Was trotzt der arme Mensch auf Kräften und Gelücke    

1) Was trotzt der arme Mensch auf Kräften und Gelücke,
dies alles ist der Morgenröte gleich,
dem Glücke folgt der Fall, den Kräften folgt die Krücke,
was früh dem Purpur gleicht, das macht der Abend bleich.
Ein Augenblick zerreißt die Freuden-Saiten,
und für das Lust-Haus muss man uns den Sarg bereiten.

2) Es ist ein schlüpfrig Eis, darauf wir schreiten müssen,
doch heißt der Mensch es eine Rosen-Bahn,
den Koloquinten-Saft kann oft der Wahn versüßen.
Man schaut den Nessel-Strauch für weiße Lilien an.
Wir spielen oft mit Fesseln unsrer Knochen,
und müssen in Verdruss vermeinte Perlen suchen.

3) Wir denken oftermals, der Anker vom Verstande
der leg in Grund von Eisen eingesenkt,
so schwebt er mehr als oft auf einem leichten Sande,
da ihn der schlechtste Stoß aus seinem Lager lenkt.
Vergrößrungsglas ist fast an allen Enden,
die schönsten Augen will der Selbstbetrug verblenden.

4) Wir reden insgemein von nichts als Amber-Kuchen,
wie der Jasmin sich uns zum Lager macht,
wie selbst die höchste Lust bei uns sucht Lust zu suchen,
und stete Sicherheit vor unserm Zimmer wacht,
weil Angst und Not auf uns zu Felde ziehen,
und unser festes Haus zu stürmen sich bemühen.

5) Die Röte, die uns oft auf Wang und Lippen schweben,
und man ein Pfand der guten Kräften nennt,
kann niemals Bürge sein für einem langen Leben:
wohl dem, der seinen Stand und dessen Schwachheit kennt,
Gelück und Kraft reißt leicht ein Wind danieder,
das Halleluja selbst begleiten Sterbe-Lieder.

Text:
Melodie: Unbekannt