommt, er naht sich wieder!
Mein Herz begrüßt sein teures Bild.
Kaum öffne ich die Augenlider,
so blickt's von jedem Berg hernieder,
von allen Hügeln lächelt's mild.

4) Gleichwie das Reh' mit Windesschnelle
die Flur durcheilt, so naht mein Freund.
Es gleicht mein Herz ihn der Gazelle,
schnell, wie das Wort, ist er zur Stelle,
eh's noch die bange Seele meint.

5) Ist er auch fern – sein Auge findet
mich, eh' das meine ihn noch schaut.
Von frühe, bis die Sonne schwindet,
vom Abend, bis der Tag sich kündet,
harrt er auf jeden Sehnsuchtslaut.

6) Und hat er sich dem Blick verborgen,
so hält er nur verborgen Wacht.
Er hütet mich mit Hirtensorgen,
es folgt ein immer schönrer Morgen
nach jeder dunklen Tränennacht.

7) Wie Sehnsucht still die Hütt' umziehet,
drin die Geliebte schlummernd ruht,
und heimlich durch das Fenster siehet:
also ist er um mich bemühet,
mit treuer, unsichtbarer Hut.

8) O komm, mein Freund, mein Licht und Leben,
du triffst mich wach zu dieser Stund!
Dein Wort füllt mich mit tiefem Beben.
Mein Herz will gern die Antwort geben:
was soll ich Herr? gib dich mir kund!

Text:
Melodie: Unbekannt
Bibelstelle: Hohelied 2,8-9